Ich habe mich für alle drei Kaiser auf vier Legitimationsbereiche beschränkt, um einen sinnvollen Vergleich und eine Erörterung ihrer Herrschaftspraxis zu ermöglichen.
Der familiäre Bereich umfasst sowohl die biologische Herkunft der Kaiser als auch Adoptivväter wie Caesar und Trajan. Inwiefern legitimierte die Familie des zukünftigen Kaisers einen Thronanspruch oder wie wurde eine solche Legitimation konstruiert?
Ein Bereich, dem man wohl von vorneherein den größten Einfluss auf die Legitimation einer Ausnahmestellung wie die eines Princeps zuspricht, ist der militärpolitische Bereich. Hier fallen nicht nur die Eroberungen des Kaisers, sondern auch der alltägliche Umgang mit den Truppen oder die Organisation des Zugriffes auf das Militär darunter. Wie sicherte ein Princeps sich die Loyalität der Truppen und welche Rolle spielten diese letztendlich für den Herrschaftsanspruch der drei hier verglichenen Kaiser?
„König von Gottes Gnaden“ ist heutzutage nicht nur einem Historiker als Ausspruch bekannt. Doch wie sah das bei Augustus, Vespasian und Hadrian in den ersten zwei Jahrhunderten des römischen Prinzipats aus? Wie konstruierten die Kaiser eine solche Legitimation der eigenen Herrschaft durch die Götter? Und welche Göttlichkeit besaß der Princeps selbst? Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie die Herrscher über dieses große Reich, dass ja fast die gesamte damalige bekannte Welt umfasste, mit den über ihnen stehenden Göttern umgingen. Inwiefern konnten sie diese in ihren Legitimationsapparat mit einbauen?
Der letzte zu behandelnde Bereich mag der komplexeste sein. Besonders bei Augustus werden im innenpolitischen Bereich zahlreiche Gewalten, Ämter und sonstige Unternehmungen zu untersuchen sein, um zu erkennen, was den jungen Octavian zum Princeps und Kaiser machte. Doch auch bei Vespasian und Hadrian darf man die Notwendigkeit einer innenpolitischen Legitimationsbasis nicht unterschätzen. Schaffte der Umgang mit dem Senat, die erhaltenen Gewalten und die Modifizierung althergebrachter Ämter und Ordnungen, eine Legitimationsbasis für das Prinzipat und inwiefern unterschied diese sich von Kaiser zu Kaiser?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Quellen
2. Die Legitimationsbereiche
2.1. Familie
2.1.1. Augustus
2.1.2. Vespasian
2.1.3. Hadrian
2.1.4. Fazit
2.2. Militär
2.2.1. Augustus
2.2.2. Vespasian
2.2.3. Hadrian
2.2.4. Fazit
2.3. Mythologisch-religiöse Legitimation
2.3.1. Augustus
2.3.2. Vespasian
2.3.3. Hadrian
2.3.4. Fazit
2.4. Innenpolitische Legitimation
2.4.1. Augustus
2.4.2. Vespasian
2.4.3. Hadrian
2.4.4. Fazit
3. Fazit
4. Literaturangaben
1. Einleitung
Die Notwendigkeit zur Legitimation seiner Macht bzw. seines Handelns war für Augustus nicht erst seit der Aufrichtung des Prinzipats notwendig. Im Rahmen der althergebrachten republikanischen Traditionen und Regeln erscheint die Karriere des jungen Octavian außergewöhnlich und eigentlich unvereinbar mit der res publica. Doch schon als junger Erbe des Julius Caesar versuchte Octavian seine große Machtakkumulation mit der Republik zu vereinbaren oder sie zumindest durch sie zu kaschieren. Die Legitimation bei Augustus ist folglich nicht nur Herrschaftslegitimation, sondern auch Machtlegitimation.
Augustus griff dabei auf verschiedene Begründungen für diese zurück. Sei es die Einbettung seiner neuen Herrschaftsstrukturen in den Scheinrahmen der Republik, die Stütze seiner Macht: Das Militär - welche er zum Großteil auch noch seiner ersten Legitimationsbasis, der Adoption durch Caesar, zu verdanken hatte - oder die Initiierung eines neuen Saeculums mit ihm in Messias ähnlicher Herrschaftsrolle. Auffällig zu beobachten ist auch, wie sich die Gewichtung und Instrumentalisierung verschiedener Legitimationen verschiebt.
Es ist jedoch gerade bei Augustus schwierig Herrschaftslegitimation abzugrenzen, da diese häufig mit Herrschaftssicherung und –aufbau gleichzusetzen ist oder zumindest große Schnittmengen mit diesen aufweist.
Ein ähnliches Problem begegnet uns auch bei Vespasian. Auch bei ihm umfasst Herrschaftslegitimation gleichzeitig und im besonderen Maße Herrschaftssicherung und –aufbau. Schließlich war es gerade für die neue Dynastie unabdingbar ein besonderes Maß auf ihre Herrschaftslegitimation zu legen, da gerade Vespasian die dynastische Rechtfertigung seiner Ausnahmestellung vollkommen fehlte.
Kein Wunder also, dass er seine militärische Position demonstrierte, sich einen religiösen Nimbus schuf und im Staatswesen unentbehrlich machte. Denn das Jahr 69 n. Chr. und die Schicksale der Kaiser Nero, Otho, Galba und Vitellius hatten ihm vor Augen geführt, was mit einem Princeps passiert, der einen oder mehrere Bereiche dieser Herrschaftslegitimation vernachlässigt.
Der als „Pazifist“ dieser drei Exempel erscheinende Hadrian mag so manchen im Nachhinein als der erste Kaiser mit einer Art mittelalterlicher Herrschaftspraxis in bestimmten Bereichen erscheinen. Gerade seine große Reisetätigkeit erinnert an die deutschen Kaiser und Könige des hohen Mittelalters. Auf Grund dieser häufigen Abwesenheit vom Machtzentrum, der Hauptstadt Rom, war es für diesen Princeps unabdingbar eine sichere Legitimationsbasis errichtet zu wissen. Da er wenig militärischen Aktionismus an den Tag legte, muss man untersuchen, wie er sich in diesem Bereich absicherte und in anderen Bereichen eventuell kompensatorische Maßnahmen betrieb, die seine Herrschaft legitimierten und sicherten.
Ich habe mich für alle drei Kaiser auf vier Legitimationsbereiche beschränkt, um einen sinnvollen Vergleich und eine Erörterung ihrer Herrschaftspraxis zu ermöglichen.
Der familiäre Bereich umfasst sowohl die biologische Herkunft der Kaiser als auch Adoptivväter wie Caesar und Trajan. Inwiefern legitimierte die Familie des zukünftigen Kaisers einen Thronanspruch oder wie wurde eine solche Legitimation konstruiert?
Ein Bereich, dem man wohl von vorneherein den größten Einfluss auf die Legitimation einer Ausnahmestellung wie die eines Princeps zuspricht, ist der militärpolitische Bereich. Hier fallen nicht nur die Eroberungen des Kaisers, sondern auch der alltägliche Umgang mit den Truppen oder die Organisation des Zugriffes auf das Militär darunter. Wie sicherte ein Princeps sich die Loyalität der Truppen und welche Rolle spielten diese letztendlich für den Herrschaftsanspruch der drei hier verglichenen Kaiser?
„König von Gottes Gnaden“ ist heutzutage nicht nur einem Historiker als Ausspruch bekannt. Doch wie sah das bei Augustus, Vespasian und Hadrian in den ersten zwei Jahrhunderten des römischen Prinzipats aus? Wie konstruierten die Kaiser eine solche Legitimation der eigenen Herrschaft durch die Götter? Und welche Göttlichkeit besaß der Princeps selbst? Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie die Herrscher über dieses große Reich, dass ja fast die gesamte damalige bekannte Welt umfasste, mit den über ihnen stehenden Göttern umgingen. Inwiefern konnten sie diese in ihren Legitimationsapparat mit einbauen?
Der letzte zu behandelnde Bereich mag der komplexeste sein. Besonders bei Augustus werden im innenpolitischen Bereich zahlreiche Gewalten, Ämter und sonstige Unternehmungen zu untersuchen sein, um zu erkennen, was den jungen Octavian zum Princeps und Kaiser machte. Doch auch bei Vespasian und Hadrian darf man die Notwendigkeit einer innenpolitischen Legitimationsbasis nicht unterschätzen. Schaffte der Umgang mit dem Senat, die erhaltenen Gewalten und die Modifizierung althergebrachter Ämter und Ordnungen, eine Legitimationsbasis für das Prinzipat und inwiefern unterschied diese sich von Kaiser zu Kaiser?
Die zahlreichen Mittel zum Aufbau solcher Bereiche der Herrschaftsberechtigung finden sich in allen Teilen wieder. Durch Baupolitik, Instrumentalisierung der plebs urbana, finanzielle Aufwendungen etc. versuchen Augustus, Vespasian und Hadrian sich und ihre Herrschaft in diesen vier Legitimationsbereichen abzusichern. Es stellt sich die Frage, ob die Gewichtung der einzelnen Bereiche dabei stets gleich blieb, oder es von Situation zu Situation und von Kaiser zu Kaiser Unterschiede gab.
1.1. Quellen
Für die erste Phase des Lebens Octavians, des späteren Augustus, gibt es zahlreiche Quellen, vor allem im Vergleich zur Phase der letzten 20-25 Jahre vor seinem Tod, für die es vergleichbar wenige Berichte gibt. In der römischen Geschichte von Cassius Dio, die Anfang des 3. Jahrhunderts geschrieben wurde,[1] findet die Bürgerkriegszeit und die Auseinandersetzung mit Marcus Antonius eine sehr ausführliche Betrachtung. Suetons Betrachtungen über Octavian in seinen Kaiserviten bergen die Schwierigkeit der zeitlichen Einordnung, da er keine chronologische Darstellung der Taten des Augustus vornimmt, sondern sie thematisch sondiert.[2]
Diese im Nachhinein geschriebenen Quellen bilden die Hauptinformationsquelle für das augusteische Prinzipat und seinem Weg zu dieser Machtposition. Hinzu kommen die autobiographischen Res Gestae, die bewusst Details der Regierung des ersten Princeps auslassen und natürlich als propagandistische Selbstdarstellung betrachtet werden muss.
Zeitgenössische Quellen sind kaum erhalten. Von Livius, der sich in der augusteischen Zeit häufig im engen Umfeld des Princeps befand und in seinen Büchern 121-142 den Aufstieg Octavians und seine Regierungszeit als Augustus beschrieb, ist für diese Zeit nur die Periochae erhalten.[3]
Kritische Historiographien sind vollständig verschwunden und können nur mühevoll aus späteren Historiographien erschlossen werden. Eine kritische Auseinandersetzung, die schon an eine Art Abrechnung mit dem ersten römischen Kaiser heranreicht, findet man lediglich bei Tacitus. In den Annales kritisiert er, dass Augustus Soldaten, Volk und Senatoren korrumpiert habe und so seine Alleinherrschaft nicht nur abgesichert, sondern ihr auf diesem Weg auch zur allgemeinen Akzeptanz verholfen habe. Dennoch ist Tacitus nicht als Republikaner zu sehen, kritisiert diese sogar. Tacitus sieht für die Monarchie keine geeignete Alternative, glaubt sogar, dass sein Ideal der Freiheit innerhalb dieser, bei einem starken Senat verwirklicht werden könne.[4]
Auch die bekannten Dichter der augusteischen Zeit, aus deren Werke man Charakteristika des augusteischen Prinzipats ableiten kann, stammen bis auf Ovid[5] alle aus der Frühzeit. Bekannt sind von diesen vor allem Vergil[6], Horaz[7] und Tibull[8].
Tacitus Historien, Suetons Teil über Vespasian, Cassius Dio und die Beschreibungen über den Jüdischen Krieg von Flavius Josephus bilden die zentrale Quellengrundlage für den Zeitraum des 4-Kaiser-Jahres und der Regierungszeit des ersten Flaviers.[9]
Für die Beurteilung Hadrians ist vor allem die Vita aus der Historia Augusta[10] entscheidend. Diese Vita gehört der allgemeinen Ansicht nach zu den verlässlicheren Lebensbeschreibungen der Historia und zeigt noch ein Schema, das mit dem Suetons zu vergleichen ist, auf. Dennoch ist sie hauptsächlich chronologisch aufgebaut und nur durch Beschreibungen, wie beispielsweise zur Diplomatie des Kaisers, unterbrochen. Trotz dieser chronologischen Vorgehensweise geht z.B. Gerhard Kerler davon aus, dass dem ersten Teil der Historia Augusta und damit auch der Hadriansvita biographische Quellen als Grundlage dienten.[11] Andreas Mehl bezeichnet die Historia Augusta als das mysteriöseste Werk der antiken Literatur und stellt ihre Glaubwürdigkeit in Frage. Gleichzeitig ordnet er sie aber in die senatorische Geschichtsschreibung ein, da sie mit der Betonung der Freiheit und Kritik Augustus den Werken Tacitus nahe stünde.[12] Zur letztendlichen Beurteilung der Glaubwürdigkeit, aber auch zur Datierung von bestimmten beschriebenen Ereignissen empfiehlt sich deshalb das Buch 69 von Cassius Dio heranzuziehen, in welchem der Grieche die Geschichte der Regierung Hadrians beschreibt. Außerdem gibt es auch bei Hadrian numismatische Belege, die zur Bestimmung herangezogen werden können.
2. Die Legitimationsbereiche
2.1. Familie
2.1.1. Augustus
Sueton beginnt seine zweite Lebensschreibung mit einer Darstellung des Geschlechts der Octavier. Aus dieser erfahren wir, dass die Familie seit langer Zeit zu den angesehensten gens der Stadt Velitrae gehört hätten und unter dem König Tarquinius Priscus in den Senat aufgenommen worden seien, um schließlich bei Servius Tullius sogar zu den Patriziern aufzusteigen. Dennoch sei die Familie früh zu den Plebejern übergelaufen und erst durch Caesar wieder ins Patriziat zurückgekehrt. Des Weiteren berichtet Sueton von einem Octavier, der am Zweiten Punischen Krieg teilgenommen habe und über die Vorwürfe des Marcus Antonius, dass die Vorfahren des Augustus wenig rühmlich gewesen seien.[13]
Der junge Octavian, eigentlich Neffe des Gaius Julius Caesar, erfährt durch das 45 v. Chr. aufgesetzte Testament des Diktators einen nie da gewesenen politischen Schub. Auch wenn beispielsweise Maria H. Dettenhofer anmerkt, dass dieses Testament keinesfalls die Begründung einer Erbmonarchie gewesen sei, die den damals 18 Jahre jungen Sohn der Attia als Nachfolger vorsah,[14] kam dem Testament für die frühe Karriere des Octavian eine Schlüsselrolle zu.
Der eigentliche Vater Octavians, Gaius Octavius, war Sueton zufolge von Kindheit an sehr reich und habe hohe Ämter in vorbildlicher Art und Weise ausgeführt. Dennoch gäbe es, und das verschweigt Sueton nicht, auch ihm gegenüber den Vorwurf, er sei eigentlich nur ein Geldwechsler gewesen, der sogar für die Bestechung von Stimmen instrumentalisiert worden sei. Er erhielt die Provinz Makedonien zur Verwaltung, wo er auf dem Weg dorthin die letzten Aufrührer des Spartakus und Catilina beseitigt habe. Auch die Verwaltung seiner Provinz habe er so vorbildlich gehandhabt, dass sogar Cicero in ihm ein Vorbild für einen Statthalter gesehen habe. Als er starb hinterließ er seiner zweiten Frau Attia eine Tochter aus erster Ehe, Octavia, sowie den Sohn Octavius und zweite Tochter Octavia. Attia war die Tochter von Marcus Attius Balbus und von der Schwester Caesars, Julia.[15] Octavian konnte also auch ohne das Testament Caesars einen familiären Hintergrund vorweisen, der ihm selbst in republikanischen Zeiten den Weg zu hohen Ämtern ermöglicht und erleichtert hätte. Sowohl seine Verbindung zum Haus der Julier als auch das hohe Ansehen des Gaius Octavius hätten ihm wohl viele Türen geöffnet und seine hohen Stellungen legitimiert. Für seine spätere Ausnahmestellung konnten sie jedoch nicht als Legitimation dienen.
Besonders zur Legitimation seiner Ausnahmestellung in jugendlichen Jahren, nach der Ermordung seines Adoptivvaters diente fast ausschließlich dessen Testament. Caesar hatte wohl besonderes Vertrauen zu dem jungen Sohn seiner Nichte gewonnen und ihn zumindest Cassius Dio zufolge bereits zu Lebzeiten wie ein Sohn behandelt: „..., lebte aber dann, nachdem er herangewachsen war, im Hause Caesars. Denn Caesar, der selbst keine Kinder hatte und große Stücke auf den jungen Mann hielt, liebte und hegte ihn und wollte ihn als Erben seines Namens, seiner Macht und Alleinherrschaft hinterlassen. (...) Aufgrund dieser Beobachtungen setzte Caesar große Hoffnungen auf ihn, nahm ihn unter die Patrizier auf und schulte ihn fürs Regieren, indem er ihn sorgfältig in allen Künsten unterwies, die ein Mann besitzen muß, der dazu bestimmt war, eine so gewaltige Macht gut und würdig auszuüben.“[16] Bei Sueton finden sich über solch enge Beziehungen zwischen dem Diktator und dem späteren Princeps keine Belege. Einzig die Teilnahme des jungen Octavius an Feldzügen Caesars und seine von Caesar geachtete Charakterstärke finden dort Erwähnung. Dass Octavius jedoch schon zu Lebzeiten in die Stellung eines Sohnes getreten sei, wird nicht erwähnt.[17] Walter Schmitthenner erörtert eine etwaige Planmäßigkeit, mit der Caeasar Octavian auf die Machtübernahme vorbereitet haben könnte. Er bilanziert jedoch, dass das Vorgehen des Diktators im Rahmen der republikanischen Tradition gesehen werden konnte und auf Grund der lückenhaften Überlieferung keine eindeutige Absicht zur Einrichtung einer Erblichkeit der Ausnahmestellung im Staat identifiziert werden könne.[18]
Das Testament des Diktators erhebt Octavius durch die postume Adoption in eine solche Nachfolgeposition. Octavius ererbte nicht nur den Namen Caesars, sondern mit ihm drei Viertel des Vermögens Gaius Julius Caesars.[19] Folglich verwundert es nicht, dass Caesars langjähriger Mitkonsul und Weggefährte, Marcus Antonius, die offizielle Anerkennung der Adoption zu verhindern versuchte.[20] Denn, so stellt auch Maria H. Dettenhofer fest, allein durch die mit dem Namen Caesars verbundenen existimatio und dem großen Klientel des toten Diktators musste Octavius zum bedeutenden Machtfaktor in der römischen Politik aufsteigen.[21] Zumal dem Testament eine Bedingung beigefügt war, die dem jungen Octavian zwar hohe finanzielle Belastungen aufbahrten, doch die Anerkennung durch die plebs urbana, einer traditionell zur Durchsetzung politischer Interessen privilegierten Bevölkerungsgruppe, sicherten.[22] Er musste jedem Mitglied der plebs urbana 300 Sesterzen auszahlen.[23]
Um sich gegen den Widerstand des Antonius zu behaupten, instrumentalisierte er sein Erbe, um diese Bevölkerungsgruppe vollends für sich zu gewinnen. So versprach er die Ausbezahlung des versprochenen Geldes, welches er schließlich zu einem Teil aus eigenen Mitteln bezahlt habe, richtete das Fest zur Vollendung des Venustempels aus und postulierte dieses genauso wie die Rache an den Mördern seines Adoptivvaters als seine persönliche Verpflichtung. Weiterhin ließ er nach dem Erscheinen eines Kometen, der als der zu den Göttern auffahrende Caesar interpretiert wurde, eine Statue seines Adoptivvaters im Venustempel aufstellen und der Monat Juli wurde nach ihm benannt. Damit war ihm, dem den Vater ehrenden Sohn, die plebs urbana wohl gesonnen und auch die Soldaten des Caesars bekannten sich, nachdem sie noch finanzielle Zuwendungen erhalten hatten, zu Octavian.[24] Das Erscheinen des Kometen und die Vergöttlichung Caesars band ihn nun auch als divus filius an Caesar, so dass István Hahn eine dreifache Bindung Octavians an seinen Adoptivvater für seine ersten politischen Erfolge verantwortlich macht: „als sein Erbe, als sein Rächer und als sein göttlicher Sohn, divi Caesaris filius.“[25] Dennoch verweist Hahn anhand einer Analyse der Gegenüberstellung des Augustus mit Romulus in Ovids Fasten „caelestem fecit te pater, ille patrem“[26] wie in der Zeit des Prinzipats die Göttlichkeit Caesars von der Göttlichkeit des Augustus abgeleitet wurde.[27] Per Gesetz war Octavian zu diesem Zeitpunkt noch nicht als offizieller Sohn Caesars legitimiert, doch wusste er, dass er dieser Legitimation bei einer entsprechenden Anerkennung durch die römischen Bürger, die Soldaten und den Klientel des verstorbenen Caesars nicht in allen Bereichen bedurfte, oder diese mit Gewissheit aufgrund des Drucks dieser Bevölkerungsgruppen folgen werde. Er legitimierte in der Zwischenzeit seine besondere Stellung über die zwar nicht gesetzliche aber öffentliche Anerkennung als Erbe und Sohn Caesars.
Dennoch verweist Maria H. Dettenhofer zurecht darauf, dass die arrogatio, die Form der Adoption, durch welche Octavian zu Caesars Adoptivsohn bestimmt worden sei, eine Bestätigung durch eine lex curiata erforderte und diese auch erst die „Qualität der Filiation, verbunden mit der Art von sakraler und charismatischer Legitimation“[28] verlieh, die Octavian zur Durchsetzung seiner zukünftigen politischen Ansprüche benötigt habe. Dies habe auch Antonius gewusst, weshalb dieser die Anerkennung zu verhindern, oder zumindest zu verzögern versuchte.[29] Octavian konnte die erforderliche lex erst nach seinem Marsch auf Rom und dem Antritt zu seinem ersten Konsulat durchsetzen.[30] Erst mit der Ausbezahlung aller Legate und der offiziellen Aufnahme in die Familie, der gens, Caesars sei Octavian zum nun unumstrittenen Erben geworden und er konnte als oberster Patron des caesarischen Klientels, seine Pflichten erfüllen.[31]
In seinem eigenen Tatenbericht erwähnt Augustus das Testament nicht, lediglich die Rache für seinen ermordeten Vater und die private Grundlage seiner Machtergreifung finden Erwähnung: „Annos undeviginti natus exercitum privato consilio et privata impensa comparavi, per quem rem publicam a dominatione factionis oppressam in libertatem vindicavi. (...) Qui parentem meum [trucidaver]un[t, eo]s in exilium expuli iudiciis legitimis ultus eorum [fa]cin[us e]t postea bellum inferentis rei publicae vici b[is a]cie.“[32]
Die erfolgreiche Rache an den Mördern des Adoptivvaters bleibt fortan neben der Vergöttlichung Caesars eine der wenigen Referenzen an den Diktator für die nächsten Jahre. Mit dem Krieg gegen Antonius erklärt er nicht nur dem ehemaligen Weggefährten und der berühmtesten Geliebten Caesars sowie dessen einzigen wahren Sohn den Krieg, sondern, wie Istvan Hahn meint, auch dem über all seine Taten schwebendem Adoptivvater. „Es war gleichzeitig ein symbolischer Bruch mit der cäsarischen Tradition (...). Diese Entwicklung, (...), hatte zum Ziel die konsequent fortschreitende Selbstbefreiung des jungen Caesar von der politischen Erbschaft des ältern, des ‚echten’ Caesar, eine (...) Herausbildung seiner eigenen politischen Persönlichkeit, die Ausgestaltung seines ‚Image’ mit neuen, von den Cäsarischen abweichenden Charakterzügen.“[33]
Diese Abgrenzung, so Hahn weiterhin, tritt schon bei den Charaktereigenschaften und Umgang mit den Soldaten hervor, die der Caesarerbe teils postulieren ließ, teils wirklich an den Tag legte.[34] Unerwähnt bleibt jedoch bei Hahn die unterschiedlichen Auffassungen bzw. Verhaltensweisen gegenüber der Familie, speziell dem Verhalten in der Ehe. Während Caesar zahlreiche Liebschaften hatte, eben auch mit verheirateten vornehmen Frauen und natürlich Königinnen, obwohl er selbst verheiratet war,[35] erließ Augustus mit den Ehegesetzen einen rechtlichen Rahmen für Sanktionen gegen eine solch ehebrecherische Lebensweise[36] und tadelte in gewisser Weise damit auch den Lebensstil seines Adoptivvaters. Natürlich stand diese Gesetzgebung vor allem im Zeichen seiner Politik und Sicherung seiner Herrschaft und richtete sich nicht vornehmlich gegen Caesar, doch verdeutlicht dieses die Unterschiedlichkeit der beiden großen Männer Roms.
Auch das Ablehnen der ihm angebotenen Diktatur und ähnlicher Vollmachten[37], ist eine Abgrenzung gegenüber Caesar und seiner politischen Vorgehensweise. Hahn geht sogar noch weiter und erörtert, die Anträge selbst seien fingiert gewesen, um öffentlich demonstrieren zu können, dass er nicht wie Caesar regieren wolle.[38] Nach 23 v.Chr. protegiert Augustus sogar alte Feinde Caesars, so dass beispielsweise Piso und Sestius, die beide Gefolgsmänner und Verehrer des Caesarmörders Brutus waren, zu Konsuln gewählt wurden.[39] Hahn zeigt weiterhin auf, dass von den 37 Konsuln, die außer Augustus in den 18 Jahren von 31 bis 14 v. Chr. diese Stellung innehatten, nicht ein früherer prominenter Caesarianer war.[40]
Selbst beim Begräbnis des Princeps war das Bild des Caesars nicht zugegen, dafür das seines Gegners Pompeius Magnus. Cassius Dio begründet dies zwar mit der Halbgott-Stellung des Adoptivvaters,[41] doch bleibt die symbolische Wirkung dieses Nicht-Vorhanden-Seins unbestritten.
Auch in der Verkündung des neuen saeculum sieht Hahn einen Schnitt gegenüber Caesar. „Der tote Caesar gehört unwiderruflich zu der vergangenen, überwundenen Zeit, ante me principem. In diesem „Augusteischen“ Geschichtsbild endet also mit Caesar die frühere, überwundene Zeit (eigentlich: das eiserne Zeitalter). (...) Das war der letzte, entscheidende Schritt dazu, den überwältigenden Schatten Caesars politisch und ideologisch völlig zu überwinden. (...) Seine Legitimierung, seine göttliche Abstammung, die von ihm geschaffene Ordnung, der Kreis seiner Mitarbeiter, der Charakter seiner Macht – das alles ist unabhängig von der Persönlichkeit Caesars.“[42]
Der Princeps legitimierte seine Ausnahmestellung folglich nur in seiner politischen Anfangsphase, in der Zeit der Konkurrenz mit Marcus Antonius und den Caesarmördern über seine Stellung als Adoptivsohn und politischer Erbe Caesars. Ohne die, durch Caesar gewonnenen, Truppen, Klientel und Geldmittel hätte der junge Octavian wohl nie zum Princeps werden können und doch grenzt er sich scheinbar in der Folgezeit seines Sieges bei Actium von seinem Adoptivvater ab und erlangt gerade so eine neue Legitimationsbasis. Die Abgrenzung von den Regierungsmethoden des Diktators Caesars erschienen wohl vielen als Bekenntnis zur Republik und führte zu zusätzlicher Anerkennung in wichtigen Kreisen. Die Legitimation in diesem Bereich geschah somit nicht vom respektvollen Sohn, der noch Jahre zuvor die Rache an den Mördern seines Vaters zur persönlichen Aufgabe machte, sondern vom Staatsmann, der in Sorge für das Volk, einen anderen Weg wählte als eben jener Vater. Eben jener Weg erforderte wohl die Abkehr vom Status eines Sohnes zum Vater, zum pater patriae.
2.1.2. Vespasian
Sueton bezeichnet das Geschlecht der Flavier als von „dunkler Herkunft“[43]. Vespasians Vorfahre Titus Flavius Petro habe als Centurio oder freiwilliger Veteran unter Pompeius gegen Cäsar gekämpft. Nachdem er aus der Schlacht von Pharsalus entkommen sei, habe er in seiner Heimat für eine Bank gearbeitet. Sein Sohn, Flavius Sabinus, habe nicht einmal den Kriegsdienst geleistet, eventuell da er gesundheitlich dazu nicht in der Lage gewesen sei. Stattdessen habe er in Asia in der Verwaltung gearbeitet und sich dort den Ruf eines redlichen Zollbeamten erworben. Weiterhin habe er bei den Helvetier ebenfalls im Bankengeschäft gearbeitet. Jener Flavius Sabinus war Vespasians Vater.[44]
Väterlicherseits kann also keineswegs von einer glanzvollen Familiengeschichte die Rede sein, die eine Bedeutung für Vespasians Aufstieg zum Kaiserthron gehabt haben könnte.
Die Vorfahren seiner Mutter, Vespasia Polla, brachten schon mehr Tradition in seine Ahnenreihe mit hinein. Die Vespasier stammten aus Nursia, wo man noch zu Lebzeiten Suetons, so zumindest der Biograph selbst, durch mehrere Denkmäler und Namensgebungen Zeuge des alten Glanz und des Alters der Familie werden konnte. Vespasians Großvater Vespasius Pollio sei dreimal Militärtribun sowie Lagerpräfekt gewesen und ihr Bruder sogar senatorischer Prätor.[45]
Doch auch diese Familiengeschichte kann keinerlei legitimatorische Funktion für eine Kaiserwürde, ja selbst für eine herausragende Stellung im Staat, gehabt haben. Es sind auch keinerlei Versuche des Kaisers Vespasian überliefert, eine solche Legitimationsbasis durch eine nachträglich konstruierte Familiengeschichte zu schaffen.[46]
„Niemals verheimlichte er seine frühere geringe Stellung, er rühmte sich sogar ihrer des öfteren. Als einmal einige Leute den Versuch machten, den Ursprung des Flaviergeschlechts auf die Gründer der Stadt Reate und auf einen Gefährten des Herkules zurückzuführen, (:..)lachte er sie ohne weiteres aus.“[47] Er zeichnete sich damit durch Bescheidenheit aus und mag so gehofft haben, sich von Vitellius, der nicht viel von Bescheidenheit gezeigt hatte, abzugrenzen und auf diese Weise Anerkennung für seine Person und die Führung seines Amtes zu erlangen, was einer Form der Legitimation gleichgekommen wäre.
2.1.3. Hadrian
Hadrians leiblicher Vater und Vetter Trajans[48], Hadrianus Afer, war Senator und Prätor und soll Cassius Dio zufolge ein Liebhaber der Künste, sowohl des Schreibens als auch der Malerei gewesen sein. Sein großer Ehrgeiz habe manchen Konkurrenten zu Fall gebracht.[49] Sein Geschlecht habe ursprünglich aus Hadria gestammt und sich zur Zeit der Scipionen in Italien niedergelassen. Zu Hadrians Zeiten waren sie in Spanien beheimatet. Nachdem Hadrians Vater schon früh verstarb, wurde er der Vormundschaft Trajans und des Ritters Caelius Attianus unterstellt.[50]
Die Umstände seiner Adoption sind umstritten. Fraglich bleibt, ob Hadrian wirklich von Trajan noch vor dessen Tod adoptiert wurde, oder ob diese Adoption nachträglich inszeniert wurde. Cassius Dio verweist darauf, dass Hadrian vom Kaiser Trajan keine besonderen Ehren zugesprochen bekommen hatte und erwähnt lediglich seine Verbindung durch die Ehe mit der Nichte Trajans als eine solche Würdigung. Eine Adoption schließt er sogar aus und spricht die Ernennung Hadrians zum Caesar und Kaiser seinem ehemaligen Vormund Attianus und vor allem der Kaiserwitwe Plotina zu. Er behauptet sogar, dass der Tod Trajans zunächst verheimlicht wurde, um die fingierte Adoption vorher bekannt geben zu können.[51] Diese Adoption war zunächst Hadrians Hauptlegitimation für seine Kaiserwürde, da sie als Nachfolgeregelung des verschiedenen Kaisers Trajan akzeptiert werden musste. Hadrian war folglich nur aufgrund dieser Adoption, fingiert oder nicht, Kaiser.
So unternahm der neue Kaiser auch alles, um sich entsprechend respektvoll wie ein Sohn gegenüber seinem Vater zu verhalten. Er lehnte ein Angebot des Senats, den bereits für Trajan bewilligten Triumph selbst zu feiern, ab und ließ stattdessen in Rom den Triumph postum für Trajan ausrichten.[52] Dietmar Kienast sieht darin das Bemühen Hadrians, sich als pietätvoller Sohn zu demonstrieren, da vielerorts Zweifel angesichts der Umstände der Adoption an seinem Herrschaftsanspruch gehegt worden seien.[53] Im Rahmen dieser Bestrebungen nahm Hadrian den Namen Traianus an, ließ seinen Vorgänger konsekrieren und errichtete ihm einen Tempel in Rom.[54] Außerdem ließ er Selinus, den Sterbeort Trajans, in Traianopolis umbenennen.[55] Der tote Kaiser wurde im Sockel der Trajanssäule, also innerhalb des pomerium, beigesetzt.[56] Dies war eine ganz besondere Ehrung und da die Entscheidung über den Ort der Beisetzung letztendlich bei Hadrian gelegen habe, habe er seinen Vorgänger dadurch endgültig zu einem Heroen erklärt, was wiederum auch ihm, seinem Adoptivsohn, zugute gekommen sei.[57]
Kienast sieht in dem Verzicht auf den Triumph und in der Beisetzung Trajans in der Säule jedoch noch einen weiteren Aspekt der hadrianischen Politik. Indem Hadrian den Triumph für den Partherfeldzug abgelehnt habe, habe sich der neue Kaiser von der Eroberungspolitk seines Adoptivvaters distanziert, die entgegengesetzt zu seiner Friedenspolitik gestanden habe.[58] Hadrian verzichtet schon 124 n.Chr. auf sämtliche Bezüge zu seinem Adoptivvater, so dass er nicht einmal mehr seinen Namen führt, sondern auf Münzen nur noch den Titel HADRIANVS AVGVSTVS prägen ließ, statt wie vorher IMP CAES TRAIAN HADRIAN OPT AVG GER DAC. Ebenso verzichtete er, wie man an dem Beispiel erkennt, auf sämtliche militärisch-expansiven Begrifflichkeiten wie die Siegestitulaturen Gemanicus oder Dacius, selbst den Titel Imperator lässt er nicht mehr drucken. Zu Beginn seiner Regierungszeit ließ er noch auf die Reversseite der Münzen PARTHIC DIVI TRAIAN AVG F PM TRP COS PP prägen, während er ab 124 nicht nur auf die Bezüge zu seinem Adoptivvater verzichte, sondern vielmehr nur noch das Zeichen für sein Konsulat COS III in die Legende aufnimmt. Thornton sieht darin nicht nur den Verzicht auf die militärischen Aspekte, sondern auch die Konstruktion einer neuen Verbindung. Die simple Legende HADRIANVS AVGVSTVS verweise auf den ersten Princeps, Augustus. Damit habe Hadrian seinem Prinzipat einen traditionellen Zug gegeben.[59] Nachdem er also seine Herrschaft als abgesichert sieht, löst er sich von seinem Adoptivvater, da die Adoption längst nicht mehr seine einzige Legitimationsbasis ist. Er gibt sie zugunsten einer Politik auf, die er in direkter Tradition augusteischer Friedens- und Reichspolitik gesehen haben möchte.
2.1.4. Fazit
Besonders auffällig sind natürlich die Parallelen zwischen Augustus und Hadrian. Für beide war eine Adoption der erste Weg zur Macht und die erste Legitimationsbasis einer Ausnahmeposition. Augustus erhält durch die Adoption das Klientel und die finanziellen Mittel des Diktators Cäsar und damit weitere Legitimation für seine Stellung, bzw. Instrumente, um sich weitere Absicherungen zu schaffen. Auch Hadrian erhält durch die Adoption Klientel und finanzielle Mittel seines Adoptivvaters, jedoch umfassen diese, da sein Adoptivvater Kaiser des römischen Reiches war, die gesamte Potenz Roms. Die Legitimationsbasis ist jedoch bei beiden die Gleiche: Die Adoption durch einen außergewöhnlichen Machthaber Roms. Gemeinsam ist auch beiden, dass sie sich deshalb in der Anfangsphase ihrer Regierung, bzw. der politischen Karriere, als respektvolle Söhne zeigen wollen. Beide ehren ihre Adoptivväter durch Feste oder wie bei Hadrian einen Triumph. Beide lassen sie ihre Vorgänger vergöttlichen und errichten ihnen Tempel, wodurch beide zu Gottessöhnen werden und auch so ihre Herrschaft sichern. Hadrian kann im Gegensatz zu Augustus auch noch die Bestattung Trajans zur Demonstration seines Respekts gegenüber seinem Vater nutzen und wenn Hahn bei Octavian eine dreifache Bindung, als Erbe, Rächer und göttlicher Sohn als Machtbasis seiner frühen politischen Erfolge definiert, kann man bei Hadrian in seiner frühen Regierungszeit eine zweifache Bindung als Erbe und göttlicher Sohn Trajans feststellen.
Offensichtlich waren Augustus und Hadrian ihr Status als Adoptivsohn und Erbe jedoch als Legitimationsbasis zu wenig oder sie setzten zu wenig Vertrauen in diese. Um so länger der Tod des Vaters zurückgelegen hätte, um so weniger hätte eine Legitimation durch respektvolles Verhalten oder dem einfachen Sohnstatus ausgereicht. Schließlich hätte es auch mit der Zeit immer weniger Menschen im römischen Reich gegeben, die den Vorgänger noch erlebt hätten. Vielleicht grenzten sich deshalb beide Principes in späteren Regierungsjahren scheinbar von ihren Vätern ab, ohne Respektlosigkeiten oder ähnliches zu offenbaren. Mit der Abgrenzung gegenüber ihren Vorgängern zeigten beide an, dass sie einen neuen Weg gehen wollten. Vespasian ließ sein Prinzipat öffentlich als Nachfolge des Prinzipats von Claudius postulieren und ging dann damit sogar noch einen Schritt weiter als Augustus und Hadrian, indem er Nero, Galba, Otho und Vitellius aus der Geschichte löschen wollte und damit klar verdeutlichte, dass unter ihm eine andere Zeit beginnen werde. Genauso postulierte Augustus sein neues Zeitalter und damit das Ende des Alten mit Cäsar. Hadrian begann eine neue Friedenspolitik und leitete mit seiner reichsweiten Baupolitik ebenfalls in vollkommener Abgrenzung zu seinem Vorgänger das Reich. Die Adoptivväter und Vorgänger verloren ihren Status als Legitimationsbasis oder behielten sie nur noch im negativen Sinne, wenn Hadrian, Vespasian und Augustus sich von ihrer Politik abgrenzten.
Die biologischen Väter und Ahnen spielten bei allen drei Principes für die Legitimation ihrer Herrschaft kaum eine Rolle. Auch wenn ein Vespasian stets seinen Respekt gegenüber seinen Ahnen, wie beispielsweise seiner Großmutter, demonstrierte, half dies lediglich einen Charakterzug des Kaisers zu propagieren, diente aber nicht zur unmittelbaren Begründung seiner herausragenden Stellung. Bei Augustus wird der biologische Vater in den Mythen um seine Geburt zum Gott Apoll oder eine Reinkarnation von diesem. Der eigentliche Vater, der zwar in den Quellen erwähnt wird, erhält gegenüber den zwei göttlichen Vätern keine Bedeutung für die Legitimation des jungen Octavians oder des späteren Augustus. Hadrians Vater findet zwar in den Quellen Erwähnung und wird auch durchaus bedeutungsvoll beschrieben, doch durch seinen frühen Tod übernehmen die Vormünder Trajan und Attius die Rolle des Vaters, so dass auch dem Vater Hadrians keine Bedeutung zukommt.
2.2. Militär
2.2.1. Augustus
Als Erbe Gaius Julius Caesars übernahm der junge Octavian nicht nur die zivilen Klienten seines Adoptivvaters, sondern auch sein militärisches Klientel. Dadurch wuchs Octavian zum bedeutendsten militärischen Machtfaktor der Republik heran.
Doch nur durch die Quantität seiner Truppen konnte Octavian seine Qualität als Feldherr, die seit jeher ungemein wichtig war, um große Ämter zu erhalten, nicht beweisen. Im Jahr 43 v.Chr. stellt Octavian seine Truppen dem Senat gegen Marcus Antonius zur Verfügung, wofür er ein propraetorisches imperium erhielt.[60] Sueton bezeichnet diesen Bürgerkrieg als den Krieg „ von Mutina “[61]. In diesem Krieg fällt der Oberbefehlshaber der Senatsarmee, Hirtius, was Octavian sein erstes offizielles Oberkommando und damit die erste militärpolitisch, legitimatorisch wichtige Position einbrachte.[62] Sueton unterscheidet noch vier weitere Bürgerkriege, an denen sich Octavian maßgeblich beteiligt hat, wobei diese stets im Zeichen der Rache für den ermordeten Adoptivvater und zur Verteidigung seiner Amtshandlungen geführt worden seien.[63] Aus den Berichten des Antonius sei Sueton zufolge hervorgegangen, dass sich Octavian in seiner Feldherrenrolle nicht beweisen konnte. Er sei sogar in der ersten, der beiden entscheidenden Schlachten gegen ihn geflüchtet „ priore Antonius fugisse eum scribit ac sine paludamento equoque post biduum demum apparuisse (…). “[64]. Dies kann jedoch auch Propaganda des Antonius gewesen sein, zumal bei Cassius Dio davon die Rede ist, dass Octavian zum Schutz des Lagers zurückblieb. Cicero zufolge habe er einen Angriff des L. Antonius auf das Lager des Hirtius abgewehrt und sich so das Imperium verdient.[65] In der zweiten Schlacht, so schreibt Sueton weiterhin, habe er sich besonders hervorgetan, indem er unter anderem einen Legionsadler, den ein schwer verwundeter Träger nicht mehr halten konnte, selbst auf die Schultern genommen habe.[66] Die Glaubhaftigkeit dieser Taten und seines vorbildlichen Verhaltens in dieser Schlacht scheint jedoch ebenfalls zweifelhaft, oder zumindest übertrieben, da, im Gegensatz zu den Geschehnissen der ersten Schlacht, Sueton seine Quelle nicht benennt, sondern lediglich durch die Anmerkung „wie hinlänglich bekannt ist“[67] kommentiert. Auch bei Cassius Dio finden sich keine Anhaltspunkte für eine herausragende Leistung des zukünftigen Princeps. Dennoch wird auch er nach der Schlacht zum Imperator ausgerufen[68] und kann somit seine ersten militärischen Erfolge vorweisen, auf die sich seine Vorrangstellung stützen kann.
Dass Octavian sich nicht stets als der große Feldherr auszeichnen konnte, kann auch seinem labilen Gesundheitszustand anzurechnen sein. Immer wieder kränkelte der spätere Princeps in den Feldlagern, so dass er nur selten seine virtus unter Beweis stellten konnte.[69]
[...]
[1] Vgl. Der Neue Pauly: Band 2. Stuttgart / Weimar 2001. S.1014f.
[2] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 11. S, 1084-1088.
[3] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 7. S.377-382.
[4] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 11. S.1209-1214
[5] Vgl. Pauly-Wissowa Real Encyclopädie. Band XVIII, 2. Stuttgart 1942. S.1910-1986.
[6] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 12, 2. S.42-59.
[7] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 5. S. 720-727
[8] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 12,1. S.538f.
[9] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 5. S.1089f.
[10] Vgl. Der Neue Pauly: Bd. 5. S.637ff.
[11] Vgl. Kerler, Gerhard: Die Außenpolitik in der Historia Augusta. Bonn 1970. S.1-9.
[12] Vgl. Mehl, Andreas: Römische Geschichtsschreibung. Stuttgart/Berlin/Köln 2001. S.147ff.
[13] Vgl. Sueton: Augustus 1f.
[14] Vgl. Dettenhofer, Maria H.: Herrschaft und Widerstand im augusteischen Principat – Die Konkurrenz zwischen Res publica und Domus Augusta. Stuttgart 2000. S.28.
[15] Vgl. Sueton: Augustus 3f.
[16] Cassius Dio: 45, 1-2,7
[17] Vgl. Sueton: Augustus 8.
[18] Vgl. Schmitthenner, Walter: Octavian und das Testament Cäsars. Eine Untersuchung zu den politischen Anfängen des Augustus. München 1973. S.6ff.
[19] Vgl. Sueton: Caesar 83.
[20] Vgl. Cassius Dio: 45, 5,3f.
[21] Vgl. Dettenhofer: S.28ff.;Auch: Schmitthenner: Octavian und das Testament Cäsars. S.89f.
[22] Vgl. Dettenhofer: S.30.
[23] Vgl. Sueton: Caesar 83, 2.; Dazu: Schmitthenner: Octavian und das Testament Cäsars. S.81ff.
[24] Vgl. Cassius Dio: 45, 7.; Dazu: Schmitthenner: Octavian und das Testament Cäsars. S.36ff.
[25] Hahn, István: Augustus und das politische Vermächtnis Caesars. In: Klio 67. 1985. S.12.
[26] Ovid: Fasten. Liber secundus, V.144.: „zum Gott mache dich dein Vater, er seinen Vater.“
[27] Hahn: S.16.
[28] Dettenhofer: S.34.
[29] Vgl. Dettenhofer: S.33f.
[30] Vgl. Cassius Dio: 46, 47, 4f.
[31] Vgl. Dettenhofer: S.35.
[32] RG 1f.: „Im Alter von neunzehn Jahren habe ich als Privatmann aus eigenem Entschluß und aus eigenen Mitteln ein Heer aufgestellt, mit dessen Hilfe ich den der Willkürherrschaft einer bestimmten Gruppe ausgelieferten Staat befreite. (...) Die meinen Vater ermordet haben, trieb ich in Verbannung, und rächte durch gesetzmäßigen Richtspruch so ihre Untat. Und als sie darauf Krieg gegen den Staat begannen, besiegte ich sie zweifach in offener Feldschlacht.“
[33] Hahn: S.12.
[34] Vgl. Hahn S.13f.
[35] Vgl. Sueton: Caesar 50-52.
[36] Vgl. Sueton: Augustus 34.
[37] Vgl. RG 5 und 6.
[38] Vgl. Hahn: S.18.
[39] Vgl. Cassius Dio: 53, 32, 4.
[40] Vgl. Hahn: S.22.
[41] Vgl. Cassius Dio: 56, 34,2.
[42] Hahn: S.27f.
[43] Sueton: Vespasian. 1.
[44] Vgl. Sueton: Vespasian 1.
[45] Vgl. Sueton: Vespasian 1.
[46] Vgl. Bengtson, Hermann: Die Flavier. Vespasian, Titus, Domitian. Geschichte eines römischen Kaiserhauses. München 1979. S.61ff.
[47] Sueton: Vespasian 12.
[48] Vgl. Historia Augusta: Hadrian 1,1.
[49] Vgl. Cassius Dio: 69, 3, 1-5.
[50] Vgl. H.A.: Hadr. 1,1-4.
[51] Vgl. Cassius Dio: 69, 1, 1-3.
[52] Vgl. H.A.: Hadr. 6, 3.
[53] Vgl. Kienast, Dietmar: Zur Baupolitik Hadrians in Rom. In: Chiron 1980. S.391f.
[54] Vgl. H.A.: Hadr. 6, 1; 19, 9.
[55] Vgl. Cassius Dio: 68, 33, 3.
[56] Vgl. Cassius Dio: 68, 16, 3.
[57] Vgl. Kienast: Baupolitik. S.392ff.
[58] Vgl. Kienast: Baupolitik. 394f.
[59] Vgl. Thornton, M.K: Hadrian and his reign. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Bd. II, Principat 2. Berlin/New York 1975. S.439ff.
[60] Vgl. Dettenhofer: S.36; vgl. Bleicken S.97f.
[61] Sueton: Augustus 9. S.14f.; vgl. Bengtson, Hermann: Untersuchungen zum Mutinensischen Krieg. In: Kleine Schriften. S.479ff.; vgl. Bleicken, Jochen: Augustus – Eine Biografie. Berlin 2000. S.108-116; Bengtson, Hermann: Kaiser Augustus. Sein Leben und seine Zeit. München 1981. S.23ff.
[62] Vgl. Bleicken: Augustus. S.115f.
[63] Sueton: Augustus 10,1. S.14f.
[64] Sueton: Augustus 10,4. S.14f.: „In der ersten – so schreibt Antonius – sei er geflüchtet und schließlich ohne Feldherrnmantel und Pferd nach zwei Tagen wieder aufgetaucht (…).“
[65] Vgl. Cicero: Phil. XIV, 28 und 37; Bengtson: Mutinensischer Krieg. S.503f.; Bleicken: Augustus. S.114.
[66] Vgl. Sueton: Augustus 10.
[67] Ebenda: „in der zweiten Schlacht hat er – wie hinlänglich bekannt ist – nicht nur die Aufgabe eines Führers sondern auch eines Soldaten erfüllt, und er soll mitten im Kampf, als der Adlerträger seiner Legion schwer verwundet war, den Adler auf seine Schultern genommen und lange getragen haben.“; Dazu: Bengtson: Mutinensischer Krieg. S.507; Bleicken: Augustus. S.116.
[68] Vgl. Cassius Dio: 46, 38, 1
[69] Vgl. Sueton: Augustus 13,1 S.18f.
- Quote paper
- Kevin Loock (Author), 2008, Herrschaftslegtimation in der römischen Kaiserzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87308
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