Jahrhundertelang war Europa von absoluten Monarchien, faschistischen Regimen oder ganz einfachen Diktaturen überschattet. Es ist der Verdienst der Europäer, vorrangig der Europäischen Gemeinschaft, dass wir heute friedlich neben- und miteinander leben. Seit Beginn 1990 kann man dies auch über Mittel- und Osteuropa behaupten. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind auch die ideologischen Konflikte beendet und einige posttotalitäre Systeme, wie die baltischen Staaten und Tschechien sind Mitglieder in einem westlichen Bündnis – der Europäischen Union.
Eine Ausnahme macht dabei die außenpolitisch selbst-isolierte Republik Belarus. Als eine der wenigen ehemaligen Sowjetrepubliken war die Politik, sowie Großteile der Bevölkerung, gegen eine Unabhängigkeit und die damit verbundene Trennung von der Sowjetunion bzw. Russland. Positive Voraussetzungen für eine demokratische Konsolidierung und einen Erfolg der Systemtransformation waren daher von Anfang an nicht vorhanden. Zwar kam es auch in diesem Land schnell zu einer Verfassung mit demokratischen Elementen sowie zur Bildung eines präsidentiellen Regierungssystems nach westlichem Vorbild, die nostalgischen Antidemokraten im Land gewannen aber schnell an Mehrheit im Zuge zahlreicher Korruptionsfälle (Steinsdorff 2004: 436f). Somit konnte der heutige Präsident, Alexander Lukaschenko , 1994 die Präsidentschaftswahlen gewinnen und erhielt die Macht auf legal-demokratischen Weg. Er machte aber relativ schnell deutlich, dass sein persönlicher Machterhalt- und ausbau Kernpunkte seines Programms sind, die er mittels eines autoritären Führungsstils durchsetzen möchte. Daher schaffte er es „[…] als mittlerer Manager sowjetischen Typs […]“, die Menschen auf seine Seite zu ziehen und sie gegen die Demokratie zu stimmen (Timmermann 1997: 12f). Ferner nutzte er den ewigen Verfassungsstreit für sich und seine Ziele aus und schaffte sich seinen eigenen, de jure legitimierten, Staat mit einer demokratischen Grundlage. Der „einfache Mann aus dem Volk“, wie Lukaschenko am Anfang genannt wird, stellt sich als harter Führer heraus, der es versteht, seine Macht vor äußeren Einwirkungen zu schützen. Sanktionsmaßnahmen, wie sein Einreiseverbot in die EU, nutzt er geschickt für Propagandamaßnahmen gegen den Westen aus und warnt das Volk vor ähnlich schrecklichen Szenarien der Demokratisierung in Russland (Silitski 2007: 11).
Inhaltsverzeichnis
- A. Europas letzte Diktatur?
- B. Das politische System Belarus'
- I. Merkmale eines Präsidialsystems
- 1. Begriffsdefinition unter der speziellen Bezugnahme auf Douglas V. Verney
- 2. (Präsidial-)Demokratische Elemente in der belorussischen Verfassung
- 3. Exkurs: Wann gilt eine Demokratie als defekt?
- II. Merkmale eines autoritären Regimes
- 1. Nach Juan Linz
- 2. Autoritäre Erscheinungsformen in Belarus
- III. Praktische Beispiele anhand der jüngeren Geschichte Belarus'
- 1. Ausschaltung der Legislative
- 2. Eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit
- 3. Maßnahmen im Wahlkampf und politischen Alltag
- IV. Synthese: Europas letzte Dikatur.
- C. Fazit anhand einer weiteren gescheiterten Systemtransformation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das politische System Belarus und beleuchtet die Frage, ob es sich um eine defekte Präsidialdemokratie oder um ein autoritäres Regime mit demokratischen Elementen handelt. Ziel ist es, die Merkmale eines präsidiellen Regierungssystems und eines autoritären Regimes zu analysieren und diese anhand der belorussischen Verfassung und der jüngeren Geschichte des Landes zu belegen. Die Arbeit greift auf verschiedene theoretische Konzepte zurück, darunter die Definitionen von Douglas V. Verney und Juan Linz, sowie auf empirische Beispiele.
- Präsidialsystem in Belarus
- Merkmale und Definitionen von Präsidialdemokratie
- Autoritäre Elemente in Belarus
- Praktische Beispiele aus der jüngeren Geschichte Belarus'
- Systemtransformation in Belarus
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel A beleuchtet die historische Entwicklung Belarus und stellt die Frage nach der Einordnung des Landes als Demokratie oder autoritäres Regime.
- Kapitel B analysiert das politische System Belarus' anhand der Merkmale eines Präsidialsystems, wie sie von Douglas V. Verney definiert werden. Es werden außerdem die (Präsidial-)demokratischen Elemente in der belorussischen Verfassung und der Begriff der Defekten Demokratie nach Wolfgang Merkel erörtert.
- Kapitel C untersucht die Merkmale eines autoritären Regimes nach Juan Linz und beleuchtet die autoritären Erscheinungsformen in Belarus.
- Kapitel D stellt praktische Beispiele aus der jüngeren Geschichte Belarus' dar, die die Eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit, die Ausschaltung der Legislative und die Maßnahmen im Wahlkampf und politischen Alltag belegen.
Schlüsselwörter
Präsidialdemokratie, autoritäres Regime, Belarus, Systemtransformation, Defekte Demokratie, Juan Linz, Douglas V. Verney, Alexander Lukaschenko, Verfassung, Politikwissenschaft, Mittel- und Osteuropa.
- Quote paper
- Ibrahim Ghubbar (Author), 2007, Belarus, eine defekte Präsidialdemokratie oder ein autoritäres Regime mit demokratischen Elementen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87066