Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation, hoher Arbeitslosenzahlen und grassierender Pleitewelle, befindet sich die Bundesrepublik Deutschland nunmehr in einem konjunkturellen Aufschwung. Eine verbesserte Auftragslage, aber auch lange aufgeschobene Investitionen aus den 1990igern, erfordern die Anschaffung neuer Produktionsmittel bzw. die Erweiterung be-reits vorhandener Kapazitäten. Zur Finanzierung der Investitionen nimmt der Unternehmer i. d. R. sowohl Waren- als auch Geldkredit in Anspruch. Im Gegenzug zum gewährten Kredit lassen sich die Sicherungsgeber häufig Forderungen zur Sicherung abtreten, stellen diese doch oftmals einen beträchtlichen Teil des Aktivvermögens des Unternehmens dar.
Der Kreditgeber kommt dabei im Insolvenzfall in den Genuss der abgesonderten Befriedigung, §§ 50 i. V. m. 51 Nr. 1 InsO. Trotzdem können auch die gesicherten Gläubiger nicht mit voller Befriedigung rechnen, so liegt der Wertverfall bei Forderungen bei etwa 60 %. Ferner wurde auf Grundlage einer Umfrage ermittelt, dass die Sicherheiten von Kreditinstituten ihre Forderungen zu ca. 79 % abdeckten, bei Warenlieferanten und sonstigen Gläubigern ergab sich eine Quote von 62,5 %.
Die Zahlen illustrieren das Interesse der Kreditgeber an Realisierung der ihnen bestellten Sicherheiten. Durch die gleichzeitige Inanspruchnahme von Waren- und Geldkredit durch den Unternehmer, ist im Krisenfall des Schuldners eine Konkurrenz der Sicherungsgeber bereits vorgezeichnet.
Dieser hier problematisierte Konflikt beschäftigte bereits das RG und sorgt auch noch in heutiger Zeit für einen wissenschaftlichen Disput zwischen Judikatur und Schrifttum. In der Vergangenheit heftig umstritten, teils als „wissenschaftliche Materialschlacht“ , andernorts als „täglicher Grabenkrieg“ bezeichnet, hat sich die Diskussion heute beruhigt.
Ziel der vorliegenden Arbeit soll es dabei nicht sein, möglichst viele Theorien zur Konfliktlösung vorzustellen, vielmehr soll dem geneigten Leser ein ausgewogener Blick auf Rechtsprechung, Literatur und Praxis gleichermaßen gewährt werden.
Im Hauptteil dieser Bearbeitung erfolgt zunächst eine auf das Wesentliche reduzierte Darstellung der Grundlagen zum verlängerten Eigentumsvorbehalt und der Globalzession, um den versierten Leser den Einstieg in die Problematik zu erleichtern, ohne aber näher auf die umfangreiche Kasuistik zu beiden Rechtsinstituten eingehen zu wollen.
Gliederung
A. Einleitung
B. Hauptteil
I. Allgemeine Grundlagen
1. Sicherungsabtretung
a) Allgemeines zur Sicherungszession
b) Vorauszession
aa) Generelle Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen
bb) Individualisierung der künftigen Forderung
c) Sonderformen der Sicherungsabtretung
aa) Globalzession
bb) Verlängerter Eigentumsvorbehalt
2. Interessenlage
a) Interesse des Sicherungsgebers
b) Interesse der Warenkreditgeber
c) Interesse der Geldkreditgeber
3. Kollisionslage
II. Die höchstrichterliche Rechtsprechung im Wandel der Zeit
1. Exkurs: Die mangelnde Akzeptanz des verlängerten Eigentumsvorbehalts in den 1930ern
2. Rechtsprechung des RG
3. Rechtsprechung des BGH
a) BGH-Urteil vom 25.10.1952
b) BGH-Urteil vom 30.04.1959
aa) Prioritätsgrundsatz
(1) Dogmatische Herleitung des Prioritätsgrundsatzes
(a) „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“
(b) Sonstige Erklärungsalternativen
(2) Sperrwirkung der Globalzession
bb) Vertragsbruchtheorie
(1) Verleitung zum Vertragsbruch
(2) Zusammenfassung
(3) Konkretisierung der Vertragsbruchtheorie durch nachfolgende BGH-Urteile
c) Reaktionen der Banken
aa) Verpflichtungsklausel
bb) Dingliche (Teil- ) Verzichtsklausel
cc) Schuldrechtliche Teilverzichtsklausel
dd) Zahlstellenklausel
4. Kritische Zusammenfassung der BGH-Rspr.
III. Lösungsmodelle in Literatur & Praxis
1. Meinungsspektrum in der Literatur
a) Näheprinzip & Surrogationstheorie
b) Teilungstheorien
aa) Ausgangspunkt: Teilungstheorie von Erman
bb) Teilung nach Wertquoten
cc) Zwangsteilung nach Kredithöhe
2. Poolvereinbarungen
C. Schlussgedanken
Literaturverzeichnis
Anlagen
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation, hoher Arbeitslosenzahlen und grassierender Pleitewelle, befindet sich die Bundesrepublik Deutschland nunmehr in einem konjunkturellen Aufschwung. Eine verbesserte Auftragslage, aber auch lange aufgeschobene Investitionen aus den 1990igern, erfordern die Anschaffung neuer Produktionsmittel bzw. die Erweiterung bereits vorhandener Kapazitäten. Zur Finanzierung der Investitionen nimmt der Unternehmer i. d. R. sowohl Waren- als auch Geldkredit in Anspruch. Im Gegenzug zum gewährten Kredit lassen sich die Sicherungsgeber häufig Forderungen zur Sicherung abtreten, stellen diese doch oftmals einen beträchtlichen Teil des Aktivvermögens des Unternehmens dar.[1]
Der Kreditgeber kommt dabei im Insolvenzfall in den Genuss der abgesonderten Befriedigung, §§ 50 i. V. m. 51 Nr. 1 InsO. Trotzdem können auch die gesicherten Gläubiger nicht mit voller Befriedigung rechnen, so liegt der Wertverfall bei Forderungen bei etwa 60 %.[2] Ferner wurde auf Grundlage einer Umfrage ermittelt, dass die Sicherheiten von Kreditinstituten ihre Forderungen zu ca. 79 % abdeckten, bei Warenlieferanten und sonstigen Gläubigern ergab sich eine Quote von 62,5 %.[3]
Die Zahlen illustrieren das Interesse der Kreditgeber an Realisierung der ihnen bestellten Sicherheiten. Durch die gleichzeitige Inanspruchnahme von Waren- und Geldkredit durch den Unternehmer, ist im Krisenfall des Schuldners eine Konkurrenz der Sicherungsgeber bereits vorgezeichnet.
Dieser hier problematisierte Konflikt beschäftigte bereits das RG und sorgt auch noch in heutiger Zeit für einen wissenschaftlichen Disput zwischen Judikatur und Schrifttum. In der Vergangenheit heftig umstritten, teils als „wissenschaftliche Materialschlacht“[4], andernorts als „täglicher Grabenkrieg“[5] bezeichnet, hat sich die Diskussion heute beruhigt.
Ziel der vorliegenden Arbeit soll es dabei nicht sein, möglichst viele Theorien zur Konfliktlösung vorzustellen, vielmehr soll dem geneigten Leser ein ausgewogener Blick auf Rechtsprechung, Literatur und Praxis gleichermaßen gewährt werden.
B. Hauptteil
Im Hauptteil dieser Bearbeitung erfolgt zunächst eine auf das Wesentliche reduzierte Darstellung der Grundlagen zum verlängerten Eigentumsvorbehalt und der Globalzession, um den versierten Leser den Einstieg in die Problematik zu erleichtern, ohne aber näher auf die umfangreiche Kasuistik zu beiden Rechtsinstituten eingehen zu wollen. Nach einem anschließenden Vergleich der Interessenlagen der beteiligten Rechtsträger, widmet sich der Bearbeiter sodann schwerpunktmäßig der Frage, wie der Sicherungskonflikt zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession seit seiner Entstehung bis in die Gegenwart von Literatur und Rechtsprechung behandelt wurde. Dabei werden einzelne Lösungsmodelle und Theorien vorgestellt, welche zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen entwickelt wurden
I. Allgemeine Grundlagen
Als Ausgangspunkt der vorzunehmenden Betrachtung werden zunächst die für die Kollisionsproblematik wesentlichen Grundlagen des verlängerten Eigentumsvorbehalt und der Globalzession vorgestellt.
1. Sicherungsabtretung
a) Allgemeines zur Sicherungszession
Die Sicherungsabtretung wird als die nur vorübergehend gedachte Abtretung einer Forderung oder eines sonstigen Rechts gegen einen Dritten durch den Sicherungsgeber (Zedent) an den Sicherungsnehmer (Zessionar), zur Sicherung von Forderungen definiert.[6] Der Zessionar wird primär auf die Tilgung der Forderung durch den Zedenten verwiesen und darf nur sekundär auf die zedierte Forderung bzw. deren Erlös zur Deckung seiner Ansprüche zurückgreifen, die Sicherungszession trägt somit fiduziarische Rechtsmerkmale.[7]
Gegenstand der Sicherungszession können sämtliche Forderungen und sonstigen Rechte sein, welche nach den §§ 398, 413[8] abtretbar sind. Ihre generelle Zulässigkeit ergibt sich bereits aus § 216 II, der die Existenz dieses Rechtsinstituts ausdrücklich vorsieht. Die Sicherungsabtretung ist ein, in der Wirtschaftspraxis weitläufig verbreitetes, in nahezu allen Branchen und Handelszweigen, anzutreffendes Kreditsicherungsmittel.[9] Ihre Beliebtheit erklärt sich insbesondere aus dem Umstand, dass im Gegensatz zum Pfandrecht (§ 1280) keine Anzeige an den Drittschuldner nötig ist, ferner ist der Gläubiger bei der Verwertung nicht auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen.[10]
b) Vorauszession
Im Hinblick auf die Thematik ist die Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen von besonderer Bedeutung.
aa) Generelle Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen
Die generelle Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen ist heute weitgehend anerkannt,[11] wenn auch noch nicht alle dogmatischen Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang ausgeräumt sind.[12] Dennoch ist die Vorauszession, aufgrund langjähriger Praxis, ein gewohnheitsrechtlich etabliertes Rechtsinstitut geworden.[13] Die für die Abtretung existierender Forderungen maßgeblichen Vorschriften, insb. die §§ 398ff., werden für die Vorauszession entsprechend angewendet. Eine Besonderheit der Vorauszession liegt darin, dass, entgegen dem Leitbild der §§ 398ff., der Abschlusstatbestand der Abtretung und die Forderungsübertragung als Verfügungswirkung auseinanderfallen.[14] Nach gefestigter Rspr.[15] liegt nämlich in der Abtretungsvereinbarung bereits die rechtsgeschäftliche Verfügung über die künftige Forderung. Dass die Forderung erst mit ihrer tatsächlichen Entstehung übergeht, steht dem nicht entgegen. Die Verfügungswirkung bei der Vorausabtretung sei gerade nicht Bestandteil des Abschlusstatbestandes, sondern nur deren Wirkung.
bb) Individualisierung der künftigen Forderung
Ein besonderer Problemkreis bestand in der Vergangenheit bzgl. der Bestimmbarkeit der künftigen Forderung.[16] Wie bei jeder anderen Verfügung, muss auch bei der Vorauszession, der Bestimmtheitsgrundsatz beachtet werden.
Der Bestimmtheitsgrundsatz besagt, dass ein Verfügungsakt, welcher auf unmittelbare Rechtsänderung abzielt und absolute Geltung gegenüber jedermann beansprucht, im Zeitpunkt der von den Parteien vorgestellten Vollendung des Rechtserwerbs, derart konkret sein muss, dass das Verfügungsobjekt allein anhand der Einigung bestimmt ist.[17]
Die heutige h. M. geht allerdings davon aus, dass dem Bestimmtheitserfordernis Genüge getan ist, wenn die Forderung nach Gegenstand und Umfang, im Zeitpunkt ihrer Entstehung, hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist.[18] Diese Erkenntnis bzgl. des Bestimmbarkeitserfordernisses war in Literatur und Rechtsprechung lange Zeit umstritten und wird noch Gegenstand der hiesigen Ausführungen sein. Nach heute gesicherter Ansicht muss jedenfalls im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Bestimmbarkeit zwar noch nicht gegeben sein, erforderlich ist aber eine Vertragsregelung, durch welche sich ermitteln lässt, ob eine Forderung bei Entstehung abgetreten ist oder nicht.[19]
c) Sonderformen der Sicherungsabtretung
Die Globalzession als Sicherungsmittel der Geldkreditgeber und der verlängerte Eigentumsvorbehalt als charakteristisches Sicherungsmittel der Warenkreditgeber, sind die bedeutendsten Anwendungsfälle der Sicherungsabtretung.[20]
aa) Globalzession
Von einer Globalzession spricht man, wenn eine Vielzahl oder die Gesamtheit aller Forderungen unter einer Gesamtbezeichnung abgetreten werden, bspw. alle aus dem Geschäftsbetrieb des Schuldners resultierenden gegenwärtigen und künftigen Kundenforderungen.[21] Sie ist somit keine Verlängerungsform eines bereits existenten Sicherungsmittels, sondern dem Zessionar wird auch erst mit Abtretung der ersten Forderung die erste Sicherheit verschafft.[22]
Der Sicherungsgeber hat aus Gründen der Reputation regelmäßig ein Interesse daran, die Sicherungszession gegenüber Dritten nicht zu verlautbaren, so dass die Globalzession i. d. R. als stille Zession ausgestaltet ist.[23] Der Zedent verfügt in diesen Fällen über eine Einziehungsermächtigung, kraft derer er im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs die Forderungen weiterhin in eigenem Namen einziehen kann.[24]
Zweifel bzgl. der Zulässigkeit der Globalzession aufgrund mangelnder Bestimmbarkeit bzgl. der Abtretung künftiger Forderungen bestehen nicht. Da i. d. R. sämtliche Forderungen von der Zession erfasst sein sollen, ist unproblematisch erkennbar, welche Ansprüche der Abtretung unterliegen und welche nicht.[25]
Aus der diesem Kreditsicherungsmittel immanenten Reichweite und der damit einhergehenden Beliebtheit, insb. bei den Geldkreditgebern, entwickelten sich jedoch in der Praxis spezifische Probleme, besonders trat der hier thematisierte Konflikt mit den Warenkreditgebern in Erscheinung.
bb) Verlängerter Eigentumsvorbehalt
Demgegenüber hat sich der verlängerte Eigentumsvorbehalt, besonders bei den Warenkreditgebern, als Kreditsicherungsmittel durchgesetzt. Dieses Rechtsinstitut ist dadurch gekennzeichnet, dass der Käufer, einer unter einfachem Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware, zur Weiterveräußerung bzw. Weiterverarbeitung im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb gem. § 185 I vom Vorbehaltsverkäufer ermächtigt wird.[26] Im Falle der Weiterveräußerung der Ware wird vereinbart, dass an die Stelle des verlorenen Eigentums die entstandene Kaufpreisforderung aus dem Verhältnis zum Zweitabnehmer der Vorbehaltsware treten soll.[27] Der Eigentumsvorbehalt wird also um die Kaufpreisforderung gegenüber dem Zweiterwerber „verlängert“.[28]
In Abgrenzung zur Globalzession knüpft der verlängerte Eigentumsvorbehalt somit nicht an Forderungen bzgl. eines bestimmten Personen-/Kundenkreises an, sondern bezieht sich vielmehr auf solche, die sich aus dem Weiterverkauf der Vorbehaltsware ergeben, es liegt mithin ein sachbezogener Anknüpfungspunkt vor.[29]
Um aber die Kreditwürdigkeit als Händler nicht zu beeinträchtigten, legitimiert der Vorbehaltsverkäufer den Erstkäufer auch zur Einziehung der entstehenden Kaufpreisforderung gegenüber dem Zweiterwerber.[30] Der Vorbehaltsverkäufer tritt demnach nicht in Erscheinung, der verlängerte Eigentumsvorbehalt ist ebenfalls eine stille Zession.
Wie stets bei Vorausabtretungen erlangt auch beim verlängerten Eigentumsvorbehalt die Frage nach der Bestimmbarkeit der Abtretung künftiger Forderungen besondere Bedeutung. Zu diesem Problemkreis hat sich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Eine ausreichende Individualisierung der Forderung soll grds. gegeben sein, wenn vereinbart wird, dass eine Forderung „ in Höhe des Wertes der Vorbehaltsware “,[31] resultierend aus dem Weiterverkauf der Ware durch den Vorbehaltskäufer an Dritte, an den Vorbehaltseigentümer abgetreten werden soll. Mit dem „Wert“ der Vorbehaltsware soll der zwischen Vorbehaltsverkäufer und Vorbehaltskäufer vereinbarte Preis der veräußerten Vorbehaltsware erfasst werden.[32]
Der verlängerte Eigentumsvorbehalt erfreut sich heute besonders bei Warenlieferanten großer Beliebtheit und hat eine dementsprechend erhebliche Bedeutung in Industrie und Handel erlangt, mithin ist er heute in fast jeder AGB anzutreffen.[33]
2. Interessenlage
Voraussetzung eines Konfliktes sind widerstreitende Interessen der Beteiligten. Darum werden im Folgenden zunächst die unterschiedlichen Motivationen, der am Konflikt um die Kollision von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt Beteiligten, dargestellt.
a) Interesse des Sicherungsgebers
Das Interesse des Kreditnehmers ist darauf gerichtet, trotz fehlender Eigenkapitalmittel, durch Aufnahme eines Kredits weiter investieren, produzieren bzw. konsumieren zu können. Denn aufgrund der Kreditgewährung kann der Schuldner weiter wirtschaften und daraus Erlöse erzielen, mit denen wiederum der Kredit zurückgezahlt wird.[34]
Insofern besteht Kongruenz mit den Interessen von Waren- und Geldkreditgebern: Alle Parteien sind daran interessiert, dass der Schuldner seinen Geschäftsbetrieb fortsetzen kann und dadurch seine Schulden abzahlen kann.[35] Bei der hier interessierenden Kollisionsproblematik ist zu beachten, dass das Interesse des Kreditnehmers auf die Inanspruchnahme sowohl eines Geld- als auch eines Warenkredits gerichtet ist.
Ferner hat der Kreditnehmer ein Bedürfnis nach diskreter Sicherung, da seine Reputation und Kreditwürdigkeit in der Öffentlichkeit und hinsichtlich seiner Geschäftspartner nicht beeinträchtigt werden soll.[36]
b) Interesse der Warenkreditgeber
Das Primärinteresse des Warenkreditgebers bei Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes ist auf Erhaltung seines Sicherungs- und Haftungsbestandes gerichtet. Diesem Sicherungsinteresse wird der einfache Eigentumsvorbehalt nicht gerecht, da das Eigentum des Vorbehaltsverkäufers durch Verarbeitung oder Veräußerung verloren gehen kann und mit ihm die dingliche Sicherung in der Insolvenz des Schuldners. Der Verkäufer ist daher darauf bedacht, die Gegenstände als Sicherheit zu gewinnen, die wirtschaftlich an die Stelle der Kaufsache treten. Er strebt mithin eine „dauernde Verhaftung des Sicherungsobjekts ohne Rücksicht auf seinen ‚juristischen Aggregatzustand’ an “.[37] Im Fokus des Interesses des Lieferanten steht daher der sicherungsweise Erwerb der Weiterverkaufsforderung, welche zur abgesonderten Befriedigung in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers berechtigt, §§ 50 i. V. m. 51 Nr. 1 InsO.[38]
Sekundär hat der Vorbehaltsverkäufer selbst auch ein Interesse an der Verwertung der Sicherungsware durch den Vorbehaltskäufer, dient die Verwertung doch der Förderung seines eigenen Warenabsatzes.[39]
c) Interesse der Geldkreditgeber
Auch dem Geldkreditgeber geht es bei Vereinbarung einer Globalzession in erster Linie darum, seinen gewährten Kredit durch eine möglichst umfangreiche Haftungsmasse abzusichern. Aus diesem Grund hat er ein Interesse daran, dass möglichst viele Außenstände des Zedenten der Globalzession unterliegen.[40] Weiterhin berechtigt auch die Globalzession, wie der verlängerte Eigentumsvorbehalt, zur abgesonderten Befriedigung im Fall der Insolvenz des Vorbehaltskäufers, §§ 50 i. V. m. 51 Nr. 1 InsO.[41]
Es ist somit festzustellen, dass das Interesse des Waren- als auch des Geldkreditgebers bzgl. der Schaffung einer möglichst umfangreichen Haftungsmasse einerseits und privilegierte Befriedigung durch Absonderung der gesicherten Forderung in der Zahlungskrise des Schuldners andererseits, deckungsgleich sind.
3. Kollisionslage
Dem Konflikt zwischen Waren- und Geldkreditgebern liegt regelmäßig folgende Ausgangssituation zu Grunde:
Ein Händler erhält von einer Bank ein Darlehen und sichert dieses durch Globalzession, welche sich auch auf die Forderungen erstreckt, die der Händler gegen seine Abnehmer aus Warenlieferungen künftig erwirbt. Seine Waren bezieht der Händler wiederum unter verlängerten Eigentumsvorbehalt von einem Lieferanten.
Es liegt somit eine Mehrfachabtretung der Forderung des Händlers, resultierend aus dem Weiterverkauf der Vorbehaltsware, vor. Die Forderung des Händlers aus dem Warenverkauf, wurde bereits von der Globalzession erfasst. Diese „kollidiert“ mit dem Sicherungsinteresse des Warenlieferanten, da der verlängerte Eigentumsvorbehalt ebenfalls die Kaufpreisforderung aus der Veräußerung seiner Vorbehaltsware erfasst. Daraus folgt, dass eine Kollision nicht bereits bei zeitgleichem Vorliegen von Globalzession und verlängerten Eigentumsvorbehalt beim gleichen Schuldner vorliegt, sondern vielmehr erst bei Überschneidung beider Sicherungsinstitute bzgl. derselben Forderung.[42]
Bei dem Konflikt geht es im Kern um die zwar deckungsgleichen, aber widerstreitenden Interessen konträrer Wirtschaftszweige, nämlich von Waren- und Geldkreditgebern, das heißt also von Banken und Industrie[43] und um die Frage, wem von beiden Parteien der Vorrang gebührt. Relevant wird die gesamte Streitigkeit jedoch erst, wenn das Schuldnervermögen nicht zur Befriedigung der Forderungen von Waren- und Geldkreditgebern ausreicht.
Zum sachgerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen bedarf es dabei der Beantwortung folgender Frage: Wie ist die Spannungslage zwischen mehreren Sicherungsgebern, deren konkurrierende Sicherungsrechte sich auf dasselbe Sicherungsgut beziehen, rechtlich zu beurteilen?[44]
II. Die höchstrichterliche Rechtsprechung im Wandel der Zeit
Bevor aufgezeigt wird, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung sich zu obiger Frage positionierte und sich dieser Standpunkt im Laufe der Zeit änderte, möchte der Bearbeiter zum besseren Verständnis, das Augenmerk des Lesers kurz auf die Entstehungsumstände des verlängerten Eigentumsvorbehalts in Deutschland lenken.
1. Exkurs: Die mangelnde Akzeptanz des verlängerten Eigentumsvorbehalts in den 1930ern
Das Bedürfnis nach einem Rechtsinstitut, wie dem verlängerten Eigentumsvorbehalt, entstand in der kapitalarmen Zeit nach dem 1. Weltkrieg.[45] Zunächst v. a. in Individualvereinbarungen enthalten, steigerte sich seine Bedeutung mit zunehmender Verschärfung der Finanzkrise, bis er schließlich auf den Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise[46] Anfang 1930 in nahezu jeder „Allgemeinen Lieferungsbedingung“ (ALB) anzutreffen war. Ausschlaggebend dafür war die Liquiditätsschwäche der Banken, welche eine Versorgung der Handelsunternehmen mit Geldkrediten in ausreichendem Umfang nicht mehr gewährleisten konnten.[47] Eine Kreditgewährung in Geld machte für Unternehmen in Zeiten galoppierender Inflation wegen des rasanten Wertverfalls der Währung auch keinen Sinn.
[...]
[1] Pottschmidt/Rohr, Rn. 635
[2] Gessner, S. 175
[3] Gessner, S. 176
[4] Beuthien, BB 1971, 375 [375]
[5] Lambsdorff/Skora, NJW 1977, 701 [704]
[6] Ganter in MüKo-InSo, § 51, Rn. 136; Roth in MüKo § 398 Rn. 100
[7] Wolf, Rn. 798, Serick, § 6 I 2 a
[8] §§ ohne Benennung, sind solche des BGB
[9] Ganter in MüKo-InsO, § 51, Rn. 139; Busche in Staudinger, § 398 Rn. 63; Schwab/Prütting, § 73 Rn. 846
[10] Schwab/Prütting, Rn. 846
[11] Busche in Staudinger, § 398, Rn. 63; Bülow, Rn. 1418;
[12] Busche in Staudinger, § 398, Rn. 72; Roth in MüKo, § 398, Rn. 79
[13] Medicus, BR, Rn. 494
[14] Serick, S. 86, § 3 II 2; Busche in Staudinger, § 398, Rn. 63; Bülow, Rn. 1384
[15] BGHZ 30, 238 [240]; BGHZ 88, 205 [206]
[16] vgl. unten zur Rspr. des RG
[17] Schwab/Prütting, § 4 Rn. 21 b; Wolf, Rn. 26, 27
[18] grundlegend BGHZ 7, 365 [369]; statt vieler Serick, Band IV, § 47 II 2, S. 275 m. w. N.
[19] Pottschmidt/Rohr, Rn. 643
[20] Grüneberg in Palandt, § 398, Rn. 24
[21] Roth in MüKo, § 398, Rn. 145;
[22] Serick, § 7 III 2
[23] Bülow, Rn. 1425
[24] BGHZ 283 [288]
[25] Rimmelspacher, Rn. 419; Hiemsch, S. 18
[26] Wolf, § 29 Rn. 711
[27] Honsell in Staudinger, § 455, Rn. 52
[28] Baur/Stürmer, § 59 I 4 b
[29] Serick, § 48 I 2 b, S. 347
[30] Wolf, § 29, Rn. 720
[31] so bereits Flume, NJW 1950, 841 [847]; Honsell in Staudinger, § 455, Rn. 54
[32] BGH NJW 1968, 1516 [1519]
[33] Honsell in Staudinger, § 455, Rn. 52; Schwab/Prütting, § 33, Rn. 399
[34] Wolf, Rn. 652
[35] Erman, BB 1959, 1109 [1109]
[36] Lange, NJW 1950, 565 [565]
[37] Hiemsch, S. 21
[38] Bäuerle in Braun, § 51, Rn. 20
[39] Pottschmidt/Rohr, Rn. 426
[40] auf die damit verbundene Problematik der Übersicherung wird hier nicht näher eingegangen, da sie für die Thematik nicht relevant ist
[41] Bäuerle in Braun, § 47 Rn. 51; § 51 Rn. 27
[42] Serick, BB 1960, 141 [147]
[43] Flume, NJW 1959, 913 [914]
[44] Hiemsch, S. 68
[45] Barkhausen, NJW 1949, 845 [845]
[46] Weltwirtschaftskrise von 1929 – 1931/32; Volkseinkommen in Deutschland sank in dieser Zeit um ca. 40 %; Industrieproduktion brach um ca. 43 % ein; Arbeitslosigkeit in Deutschland Höchststand von 5,6 Mio. – Quelle: Gabler Lexikon, S. 4332
[47] Fischer, NJW 1959, 366 [366]
- Arbeit zitieren
- André Lohde (Autor:in), 2007, Kollision von Globalabtretung und verlängertem Eigentumsvorbehalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87366
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