Wurden im Frühsommer 1953 jegliche Reformbestrebungen in der DDR durch den Staatsapparat mit Unterstützung der sowjetischen Besatztruppen unterbunden, so regten sich 15 Jahre später in der ČSSR Veränderungsbestrebungen. In jenem Staat des „realen Sozialismus“ vollzogen sich im Frühjahr und Sommer 1968 Reformprozesse, „die das neostalinistische Herrschaftssystem ins Wanken brachten.“
Seitens der Parteiführungen in der Sowjetunion, DDR, Polen, Bulgarien und Ungarn wurde mit Misstrauen und Ablehnung reagiert. Nicht zuletzt stellte der Einmarsch der verbündeten Armeen am 21. August 1968 die größte militärische Aktion in Europa nach Ende des Zweiten Weltkriegs dar.
Welche Konsequenzen brachten diese Entwicklungen mit sich und welche Ideen sowie Gedanken des „Prager Frühlings“ wurden dabei von der Bevölkerung in der DDR aufgenommen? Der Bezirk Karl-Marx-Stadt nahm diesbezüglich unter den 14 Bezirken der DDR eine Sonderstellung ein. Er hatte als einziger im Westen eine Staatsgrenze zur Bundesrepublik sowie im Süden zur Tschechoslowakei. Demzufolge war Karl-Marx-Stadt durch seine Rolle als Grenzbezirk übermäßig von der außerplanmäßigen Stationierung sowjetischer Truppen und Einheiten der NVA betroffen. Eine vergleichbare Situation scheint es nur noch im östlichen Nachbarbezirk Dresden gegeben zu haben.
Da es bislang noch keine Publikation zu den speziellen Auswirkungen des „Prager Frühlings“ auf die südlichen Bezirke der DDR gibt, lag es nahe, einen ersten Schritt zu tun. Deshalb setzt sich die vorliegende Staatsexamensarbeit mit den „Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf den ‚Prager Frühling‘ von 1968 in der ČSSR und dessen Niederschlagung“ auseinander.
Zwei zentrale Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung:
Gab es ähnliche Denkweisen, in Bezug auf die tschechoslowakischen Forderungen nach Demokratie, im Bezirk Karl-Marx-Stadt? Durch die direkte räumliche Nachbarschaft zu Böhmen ist es wahrscheinlich, dass die Personen im Grenzbezirk Mut und Hoffnung aufgrund der Entwicklungen in Prag schöpften.
Sympathisierte die hiesige Bevölkerung, vor allem nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes, mit den Menschen in Prag und der gesamten ČSSR? Wenn dem so war, auf welche Weise äußerte sich dies bei den Bürgern im Bezirk?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Themenstellung
- 1.2. Darstellung der derzeitigen fachwissenschaftlichen Literatur
- 1.3. Methodisches Vorgehen der Arbeit/ Aktenlage in den Archiven
- 2. Der internationale und nationale Rahmen
- 2.1. Begriffsdefinition „Prager Frühling“
- 2.2. Reflektion der politischen Entwicklung in der Tschechoslowakei
- 2.3. ČSSR im Fokus der sozialistischen Staaten
- 2.4. Ablauf der Ereignisse in Prag
- 2.5. Rolle der SED
- 2.6. Verhältnis Prager Frühling und NVA
- 3. Die Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt
- 3.1. Aktivitäten im Bezirk bis zum 21.08.1968
- 3.1.1. SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt
- 3.1.2. Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt des MfS
- 3.1.3. Verhalten der Bevölkerung
- 3.2. Informationsquellen der DDR-Bevölkerung
- 3.3. Auswirkungen des Einmarsches
- 3.3.1. Lage an den Grenzen
- 3.3.2. Innerhalb der SED
- 3.3.3. In den Kirchen
- 3.3.4. Unter den Werktätigen – in den Betrieben
- 3.3.5. Innerhalb der Intelligenz
- 3.3.6. Wahrnehmbare Aktivitäten von staatlicher Seite als (Gegen-) Reaktion
- 3.4. Schwerpunkte der Veränderungsforderungen aus der Gesellschaft
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf den Prager Frühling 1968 und dessen Niederschlagung. Die zentrale Fragestellung lautet: Gab es ähnliche Denkweisen bezüglich der tschechoslowakischen Forderungen nach Demokratie im Bezirk Karl-Marx-Stadt? Weiterhin wird untersucht, ob die Bevölkerung mit den Menschen in Prag sympathisierte und wie sich dies äußerte. Die Arbeit analysiert sowohl die Entwicklungen in der Tschechoslowakei und deren Auswirkungen auf die DDR als auch die Reaktionen der Bevölkerung, der SED und des MfS im Bezirk Karl-Marx-Stadt.
- Reaktionen der Bevölkerung im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf den Prager Frühling
- Rolle der SED und des MfS im Bezirk Karl-Marx-Stadt
- Informationsquellen der Bevölkerung und deren Einfluss auf die Meinungsbildung
- Auswirkungen des Einmarschs auf den Bezirk Karl-Marx-Stadt
- Vergleich der Reaktionen verschiedener Bevölkerungsgruppen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Diese Einleitung stellt die Themenstellung der Arbeit vor, gibt einen Überblick über die vorhandene Literatur zum Thema und beschreibt das methodische Vorgehen, insbesondere die Auswertung der Aktenlage im Staatsarchiv Chemnitz und der BStU, Außenstelle Chemnitz. Der Fokus liegt auf den regionalen Auswirkungen des Prager Frühlings auf den Bezirk Karl-Marx-Stadt, insbesondere in Hinblick auf die direkte Grenzlage zur Tschechoslowakei.
2. Der internationale und nationale Rahmen: Dieses Kapitel beleuchtet den internationalen und nationalen Kontext des Prager Frühlings. Es definiert den Begriff „Prager Frühling“, analysiert die politische Entwicklung in der Tschechoslowakei, die Reaktionen der anderen sozialistischen Staaten, den Ablauf der Ereignisse in Prag, die Rolle der SED und die Beteiligung der NVA. Das Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über die Ereignisse, die zur Niederschlagung des Prager Frühlings führten.
3. Die Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt: Dieses Kapitel analysiert die Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf den Prager Frühling und dessen Niederschlagung. Es untersucht die Aktivitäten der SED-Bezirksleitung und der Bezirksverwaltung des MfS, sowie das Verhalten der Bevölkerung, inklusive der verschiedenen Informationsquellen und der Auswirkungen des Einmarsches. Die Kapitel analysieren detailliert die Reaktionen verschiedener Bevölkerungsgruppen (Arbeiter, Intelligenz, Kirche) und die Gegenmaßnahmen der staatlichen Organe.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Thema "Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf den Prager Frühling 1968"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Reaktionen der Bevölkerung, der SED und des MfS im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf den Prager Frühling 1968 und dessen Niederschlagung. Der Fokus liegt auf der Frage, ob ähnliche Denkweisen bezüglich der tschechoslowakischen Forderungen nach Demokratie im Bezirk existierten, ob Sympathie für die Menschen in Prag vorhanden war und wie diese sich äußerte.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung) stellt das Thema vor, beschreibt den Forschungsstand und die Methodik (Auswertung von Archiven). Kapitel 2 (Internationaler und nationaler Rahmen) beleuchtet den Kontext des Prager Frühlings, definiert den Begriff, analysiert die politische Entwicklung in der Tschechoslowakei und die Reaktionen anderer sozialistischer Staaten. Kapitel 3 (Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt) analysiert die Reaktionen der SED, des MfS und der Bevölkerung (verschiedene Gruppen wie Arbeiter, Intelligenz, Kirche), die Informationsquellen und die staatlichen Gegenmaßnahmen.
Welche zentralen Fragestellungen werden behandelt?
Die zentrale Fragestellung lautet: Gab es im Bezirk Karl-Marx-Stadt ähnliche Denkweisen bezüglich der tschechoslowakischen Forderungen nach Demokratie? Zusätzlich wird untersucht, ob die Bevölkerung mit den Menschen in Prag sympathisierte und wie sich diese Sympathie äußerte. Die Arbeit analysiert die Entwicklungen in der Tschechoslowakei und deren Auswirkungen auf die DDR sowie die Reaktionen verschiedener Akteure im Bezirk Karl-Marx-Stadt.
Welche Quellen wurden verwendet?
Die Arbeit basiert auf der Auswertung von Akten im Staatsarchiv Chemnitz und der BStU, Außenstelle Chemnitz. Die genaue Aktenlage wird in der Einleitung detaillierter beschrieben.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Reaktionen der Bevölkerung im Bezirk Karl-Marx-Stadt, die Rolle der SED und des MfS, die Informationsquellen und deren Einfluss auf die Meinungsbildung, die Auswirkungen des Einmarschs und den Vergleich der Reaktionen verschiedener Bevölkerungsgruppen.
Welche Methoden wurden angewendet?
Die Arbeit stützt sich auf die Auswertung der Aktenlage in den genannten Archiven. Die genaue Methodik wird in der Einleitung detailliert dargestellt.
Welche Ergebnisse werden erwartet?
Die Arbeit erwartet Erkenntnisse über die Bandbreite der Reaktionen auf den Prager Frühling im Bezirk Karl-Marx-Stadt, die Rolle staatlicher Repression und die Meinungsbildung in der Bevölkerung unter den gegebenen Umständen. Die Ergebnisse sollen ein detailliertes Bild der regionalen Auswirkungen des Prager Frühlings liefern.
- Quote paper
- Stefan Vogler (Author), 2007, Reaktionen im Bezirk Karl-Marx-Stadt auf den „Prager Frühling“ von 1968 in der CSSR und dessen Niederschlagung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87126