Der Conceptualizer vs. die Zentrale Kontrolle

Ein Vergleich zweier Sprachproduktionsmodelle


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Modelle der Sprachproduktion

2. Die konzeptuelle Ebene im Sprachproduktionsmodell von Levelt
2.1 Makroplanung
2.1.1 Selektion
2.1.2 Linearisierung
2.2 Mikroplanung

3. Die konzeptuelle Ebene in der Mannheimer Regulationstheorie der Sprachproduktion von Herrmann und Grabowski
3.1 Die Zentrale Kontrolle
3.1.1 Der Fokusspeicher
3.1.2 Die Zentrale Exekutive
3.1.2.1 Selektion der Fokusinformation
3.1.2.2 Aufbereitung der Fokusinformation
3.1.2.3 Linearisierung der Fokusinformation
3.2 Die Hilfssysteme

4. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Sprachproduktion ist ein Teilgebiet der Psycholinguistik und gilt im Vergleich z.B. zur Sprachrezeption als ein relativ unterentwickeltes Forschungsgebiet. Dies hängt damit zusammen, dass die kognitiven Vorgänge, die bei der Produktion von Sprache eine Rolle spielen, sich experimentell nur schwer erforschen lassen. Sprachliches Planen ist ein mentaler Vorgang und als solcher ist er der direkten Beobachtung nicht zugänglich. Aus diesem Grund stützt sich die Sprachproduktionsforschung auf der Analyse von Versprechern, Aphasien und Pausen beim Sprechen. Dies hat auch zur Folge, dass es verschiedene Meinungen darüber gibt wie genau die einzelnen Teilprozesse auf den unterschiedlichen Ebenen der Sprachproduktion ablaufen.

Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit werde ich zum Zwecke der Vollständigkeit versuchen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der bisher entwickelten Sprachproduktionsmodelle kurz aufzuzeigen, sowie in groben Zügen die einzelnen Ebenen des Sprachproduktionsprozesses darzustellen. Das zweite und dritte Kapitel beschäftigen sich mit dem zentralen Gegenstand dieser Arbeit, der ersten Ebene der Sprachproduktion. Ich werde anhand der konkurrierenden Modelle von Levelt (1989) und Herrmann und Grabowski (1994) die einzelnen Prozesse, die auf dieser Ebene stattfinden beschreiben und werde versuchen die Unterschiede aufzuzeigen, die sich beim Vergleich der beiden Modelltypen ergeben.

1. Modelle der Sprachproduktion

Aufgrund der Tatsache, dass Unterschiede zwischen der mündlichen und der schriftlichen Sprachproduktion angenommen werden, beschränkt sich der größte Teil der Sprachproduktionsmodelle auf der Produktion gesprochener Sprache. Obwohl es unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt wie der Sprachproduktionsprozess im Einzelnen zu modellieren ist, unterscheiden die meisten Modelle für gewöhnlich in der einen oder anderen Form drei Makroebenen der Verarbeitung. In der Terminologie von Levelt (1989) heißen diese Conceptualizer, Formulator und Artikulator. Auf der Ebene des Conceptualizers überführt der Sprecher seine mentale Vorstellung, seine intendierte Botschaft mit Hilfe von unterschiedlichen Makro- und Mikroplanungsprozessen in ein propositionales Format. Unter Berücksichtigung der Hörererwartungen und der Situation wird entschieden „was“ genau gesagt wird. Im nächsten Schritt, auf der Ebene des Formulators, nach einem Zugriff auf das mentale Lexikon und nach einer Reihe von Enkodierungsprozessen (lexikalische, grammatische und phonologische), findet eine Überführung der konzeptuellen Struktur in einer sprachlichen Struktur statt. Schließlich wird im Artikulator die phonologische Repräsentation, unter Anwendung von Realisationsregeln, in motorische Aktivität umgesetzt (vgl. Schriefers 2003:5; Pechmann 1994:11).

Im Wesentlichen gehen also die meisten Sprachproduktionsmodelle davon aus, dass der Prozess der Sprachproduktion in einem pragmatisch/konzeptuellen Bereich beginnt, um dann über einen syntaktisch/semantisch-formulativen in einem sensomotorisch-artikulatorischen Bereich zu enden. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellen sind demzufolge also woanders zu suchen. Es herrscht zum Beispiel Uneinigkeit darüber, ob die Teilprozesse der Sprachproduktion bei Veränderungen in der Kommunikationssituation immer in gleicher Weise ablaufen, ob Feedbacks zwischen den einzelnen Verarbeitungsstufen stattfinden und ob beim Sprachproduktionsprozess zunächst alle Stufen durchlaufen werden oder ob die Verarbeitung auf den einzelnen Stufen parallel erfolgen kann. Die vorliegenden Modelle können also nach verschiedenen Kriterien voneinander unterschieden werden.

Auf der einen Seite stehen sich autonome und kontextsensitive (vgl. Herrmann 2002) bzw. situierte (vgl. Rickheit und Strohner 2003) Sprachproduktionsmodelle gegenüber[1]. Situierte Modelle interessieren sich für die Einflüsse der sich verändernden Kommunikationssituation auf dem variierenden Sprachproduktionsprozess und die daraus resultierenden unterschiedlichen Äußerungen. Sie gehen der Frage nach, wieso ein Sprecher eine bestimmte Äußerung in einer bestimmten Situation produziert und nicht eine von einer Reihe anderer möglicher Äußerungen. Zu dieser Kategorie können unter anderem die Modelle von Bock (1982), Herrmann und Grabowski (1994) und Hofer und Buhl (1998) gezählt werden (vgl. Herrmann 2002:216). Autonome Modelle dagegen gehen davon aus, dass ungeachtet der sich verändernden Diskurssituation, die Teilprozesse der Sprachproduktion im Wesentlichen immer in gleicher Weise ablaufen. Die einzige relevante Varianzquelle ist hier die sogenannte „message“. Vertreter dieser Theorie sind die Modelle von Garrett (1988) und Levelt (1989) (vgl. ebd.).

Im Bezug auf die Frage, ob und inwieweit die Teilsysteme der Sprachproduktion miteinander interagieren unterscheidet die Sprachproduktionsforschung zwischen den seriell-modularen[2] und den interaktiv- konnekttionistische Modellen. Interaktiv-konnekttionistische Modelle, wie zum Beispiel von Dell (1986) und Herrmann und Grabowski (1994), nehmen an, dass im gesamten Sprachproduktionssystem eine ständige Interaktion zwischen den verschiedenen Ebenen stattfindet. Zwischen ihnen ist also ein direktes Feedback möglich. Weiterhin wird angenommen, dass die einzelnen Verarbeitungsstufen nicht abgeschlossen sind bevor die nächste Stufe mit der Verarbeitung anfängt, und dass Teile einer generierten Äußerung auf alle Verarbeitungsstufen präsent sein können. Die Information wird parallel verarbeitet. (vgl. Rickheit und Strohner 2003:275; Herrmann 2002:218; van der Meer und Klix 2003:350). Seriell-modulare Modelle, wie zum Beispiel von Garrett (1988) und Fromkin (1988), gehen dagegen davon aus, dass ein nachgeordneter Teilprozess erst mit der Verarbeitung anfängt, wenn diese auf dem vorgeordneten Teilprozess schon weitgehend abgeschlossen ist (Serialität), dass die einzelnen Teilsysteme unabhängig voneinander (Modularität) und in einer strengen Abfolge arbeiten, und dass keine Feedbacks von einer nachgeordneten zu einer vorgeordneten Verarbeitungsstufe stattfinden. Die für jeden Teilprozess benötigte Information ist spezifisch und steht nur auf der jeweiligen Prozessebene zur Verfügung (vgl.Rickheit und Strohner 2003:273; Herrmann 2002:218).

Das Modell von Levelt (1989) ist als eine Alternative zu strikt seriellen und strikt interaktiven Modellen zu sehen. Grundlage dieses Modells ist die Annahme der von Kempen und Hoenkamp (1987) entwickelten inkrementellen Verarbeitung, welche als Synthese serieller und paralleler Verarbeitung zu verstehen ist. Obwohl die einzelnen Verarbeitungsstufen auf den Output der vorgeordneten Stufen angewiesen sind, sind doch alle Teilsysteme gleichzeitig aktiv. Eine Äußerung wird nicht erstmals komplett konzeptualisiert, dann komplett formuliert und dann komplett artikuliert, sondern während ein schon konzeptualisierter Teil der Äußerung im Formulator verarbeitet wird, wird der nächste Teil der Äußerung konzeptualisiert. Die Reihenfolge der artikulierten Mitteilung muss dabei nicht mit der Reihenfolge der konzeptuellen Fragmente übereinstimmen (vgl. Rickheit und Strohner 2003:274; Pechmann 1994:13). Ein weiterer Unterschied zu strikt seriellen Modellen stellt das von Levelt vorgesehene Feedback dar, das entweder nach der phonologischen Enkodierung, oder nach der Artikulation zum Conzeptualizer gesendet wird. Dort wird es vom Teilsystem des Monitors aufgenommen und verarbeitet. Der Monitor stellt eine Kontrollinstanz dar, die die interne- wie auch die externalisierete Sprache (internal and overt speech) überwacht und gegebenenfalls korrigiert (vgl. Rickheit und Strohner 2003:274).

2. Die konzeptuelle Ebene im Sprachproduktionsmodell von Levelt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Herrmann und Grabowski 1994:290

Im Conceptualizer wird nach Levelt (1989) die präverbale Botschaft (preverbal message) generiert, die als Input für den Formulator dient. Bei der Generierung einer solchen Botschaft muss der Sprecher unter anderen die Regeln sprachlicher Interaktion beachten. Dazu gehören Regeln zum Sprecherwechsel und zur Eingliederung des Redebeitrags, sowie die Grice´schen Kommunikationsmaximen kooperativen Verhaltens (vgl. Pechmann 1994:82). Ferner muss der Sprecher während des Konzeptualisierens auf zwei Arten von Wissen zurückgreifen können: prozedurales und deklaratives. Das prozedurale Wissen, auch handlungsorientiertes Wissen genannt, liegt in der Form „IF X THEN Y“ vor. Es ist ein Wissen „wie“ etwas gemacht wird. Das deklarative Wissen liegt meistens in der Form einer Proposition vor, wie zum Beispiel „Manhattan ist gefährlich“. Es setzt sich aus dem Weltwissen, dem enzyklopädischen Wissen um die eigene Person und ihre Geschichte und dem Diskurswissen zusammen und ist entweder im Langzeitgedächtnis oder im Diskursmodell verfügbar (vgl. Levelt 1989:9f).

Eine präverbale Botschaft muss zur Weiterverarbeitung durch den Formulator in ein propositionales Format vorliegen und bestimmte Angaben enthalten, die den Formulator dazu bewegen, dass er genau eine situativ angemessene und zugleich grammatische Äußerung erstellt. Angaben über die Auswahl der Informationen, die überhaupt für die Weitergabe in Frage kommen und über die Reihenfolge in der diese Informationen zu äußern sind. Des Weiteren muss sie unter anderem Angaben über Deixis, Referenz, Perspektive und Modalität einer Äußerung enthalten (vgl. Levelt 1989:9ff, 123ff; Pechmann 1994:82f). Um präverbale Botschaften zu entwerfen, die diese Angaben enthalten, führt der Sprecher Phasen der Makro- und der Mikroplanung durch.

2.1. Makroplanung

Während der Makroplanung wird die häufig komplexe kommunikative Intention des Sprechers in Unterziele und Unter-Unterziele zerlegt, bis diese eine Struktur haben, die durch jeweils einen Sprechakt ausgedrückt werden kann. Wobei ein Sprechakt auch mehrere vom Sprecher beabsichtigte kommunikative Intentionen enthalten kann, wie zum Beispiel zusätzlich die Intention höflich zu sein (vgl. Levelt 1989:123). Des Weiteren wird während der Makroplanung entschieden welcher Teil der Gesamtinformation weitergegeben werden soll (Selektion), in welcher Reihenfolge (Linearisierung) und welche Teile der schon zu Weitergabe bestimmten Informationen zu Neben-, beziehungsweise zu Hauptstruktur der Äußerung gehören.

2.1.1 Selektion

Wesentlich bei der Auswahl von Informationen ist nach Levelt (ebd.) die Maxime, dass sie instrumental sein müssen. Das bedeutet, dass sie die vom Sprecher beabsichtigte Veränderung im Diskursmodell des Hörers erreichen müssen. Dabei muss der Sprecher versuchen, ganz im Sinne der Grice´schen Quantitätsmaxime, nicht zu überinformativ (redundant) oder unterinformativ (ambiguitiv) zu sein. Er wählt nur eine Teilmenge der propositionalen Basis aus, was Herrmann (nach Levelt ebd.:124) pars-pro-toto-Prinzip nennt. Dabei geht der Sprecher davon aus, dass die restlichen Teile der Information vom Hörer abgeleitet werden können, und falls nicht, er durch Rückfragen den Bedarf nach weiteren Details signalisiert (vgl. ebd.:123).

Mit Hilfe von verschiedenen Experimenten zeigt Levelt (ebd.:127ff) wie der Selektionsprozess bei Wegbeschreibungen, beim referieren auf Objekte und bei der Äußerung einer Anfrage oder Forderung (engl. request) abläuft, und welche Kriterien dabei eine Rolle spielen. Des Weiteren beschreibt er nach welchen Kriterien Sprecher die Gesamtinformation in Hauptstruktur- und Nebenstrukturinformation einteilen:

Wegbeschreibungen

Das Experiment von Good und Butterworth (nach Levelt ebd.:128f) zur Wegbeschreibungen hat ergeben, dass die Probanden bei der Beschreibung eines bekannten Weges (z.B. von Zuhause zur Arbeitsstelle) weniger Pausen gemacht haben, als bei der Beschreibung eines unbekannten Weges (33 Prozent bzw. 37 Prozent). Bei der wiederholten Beschreibung des bekannten Weges waren es nur noch 27 Prozent. Die Annahme ist, dass die Selektion von Informationen im Wiederholungsfall einfacher ist, da die geeignete Information schon im Langzeitgedächtnis präsent ist, und es somit leichter ist auf diese zurückzugreifen. In diesem Fall liegt der größte Teil der Aufmerksamkeit des Sprechers auf die Mikroplanung, und bei der Beschreibung eines unbekannten Weges auf die Makroplanung.

[...]


[1] Herrmann (2002:215) weißt darauf hin, dass die im Folgenden getroffenen Unterscheidungen üblich für die Sprachproduktionsforschung sind, sich aber bisher keine einheitliche Klassifikationsterminologie eingebürgert hat.

[2] An dieser Stelle muss betont werden, dass obwohl fast alle autonomen Modelle auch eine Serialität der Teilprozesse voraussetzten (vgl. Herrmann 2002:219), die beiden Kriterien nicht verwechselt werden dürfen

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Conceptualizer vs. die Zentrale Kontrolle
Untertitel
Ein Vergleich zweier Sprachproduktionsmodelle
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Sprachwissenschaftliches Institut)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V87223
ISBN (eBook)
9783638022293
ISBN (Buch)
9783638925860
Dateigröße
758 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Conceptualizer, Zentrale, Kontrolle
Arbeit zitieren
Petia Trojca (Autor:in), 2007, Der Conceptualizer vs. die Zentrale Kontrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87223

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