Die Situation hörender Eltern mit hörgeschädigten Kindern wurde und wird in der Fachliteratur der Hörgeschädigtenpädagogik oft und umfassend besprochen. Die Problematik scheint so dominierend zu sein, dass professionelle Fachkräfte vor allem diesem Bereich ihr Augenmerk widmen. Doch wenn die hörgeschädigten Kinder erwachsen werden und selbst Kinder bekommen, sind die Kinder meist hörend.
Ihnen wird kaum wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil, was dazu führt, dass ihre Schwierigkeiten unterschätzt werden. Bei diesen Kindern wird davon ausgegangen, „dass ihr vorhandenes Hörvermögen sie befähigt, wie alle anderen Kinder zu leben und sich zu entwickeln“ (Funk, Keller – Kraske et.al. 2001b. 154). Diller (1988) kommt ebenfalls zu der Aussage, dass, obwohl die überwiegende Mehrheit gehörloser Ehepaare hörende Kinder hat, diese Klientel zu wenig erkannt und beachtet wird.
Auch im Film „Jenseits der Stille“ von Link (1996), der das Aufwachsen eines hörenden Mädchens in einer Familie mit gehörlosen Eltern zeigt, gelang es nicht, die Aufmerksamkeit auf die zum Teil sehr schwierige Situation hörender Kinder gehörloser Eltern zu richten, da das Interesse der Kinobesucher mehr der für sie faszinierenden Gebärdensprache galt.
Somit kann die wohl einzigartige Situation hörender Kinder gehörloser Eltern bis vor kurzem zu Recht als stark vernachlässigt betrachtet werden.
Erst seit den letzten Jahren gibt es vor allem im amerikanischen Raum wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema, aber in den meisten Fällen steht die Sprachentwicklung der hörenden Kinder gehörloser Eltern im Vordergrund. Im deutschsprachigen Raum existiert in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse an diesem Thema, doch es ist nur wenig aussagekräftige Literatur zu finden.
Diese Ausgangssituation erregte meine Aufmerksamkeit und führte dazu, dass ich mich für die Untersuchung der Dynamik in einer Familie mit hörenden Kindern und gehörlosen Eltern zu interessieren begann.
Inhaltsverzeichnis
- 0 Einleitung
- 1 Methodischer Aufbau
- 2 Definition der Gehörlosigkeit
- 3 Identität und Zwei - Welten - Problematik
- 3.1 Begriff der Identität
- 3.2 Identitätsbildung bei Gehörlosen
- 3.3 Identitätsbildung bei hörenden Kindern gehörloser Eltern
- 4 Stellung der gehörlosen und hörenden Familienmitglieder
- 4.1 Rollenbegriff unter dem Aspekt der Behinderung
- 4.2 Rolle der hörenden Großeltern in Bezug auf die gehörlosen Eltern
- 4.3 Rolle der hörenden Großeltern in Bezug auf die hörenden Enkelkinder
- 4.4 Rolle der gehörlosen Eltern und ihrer hörenden Kinder
- 4.4.1 Rollenumkehr und Dolmetschen
- 4.4.2 Hilfsangebote für gehörlose Eltern und ihre Schwierigkeiten
- 5 Sprachentwicklung
- 5.1 Definition von Sprache
- 5.2 Charakteristik des familiären Sprachumfeldes hörender Kinder gehörloser Eltern
- 5.3 Sprachentwicklung hörender Kinder gehörloser Eltern
- 6 Darstellung der eigenen Untersuchung
- 6.1 Zielstellung
- 6.2 Wissenschaftliche Fragestellung
- 6.3 Hypothesen
- 6.4 Untersuchungsdesign
- 6.5 Darstellung der Ergebnisse
- 6.6 Diskussion der Ergebnisse
- 7 Möglichkeiten der Förderung hörender Kinder gehörloser Eltern
- 7.1 Bedeutung der Hörgeschädigtenpädagogik
- 7.2 Bedeutung der Sprachbehindertenpädagogik
- 7.3 Rechtliche Grundlagen
- 8 Zusammenfassung und Ausblick
- 9 Literatur- und Medienverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit zielt darauf ab, die Situation hörender Kinder gehörloser Eltern umfassend zu beleuchten. Hierbei werden sowohl die bisherige wissenschaftliche Literatur analysiert als auch eigene Forschungsergebnisse präsentiert. Im Mittelpunkt stehen die Herausforderungen der Identitätsbildung, die Rolle der hörenden Kinder innerhalb ihrer Familien und die Besonderheiten ihrer Sprachentwicklung.
- Identitätsentwicklung hörender Kinder gehörloser Eltern
- Rolle und Stellung der hörenden Kinder in der Familie
- Sprachentwicklung hörender Kinder gehörloser Eltern
- Hilfsangebote und Förderungsmöglichkeiten
- Bedeutung der Hörgeschädigten- und Sprachbehindertenpädagogik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer einleitenden Darstellung der Situation hörender Kinder gehörloser Eltern und der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, die diesem Thema bislang zukam. Im Anschluss wird die Gehörlosigkeit definiert und die Problematik der Zwei-Welten-Erfahrung beleuchtet, die sowohl für die gehörlosen Eltern als auch für ihre hörenden Kinder relevant ist.
Kapitel 4 fokussiert auf die Rollen innerhalb der Familienstruktur. Hierbei wird die Rolle der hörenden Großeltern in Bezug auf die gehörlosen Eltern und die hörenden Enkelkinder, sowie die Stellung der gehörlosen Eltern und ihrer hörenden Kinder beleuchtet.
In Kapitel 5 wird die Sprachentwicklung der hörenden Kinder in den Mittelpunkt gestellt. Hierbei wird das besondere familiäre Sprachumfeld und die kommunikativen Bedingungen während des Heranwachsens der Kinder thematisiert.
Kapitel 6 stellt die eigene Untersuchung vor, die wissenschaftliche Fragestellung, Hypothesen und das Untersuchungsdesign erläutert. Besonderes Augenmerk liegt auf der Situation hörender Kinder gehörloser Eltern nichtdeutscher Herkunftssprache.
Kapitel 7 widmet sich den Möglichkeiten der Förderung hörender Kinder gehörloser Eltern und erläutert die Rolle der Hörgeschädigten- und Sprachbehindertenpädagogik sowie die relevanten rechtlichen Grundlagen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Gehörlosigkeit, Identität, Familienstruktur, Sprachentwicklung, Hörgeschädigtenpädagogik, Sprachbehindertenpädagogik und Förderung von hörenden Kindern gehörloser Eltern.
- Quote paper
- Juliane Schreck (Author), 2003, Hörende Kinder gehörloser Eltern als Sonderfall der Hörbehindertenpädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87184