“Parthos trium exercitum Romanorum spolia et signa reddere mihi supplicesque amicitiam populi Romani petere coegi.” – Die Parther zwang ich, mir Legionsadler und Feldzeichen dreier römischer Heere zurückzugeben und flehend die Freundschaft des römischen Volkes von mir zu erbitten.
Kurz und schlicht, in einem Satz handelt Augustus, der Princeps des Römische Reiches die Rückgabe der von den Parthern eroberten Feldzeichen in seinem eigenen Tatenbericht ab. Die politische Bedeutung dieses Erfolges lässt sich kaum aus dieser Stellungnahme ablesen. Aber schon der nächste Satz seines Tatenberichtes lässt mehr ahnen: „Ea autem signa in penetrali, quod est in templo Martis Ultoris, reposui.“ – Diese Feldzeichen aber ließ ich im Innersten des Mars-Ultor-Tempels wiederaufstellen.
Es wurden diese Feldzeichen also an zentraler Stelle nicht irgendeines, sondern des Mars-Ultor-Tempels aufgestellt, dem Tempel, der das außenpolitische Zentrum Roms, und damit das Zentrum der damals bekannten Welt bildete. Seltsam, dass eine Tat, die so herausragend ist, dass ihr an solch bedeutungsträchtiger Stelle gedacht wird, in Augustus Tatenbericht so kurz zusammengefasst wird. Keine Rede von geschlagenen Armeen oder eingenommenen Städten, wie wir sie dort an anderen Stellen finden.
Die Erklärung ist einfach: Es gab keine geschlagenen Armeen, es gab auch keine eingenommenen Städte. Doch das erreichte Ziel, die zuvor von Crassus und Antonius verlorenen Feldzeichen zurückzuerhalten, war vollkommen ausreichend. Es war Voraussetzung für einen Mythos, das Startsignal für das Goldene Zeitalter.
Eines der wichtigsten Zeugnisse augusteischer Kunst, die Panzerstatue des Augustus von Primaporta kann uns Aufschluss darüber geben, in welchem Zusammenhang die außenpolitischen Erfolge in Parthien mit dem neuen Staatsmythos vom „Goldenen Zeitalter“ stehen. Dieses Kunstwerk ist Gegenstand dieser Arbeit. Anhand dessen soll gezeigt werden, wie Geschichte und Mythos im augusteischen Rom miteinander verwoben werden.
Inhaltsangabe
1. Einleitung
1.1. Vorwort
1.2. Forschungsstand
2. Rom, Parthien und Feldzeichen
3. Die Panzerstatue von Primaporta
3.1. Der Fundort
3.2. Klassifikation und Ikonographie
3.3. Der Brustpanzer
3.4. Gesamtdeutung
3.5. Datierung
3.6.Kopie oder Original
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Vorwort
“Parthos trium exercitum Romanorum spolia et signa reddere mihi supplicesque amicitiam populi Romani petere coegi.” – Die Parther zwang ich, mir Legionsadler und Feldzeichen dreier römischer Heere zurückzugeben und flehend die Freundschaft des römischen Volkes von mir zu erbitten.[1]
Kurz und schlicht, in einem Satz handelt Augustus, der Princeps des Römische Reiches die Rückgabe der von den Parthern eroberten Feldzeichen in seinem eigenen Tatenbericht ab. Die politische Bedeutung dieses Erfolges lässt sich kaum aus dieser Stellungnahme ablesen. Aber schon der nächste Satz seines Tatenberichtes lässt mehr ahnen: „Ea autem signa in penetrali, quod est in templo Martis Ultoris, reposui.“ – Diese Feldzeichen aber ließ ich im Innersten des Mars-Ultor-Tempels wiederaufstellen.[2]
Es wurden diese Feldzeichen also an zentraler Stelle nicht irgendeines, sondern des Mars-Ultor-Tempels aufgestellt, dem Tempel, der das außenpolitische Zentrum Roms, und damit das Zentrum der damals bekannten Welt bildete. Seltsam, dass eine Tat, die so herausragend ist, dass ihr an solch bedeutungsträchtiger Stelle gedacht wird, in Augustus Tatenbericht so kurz zusammengefasst wird. Keine Rede von geschlagenen Armeen oder eingenommenen Städten, wie wir sie dort an anderen Stellen finden.
Die Erklärung ist einfach: Es gab keine geschlagenen Armeen, es gab auch keine eingenommenen Städte. Doch das erreichte Ziel, die zuvor von Crassus und Antonius verlorenen Feldzeichen zurückzuerhalten, war vollkommen ausreichend. Es war Voraussetzung für einen Mythos, das Startsignal für das Goldene Zeitalter.
Eines der wichtigsten Zeugnisse augusteischer Kunst, die Panzerstatue des Augustus von Primaporta kann uns Aufschluss darüber geben, in welchem Zusammenhang die außenpolitischen Erfolge in Parthien mit dem neuen Staatsmythos vom „Goldenen Zeitalter“ stehen. Dieses Kunstwerk ist Gegenstand dieser Arbeit. Anhand dessen soll gezeigt werden, wie Geschichte und Mythos im augusteischen Rom miteinander verwoben werden.
1.2. Forschungsstand
Am 20. April des Jahres 1863 wurde der Augustus von Primaporta in der Nähe Roms entdeckt. Bereits vier Tage später konnte Wilhelm Henzen, der zum Zeitpunkt der Entdeckung den Posten des Sekretars des Instituto di Correspondenza Archeologica innehatte, eine umfassende Beschreibung und eine Interpretation des Fundstückes der Öffentlichkeit bekannt geben.[3] Henzens schnelle Bearbeitung dieses sensationellen Fundes ist allerdings wenig charakteristisch für dessen Forschungsgeschichte. Eine Unzahl von Wissenschaftlern hat sich seitdem diesem Thema gewidmet. Gut hundert Jahre nach dem Fund zählt der Archäologe Hans Jucker bereits 120 Stellungnahmen.[4] Seitdem sind weitere 40 Jahre vergangen und noch immer gibt es keine einstimmige Forschungsmeinung. Die Beschäftigung mit dieser Statue scheint kein Ende nehmen zu wollen.
In Bearbeitungen des Themas werden stets Rechtfertigungen für die erneute Wiederaufnahme dieses populären Themas aufgeführt. Stets wird gefragt, ob eine weitere Bearbeitung nicht überflüssig sein könnte[5], ob man nicht resignieren müsse[6] oder ob eine weitere Bearbeitung nicht vielleicht Skepsis hervorrufe[7], und stets sieht man sich trotzdem weiterhin veranlasst, zu erklären, zu vergleichen und schlusszufolgern, um Schritt für Schritt voranzukommen. Daraus möchte auch ich schließen, das eine Bearbeitung dieses Themas trotz unzähliger Veröffentlichungen nicht überflüssig ist, sondern sich gerade aus den vielen verschiedenen Meinungen die Erfordernis ergibt, sich weiter mit der Panzerstatue von Primaporta auseinanderzusetzen.
2. Rom, Parthien und Feldzeichen
Wie oben bereits erwähnt, entsprach der Pathos, der die Wiedererlangung der Feldzeichen von den Parthern begleitete, nicht unbedingt den tatsächlichen historischen Begebenheiten. Diese sollen hier kurz beschrieben werden:
Im Sommer 54 v. Chr. überschritt der Triumvir Crassus – in der Heimat aus Mangel an militärischen Erfolgen Caesar und Pompeius an Ansehen unterlegen – den Euphrat, der die bis dahin von beiden Seiten akzeptierte Grenze der Interessenssphären zwischen Römern und Parthern markierte. Der ohne Anlass und Kriegserklärung erfolgte Feldzug war zunächst erfolgreich, endete aber, nachdem Crassus sich während des Winters mit seinen Legionen nach Syrien zurückgezogen hatte, im Frühjahr des Jahres 53 in einer totalen Niederlage der Römer. Den Parthern fielen bei Carrhae neben 10.000 römischen Geiseln die ersten römischen Feldzeichen in die Hände. Größere Eroberungen der Parther, die sich erfolgreich der römischen Invasion widersetzt hatten, folgten im Anschluss an dieses Ereignis nicht.[8]
Ein knapp zehn Jahre später von Caesar geplanter Rachefeldzug gegen die Parther scheiterte 44 v. Chr. schlicht an dessen Ermordung. In den Wirren der anschließenden Bürgerkriege schickte der Republikaner Cassius und frühere Quästor des Crassus in der Funktion des römischen Oberbefehlshabers in Syrien einen Unterhändler zu den Parthern für Bündnisverhandlungen gegen die neuen Triumvirn. Dieser Unterhändler namens Quintus Labienus kehrte nach der Niederlage der Republikaner – vermutlich aus Angst vor politischen Gegnern – nicht von dort zurück. Stattdessen gehörte er dann, als 41/40 ein Großangriff der Parther erfolgte, zu deren Heerführern, wobei dessen genaue Rolle ungeklärt ist – Raum für Spekulationen. Jedenfalls liefen zunächst viele römische Soldaten zu ihm über, bevor sein Teil des parthischen Heeres von einem Unterführer des Antonius besiegt werden konnte.
Etwa drei Jahre später bot Antonius den Parthern Frieden an unter der Bedingung der Herausgabe der römischen Feldzeichen und der Gefangenen. Dieses (möglicherweise als Täuschung gedachte) Friedensangebot wurde abgelehnt, woraufhin ein von Octavian und Antonius geplanter Feldzug begann, der trotz des diesmal vielfach größeren Heer als beim Feldzug des Crassus ebenfalls fehlschlug und ebenfalls zu vielen Toten auf römischer Seite führte.[9]
Die in den folgenden Jahren von schlechter Stimmung bezüglich der Parther erfüllte öffentliche Meinung und die innenpolitische Symbolkraft eines erfolgreichen Vorgehens gegen die Parther, führten dazu, dass Octavian, mittlerweile alleiniger Princeps und Augustus genannt, im Jahre 20 v. Chr. wieder aktiv wurde: In dem an Parthien angrenzenden Armenien sollte mit römischer Unterstützung der Bruder des dortigen romfeindlichen Königs Artaxes an dessen Stelle eingesetzt werden. Es war vermutlich die aus dieser Einmischung resultierende unsichere Lage in Armenien, die dann zur Einwilligung in die römischen Forderungen nach Rückgabe der Feldzeichen und Geiseln durch den parthischen König Phraates IV. geführt hat, der ansonsten zwei Gegner hätte fürchten müssen. Außerdem kam es nun zu einem formlosen Friedensvertrag einschließlich der beiderseitigen Anerkennung der Euphratlinie.
Was dann bei den Römern als überwältigender Erfolg gefeiert wurde und zu einem „Gefühl der politischen und kulturellen Überlegenheit den Parthern gegenüber“[10] führte, war in Wahrheit also ein gegenseitiges Entgegenkommen und die Wiederherstellung des Zustandes von 54 v. Chr.[11] Auch nachdem Phraates kniend und flehend die Freundschaft der Römer erbettelt haben soll[12], stand das Reich der Parther den Römern als „unabhängiger und [...] gleichberechtigter Staat“[13] gegenüber.
Nun war die Wahrnehmung in der römischen Öffentlichkeit eine ganz andere. Das gegenseitige Entgegenkommen der zwei Mächte wurde in mythischer Überhöhung zu einem glorreichen Sieg des Augustus stilisiert. Die Panzerstatue von Primaporta, die nun untersucht werden soll, ist Ausdruck dieses Mythos.
3. Die Panzerstatue von Primaporta
3.1. Der Fundort
Etwa 15 Kilometer nördlich von Rom, in der Ortschaft Primaporta wurde in den 1830er Jahren die Villa der Livia wiederentdeckt. Hier stand der Hain, an dem die römischen Kaiser die Lorbeeren zu ihren Triumphen schnitten und neuen Lorbeer pflanzten. Die passende Legende wurde uns von Plinius und Sueton überliefert[14]: Livia, der Gemahlin des Augustus fiel an dieser Stelle ein weißes Huhn in den Schoß, das von einem Adler fallengelassen wurde und in seinem Schnabel einen Lorbeerzweig trug. Die Auguren bestimmten nach diesem seltsamen Vorfall, dass die Samen des Lorbeers dort eingepflanzt werden sollte und dass sich dort außerdem um das Huhn und dessen Nachkommenschaft gekümmert werden sollte. So erhielt der kaiserliche Landsitz seinen Namen: villa ad gallinas albas – Villa zu den weißen Hennen.[15]
In diesem Landsitz wurde die Augustusstatue am 20. April 1863 entdeckt, dort hat sie einst gestanden, möglicherweise in einer großen Gartenterrasse, in der auch der berühmte Lorbeer wuchs.[16]
3.2. Klassifikation und Ikonographie
Bei der Statue aus der Villa der Livia handelt es sich – der Begriff wurde hier schon häufig verwendet – um eine Panzerstatue. Von dieser ursprünglich griechischen Gattung von Statuen sind uns aus dem alten Rom mehr als 500 erhalten geblieben. Sie stehen im Gegensatz zu den rein römischen Togastatuen, die sich in Rom und auch bei Augustus noch größerer Beliebtheit erfreuten.[17]
Vor allem wegen des aussagekräftigen Panzerreliefs gilt die Augustusstatue von Primaporta als eines der wichtigsten Funde augusteischer Kunst. Auch der Kopf dieser Statue ist von Bedeutung und gibt einem der drei Hauptgattungen der augusteischen Porträttypen den Namen, dem Typus Primaporta.[18]
Die gesamte Gestalt ist einem griechischem Vorbild (allerdings keiner Panzerstatue) nachempfunden, und zwar dem Doryphoros des griechischen Bildhauers Polyklet. Spätestens die Römer setzten Doryphoros mit Achill, dem strahlenden griechischen Helden gleich. Dieses Zitat eines griechischen Kunstwerk ruft dem Betrachter also Achill ins Gedächtnis, der nun in Augustus seine Entsprechung findet. Ansonsten unterscheiden sich die Statuen allerdings stark voneinander. Offensichtlich ist Augustus nicht nackt dargestellt, stattdessen zwar barfuß, aber mit Rüstung und Paludamentum.[19] Außerdem ist die Augustusstatue viel statischer konzipiert. Von der fließenden Bewegung des Doryphoros bleibt nichts übrig[20]: Der rechte Arm des Augustus ist in die Höhe gestreckt, der des Doryphoros baumelt eher lässig hinab, die Beugung des rechten Armes ist viel stärker. Die Füße des Augustus stehen weiter auseinander. „Anders als beim Doryphoros ist [sein] nächster Schritt undenkbar, der vorige ist es ebenso.“[21]
[...]
[1] Augustus, Res Gestae, 29. Übers. v. M.R.
[2] Ebd.
[3] Vgl. Heinz Kähler: Die Augustusstatue von Primaporta. Köln 1959 (Monumenta Artis Romanae 1). S. 7.
[4] Vgl. Hugo Meyer: Kunst und Geschichte. Vier Untersuchungen zur antiken Historienkunst. München 1983. S. 123.
[5] Vgl. Kähler,
[6] Vgl. Meyer,
[7] Vgl. Erika Simon: Altes und Neues zur Statue des Augustus von Primaporta (Originalbeitrag 1983). In: Gerhard Binder (Hg.): Saeculum Augustum III. Kunst und Bildersprache. Darmstadt 1991 (Wege der Forschung 632). S. 204-233.
[8] Vgl. Klaus Schippmann: Grundzüge der parthischen Geschichte. Darmstadt 1980 (Grundzüge 39). S. 33-39.
[9] Vgl. Schippmann, S. 41-45.
[10] Schippmann, S. 47.
[11] Vgl. ebd., S. 46f.
[12] Vgl. u.a. Horaz, epist. I, 12, 25-29 u. Augustus, Res Gestae, 29.
[13] Schippmann, S. 48.
[14] Vgl. Plinius, 15, 136f. u. Sueton, Galba 1.
[15] Vgl. Simon 1959, S. 3f.
[16] Vgl. Kähler, S. 27. Kähler gibt eine sehr genaue Beschreibung des Fundortes und rekonstruiert anhand dessen einen sehr präzisen Standort für die Statue. Dieser bleibt allerdings hypothetisch. Vgl. ebd. u. S. 7-11.
[17] Vgl. Simon 1983. S. 206.
[18] Vgl. Dietrich Boschung: Die Bildnisse des Augustus. Berlin 1993 (Das römische Herrscherbild 2). S. 180. Boschung gibt eine sehr präzise Beschreibung des Kopfes, auf die aber an dieser Stelle nicht genauer eingegangen werden muss. Vgl. Boschung, S. 179f. Teilweise wird auch statt des Begriffs Primaportatypus der neutralere Begriff Haupttypus verwendet, da die Panzerstatue von Primaporta letztendlich nicht das Urbild dieses Bildnistypus darstellt. Vgl. Simon 1983, S. 206.
[19] Unter dem Panzer ist bei Schultern und Knien auch eine Tunika sichtbar. Oberschenkel und Schultern sind außerdem mit den sogenannten Pteryges verdeckt. Vgl. Helbig, S. 314ff.
[20] Vgl. Kähler, S. 13.
[21] Kähler, S. 13. Ähnlich Groß, S. 150.
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