Der Eindruck der Öffentlichkeit und das Bild in den Medien über den Lobbyismus sind mehr oder minder durchweg negativ. Schlagzeilen wie „Das gekaufte Parlament“, „Die Lobby regiert das Land“ oder auch bezogen auf die Lobbyisten „Die heimlichen Herrscher“ sind allerorts zu finden.
Gleichzeitig ist über die innere Struktur dieses Phänomens, dessen Anfänge durchaus lange zurückreichen, nicht viel bekannt. Vielfach wird diese Unkenntnis als Ursache für das schlechte Bild in der Öffentlichkeit ausgemacht. Hier ist jedoch zu klären, ob erstens dieses Bild tatsächlich einer Grundlage entbehrt und zweitens die Unkenntnis über dieses Feld nicht auch den Akteuren dienlich ist.
Gleichzeitig impliziert diese Stereotypisierung der Lobbyisten eine Homogenität, die es zu untersuchen gilt. Gibt es diese Homogenität überhaupt? Und falls das Feld doch differenzierter ist, wie ist es um den Einfluss und die Chancengleichheit der einzelnen Akteure bestellt?
Eine Annäherung an das Thema soll über die Definition des Lobbyismus stattfinden. In der Fachliteratur werden die Begriffe Lobbyismus, Lobbying und Interessenvertretung durchaus kontrovers diskutiert. Es soll versucht werden, die Argumente der Diskussion wiederzugeben und als logische Schlussfolgerung die Begrifflichkeiten zu kategorisieren. Hierzu werden nicht nur die theoretischen Grundlagen beleuchtet, stets soll die Argumentation auch an realen Akteuren und Zusammenhängen geprüft und angewandt werden.
Den Abschluss bildet schließlich ein Blick auf die innere Struktur des Lobbying. Intention hierbei ist die Klärung der oben aufgeworfenen Fragen und Probleme. Darüber hinaus sollen die vorherigen theoretischen Erkenntnisse bezüglich der Begriffsdefinition untermauert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zum Begriff Lobbyismus
2.1 Erste Definition
2.2 Interessenvertretung versus Lobbying
3. Lobbyismus im politischen System
3.1 Theoretische Grundlagen
3.2 Das Verhältnis zur Demokratie
3.3 Aktives Lobbying im Politikprozess
3.4 Zwischenfazit
4. Die innere Struktur des Lobbyings
4.1 Akteure
4.2 Adressaten
4.3 Instrumente
4.4 Methoden
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Eindruck der Öffentlichkeit und das Bild in den Medien über den Lobbyismus sind mehr oder minder durchweg negativ. Schlagzeilen wie „Das gekaufte Parlament“, „Die Lobby regiert das Land“ oder auch bezogen auf die Lobbyisten „Die heimlichen Herrscher“ sind allerorts zu finden.[1]
Gleichzeitig ist über die innere Struktur dieses Phänomens, dessen Anfänge durchaus lange zurückreichen, nicht viel bekannt. Vielfach wird diese Unkenntnis als Ursache für das schlechte Bild in der Öffentlichkeit ausgemacht. Hier ist jedoch zu klären, ob erstens dieses Bild tatsächlich einer Grundlage entbehrt und zweitens die Unkenntnis über dieses Feld nicht auch den Akteuren dienlich ist.
Gleichzeitig impliziert diese Stereotypisierung der Lobbyisten eine Homogenität, die es zu untersuchen gilt. Gibt es diese Homogenität überhaupt? Und falls das Feld doch differenzierter ist, wie ist es um den Einfluss und die Chancengleichheit der einzelnen Akteure bestellt?
Grundlage dieser Ausarbeitung bildet ein Referat, dass im Seminar „Demokratisches Regieren im Wandel“ im Sommersemester 2007 gehalten wurde. Die folgenden Ausführungen stellen die dort geschilderten Zusammenhänge dar und vertiefen diese an entscheidenden Stellen.
Eine Annäherung an das Thema soll über die Definition des Lobbyismus stattfinden. In der Fachliteratur werden die Begriffe Lobbyismus, Lobbying und Interessenvertretung durchaus kontrovers diskutiert. Es soll versucht werden, die Argumente der Diskussion wiederzugeben und als logische Schlussfolgerung die Begrifflichkeiten zu kategorisieren. Hierzu werden nicht nur die theoretischen Grundlagen beleuchtet, stets soll die Argumentation auch an realen Akteuren und Zusammenhängen geprüft und angewandt werden.
Den Abschluss bildet schließlich ein Blick auf die innere Struktur des Lobbying. Intention hierbei ist die Klärung der oben aufgeworfenen Fragen und Probleme. Darüber hinaus sollen die vorherigen theoretischen Erkenntnisse bezüglich der Begriffsdefinition untermauert werden.
2. Zum Begriff Lobbyismus
2.1 Erste Definition
Eine erste Annäherung an den Begriff des Lobbyismus gibt die Beschreibung von Peter Köppl, der das Lobbying als Aktivität von gesellschaftlichen Gruppen, Wirtschaftsverbänden und Firmenvertretungen im Vorhof der Politik und der Bürokratie versteht.[2] Diese Beschreibung ist jedoch sowohl unpräzise als auch unkritisch und bedarf einer weiteren Spezifikation.
Weitaus kritischer ist der Definitionsvorschlag von Thomas Leif und Rudolf Speth. „Lobbying ist die Beeinflussung der Regierung durch bestimmte Methoden, mit dem Ziel, die Anliegen von Interessengruppen möglichst umfassend bei politischen Entscheidungen durchzusetzen.“[3] Präzisiert wird dieser Vorschlag durch den Zusatz, Lobbying werde von Personen betrieben, die selbst nicht am Entscheidungsprozess beteiligt seien.[4]
Wie Leif und Speth selbst anmerken, lässt ihre Definition noch nicht auf eventuelle Probleme und Kontrollverluste schließen, ist jedoch als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen völlig ausreichend. Die folgenden Kapitel werden den Lobbyismus-Begriff nach und nach inhaltlich anreichern und vervollständigen. Zudem muss eine inhaltliche Differenzierung der Begriffe Lobbyismus und Lobbying erfolgen.
2.2 Interessenvertretung versus Lobbying
Die Grundlage des Lobbyismus bilden die sogenannten Interessengruppen, die verschiedene Interessen politikfähig machen. Grundsätzlich kann eine Unterteilung in zwei Bereiche vorgenommen werden. Wirtschaftsverbände, Unternehmen, Berufsvereinigungen, Gewerkschaften oder Handelskammern gehören zu den private interest groups. Die Interessen von Verbrauchern, Kindern, Rentner oder auch der Umwelt und allgemeine moralische Interessen werden hingegen von den sogenannten public interest groups vertreten. Traditionell haben private interest groups einen Vorteil gegenüben public interest groups, was hauptsächlich auf historische und finanzielle Ursachen zurückzuführen ist (Vgl. hierzu auch Kap.4.4).[5]
In der Forschung werden die Begriffe Lobbying und Interessenvertretung durchaus kontrovers diskutiert. Die Frage nach einer Unterscheidung ist strittig. Leif und Speth schlagen eine Differenzierung der Begriffe vor. Sie sehen Interessenvertretung als eine vage und unspezifische Umschreibung für Repräsentation von Interessen im politischen Raum. Lobbying hingegen gehe über den Begriff der Interessenvertretung hinaus und ziele direkt auf Beeinflussung oder Verhinderung von konkreten Gesetzesvorhaben ab. Lobbying bediene immer Einzelinteressen und habe darüber hinaus stets Projektcharakter.[6] „Lobbying erfolgt punktuell, während Interessenvertretung permanent geschieht.“[7]
Ähnlich sieht es auch Peter Köppl, der ebenfalls Lobbying als Vertretung von Einzelinteressen und Interessenvertretung als „andauernde, gesamtgesellschaftlich relevante Vertretung bestimmten Interessen, sowohl verbandsintern als auch gegenüber dem politischen System“ sieht.[8]
Iris Wehrmann widerspricht diesem Ansatz. Haben Leif und Speth Interessenvertretung noch als einen vagen Oberbegriff gesehen und Lobbying als auf Einzelinteressen spezialisierte Unterform eingeführt, so ordnet Wehrmann den Begriffen die genau konträre Bedeutung zu. „Lobbying [ist] als Chiffre für sämtliche Formen der direkten, informellen, überwiegend öffentlichen nicht unmittelbar beobachtbaren Versuche von Vertretern gesellschaftlicher Interessen, auf die Akteure des politischen Entscheidungsprozesses einzuwirken […] in der wissenschaftlichen Diskussion eingeführt.“[9] Eine Unterscheidung beider Begriffe sei weder notwendig noch sinnvoll, da einerseits punktuelles Eingreifen ohne langfristiges Knüpfen von Kontakten gar nicht möglich und andererseits langfristige Vertretung ohne permanente Konkretisierung einzelner Fragen nicht denkbar sei.[10]
Diese Feststellung impliziert allerdings, dass die auftretenden Akteure und ihre Ziele durchaus heterogen sind. Betrachtet man den Wandel der Akteure im historischen Kontext (vgl. hierzu auch Kap. 3.1 und 4.1), so lässt sich feststellen, dass die klassischen Verbände eine große Zahl von Mitgliedern vertreten und ein permanenter Prozess der Willensbildung durch interne Interessenfindung erfolgt.[11] Die zunehmende Vertretung von Einzelinteressen der Unternehmen bedarf dagegen einer anderen Bezeichnung. Hier ist der Begriff Lobbying anzusiedeln.
Es zeigt sich folglich, dass eine Begriffsunterscheidung bezüglich der Methoden und Ziele der Akteure nicht notwendig ist, jedoch eben diese Akteure selbst einer Unterscheidung bedürfen. Wehrmann schlägt schließlich selbst einen Kompromiss vor: „Sinnvoll erscheint es dagegen, den Begriff [Lobbyismus] zu reservieren als Chiffre für eine mögliche neue Qualität des Systems der Interessenvermittlung insgesamt, die sich von pluralistischen und korporatistischen Formen der Interessenvermittlung unterscheidet.“[12]
3. Lobbyismus im politischen System
3.1 Theoretische Grundlagen
Wie am Ende des vorangegangenen Kapitels angesprochen zeichnet sich eine Tendenz in der Interessenvermittlung ab, sich von pluralistischen und korporatistischen Theorien zu lösen und eine neue Qualität zu schaffen. Doch ist diese These zu halten, und wenn ja, wie vollzieht sich dieser Wandel?
Ulrich von Alemann sieht den Lobbyismus als nackte Verkörperung des Pluralismus.[13] Nach der pluralistischen Theorie wird die Gesellschaft als Ansammlung einer Vielzahl von unabhängigen und heterogenen Interessen gesehen, die sich in einem Wettbewerb um die Einflussnahme auf den Staat befinden. Wesentliche Organisationsformen sind Parteien und Verbände. Als wichtige Grundannahme gilt ein bestehendes Machtgleichgewicht zwischen den Interessengruppen. Da sich nach diesem Modell „das Gemeinwohl erst am Ende des politischen Prozesses als die Kompromisssumme der miteinander in Konkurrenz stehenden Einzelinteressen“ ergibt, hat das Lobbying seine theoretische Berechtigung als notwendiges Element der demokratischen Willensbildung. Funktionieren kann das Modell jedoch nur auf Basis eines anerkannten Wertefundaments und anerkannter Verfahrensregeln.[14] Eine bestehende Ungleichheit der Gruppen wird also ausgeblendet.
Dieser Situation trägt die korporatistische Theorie Rechnung. Nach ihr werden egoistische, interessenpolitische Forderungen durch Verhandlungen und Konsensbildung gemäßigt. Es entsteht eine institutionalisierte, langfristig orientierte Vermittlung von Interessen durch Verbände, die diese Interessen moderieren, filtern, bündeln und in den politischen Prozess einbringen. Aus diesem Grund haben die Verbände auch heute noch einen privilegierten Zugang zu den staatlichen Bürokratien.[15] Thomas von Winter fasst zusammen: „Lobbyismus wurde dabei nunmehr in der Form eines stark formalisierten verbandlichen Inputs in politische Entscheidungsprozesse wahrgenommen.“[16]
Thomas von Winter wählt den Begriff Lobbyismus in diesem Zusammenhang jedoch unglücklich, da seine Ausführungen deutlich machen, dass der moderne Staat sich im Wandel vom Korporatismus zu einer neuen Form des verstärkten Korporatismus befindet, für dessen Merkmale im Sinne Iris Wehrmanns das Konzept des Lobbyismus als Begrifflichkeit geeignet sei. „Selbst die von der Globalisierung und Internationalisierung der Politik ausgehenden Handlungszwänge haben nicht zu der von manchem vermuteten Auflösung des Korporatismus, sondern eher zu einer verstärkten Kooperation von Staat und Interessenverbänden gerade in den Politikfeldern geführt, in denen besonders starke Anpassungszwänge bestehen.“[17] „Nationale Politik hat also mit einer zunehmenden Zahl und Artenvielfalt von Akteuren zu rechnen, für deren unterschiedliche Handlungsrationalitäten, Zielorientierungen, Taktiken, Strategien und politische Gelegenheitsstrukturen das Lobbyismuskonzept eine übergreifende Perspektive bietet.“[18]
Der Wandel staatlich-korporatistischer Strukturen vollzieht sich in fünf Dimensionen. Erstens erfahren die Großinstitutionen eine Mitgliederstagnation oder einen Mitgliederschwund, der ihr Vertretungsmonopol und ihre Dominanz generell in Frage stellt. Zweitens erfolgt eine Ausdifferenzierung der Interessen innerhalb der Dachorganisationen, die die Bildung einer strategischen Koalition erheblich erschweren oder sogar gänzlich unmöglich machen. Als Konsequenz kommt es zu einer verstärkten Ausdifferenzierung der Verbände selbst und drittens schließlich zu einem eigenständigen Lobbying großer Unternehmen außerhalb der Verbände. Viertens entwickelt sich auch diese neue Lobbyingstruktur weiter und wird professionalisiert und verselbstständigt durch private Consulting-Firmen.[19]
Dieser Übergang von der dritten in die vierte Stufe markiert m.E. auch die o.g. Notwendigkeit, zwischen Interessenvertretung und Lobbying anhand der Akteure zu unterscheiden, da sich zusammen mit dieser Entwicklung eben die von Wehrmann genannte neue Qualität zeigt. (vgl. Kapitel 2.2)
Fünftens hat sich schließlich durch NGOs und Neue Soziale Bewegungen eine eigene gesellschaftliche Interessenvermittlung etabliert, die sich neuen Strategien zur Durchsetzung ihrer Interessen bedient.[20] (vgl. Kap. 4.4)
[...]
[1] Zit. nach Winter 2004: S. 761
[2] Zit. nach Wehrmann 2007: S. 38
[3] Leif/Speth 2006: S. 12
[4] Vgl. ebd.: S. 12f.
[5] Vgl. ebd.: S. 13
[6] Vgl. ebd.: S. 13f.
[7] Ebd., S. 14
[8] Zit. nach Wehrmann 2007: S. 39
[9] Ebd.: S. 39f.
[10] Vgl. ebd.: S. 40
[11] Vgl. ebd.: S. 41f.
[12] Ebd.: S. 40
[13] Zit. nach Leif/Speth 2006: S. 17
[14] Vgl. ebd.: S. 17
[15] Vgl. ebd.: S. 17f.
[16] Winter 2004: S. 762
[17] Ebd.: S. 763
[18] Ebd.: S. 765
[19] Vgl. ebd.: S. 764
[20] Vgl. ebd.: S. 764f
- Quote paper
- Markus Stuntebeck (Author), 2007, Lobbyismus in Deutschland. Eine Einführung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87378
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