Die Ressourcen Wasser, Boden und Luft bilden die Existenzgrundlage unserer Gesellschaft. Sie werden jedoch durch Übernutzung oft dauerhaft geschädigt, oder verlieren regional ihre Funktion. Die quantitative und qualitativen Verluste an Wasser und fruchtbaren Böden werden zunehmend deutlich und das nicht nur in den Ländern des Südens. Die Intensität der heutigen weltweiten Inanspruchnahme des Wassers, des Bodens und der Luft nimmt wenig Rücksicht auf die augenscheinlichen Warnsignale, sondern übernutzt diese für unser Leben so unabdingbaren Ressourcen. Neben der Erhaltung dieser Ressourcen ist die Bereitstellung von Energie für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten des Menschen von größter Bedeutung. Die Endlichkeit der fossilen Ressourcen verdeutlicht dabei die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Orientierung auf erneuerbare Energiequellen. Für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung wird deshalb ein integratives Ressourcenmanagement benötigt. Ein effizientes Wassermanagement mit einem grundstücksbezogenen Ansatz zur dezentralen Kreislaufführung des Wassers ist eine enorm wichtige Maßnahme um nicht nur die Ressource Wasser zu schonen sondern gleichzeitig die Ressourcensysteme Boden und Luft nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Der grundstücksbezogene Ansatz, der in der vorliegenden Arbeit vorgestellt wird, dient zur verursachergerechten Schmutzwasseraufbereitung (Verursacherprinzip) und ist eine Möglichkeit zur Schließung von Nähr- und Mineralstoffkreisläufen auf dem Grundstück, bzw. in dessen unmittelbarer Nähe. Die genutzte innovative Technologie, „Die Wasserwaschmaschine “, sorgt für die Aufbereitung des durch häuslichen Gebrauch verunreinigten Schmutzwassers. Dadurch werden vorsorglich Oberflächengewässer und Grundwasserleiter (Vorsorgeprinzip) geschützt, der Verlust von Wertstoffen wird vermieden, da diese das System Haus-Grundstück nicht verlassen.
Gliederung
1 Einleitung
1.1 Zielformulierung, Methodik und Vorgehensweise
2 Ökosystemare Betrachtung des Wassers
2.1 Eigenschaften des Wassers
2.2 Messbarkeit der Ausbildung von Kreisprozessen
2.3 Zoonösenkernstruktur
2.4 Zusammenfassung
3 Analyse der Wasserinfrastruktursysteme und des Betrachtungsraums
3.1 Wasserinfrastruktursysteme
3.1.1 Die Wasserinfrastruktur heute
3.1.1.1 Verlust von Nähr- und Mineralstoffen
3.1.1.2 Vermischung von Kreisläufen
3.1.1.3 Energieverbrauch
3.1.1.4 Risikomanagement
3.1.1.5 Naturwissenschaft, Politik, Verwaltung und Rechtsanwendung
3.2 Zusammenfassung
3.3 Betrachtungsraum
3.3.1 Siedlungs- und Landschaftsgeschichte
3.3.2 Klima und Niederschlag
3.3.3 Umgang mit Schmutzwasser in Brandenburg und Zaatzke
3.3.3.1 Neuorientierung der Abwasserpolitik in Brandenburg
3.4 Zusammenfassung
4 Impulse
4.1 Umorientierung der Gesellschaft durch innovative Technologien
4.2 Der ganzheitliche Systemansatz
4.3 Ressourcenmanagement
4.4 Konzepte ökologischer Innovation
4.5 Zusammenfassung
5 Der haushaltszentrierte Ansatz
5.1 Funktionale Ebenen der Gesellschaft
5.1.1 Die Haushaltsebene
5.2 Haushalt - Bestand
5.2.1 Wasserversorgung
5.2.2 Energieversorgung
5.3 Haushaltszentriertes und integriertes Wassermanagement
5.3.1 Die Wasserwaschmaschine
5.3.1.1 Qualitäts- und Kostenkontrolle
5.3.1.2 Nutzwertanalyse
5.3.2 Nutzwasserverwertung im Wohnhaus
5.3.3 Nutzwasserverwertung auf dem Grundstück
5.3.3.1 Pflanzenbau
5.3.3.2 Aquakultur
5.3.3.3 Glashausmodul
5.3.3.4 Gebäudeklimatisierung
5.3.3.5 Baubotanik
5.3.4 Rohstofftransformation
5.3.4.1 Kompostierung
5.3.5 Entwurfsdarstellung
5.3.6 Umsetzbarkeit des haushaltszentrierten Ansatzes
5.3.7 Projektplanung
5.4 Zusammenfassung
6 Organisation
6.1 Genossenschaften
6.1.1 Prinzip
6.1.2 Netzwerkknotenpunkt
7 Zusammenfassende Schlußfolgerungen
8 Anhang
8.1 Glossar
8.2 Abkürzungen
9 Quellenverzeichnis
9.1 Literatur
9.1.1 World-Wide-Web (Internet)
9.1.2 weitere Quellen
9.2 weiterführende Quellen
Abbildungen
Abb. 1: Prozessoreigenschaften des Wassers
Abb. 2: Nachhaltiger Wasser- und Stoffhaushalt bei Re-Integration des Menschen in die Natur
Abb. 3: Zoonösenkernstruktur
Abb. 4: Situation der Abwasserbeseitigung in Berlin 19.Jh.
Abb. 5: Erstellung der Kanalisation in Deutschland
Abb. 6: Anteilige Investitionskosten für die Erstellung verschiedener Konzepte der Abwasserbehandlung ohne Pumpwerke und Kanäle und der Schmutzwasseraufbereitung
Abb. 7: Anteilige Investitionskosten für die Erstellung verschiedener Konzepte der Abwasserbehandlung mit Pumpwerken und Kanälen und der Schmutzwasseraufbereitung
Abb. 8: Konzept der zentralen Abwasserbeseitigung
Abb. 9: Lage der Ortschaft Zaatzke
Abb. 10: Niederschlagsverteilung Land Brandenburg
Abb. 11: Termalbild Brandenburg Landsat 6
Abb. 12: Klimafunktion Acker - Wald
Abb. 13: Klimatische Wasserbilanz für Brandenburg
Abb. 14: Anschlussgrad an die Kanalisation im Land Brandenburg
Abb. 15: Maßnahmen an der Quelle, Waste Design, Nutzungsbedingungen und ihre Schnittstellen
Abb. 16: Der Haushaltszentrierte Ansatz
Abb. 17: Funktionale Ebenen der Gesellschaft
Abb. 18: Neubauernhaus Zum Windfang 3, Zaatzke
Abb. 19: Nutzwasserteilstromnetz Zum Windfang 3, Zaatzke Erdgeschoß
Abb. 20: Mehrkanal Platten- Membranmodul
Abb. 21: Wasserwaschmaschine
Abb. 22: Mehrfacher Wassergebrauch durch Kreislaufführung
Abb. 23: Vergleich Nutzwasser und Schmutzwasser
Abb. 24: Optimale Matrixpotenziale zur Verhinderung der Wasserversickerung bei der tensiogeschalteten Bewässerung
Abb. 25: Beurteilung der Wasserbewegung mit Hilfe des hydraulischen Gradienten
Abb. 26: Miscanthus Giganteus
Abb. 27: Feuerungsprinzip
Abb. 28: Umsatz von Energie zwischen Wohnhaus und Gewächshausmodul
Abb. 29: Aquakultur im Kreislaufsystem
Abb. 30: Edelkrebs (Astacus astacus L.)
Abb. 31: Neubauernhaus mit Glashausmodul
Abb. 32: Umsatz von Nutzwasser und Regenwasser zwischen Wohnhaus und Glashausmodul
Abb. 33 : Durchschnittlicher Temperaturverlauf im Tagesmittel
Abb. 34 Weidenruten
Abb. 35: Weidenpavillion
Abb. 36: Prinzip der Kompostierung
Abb. 37: Schlammspiegelmessung Zum Windfang 3 in Zaatzke
Abb. 38: Schlammspiegelmessungen Zum Windfang 3 in Zaatzke
Abb. 39: Entwurfsdarstellung Zum Windfang 3 in Zaatzke
Abb. 40: Regelkreis der am Projekt beteiligten Akteure
Abb. 41: Genossenschaften als Netzwerkknotenpunkt
Tabellen
Tab. 1: Szenario Trend Klimaveränderung Standort Neurrupin
Tab. 2: Nährstoffgehalte im Schmutzwasser von Zaatzke
Tab. 3: Tageswasserbedarf Zum Windfang 3, Zaatzke
Tab. 4: Integriertes Wassermanagement Zum Windfang 3, Zaatzke
Tab. 5: Nutzwertanalyse Wassermanagement Zum Windfang 3, Zaatzke
Tab. 6: zukünftige Anteile am Tageswasserbedarf Zum Windfang 3, Zaatzke
Tab. 7: Durchschnittliche Nährstoffgehalte im häuslichen Schmutzwasser
Tab. 8: Elektrische Leistung (kwh) verschiedener Energieträger
Tab. 9: Energieaufwand für verschiedene Nutzungen und Aquivalente verschiedener Energieträger
1 Einleitung
Die Ressourcen Wasser, Boden und Luft sind voneinander abhängige Systeme und stehen in einer gegenseitigen Wechselbeziehung. Sie bilden die Existenzgrundlage unserer Gesellschaft und werden durch Übernutzung jedoch oft dauerhaft geschädigt.
"Wasser, überall Wasser, und kein Tropfen zu trinken", sagte der alte Seemann. Dieser Ausspruch zeichnet ein gutes Bild der globalen Situation. Der weltweite Süßwasseranteil beträgt ca. 3,5 Prozent, doch davon ist ein großer Teil in den Eismassen der Pole gebunden. Der Tropfen zu trinken macht nur ein hundertstel Prozent des Wassers in der Welt aus. Für Wasser gibt es keinen Ersatz.
Die Anzeichen von Wasserknappheit sind inzwischen in vielen Ländern der Erde spürbar. Nicht nur die Länder des Südens sind davon betroffen, auch in Deutschland wird diese Ressource regional und lokal zu einem kostbaren Gut. Quantitative Verluste an Wasser in Flüssen, Seen und beim Grundwasservorrat werden durch unzureichende Niederschläge oder Übernutzung offensichtlich. Auch zunehmend qualitative Verluste von Wasservorräten durch Verschmutzung und Nährstoffeinträge sind aufgrund des derzeitigen Umgangs mit Abfall und Abwasser zu verzeichnen.
Die Intensität der heutigen Inanspruchnahme des Wassers nimmt auf diese Anzeichen keine Rücksicht, sondern übernutzt und verschmutzt zunehmend diese für das Leben so unabdingbare Ressource.
Die Nutzung, Visualisierung und Erlebbarkeit von Wasser unterliegt aber nicht nur materiellen Interessen. Es geht vielmehr um die Einsicht der Gesellschaft in den nachhaltigen Umgang mit Wasser. Dabei geht es um die Verknüpfung der einzelnen funktionalen Bezüge zum Wasser in der Gesellschaft. Wasser ist in der Summe mehr als nur die alleinige Addition seiner Funktionen.
Das Land, das der Mensch bewirtschaftet, ist ohne Wasser beinahe oder ganz wertlos. Das Land bzw. der Boden ist die physische Basis, auf der viele Aktivitäten des Menschen stattfinden. Er ist Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen. Böden sind ein entscheidendes Glied im ständigen Fluss von Energie und Stoffen in Ökosystemen. Sie erfüllen eine Vielzahl von Funktionen, die für die Existenz einer Gesellschaft enorm wichtig sind. Eine dieser Funktionen ist die land- und forstwirtschaftliche Nutzungsfunktion. Die zentralisierte Wasserwirtschaft beteiligt sich zunehmend an der dauerhaften Schädigung unserer Landschaft, indem sie durch die Dynamisierung des Bodenwasserhaushaltes eine flächendeckende Auslaugung der Böden betreibt. Sind die Böden ausgelaugt, können sie ihre Nutzungsfunktion nicht mehr, oder nur eingeschränkt erfüllen. Durch Verarmung und Erosion werden diese Flächen wertlos. Ist der Landschaftswasserhaushalt geschädigt, wird auch das Klima global, regional und lokal negativ beeinflusst. Eine Besonderheit unseres Planeten besteht darin, dass bei den an der Erdoberfläche auftretenden Temperaturen Wasser zwischen fester, flüssiger und gasförmiger Phase wechseln kann. Ein großer Teil des Wassers wird durch die Verdunstung in Wasserdampf umgewandelt und beeinflusst maßgeblich unser Klima. Der Wasserdampf ist eines der wichtigsten Klimagase und dafür verantwortlich, dass Lebewesen auf unserem Planeten existieren können. Wasserdampf entsteht aber nicht nur über den Meeren und Ozeanen, sondern auch in erheblichem Maße auf den Kontinenten durch die Vegetation. Dort, wo ausreichend Vegetation vorhanden ist, wird die Landschaft gekühlt, ohne Vegetation überhitzt sich die Landschaft. Der noch verbliebene Wasserdampf wird in höhere oder entferntere Regionen transportiert und steht regional und lokal nicht mehr zur Verfügung.
Neben der Erhaltung der natürlichen Ressourcen Wasser, Boden und Luft ist Bereitstellung von Energie für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten von größter Bedeutung. Der harte Kern der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Menschen ist der Einsatz verfügbarer Energie. Energiepolitische Themen berühren in einem weit unterschätzten Maß die internationale, nationale und kommunale Politik und deren Strukturen. Die Energie ist die Lebensader jedweder natürlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Natürliche und gesellschaftliche Lebensvorgänge sind ohne eine energetische Grundlage nicht zu denken und zu beschreiben. Die Sonne ist unsere einzige Energiequelle. Diese Energie soll bei der Betrachtung im Zusammenhang mit Wasser näher betrachtet werden.
1.1 Zielformulierung, Methodik und Vorgehensweise
Das Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines konzeptionellen, haushaltszentrierten Ansatzes zur Steigerung der stofflichen und energetischen Effizienz des Systems Haus und Grundstück durch kurzgeschlossene Wasser- und Stoffkreisläufe.
Für die Entwicklung dieses Ansatzes steht der Sitz der DEZENT-eG (Genossenschaft zur Entwicklung dezentraler Regionalstrukturen), Zum Windfang 3, 16909 Heiligengrabe, OT Zaatzke in Brandenburg mit einer Fläche von 4.831m² und dem Neubauernhaus 176 m² zur Verfügung. Das gesamte anfallende häusliche Schmutzwasser soll auf eine Produktebene transformiert werden, die es erlaubt, das Wasser auf dem Grundstück und im Haus einer Mehrfachnutzung zuzuführen. Abwasser wird vermieden. Dieser haushaltszentrierte Ansatz soll dazu dienen, von der sektoriellen Sichtweise hin zu einer ganzheitlichen Sichtweise bei der Betrachtung des Themas Wasser zu gelangen, um die Systeme Wasser, Boden und Luft dauerhaft positiv zu beeinflussen. Die Nahrungsmittelproduktion und Energiegewinnung soll an die Wasserkonsumtion gekoppelt werden. Diese Arbeit kann Anderen als Grundlage dazu dienen, sich ihren eigenen Bedürfnissen zu nähern, um sich eine eigene Umgebung zu schaffen. Sie kann auch jenen ein Beispiel sein, die sich bisher nicht mit der Betrachtung kleinräumiger Wasser- und Stoffkreisläufe beschäftigt haben.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Abschnitte. Zu Beginn steht eine ökosystemare Betrachtung des Wassers, welche die Bedeutung des Wassers in Ökosystemen beschreibt (KAPITEL 2). Diese Betrachtung bildet die Grundlage für die Analyse. Sie untergliedert sich in eine Analyse der heutigen Wasserinfrastruktursysteme (WIS) und in eine Analyse des Betrachtungsraums. Bei der Analyse der WIS stehen Eckdaten, Situation und Umstände im Vordergrund, die diese Systeme zu dem werden ließen, was es heute ist. Im Betrachtungsraum stehen landschaftliche und klimatische Besonderheiten im Vordergrund, die Anlass dazu geben, den Umgang mit Schmutzwasser auch in Politik, Verwaltung und Rechtsanwendung neu zu hinterfragen (KAPITEL 3). Beide Analysen stellen die Grundlage zur Erarbeitung des haushaltszentrierten Ansatzes dar. Anschließend an das Kapitel drei folgt eine Betrachtung von neuen Entwicklungen in Technik und Gesellschaft, die einen Systemwechsel bei den Wasserinfrastruktursystemen und einen anderen Umgang mit Wasser und Schmutzwasser immer wahrscheinlicher werden lassen (KAPITEL 4). Beim haushaltszentrierten Ansatz (KAPITEL 5) bildet die grundstücksbezogene Schmutzwasseraufbereitung den Kern des Konzeptes zur kleinräumigen Schließung von Wasser- und Stoffkreisläufen. Ebenso wichtig für dieses Konzept ist die beispielhafte Darstellung von technischen Einzelkomponenten, die durch ihre intelligente Kopplung die stoffliche und energetische Effizienz des Systems Haus - Grundstück erhöhen können. Die Arbeit wird durch die Beschreibung einer geeigneten Organisationsform abgerundet, die dazu beitragen kann, dass dieser Ansatz in die Praxis umgesetzt werden kann (KAPITEL 6).
Als primäres Arbeitsmaterial werden die in einer umfangreichen Literaturrecherche erworbenen Quellen zugrunde gelegt. Daneben fließen Ergebnisse aus persönlichen Gesprächen mit Fachleuten ein. Eine vereinheitlichende Grundlage dieser Gespräche wie z. B. einen Fragebogen gab es nicht.
2 Ökosystemare Betrachtung des Wassers
Die ökosystemare Betrachtung des Wassers beruht auf dem „Energie- Transport- Reaktionsmodell“, welches von Herrn Prof. W. Ripl und seinen Mitarbeitern am Fachgebiet für Limnologie der TU-Berlin entworfen wurde.
Mit diesem Modell sind die funktionalen Zusammenhänge und die Beziehungen zwischen der Energieverteilung, dem Wassertransport und den Kreis- bzw. Verlustprozessen in der Landschaft erklär- und steuerbar. Es beschreibt Muster, nach denen sich natürliche Systeme in Wechselwirkung mit der Sonne und Wasser selbst organisieren und über ein räumlich und zeitlich abgestimmtes Zusammenspiel ihre Regenerationsfähigkeit dauerhaft erhalten.
Dem Wasser, das als einziger Stoff quantitativ in allen drei Aggregatzuständen auf der Erde zu finden ist, kommt als dynamisches und damit energiedissipatives Medium besondere Bedeutung zu. Über das Wasser werden die wesentlichen Prozesse in der Landschaft, wie Auswaschung von Basen, die Bestimmung des Klimas, die Nahrungsmittelproduktion etc. bestimmt (Ripl et al. 1997). Das Wasser bildet bei der Betrachtung des Wasser- und Stoffhaushaltes der Landschaft die wichtigste dynamische Systemkomponente, da ein Großteil der energetischen Wechselwirkungen über das Wasser geschehen.
Die Sonne treibt alle wesentlichen Prozesse auf der Erde an. Diese wesentlichen Prozesse des Wasserhaushaltes sind: Verdunstung, Kondensation, Niederschlag und Abfluss. Durch diese Prozesse gerät Materie mit Hilfe des Wassers in Bewegung. Darüber hinaus liefert die Sonne die Energie für die Photosynthese. Die Ökosphäre der Erde ist ein dynamisches System. Dynamische Systeme haben die Eigenschaft, den Energiepuls der Sonneneinstrahlung auf einen Mittelpunkt einzulenken, d.h. die daraus resultierende Temperatur auf der Erde zu vergleichmäßigen, um die bekannten Lebensprozesse zu ermöglichen. Die Sonnenenergie wird räumlich und zeitlich nach bestimmten energetischen Regeln verteilt. Dieser Prozess der Energieverteilung wird Energiedissipation genannt.
2.1 Eigenschaften des Wassers
Die Verteilung der Energie, die von der Sonne auf die Erde gelangt, erfolgt über die Prozessoreigenschaften des Wassers.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Prozessoreigenschaften des Wassers (Ripl & Hildmann 1994)
Verdunstung und Kondensation beschreiben die physikalische Prozessoreigenschaft des Wassers. Bei der Verdunstung wird dem System Wärme entzogen und in Form latenter Wärme im Wasserdampf gespeichert. Das System wird dadurch gekühlt. Diese gespeicherte Energie wird phasenverschoben z. B. nachts oder an kühleren Orten über die Kondensation wieder an das System abgegeben, wobei es sich erwärmt. Die Prozesse der Verdunstung und Kondensation können räumlich und zeitlich stark variieren. Verdunstung und Kondensation stellen einen Kreisprozess dar.
Die chemische Prozessoreigenschaft beschreibt die Fähigkeit des Wassers Mineralsalze zu lösen und zu fällen. Durch diese Eigenschaft besteht die Möglichkeit, dass über den Transport der Stoffe mit Hilfe des Wassers irreversible Stoffverluste entstehen. So wird dieser Prozess zu einem Verlustprozess. Diese Stoffe werden über die Flüsse in die Meere geleitet und sind für eine Gesellschaft verloren.
Die biologische Prozessoreigenschaft ermöglicht unter Energiezufuhr den Aufbau energiereicher organischer Substanz aus Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe der Photosynthese. Im Gegensatz zur Photosynthese wird bei der Atmung Energie (die in den Mitochondrien gespeicherte Stärke) für die Lebensprozesse der Organismen (Wärmeproduktion, Synthese anderer organischer Verbindungen) genutzt und es entsteht Wasser (Ripl, W. 1995). Dieser Prozess ist ein Kreisprozess.
Die Ausbildung räumlich und zeitlich geschlossener Kreisprozesse wird möglich. Solche Kreisprozesse zeichnen sich durch eine gute Temperaturdämpfung bei minimalen Stoffverlusten aus. Geringe Wasser- und Stoffverluste in der Landschaft ermöglichen eine dauerhafte Aufrechterhaltung von Stoffzyklen und der Lebensprozesse in Ökosystemen.
2.2 Messbarkeit der Ausbildung von Kreisprozessen
Die Dauerhaftigkeit von natürlichen Systemen ist durch den begrenzten Vorrat an Nähr- und Mineralstoffen im Boden beschränkt. Mit dem gerichteten Wasserfluss finden Stoffverluste vom Land in die Gewässer und schließlich in die Meere statt. Nachhaltig sind daher Ökosysteme mit einem hohen Anteil stofflicher Kreis- gegenüber Verlustprozessen. Der Anteil von Kreisprozessen gegenüber Verlustprozessen in der Landschaft wird durch ökosystemaren Wirkungsgrad beschrieben.
Die Methode zur Ermittlung des ökosystemaren Wirkungsgrades wurde von W. Ripl entwickelt. Der Anteil von Verlustprozessen gegenüber Kreisprozessen wird anhand von Stoffverlusten quantifiziert (Ripl & Wolter 2001). Er setzt sich aus den zwei Komponenten thermischer und chemischer Wirkungsgrad zusammen.
Mit Hilfe des thermischen Wirkungsgrades wird die Dämpfung des Energiepulses durch das Ökosystem bzw. der Vegetation auf eine mittlere Temperatur an einem Standort bestimmt. Der thermische Wirkungsgrad ist ein Maß dafür, wie gut das Ökosystem durch die Vegetation gekühlt wird. Die Aufzeichnung solcher Daten kann mit Thermalbildern oder mit Hilfe von Bodensonden erfolgen.
Der chemische Wirkungsgrad ist ein Maß dafür, wie gut sich kurzgeschlossene Stoffkreisläufe aufgrund der Energiedissipation herausbilden, um die Stoffverluste im Ökosystem zu minimieren. Diese kann durch die Verdunstung von Wasser, insbesondere über die Transpiration von Pflanzen, Biomasseaufbau- und Umsetzung und durch eine effiziente Kopplung von Strukturelementen geleistet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Nachhaltiger Wasser- und Stoffhaushalt bei Re-Integration des Menschen in die Natur (Ripl et al. 2001)
Durch nachhaltig genutzte Landschaften mit optimierten, kurzgeschlossenen, ortsfesteren Wasser- und Stoffkreisläufen kann der landschaftliche (ökosystemare) Wirkungsgrad des Gesamtsystems und der Gesellschaft angehoben und dessen Nachhaltigkeit erhöht werden.
Hochintegrierte technische Subsistenz auf kleinstem Raum ist der Schlüsselbegriff für eine nachhaltige Gesellschaft. Die Einzelkomponenten einer solchen angepassten Technologie bestehen aus abwasserlosen, abfallosen mit erneuerbarer Energie versorgten Haushalten. (Ripl, W. 2001)
2.3 Zoonösenkernstruktur
Die kleinste funktionale Einheit in der Natur ist die Zoonösenkernstruktur (ZKS). Durch die Anordnung ihrer Elemente werden Wasser- und Stoffkreisläufe kleinräumig geschlossen. Dabei stehen die fünf Komponenten Energie, Produzenten, Konsumenten, Detritus und Destruenten in ständiger Wechselbeziehung zu einander. (Ripl, Hildmann, Jansen 1997).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Zoonösenkernstruktur (ZKS) (Ripl et al. 1996:23)
Die Produzenten (pflanzliche Organismen) senken durch Transpiration und Biomasseaufbau die Energieflussdichte ab. (Temperaturdämpfung). Durch die Transpiration (Verdunstung) wird die Struktur gekühlt. Die Produzenten beeinflussen durch die Bildung von Detritus (abgestorbene organische Substanz) die Destruenten im Boden. Der Detritus speichert Wasser, Nähr- und Mineralstoffe. Die abgestorbene organische Substanz wird von den Destruenten, z. B. Pilze und Bakterien mittels Sonnen- oder chemischer Energie mineralisiert. Das Wasser dient als Transport- und Reaktionsmittel zur Verbindung der verschiedenen Elemente. Die Konsumenten bewirtschaften und kontrollieren die Produzenten und Konsumenten anderer trophischer Ebenen innerhalb der Struktur. Dadurch kann ein ständiger Zuwachs aufrechterhalten werden, wobei jedoch fast keine Nettoproduktion stattfindet. Zuwachs und Abbau halten sich die Waage (Aufhebung der Raumlimitierung). (Ripl et aL. 1996) Die für die Verteilung der Energie verantwortlichen Prozesse in der ZKS sind die kurzgeschlossenen Verdunstungs- und Kondensationszyklen des Wassers, die Bildung von Biomasse und der internen Kreisläufe (Ripl et al. 1997). In einer solchen Struktur erfolgt eine Selektion der Organismen, die sich in ihren Lebens- und Prozesszyklen unterscheiden bzw. sich in ihren Funktionen räumlich und zeitlich ergänzen. Diese Selektion wird besonders dann wirksam, wenn eine Limitierung des Raumes eintritt. Die verschiedenen Organismen stehen dann in gegenseitiger Konkurrenz zueinander, die nur die mit den effektivsten Kopplungen der Elemente bestehen lässt. Ein optimales Zusammenwirken der Elemente durch Vergesellschaftung führt zu einem gleichmäßigeren Energiefluss und zu geringeren stofflichen Verlusten. Damit wird die Stabilität der Struktur erhöht (Ripl & Hildmann 1997) und eine Optimierung bezüglich ihrer Nachhaltigkeit erlangt (Ripl, W. 1995).
2.4 Zusammenfassung
Aus der vorhergehenden ökosystemaren Betrachtung des Wassers wird deutlich, welche Bedeutung dem Wasser für eine Gesellschaft, die ihre Regenerationsfähigkeit und die ihre materielle Basis (Landschaft) erhalten will, zukommt.
Will eine Gesellschaft eine lebensfähige Umwelt hinterlassen, erfordert dies in erster Linie eine Senkung der irreversiblen Stoffverluste über einen verlustarmen Wasserhaushalt in der Landschaft. Ein erster Schritt ist das Erkennen von irreversiblen Stoffverlusten und deren Ursachen. Ausgehend von dieser Ursachenanalyse kann die Formulierung sinnvoller Lösungsansätze erfolgen.
Eine intelligente Gesellschaft fördert lokale Kreisläufe durch Selbstoptimierung nach dem Vorbild der Natur und senkt somit die Geschwindigkeit der Alterung der Landschaft. Sie bündelt Umweltaktivitäten und entwickelt neue Strategien in Richtung einer nachhaltigen ökosozialen Kreislaufwirtschaft.
3 Analyse der Wasserinfrastruktursysteme und des Betrachtungsraums
3.1 Wasserinfrastruktursysteme
Das Ziel der Analyse der heutigen Wasserinfrastruktursysteme ist es, sie hinsichtlich des Umgangs mit Schmutzwasser zu hinterfragen. Es gilt festzustellen, inwieweit diese Strukturen in der Lage sind, zukünftige Entwicklungen in sich aufzunehmen und ob sie zur Aufrechterhaltung der stofflichen Integrität unserer Landschaft beitragen und für einen gesunden Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur sorgen können.
Die Vergegenwärtigung der historisch gewachsenen Wasserinfrastrukturen der Schmutzwasserbehandlung soll uns helfen, unsere Gegenwart als ein zeitgebundenes und beeinflussbares Durchgangsstadium in die Zukunft zu begreifen. Aufgrund sich ändernder globaler, regionaler und lokaler Rahmenbedingungen wird es zunehmend fraglich, Trinkwasser weiterhin als Transportmittel für alle möglichen Arten von Abfällen zu missbrauchen.
Damals, vor dem Aufbau des industriegesellschaftlichen Wasserinfrastruktursystems, orientierten sich Ingenieure und Kommunalpolitiker häufig an den alten Römern: Sie wollten die Städte und Gemeinden ähnlich reichlich mit gutem Wasser versorgen wie diese und auch das Abwasser in Kanälen hinaus in die Flüsse leiten. Doch nach dem Ende der römischen Besatzung verfielen die Fernwasserleitungen, die wenige Städte wie Köln oder Mainz mit Wasser aus dem fernen Gebirge versorgten. Auch Abwasserkanäle wurden nicht mehr erweitert und verfielen ebenfalls. Die römische Wasserinfrastruktur erodierte unter anderem, weil sie nicht zur späteren Gesellschaft und Wirtschaftsweise passte.
Der Umgang mit limitierten Ressourcen wie z. B. Wasser sollte Anlass dazu sein, die Begriffe Abfall und Abwasser neu zu hinterfragen. Zur Erhaltung unserer physischen Basis, der Landschaft wird eine neue Auseinandersetzung mit diesen Begriffen notwendig. In der Natur ist der Abfall- bzw. Abwasserbegriff nicht bekannt. Bis auf ganz wenige Fälle sind die von Pflanzen (=Produzenten) aus Sonnenlicht und Kohlendioxid aufgebauten energiereichen, organischen Verbindungen, in Form von Biomasse, für andere Organismen verwertbar. Was Konsumenten (Tiere, Menschen) nicht verwerten können bzw. ausscheiden wird von Destruenten (Pilzen, Bakterien) wieder zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut. (Kunz, P. 1990) Diese Abbauprozesse dienen gleichzeitig dem Aufbau neuer Biomasse, so dass keine Abfallberge und kein Abwasser entstehen können. "Die Natur zeigt uns, wie wir die Dinge besser machen können". (BRAUNGART, M. Mc-Donough, W. 2003).
Der Transformationsdruck auf dieses System steigt unter anderem auch durch die Debatte um Liberalisierung und Privatisierung, durch neue europarechtliche Anforderungen und die Finanzkrise des Bundes, der Länder und der Kommunen. In diesem Zusammenhang ist es fraglich, in wieweit marktwirtschaftliche Kräfte in einem leitungsgebunden zentralen System überhaupt wirksam werden können, da diese Systeme natürliche Gebietsmonopole darstellen. (Hiessl und Toussaint, 1999)
3.1.1 Die Wasserinfrastruktur heute
Die industriegesellschaftliche Wasserinfrastruktur ist im 19. Jh. geschaffen worden, um die Siedlungshygiene zu verbessern und Wachstum abzusichern. Mit dem Aufbau der Wasserinfrastruktur der Siedlungswasserwirtschaft wurde Wasser zum mengenmäßig größten Stoffstrom, der durch die mitteleuropäischen Kommunen hindurchgeht und dort mit Abfällen aller Art (Problem der Vermischung) beladen wird. Wenn sich Kulturen an ihrem Umgang mit Wasser unterscheiden lassen, dann ist die Wasserkultur Mitteleuropas als eine Kultur des Sisyphus zu kennzeichnen. Wasser wird unter dem Vorwand der Säuberung und Hygiene durch die Städte und Kommunen geleitet und kommt aus ihnen so verschmutzt zurück, dass es mit extrem hohem Aufwand – Geld und Energie (eventuell auch Chemie) – aufbereitet werden muss (Baccini et al. 1999; Kluge et al. 1998). "Die Kommunen insgesamt – mit den einzelnen Haushalten als Kernzellen von Konsum und Stoffumsatz – werden so zu gewaltigen Durchflussreaktoren, deren Zentrum die industriegesellschaftliche Wasserinfrastruktur ist" (Kluge et al. 1988).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Situation der Abwasserbeseitigung in Berlin 19.JH (Gärtner, 1852)
Zu Beginn der industriellen Revolution wurden die Städte durch offene Kanäle auf den Strassen entwässert, weil dies durch eine relativ geringe Bebauungsdichte und den weitaus geringeren Schmutzwassermengen möglich war. Das Wasser wurde aus Brunnen entnommen und in Eimern in die Häuser gebracht. Fäkalien wurden in so genannten "Plumpsklos" gesammelt und mit Karren abtransportiert. Immer mehr Menschen wanderten in die Städte, um dort in den neu entstandenen Fabriken zu arbeiten. Die Bebauungsdichte der Städte nahm in diesem Augenblick enorm zu. Zum anderen begann man, die Menschen in den Häusern per Leitung mit Wasser zu versorgen. Plötzlich nahm auch die Schmutzwassermenge enorm zu. Zunahme der Bebauungsdichte, Bevölkerungszunahme und erhöhter Schmutzwasseranfall durch Trinkwasserleitungen veranlassten findige Ingenieure, größere Kanäle für den Abtransport des Schmutzwassers zu bauen, und zwar unter den Strassen der Städte. Die Menge an Schmutzwasser nahm außerdem zu, weil auch Industrie und Gewerbe ebenfalls große Mengen davon anfielen. Sie war also eine Katastrophentechnologie, d. h. sie wurde eingeführt um die unhaltbaren hygienischen Zustände und die großen Mengen an Schmutzwasser in den Städten zu beseitigen.
Die Wasserinfrastruktur in Deutschland baut größtenteils auf Grundwasser als Ressource (auch in einer flusswasserabhängigen Variante – Uferfiltrat) auf (Kluge, Th. Schramm, E. 1998). Sie ist auf eine kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung ausgerichtet, damit zu jeder Zeit eine Nachlieferung aus dem Netz möglich ist. Die Leitungen der Ver- und Entsorgung müssen für den Spitzenbedarf dimensioniert sein, denn sie müssen zu jeder Zeit den Anforderungen genügen. Man spricht hier von supply side management. Durch die Dynamisierung des Grundwassers (Bodenwasserhaushaltes) und durch die Ableitung dieses Wasser in Form von Schmutzwasser nach dem Gebrauch geht das Wasser mit den darin gelösten Mineralstoffen (Ca, Mg, K) lokal und regional verloren.
Kennzeichen der industriegesellschaftlichen Wasserinfrastruktur ist neben ihrer Zentralität auch ihr Einheitsdenken. Die Wasserinfrastruktur transportiert Einheitswasser in Trinkwasserqualität; die Entsorgungsinfrastruktur nimmt ohne Unterschied Haushaltsabwasser, gewerbliches Abwasser und „unverschmutztes“ Regenwasser auf. Regenwasser wird zu Abwasser, sofern es in Leitungen gefasst und abtransportiert wird. Differenzierungen der Wassernutzungen konnten so ausgeblendet werden. Ebenso konnten auch – bezogen auf die innerstädtische Infrastruktur und deren Management – Differenzierungen bezüglich der zur Verfügung gestellten Wasserqualitäten und auch beim Abwasser nicht vorgenommen werden.
Die Infrastrukturen der Siedlungswasserwirtschaft (Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung) sind teuer, langlebig und weitgehend unsichtbar. Ursprünglich durch Subventionen ermöglicht, müssen sie heute in den meisten Fällen regional und lokal mit weniger Subventionen unterhalten und erneuert werden.
Die Herausforderung wird darin bestehen, die Entwicklungslinien des 19. Jahrhunderts zu überwinden. Die hohen Investitionskosten, der ansteigende (teurer werdende) energetisch- und stoffliche Aufwand zur Wasserreinigung, die mögliche Klimaveränderung, der sinkende Wasserverbrauch in den Haushalten, die Belastung der Gewässer, sinkende Bevölkerungszahlen, ressourcenökonomische und ökologische Gründe werden einen Rück- bzw. Umbau der Wasserinfrastruktur erfordern. Aus einem Rückgang des industriellen, gewerblichen und privaten Verbrauchs von Wasser kann bei einer Orientierung an sozial verträglichen Preisen und Gebühren eine schwierige wirtschaftliche Situation entstehen. Mit sinkendem Wasserverbrauch gibt es deshalb weniger Einnahmen für die Wasserversorgungs- und Abwasserreinigungsbetriebe und sie müssen die Preise erhöhen. Auch die Unterhaltung der überdimensionierten Wasserinfrastruktur müsste bei Bevölkerungsrückgang von weniger Nutzern getragen werden. Die Bereitstellung von Wasser könnte somit teurer werden, was zur Folge hat, dass noch weniger konsumiert wird. (Reidenbach et al. 2002)
Man rechnet bei den Infrastrukturen der Abwasserreinigung mit Wiederbeschaffungskosten von 2500- 5500 Euro pro Person, wobei die Kanalisation allein ca. 80% der Investitionen ausmacht (Maurer, M. et al. 2005). Die Situation in der Wasserversorgung ist ähnlich (Lehmann, M. 1994). Mit Infrastrukturen in der Siedlungswasserwirtschaft ist vor allem der unsichtbare Teil, der 75 Prozent der Rohrleitungen im Untergrund ausmacht, gemeint. Sowohl die Wasserversorgung als auch die Kanalisation sind mit den Siedlungen gewachsen und ihre Komponenten können eine Lebensdauer von bis zu 80 Jahren haben, wenn sie entsprechend genutzt werden können. Durch zu geringe Durchflussmengen können Kanalrohre zerstört werden bzw. Wartungsintervalle müssten erhöht werden, um Rohre zu spülen. Sie müssten dauernd erneuert und unterhalten werden. Eine Anpassung an zukünftige Veränderungen könnte sich als schwierig erweisen, weil das System nur als Ganzes funktioniert (Selle, O. 2002).
In urbanen wie auch ländlichen Gebieten Deutschlands stellen Unterhalt und Erneuerung der Kanäle eine erhebliche wirtschaftliche Last dar, die oft vernachlässigt wird. 17 Prozent der Kanalisation in Deutschland sind schadhaft und schlägt mit einem kurz- bis mittelfristigen Aufwand für eine Sanierung von ca. 45 Mrd. Euro zu Buche (Berger et al. 2002). Da der größte Teil der Kanalisation nach 1950 gebaut worden ist, wird spätestens im Jahre 2030 der Sanierungsbedarf markant ansteigen. Berger et al. (2002) schätzen, dass die privaten Hausanschlüsse, die etwa die doppelte Länge des öffentlichen Kanalsystems ausmachen zu 40 Prozent schadhaft sind.
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Abb. 5: Erstellung der Kanalisation in Deutschland (Berger et al. 2002 )
Der größte Teil der Kanalisation (ca. 70 Prozent) ist nach 1950 erstellt worden. Die Technologie der Schwemmkanalisation ist eine Technologie, die dazu entwickelt wurde, die unhaltbaren hygienischen Zustände in den Städten zu beseitigen. Durch direkten Kontakt der Menschen mit Fäkalien entstanden Seuchen. In den ländlichen Gemeinden war die Situation eine andere. Bis zum zweiten Weltkrieg war der Bau zentraler Schmutzwassersysteme dort nicht notwendig, da ein anderer Umgang mit dem häuslichen Schmutzwasser möglich war. Dies konnte auf landwirtschaftlichen Flächen wieder verwendet werden. In den Zeiten des Wachstums nach dem Krieg, war man der Meinung, man kann das Konzept der zentralen Wasserver- und entsorgung auch auf die ländlichen Gebiete Deutschlands ausdehnen, um wie in der Stadt "gefahrlos" das Schmutzwasser in die Gewässer abzuleiten. Dabei wurde dieses System in erster Linie aus fiskalischen Gründen in den ländlichen Gemeinden etabliert.
Ein anderer Aspekt bei der Erstellung von Abwasserbehandlungs- und Schmutzwasseraufbereitungssystemen sind die anteiligen Kosten der jeweiligen dazugehörigen Komponenten. Die folgenden Abbildungen werden diesen Aspekt näher darstellen.
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Abb. 6: Anteilige Investitionskosten/EWG für die Erstellung verschiedener Konzepte der Abwasserbehandlung ohne Pumpwerke und Kanäle und der Schmutzwasseraufbereitung (Dezent-eG, 2006)
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Abb. 7: Anteilige Investitionskosten/EWG für die Erstellung verschiedener Konzepte der Abwasserbehandlung mit Pumpwerken und Kanälen und der Schmutzwasseraufbereitung (Dezent-eG, 2006)
In Abbildung 6 sind die verschiedenen Abwasserbehandlungkonzepte zentral, semizentral und dezentral und rechts das Konzept der haushaltszentrierten Schmutzwasseraufbereitung hinsichtlich der Investionskosten pro Einwohnergleichwert (EWG) gegenübergestellt. Beim zentralen und semi(de)zentralen Konzept fällt auf, dass die Investitionskosten für die eigentlichen Anlagen selber gegenüber dem dezentralen und haushaltszentrierten Konzept geringer ausfallen. In Zahlen ausgedrückt sind das beim zentralen Konzept ca. 350 Euro pro EWG.Nimmt man nun die Investitionskosten für die Erstellung des gesamten Systems, wie Rohrleitungen und Pumpwerke hinzu (vgl. Abb.7), ergibt sich ein anderes Bild. Bei der zentralistischen Lösung machen die Kanalkosten mehr als 90% der gesamten Investitionskosten aus. Bei der ortsnahen Strategie sind es immer noch fast 80%. Entsprechend gestalten sich Gebühren, die in solchen zentralistisch erschlossenen Ortschaften heute bezahlt werden müssen. Im Gegensatz dazu, ist das dezentrale Konzept das Kostengünstigste. Das haushaltszentrierte Konzept der Schmutzwasseraufbereitung ist in der Erstellung teurer wiederum etwas teurer als das Dezentrale. Doch beim haushaltszentrierten Konzept sind weitere Kosteneinsparungen zu erwarten, da zum Einen die Technologie noch in der Etablierungsphase steckt, zum Anderen können über die Mehrfachnutzung des Wassers Kosten eingespart werden.
Auch die "gefahrlose" Ableitung des Schmutzwassers über zentrale Netze ist fraglich. Selbst in einem gut ausgebauten Mischwassersystem gehen gut 20 Prozent des Wassers mit den darin enthaltenen Schmutzstoffen durch undichte Rohrleitungen und Hausanschlüsse, Mischwasserentlastungen bei Starkregenereignissen sowie durch illegale Kläranlagenabläufe verloren. Der Wirkungsgrad dieses Systems ist immer kleiner 80 Prozent und teilweise noch kleiner, wenn eine Nutzung des Klärschlamms in der Landwirtschaft aufgrund von Verordnungen untersagt wird. Kläranlagen sind so konzipiert worden, dass sie erst am Ende des Systems das Schmutzwasser behandeln können. Der Einbau teurer Reinigungsstufen in diese Anlagen könnte sich als überflüssig und erfolglos herausstellen, wenn Maßnahmen am Entstehungsort des Schmutzwassers ergriffen werden. Eine Maßnahme ist die Vermeidung von Schmutzwasser durch hausinterne Schmutzwasseraufbereitungsanlagen.
3.1.1.1 Verlust von Nähr- und Mineralstoffen
Das Konzept der zentralen Abwasserbeseitigung stößt im Hinblick auf die nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser auf Grenzen.
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Abb. 8: Konzept der zentralen Abwasserbeseitigung (Dr.Wolter,K-D. 2005)
Ein nicht unerheblicher Nachteil der heutigen Wasserinfrastruktursysteme ist auch der Verlust von Nähr- und Mineralstoffen. Durch das Durchfluss- System können Wasser, Nähr- und Mineralstoffe einer Mehrfachnutzung, im Sinne einer Stoffverlustminimierung, nicht zur Verfügung stehen.
Bedeutende Mengen der Nährstoffe im Schmutzwasser (vor allem Stickstoff, Phosphor,) können nach der Verdünnung in der Schwemmkanalisation nur durch direkte Bewässerung mit Schmutzwasser recycelt werden. Stickstoff, der keine endliche Ressource darstellt, aber durch ein energieintensives Verfahren mit nicht erneuerbarer Energie aus der Luft gewonnen wird, stellt sich die Frage nach energiegünstigen Verfahren der Rückgewinnung (Maurer et al. 2003). Solche Verfahren werden heute durch die Verdünnung des Stickstoffs in der Schwemmkanalisation unmöglich gemacht. Der direkten Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen stehen seuchenhygienische und vor allem schadstofftechnische Bedenken im Wege.
Im Gegensatz zu Stickstoff ist Phosphor ein limitierter Bodenschatz und gleichzeitig als Dünger unentbehrlich. Phosphor ist durch nichts zu ersetzen. Das heutige System der Nährstoffelimination und der Verbrennung von Klärschlamm mit den darin enthaltenen Nähr- und Mineralstoffen ist äußerst fragwürdig. Basierend auf den neuesten Daten über Phosphorreserven und –verbrauch reicht die heute ökonomisch verwertbare Phosphorreserve nur noch für ca. 130 Jahre – eine sehr kurze Zeit angesichts der immensen Bedeutung dieses Rohstoffs (USGS, 2004). Die bekannten Ressourcen, die heute nicht ökonomisch verwertbar sind, befinden sich auf den Kontinentalsockeln in den Ozeanen, wo sie durch das System der Schmutzwasserbeseitigung täglich hintransportiert werden. Sie würden für einige Jahrhunderte mehr reichen. Schon heute wird Phosphor aus ökonomischen Gründen nicht mehr dort eingesetzt, wo er gebraucht wird, so z. B. in Entwicklungsländern mit kargen Böden (Pinstrup- Andersen/Pandya- Lorch 1998)
Die tägliche Praxis der Abfall- und Abwasserbeseitigung macht deutlich, mit welchem ungerechtfertigten Aufwand z. B. Klärschlämme und Doponieabwasser entsorgt werden. Bekanntlich werden Klärschlämme auf Deponien verbracht oder der thermischen Verwertung zugeführt. Wenn die Klärschlämme, oft ein Gemisch aus vielen chemischen Substanzen, auf Deponien verbracht werden, entsteht Sickerwasser. Dieses wird in eine Deponie eigene Reinigungsanlage geleitet, wo es „gereinigt“ wird. Diese Anlagen können viele Stoffe nicht entfernen, da sie keine entsprechenden Reinigungsstufen besitzen. Das führt zu einem täglichen, absurden und kostenverursachenden, aber technisch scheinbar perfekt geplanten Kreislauf („technisch perfekt“ bedeutet: nach dem gesetzlich geforderten und von der DWA definierten „Stand der Technik“):
Mit Schadstoffen belasteter Klärschlamm wird aus dem Klärwerk mit Spezialfahrzeugen in die Deponie transportiert. Dieselben Spezialfahrzeuge transportieren das belastete Deponiesickerwasser zu diesem Klärwerk mit entsprechender Reinigungstechnik zurück, wo die Inhaltsstoffe teilweise eliminiert werden können. Der wiederum anfallende belastete Klärschlamm wird wieder zur Deponie transportiert (Rügemer, W.1995).
3.1.1.2 Vermischung von Kreisläufen
Die ursprüngliche Absicht bestand darin, Schmutzwasser mit biologisch aktivem Abfall – im allgemeinen menschlichen Urin und Fäkalien, also die Art Abfall, die seit Millionen von Jahren in den natürlichen Kreislauf aufgenommen worden war – ungefährlich zu machen. Der Grundgedanke war die Schmutzentsorgung als eine Art mikrobiellen Verdauungsprozess zu verstehen. Die festen Bestandteile wurden entsorgt und kompostiert. Die restliche Flüssigkeit konnte im Prinzip wieder verwendet werden. Mit der Zeit wurden aber viele Produkte auf den Markt gebracht, bei deren Entwicklung man das zentrale System der Schmutzwasserentsorgung nicht mit betrachtet hatte. Die öffentliche Wasserinfrastruktur nahm alle möglichen Arten von „Abfällen“ auf und transportierte sie mit dem Schwemmwasser zum Klärwerk. Das führte dazu, dass mehr oder weniger unbedenkliches oder kaum belastetes Haushaltsschmutzwasser mit „Flüssigabfällen“ aus Krankenhäusern, Industriebetrieben oder auch Silagewässern aus Deponien und Müllverbrennungsanlagen vermischt wurde. Dieses hochkomplexe Gemisch aus chemischen und biologischen Substanzen läuft dann auch unter der Bezeichnung „Abwasser“.
Durch diese Verfahrensweise wird die Nutzung von Nähr- und Mineralstoffen menschlicher Fäzes nahezu unmöglich. Diese Praxis hat dazu geführt, dass in erster Linie nur eine Schadstoffdiskussion in Politik, Verwaltung und Wirtschaft geführt wird. Minimale Konzentrationen von Schadstoffen, gemessen am Volumenstrom des Schmutzwassers, werden dazu benutzt, aufbereitetes Schmutzwasser und Fäkalschlamm nicht wieder zu verwenden, obwohl die Konzentration selbiger bei Behandlung von Saatgut und industriell gefertigten Düngern weitaus höher sein können ohne Auswirkungen auf die Unbedenklichkeit von Nahrungsmittelpflanzen zu haben. Aus diesem Grunde ist eine längst erforderliche Nutzstoffdiskussion mit dem Argument gescheitert, die Ackerkrume und somit auch wir Menschen könnten vergiftet werden. Durch eine differenzierte Betrachtung der Stoffströme bzw. im Haushalt, Gewerbe und Industrie kann eine Nutzstoffdiskussion wieder möglich werden.
3.1.1.3 Energieverbrauch
Die aufzubringende Energie zur Behandlung von Schmutzwasser und zum Betrieb von Kläranlagen wird teilweise überbewertet. Der Energieverbrauch bewegt sich bei ca. 10 Watt pro Person (als Dauerleistung, hauptsächlich elektrische Energie). Das ist verschwindend gering im Vergleich zum totalen Energieverbrauch, der in Deutschland bei etwa 5500 Watt pro Person liegt. Neben der Wasserversorgung, die Energie in derselben Größenordnung wie die Schmutzwasserbehandlung braucht, spielt der Warmwasserverbrauch eine nicht zu unterschätzende Rolle. In einem mitteleuropäischen Haushalt werden schätzungsweise 100 Liter warmes Wasser pro Person verbraucht (Dusche, Wäsche und Geschirr spülen). Das macht bei einer Temperatur von 15 °C auf 35 °C einen zusätzlichen Energiegehalt des Wassers von 8400 kJ pro Person aus oder – als Dauerleistung ausgedrückt – 100 Watt pro Person. Diese Energie geht größtenteils in die Kanalisation verloren. Diese könnte mit geeigneten Technologien zur Erwärmung der Raumluft oder des Wassers im Haushalt benutzt werden. Dennoch ist es fraglich, mit nicht erneuerbaren Energien, Schmutzwasser zur Überwindung von längeren Strecken und topografischen Höhenunterschieden durch Rohrleitungen zu pumpen und vor allem die Nährstoffe aus dem Schmutzwasser zu entfernen, obwohl diese zum Erhalt der stofflichen Integrität der Landschaft notwendig sind (Larsen, T., Lienert, J., Maurer, M., Gujer, W. 2005).
3.1.1.4 Risikomanagement
Im Zuge der Liberalisierung und Privatisierung von Wasserinfrastrukturleistungen in der letzten Zeit bekommt das Risikomanagement eine neue Dimension. Dies wird im Hinblick auf einzusparendes Kapital bei Investitionen und Unterhaltung des Systems zunehmend praktiziert. Das Risikomanagement zielt darauf ab, so lange nichts zu unternehmen, wie kein Schadensfall eintritt. Mit dem Vorsorgeprinzip, welches durch den Einsatz frühzeitiger Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren und über die Beseitigung von Schäden hinaus, dem Entstehen potenzieller Beeinträchtigungen der Umwelt möglichst an dessen Ursprung vorgebeugt, um so einen dauerhaften Umweltnutzen zu erzielen, hat das wenig zu tun.
Ein Risikomanagement ist dadurch geprägt, immer neue Grenzwerte für umwelt- und gesundheitsschädigende Substanzen zu entwickeln, zumal bei einem Großteil dieser Chemikalien die Wirkungen nicht einmal bekannt sind. Für viele dieser Chemikalien fehlen geeignete Messmethoden, oder sie sind schlicht und einfach zu teuer, um sie nachweisen zu können. In Laboren wird getestet, ab welchen Konzentrationen diese Stoffe für ein Gewässer und die Organismen schädigend wirken. Es wird untersucht, ab welcher Konzentration eines Stoffes ein System dauerhaft geschädigt wird oder es zusammenbricht. Die Untersuchung des Verhaltens eines einzelnen Schadstoffs ohne seine zeitliche und räumliche Verteilung im System ist nur eingeschränkt erkenntnisgewinnbringend. Daher sind die Auswirkungen und der Verbleib vieler Stoffe unbekannt. Mit diesem Risiko für Mensch, Tier und Pflanze werden die Stoffe trotzdem verwendet und mit dem Schmutzwasser in die Gewässer abgeleitet.
Ein weiterer Aspekt dieses Risikomanagements ist, dass sich die Wasserver- und entsorgungsunternehmen fragen wo, was und wieviel kann eingespart werden, dass das System trotzdem noch als Ganzes funktioniert. Um die Rendite der Anleger zu erhöhen, werden z.B. Wartungsintervalle verlängert und nötige Investitionen für Unterhaltungsmaßnahmen nicht unternommen. Damit erhöht sich das Risiko, dass das System nicht mehr zuverlässig arbeitet. Die Schäden, die dann entstehen können, sind schwer kalkulierbar und werden dann wieder der Allgemeinheit angelastet.
3.1.1.5 Naturwissenschaft, Politik, Verwaltung und Rechtsanwendung
Aus heutiger naturwissenschaftlicher Sicht entspricht die Abwasserdefinition (vgl. §64 BbgWg zu §18a WHG) nicht mehr dem erreichten Wissensstand. Sie reduziert auf den Wortlaut: Auch eine Tasse Kaffee wird zum Abwasser erklärt. Wasser wird zu Abwasser durch Verunreinigungen oder Beeinträchtigung in seinen Eigenschaften. Unabhängig von der Art und Weise der Umwandlung wird aus Wasser also Abwasser. Die Ursache, das Ausmaß, die Schädlichkeit der Veränderungen oder Beimischungen spielen keine Rolle. Naturwissenschaftlich heißt das, dass in der Natur gar kein Wasser, sondern nur Abwasser vorkommt, da alles Wasser Beimengungen aus der Luft oder dem Boden mit sich führt.
Die Politik (Gesetzgeber) und die Verwaltung (Rechtsanwendung) sind dazu verpflichtet, durch die Schaffung eines Rechtsrahmens (Gesetze und Verordnungen) die Bevölkerung vor möglichen gesundheitlichen Schäden und Risiken, die mit dem Schmutzwasser und Regenwasser in Verbindung gebracht werden, zu schützen. Der Erhalt des Allgemeinwohls und der Volksgesundheit besitzen oberste Priorität. Dies wird dazu benutzt, das bestehende System der Wasserver- und entsorgung aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen. Dabei entsteht der Eindruck, dass nur das vorherrschende System der zentralen Schmutzwasserbeseitigung in der Lage ist, Mensch und Natur vor Beeinträchtigungen zu schützen. Dem Erhalt des Allgemeinwohls und der Volksgesundheit kann aber auch durch dezentrale Anlagen entsprochen werden (Berndt, D. 1999). Sie sind gesetzeskonform, bürgernah, billig und vermeiden die Verschuldungen der Kommunen (Memorandum IDA 6/99)
Vergessen wird außerdem, dass durch die möglichst schnelle Beseitigung des so genannten Schmutzwassers auch Nähr- und Mineralstoffe und das Wasser selbst zur Aufrechterhaltung der lokalen Lebensvorgänge nicht mehr zur Verfügung stehen. In diesem Falle tragen die Gesetze und Verordnungen eher dazu bei, das Wohl der Allgemeinheit nicht zu erhalten.
Ein weiterer Aspekt ist, dass die Begriffe des Wasserrechts mittlerweile ein Konglomerat mehrerer rechtsgeschichtlicher Gestaltungsperioden sind. Althergebrachte Definitionen wurden unkritisch in die wasserrechtlichen Vorschriften übernommen. Zur Lösung von Einzelproblemen in Landwirtschaft und Industrie wurden Ausnahmen eingefügt und althergebrachte Definitionen aus den Bestimmungen zur Abwasserbeseitigung herausgenommen. Naturwissenschaftliche und rechtliche Entwicklungen wurden zwar in die Bestimmungen eingearbeitet, doch wäre zu prüfen, ob unter diesen Umständen die Systematik und Logik des Wasserrechts im Widerspruch zu den neuen Erkenntnissen und Erfordernissen steht. Dies führt zu immer größeren Widersprüchen, da nie das obrigkeitsstaatliche Prinzip der Alleinverantwortung der kommunalen Selbstverwaltung für die Abwasserbeseitigung aufgeben wurde (Bohla, T. 2004).
Bei der Anwendung und Auslegung von Gesetzen sollte sich die Rechtsanwendung eher an landesspezische Besonderheiten orientieren. Aufgrund der geografischen Situation großer Teile des Landes Brandenburg, die wasserwirtschaftlich gekennzeichnet ist durch leistungsschwache Vorfluter, zahlreiche stehende Gewässer, einer äußerst geringen Besiedlungsdichte und sehr hohen Erschließungskosten für zentrale Abwassersysteme, muss auch die landesgesetzliche Umsetzung und Ausfüllung der wasserhaushaltsgesetzlichen Vorgaben beeinflussen.
Es liegt im Wesen der Gesetzgebungskompetenz (vgl. Art. 75 GG), dass der bundesrechtliche Rahmen die Möglichkeit offen lassen muss, die Materie entsprechend den besonderen Verhältnissen des Landes auszugestalten.
Aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) hat sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als wesentliches Regulativ aller staatlichen Tätigkeit herausgebildet. Für die Verwaltung bedeutet das, dass sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben stets die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Angemessenheit ihrer Handlungen zu beachten hat. Insbesondere dann, wenn das Gesetz keine zwingenden Standards setzt, sondern mit unbestimmten Rechtsbegriffen, Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen arbeitet, steht die behördliche Entscheidung maßgeblich unter dem Eindruck der Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Hier können speziell für den Einzelfall Regelungen getroffen werden, die der lokalen Situation Rechnung tragen. Die Entscheidung, ob eine Beeinträchtigung der Umwelt und des Menschen zu besorgen ist, kann nur durch Einzelfallprüfung gefällt werden.
Dabei sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:
- Art und Menge der einzuleitenden Stoffe
- Beschaffenheit des betroffenen Grundwasserleiters
- Beschaffenheit des betroffenen Bodens
- Bedeutung von Witterungseinflüssen
- Bauart und Betriebsweise der benutzten Einrichtungen
- Reaktionsmöglichkeit auf Störfälle
- Leistungsfähigkeit des Betreibers
- Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
Die Beurteilung der Anwendbarkeit von Gesetzen und anderer zahlloser umweltrechtlicher Bestimmungen bleibt letzten Endes vornehmlich die Aufgabe des Ingenieurs und nicht des Juristen. (Salzwedel, J., Dohmann, M. 1992)
3.2 Zusammenfassung
Die Analyse der Wasserinfrastrukturen hat gezeigt, dass durch eine Vielzahl von Schwächen die Zukunftsfähigkeit der vorhandenen Strukturen in Frage gestellt werden muss.
Unsere heutigen zentralen WIS (Wasserinfrastruktursysteme) sind nicht dazu geeignet, unsere physische Basis (Landschaft) zu erhalten. Ist dieses System einmal aufgebaut, ist es nur den auf quantitativem Wachstum ausgerichteten Strukturen angepasst. Das System kann nicht oder nur schlecht auf (sich) verändernde Bedingungen reagieren, weil es nur als Ganzes funktioniert.
Eine nachhaltige und zukunftsfähige Schmutzwasserbehandlung kann nur bedeuten, Energiepotentiale und Nährstoffe des anfallenden Schmutzwassers zu nutzen, letztere müssen wieder auf die landwirtschaftlichen Flächen rückgeführt werden, wo sie benötigt werden. Gewässer sind zur Beseitigung des aufbereiteten Schmutzwassers nicht geeignet. Eine differenzierte Betrachtung der Stoffströme in Haushalt, Gewerbe und Industrie sollte es ermöglichen, eine sachliche Schadstoff - Nutzstoff Diskussion für den Aufbau neuer intelligenter Schmutzwasseraufbereitungssysteme zu führen; Systeme, die es erlauben Nutzwasser und Nutzstoffe ohne Bedenken wiederzuverwenden. Wenn es uns in Zukunft wirklich gut gehen soll, müssen wir lernen, das hoch effektive System der Natur mit seinen Nährstoffströmen und Metabolismen zu imitieren und die Vorstellung von Abwasser und Abfall als Designprinzip ablegen. Das bedeutet, dass die in den Materialien enthaltenen Nährstoffe das Design festlegen: Die Evolution und nicht allein die Funktion bestimmt die Form unserer Systeme und Produkte (Braungart, M., McDonough, W. 2003).
[...]
- Arbeit zitieren
- Diplom-Landschaftsplaner Heiko Wonglorz (Autor:in), 2006, Vom Schmutzwasser zum Nutzwasser, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86998
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