Die vorliegende Arbeit basiert auf der Idee, dass in langfristiger Perspektive die touristische Nutzung von Schutzgebieten kontinuierlich und letztlich erheblich ansteigen wird. Daraus folgt für das Management von Schutzgebieten, dass in Zukunft eine Begrenzung der Besucherzahlen unumgänglich werden wird.
Die Arbeit behandelt demnach die Frage, wie unter ökologischen Gesichtspunkten eine maximale Besucherzahl für ein Gebiet ermittelt, bzw. die Höhe einer Besucherbegrenzung festgesetzt werden kann.
Dabei werden zur Beantwortung dieser Frage drei unterschiedliche Ansatzpunkte verfolgt. Zum einen wird der gegenwärtige Stand der Tragfähigkeitsforschung auf mögliche Methoden und Ansätze zur Bestimmung einer maximalen Besucherzahl hin untersucht. Zum anderen werden Erkenntnisse der recreation ecology, insbesondere zum Zusammenhang zwischen Besucherzahl und auftretender ökologischer Belastung, benutzt, um aus der Definition von Belastungsgrenzen die Grenzen der touristischen Nutzung abzuleiten. Drittens werden vorhandene Konzepte zur Begrenzung der Besucherzahl auf die dabei verwendeten Methoden untersucht, um so erfolgreiche Vorgehensweisen und mögliche Richtwerte für Besucherbegrenzungen zu erhalten.
Die Festsetzung der maximalen Besucherzahl ist als eine Entscheidung in einem durch Unsicherheit geprägten System zu verstehen. Aus diesem Ergebnis der vorgehenden Analyse wurden verschiedene Kriterien für eine angemessene Vorgehensweise zur Beantwortung der Frage abgeleitet. Diesen Erkenntnissen wurde in der Durchführung von zwei Fallstudien Rechnung getragen. Beide Fallstudien verdeutlichen, dass die Festsetzung der Höhe einer Besucherbegrenzung ein heikles Thema ist, welches in einem Feld verschiedener, widerstrebender Ansprüche und Erwartungen stattfindet.
Die vorliegende Arbeit bietet durch ihre theoretischen Ergebnisse einen Ansatz zur Entwicklung weiterer Methoden der Tragfähigkeitsermittlung. Mit der konkret vorgeschlagenen und in einer Fallstudie angewandten Methode, stellt sie ein Werkzeug für alle Verantwortlichen in Schutzgebieten bereit, die vor dem Problem stehen, die Höhe einer Besucherbegrenzung festsetzen zu müssen.
Inhalt
TEIL I - PROBLEMSTELLUNG METHODIK
1. Einführung
1.1 Tourismus und Schutzgebiete
1.2 Die zukünftige Entwicklung in Schutzgebieten als Ausgangspunkt der Arbeit - Ein Szenario
2. Aufgabenstellung Zielsetzung
2.1 Handlungsbedarf Fragestellung
2.2 Ziel der Arbeit
2.3 Schwerpunkte Eingrenzung der Fragestellung
2.3.1 Zum Begriff der Belastung
2.3.2 Zum Begriff des Grenzwertes
2.3.3 Zur Anwendung des Instruments
3. Vorgehensweise
3.1 Nutzung von Methoden der Tragfähigkeitsforschung
3.2 Nutzung von Erkenntnissen der recreation ecology
3.3 Analyse vorhandener Besucherbegrenzungskonzepte
3.4 Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse in Fallstudien
TEIL II - LITERATURANALYSE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG
4. Besuchermanagement in Schutzgebieten - Eine Einführung
4.1 Aktuelle Entwicklungen im Besuchermanagement
4.1.1 Tendenzen in der Forschung
4.1.2 Trends und Themen in der Praxis des Besuchermanagements
4.2 Wortbedeutungen und Definitionen
4.2.1 Begriffe der Tourismusforschung
4.2.2 Begriffe des Schutzgebietsmanagements
4.2.3 Begriffe der Tragfähigkeitsforschung
4.2.4 Begriffe der recreation ecology
4.2.5 Begriffe der Grenzwertforschung
5. Die Tragfähigkeitsforschung als Managementansatz
5.1 Die Entstehung der Tragfähigkeitsforschung
5.2 Das Tragfähigkeitskonzept im Kontext von Erholung, Tourismus und Natur- schutz
5.2.1 Die Entwicklung der Tragfähigkeitsforschung in den USA
5.2.2 Die Entwicklung der Tragfähigkeitsforschung im deutschsprachigen Raum
5.2.3 Die Tragfähigkeitsforschung im aktuellen Diskurs - Themen und Erkenntnisse
5.3 Theoretische Methoden zur Bestimmung der Tragfähigkeit
5.3.1 Die Tragfähigkeitsbestimmung anhand von management frameworks
5.3.2 Tragfähigkeitsbestimmung nach verschiedenen Autoren
5.3.3 Bewertung und Diskussion der vorgestellten Methoden
5.4 Resümee
6. Recreation ecology als zentraler Teil der Tragfähigkeitsbestim-mung
6.1 Belastungen durch Sport und Tourismus
6.1.1 Arten der Belastung
6.1.2 Zur räumlichen Verteilung von Belastungen
6.2 Der Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Belastungen
6.2.1 Auf den Zusammenhang wirkende Faktoren
6.2.2 Belastungen auf Boden und Vegetation
6.2.3 Gewässerbelastungen
6.2.4 Belastungen der Fauna
6.3 Die Empfindlichkeit als Baustein der Tragfähigkeitsbestimmung
6.3.1 Zur Empfindlichkeit von Pflanzen
6.3.2 Zur Empfindlichkeit von Tieren
6.4 Die Problematik der Grenzziehung bei Belastungsanalysen
6.4.1 Die Entwicklung von Grenzwerten
6.4.2 Grenzwerte im Kontext von Naturschutz Erholung
6.5 Zur Übertragbarkeit von Erkenntnissen der recreation ecology
6.6 Resümee
7. Besucherbegrenzungen als Managementinstrument
7.1 Grundlagen, Anpassungen Wirkungen
7.1.1 Zur Diskussion um direkte und indirekte Managementinstrumente
7.1.2 Die Anwendung von Besucherbegrenzungen als ‚Letzter Ausweg’
7.1.3 Zur Anpassung von Besucherbegrenzungen
7.1.4 Zur Umsetzung von Besucherbegrenzungen
7.1.5 Effizienz, Effektivität und Akzeptanz von Besucherbegrenzungen
7.2 Die Praxis der Besucherbegrenzung in der Literatur
7.2.1 Zur Illusion der Kausalität in monitoringbasierten Ansätzen
7.2.2 Stark vereinfachende Methoden und die Ansprüche der Auftraggeber
7.2.3 Die gegenwärtige Praxis der Tragfähigkeitsbestimmung in der Kritik
7.3 Besucherbegrenzungen in europäischen Schutzgebieten - Eine Umfrage.
7.3.1 Durchführung
7.3.2 Ergebnisse Interpretation
7.4 Resümee
8. Zwischenfazit: Schlussfolgerungen für die Aufstellung einer Methodik...
8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse von Literaturauswertung und empirischer Untersuchung
8.2 Aufstellung einer eigenen Methodik
8.2.1 Die Entwicklung einer Herangehensweise an die Tragfähigkeitsbestimmung...
8.2.2 Eine Methode zur Bestimmung der ökologischen Tragfähigkeit
TEIL III - FALLSTUDIEN
9. Einführung
9.1 Problemstellung
9.2 Ziel der Fallstudie
10. Grundlagen
10.1 Zum Untersuchungsgegenstand: Kanusport im Konfliktfeld zwischen Sport und Naturschutz
10.1.1 Potentielle Belastungen durch den Kanusport
10.1.2 Der Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Belastungen
10.2 Zum Untersuchungsraum: Die Obere Havel im Müritz-Nationalpark
10.2.1 Naturräumliche Ausstattung
10.2.2 Touristische und kanusportliche Nutzung
11. Methodik
11.1 Naturwissenschaftliche Herangehensweise
11.2 Sozialwissenschaftliche Herangehensweise
11.2.1 Delphi-Technik - Grundlagen
11.2.2 Delphi-Technik: Anpassung Durchführung
12. Ergebnisse
12.1 Ergebnisse der Empfindlichkeitsuntersuchung
12.2 Verlauf und Ergebnisse der Delphi-Studie
13. Bewertung und Diskussion
13.1 Kritische Gegenüberstellung der angewandten Methoden
13.2 Zusammenführung und Interpretation der Ergebnisse
14. Ausblick
14.1 Empfehlungen zur Umsetzung der Kontingentierung
14.2 Weitere Forschung im Untersuchungsgebiet
15. Einführung
15.1 Ausgangslage Aufgabenstellung
15.2 Ziel der Fallstudie
16. Grundlagen
16.1 Naturräumliche Ausstattung
16.1.1 Topographie und Geologie
16.1.2 Klima und Hydrologie
16.1.3 Vegetation
16.1.4 Fauna
16.2 Touristische Nutzung im Kakum Nationalpark
16.3 Belastungen durch touristische Nutzung im Kakum Nationalpark
16.3.1 Belastungsformen
16.3.2 Räumliche Verteilung der Belastungen
17. Methodik
17.1 Analyse der Ausgangslage in Bezug auf die Tragfähigkeitsbestimmung
17.2 Auswahl einer geeigneten Methode
18. Ergebnisse Interpretation
18.1 Physische Tragfähigkeit des canopy walkways
18.2 Gegenwärtige Implikationen für das Schutzgebietsmanagement
19. Ausblick
19.1 Der Tragfähigkeitswert und Besucherbegrenzungen in der Zukunft
19.2 Zukünftiges Besuchermanagement weitere Forschung im Park
TEIL IV - FAZIT
20. Kritische Reflexion: Probleme Evaluation
20.1 Methodische Schwierigkeiten Grenzen der Arbeit
20.2 Bewertung der Fallstudien und der Zielerreichung
21. Ausblick: Bedeutung für Forschung Praxis
21.1 Einordnung der Arbeit Forschungsperspektiven
21.2 Anwendungsmöglichkeiten Implikationen für das Schutzgebietsmanage- ment
22. Zusammenfassung
ANHANG
A. Anlagen
Anlage I: Zeitungsartikel zur Fallstudie im Müritz-Nationalpark
Anlage II: Vergleich von Management Frameworks
Anlage III: Schema der Tragfähigkeitsermittlung nach Eberlei
Anlage IV: Schema der Tragfähigkeitsermittlung nach Sowman Fuggle
Anlage V: Fragebogen der europaweiten Umfrage
Anlage VI: Störungsökologische Erkenntnisse bezüglich Tierarten gegenüber Kanuwanderern
Anlage VII: Ergebnisse der Transektkartierungen über im Untersuchungsgebiet vorkommende Wasserpflanzen
Anlage VIII: Im Untersuchungsgebiet vorkommende Vogelarten
Anlage IX: Fragebögen der drei Runden der Delphi-Studie
Anlage X: Ermittlung der Gewässerstrukturgüte im Untersuchungsgebiet
B. Literaturverzeichnis
C. Verzeichnis der Abbildungen, Tabellen und Karten 166 Kartenverzeichnis
TEIL I - PROBLEMSTELLUNG METHODIK
1. Einführung
1.1 Tourismus und Schutzgebiete
Die Verbindung zwischen Schutzgebieten und Tourismus ist so alt wie die Geschichte von Schutzgebieten selbst. Schutzgebiete benötigen Tourismus, und Tourismus benötigt Schutz- gebiete. Dabei handelt es sich bei dieser Verbindung um eine durchaus problematische Beziehung. Während für das Schutzgebiet einerseits der potentielle Nutzen von touristi- schen Aktivitäten beträchtlich sein kann, sind andererseits die ökologischen, sozialen und kulturellen Kosten von touristischen Aktivitäten in Schutzgebieten oftmals erheblich. Durch die touristische Nutzung treten unweigerlich Belastungen des Ökosystems auf, die gerade in Schutzgebieten eingeschränkt werden sollen. Dieser Zielkonflikt gilt insbesondere für Na- tionalparks, die seit ihrer Entstehung neben dem Ziel des Naturschutzes auch immer Mög- lichkeiten zur Erholung und Bildung des Menschen bereitstellen wollen. Das Management von Erholungsnutzungen in Schutzgebieten bewegt sich in diesem Konfliktfeld und versucht dabei, die Beziehung zwischen touristischen Ansprüchen und den Zielen des Schutzgebietes so zu gestalten, dass die Erholungsnutzung dem Zweck des Schutzgebietes zuträglich ist. Tourismus in Schutzgebieten sollte demnach als Chance begriffen werden, um der Ausge- staltung des Schutzgedankens mehr Möglichkeiten, mehr Freiräume und mehr Bedeutung zu verschaffen.
1.2 Die zukünftige Entwicklung in Schutzgebieten als Ausgangspunkt der Ar- beit - Ein Szenario
Die zunehmende Bedeutung von Erholung und Tourismus Wir befinden uns in einer Zeit, in der Tourismus und Erholung immer weiter an Bedeutung gewinnen. Das weltweite Bevölkerungswachstum sowie der in vielen Ländern steigende Wohlstand führen dazu, dass immer mehr Menschen mehr Geld in Erholung und Urlaub in- vestieren. Auch der zunehmende Bildungsstand der Weltbevölkerung unterstützt einen An- stieg des Tourismus. Die seit langer Zeit sinkende Wochenarbeitszeit sowie die mittlerweile auch deutlich sinkende Lebensarbeitszeit führen in den Industrieländern zu mehr Freizeit, die den Menschen zur Verfügung steht. Auch die fortschreitende Rationalisierung der Hausar- beit bedingt eine Zunahme der freien Zeit, die von den Menschen vor allem für Erholung und touristische Aktivitäten genutzt wird. Durch Fortschritte im Verkehrs- und Transportbereich kann heute von einer erhöhten Mobilität der Weltbevölkerung gesprochen werden, wodurch auch der weltweite Tourismus profitiert. Insgesamt gesehen führt die vorherrschende Ar- beitsteilung zu einer steigenden Monotonie des Lebensalltags, und dadurch zu dem Bedürf- nis nach Abwechslung in der Freizeit. Dies resultiert ebenfalls in einer weiteren Zunahme von Erholungsaktivitäten und Tourismus.
Der Welttourismusorganisation zufolge ist der weltweite Tourismus seit dem Jahr 1950 von 25 Millionen Ankünften auf über 700 Millionen Ankünfte im Jahr 2002 gestiegen. Dies ent- spricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 6,6 % (vgl. WTO 2004a). Die Prognosen gehen von einem anhaltenden Wachstumstrend aus und sehen für das Jahr 2020 1,6 Milliarden touristische Ankünfte vor (vgl. WTO 2004b). Die weltweite Tourismusindustrie unterstützt etwa 200 Millionen Arbeitsplätze, das heißt, dass einer von 12,4 Arbeitsplätzen weltweit vom Tourismus abhängig ist. Tourismus hat sich somit zu einem weltweiten Hauptwirtschaftszweig mit starken Wachstumsprognosen entwickelt.
Die touristische Nutzung von Schutzgebieten wächst Nicht nur Tourismus und Erholung im allgemeinen, sondern insbesondere Tourismus und Erholung in der Natur unterliegen derzeit einem starken Wachstumstrend. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei sehr oft in Schutzgebieten.
Das vor allem in den Industrieländern gestiegene Umweltbewusstsein leistet zweifellos seinen Beitrag zu einem wachsenden Interesse an naturbezogener Erholung. Auch das steigende Ge- sundheitsbewusstsein wird als Grund für den Urlaub in der Natur gesehen. Die zunehmend technisch geprägte und urbane Umwelt fördert das Bedürfnis nach unberührter und natürli- cher Umgebung. Die Natur wird hier als Kontrast zu belasteten und hektischen Lebenswelten gesehen. Auch der Trend, dass dem Ausüben von Sport und anderen Aktivitäten im Urlaub immer mehr Bedeutung beigemessen wird, trägt zu einer steigenden Nutzung von natur- nahen Gebieten bei. Immer neue Sportarten unterstützen diese Entwicklung. Schutzgebiete und insbesondere Nationalparke werden daher für Touristen immer interessanter und ent- wickeln sich zu einem eigenen Destinationstypus. Gerade wenn in Zukunft der Naturschutz nicht mehr als alleinige Flächennutzung akzeptiert wird, wird auf Naturschutzflächen auch anderen Nutzungen zunehmender Platz eingeräumt. Hier wird insbesondere der Tourismus eine wichtige Rolle spielen. Auch der Trend zur Eigenfinanzierung von Großschutzgebieten spricht für eine zunehmende touristische Vermarktung und Nutzung von Schutzgebieten.
Schätzungen zufolge wuchs der naturbezogene Tourismus von 2% aller Tourismusaktivitäten am Ende der achtziger Jahre auf ca. 20% im Jahre 1998. Derzeit wächst dieser Tourismusmarkt jährlich etwa um 10 bis 15% und übertrifft damit das Wachstum des gesamten Tourismusmarktes bei weitem (vgl. Moore et al. 2003, S. 348).
Mit der derzeitigen Bedeutung und den prognostizierten Zunahmen haben Erholung und Tourismus in der Natur die Macht, die Gebiete, in denen sie stattfinden, grundsätzlich zu verändern. Dem naturbezogenen Tourismus kommt demnach eine strategische Position zu, um Schutzgebiete auf lange Sicht positiv oder negativ zu beeinflussen.
Die zukünftige Situation Die soeben dargestellten Aussagen weisen darauf hin, dass auf lange Sicht eine stetige und insgesamt starke Zunahme der Nutzung von Schutzgebieten durch touristische Aktivitäten zu erwarten ist. Schutzgebiete und insbesondere Nationalparks werden einem immer größeren Nutzungsdruck ausgesetzt sein. Speziell die Schutzgebiete, die gut zu erreichen sind und sich für die Ausübung verschiedener Aktivitäten und Natursportarten eignen, werden von zunehmender touristischer Nutzung betroffen sein. Langfristig werden naturnahe Gebiete, vor allem in dicht besiedelten Ländern, immer seltener, wodurch der Nutzungsdruck auf Schutzgebiete zusätzlich zunehmen wird.
Durch diesen Anstieg der touristischen Nutzung werden die geschützten Gebiete immer weniger als naturnah empfunden, da sie eine vergleichbare Nutzungsdichte wie eine Ein- kaufsstraße im Zentrum einer Großstadt aufweisen. Dieser Zustand widerspricht deutlich dem Sinn und Zweck von Schutzgebieten, denn bei einem solchen Besucheransturm ist von erheblichen Belastungen durch die touristische Nutzung auszugehen. In langfristiger Pers- pektive werden schließlich zu viele Besucher die Schutzgebiete aufsuchen. Bei solch hohen Besucherzahlen in Schutzgebieten scheint bereits ein Grenzwert der Nutzung überschritten zu sein.
Vor dem Hintergrund dieser zukünftigen Situation entsteht ein Handlungsbedarf für das Schutzgebietsmanagement, welches dafür verantwortlich ist, dass die Schutzziele eingehalten werden und dass Belastungen nur eingeschränkt auftreten.
2. Aufgabenstellung Zielsetzung
2.1 Handlungsbedarf Fragestellung
Dieser Situation, gekennzeichnet durch einen enorm hohen Nutzungsdruck und eine sehr hohe Anzahl an Besuchern im Gebiet, kann nur durch eine Maßnahme des Schutzgebietsmanagements begegnet werden: Die Begrenzung der Besucherzahlen.
Die verschiedenen anderen dem Schutzgebietsmanagement zur Verfügung stehenden Stra- tegien und Instrumente sollen in der vorliegenden Arbeit nicht weiter thematisiert werden. Sie sind in der einschlägigen Literatur ausführlich behandelt worden(siehe dazu: Anderson et al. 1998; Brown et al. 1985; Cole et al. 1987; Eagles et al. 2002; Marion Farrell 1993; Rie- kens 1996). Zur grundsätzlichen Diskussion um die Anwendung, Umsetzung und Effektivität von Besucherbegrenzungen wird auf Kapitel 7 verwiesen. Es bleibt festzuhalten, dass direkte Maßnahmen generell und Besucherbegrenzungen insbesondere gültige und nötige Ansätze darstellen, um mit der touristischen Nutzung im dargestellten Ausmaß umzugehen. Cole formuliert es treffend mit: „For wilderness use limits, it is not a question of ‘if’ but ‘when’ and ‘how much’.“ (Cole 2001a, S. 5)
Das Instrument der Besucherbegrenzung im Schutzgebietsmanagement steht daher im Zen- trum der Arbeit. Sie konzentriert sich dabei auf die Frage nach der Bestimmung der Höhe der Besucherzahl. Das komplexe Wirkungsgefüge von Ursachen und den resultierenden Belastun- gen im Schutzgebiet macht es allerdings schwer, das Instrument der Besucherbegrenzung so abzustimmen, dass es die auftretenden Belastungen schnell und verlässlich verringert. Ohne ausreichende methodische Kenntnisse über die Anwendung des Instruments der Begren- zung kann das Schutzgebietsmanagement hier keine fachlich fundierten Entscheidungen treffen. Durch die Bearbeitung der Fragestellung, wie die Höhe der maximalen Besucherzahl bestimmt werden kann, versucht die vorliegende Arbeit der Planungspraxis in den Schutzge- bieten eine Hilfe bei der Einführung von Besucherbegrenzungen zu sein.
2.2 Ziel der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, einen methodischen Ansatz für die Praxis bereitzustellen, mit dem in den ablaufenden Planungsprozessen rational gearbeitet und argumentiert werden kann. Die Arbeit möchte demnach eine einfach handhabbare Methodik entwickeln, mit der die Bestimmung der maximalen Besucherzahl als Grundlage für die Einführung einer Besucherbegrenzung erfolgen kann. Die zu erarbeitende Methode sollte durch einen einfachen Aufbau für die Planungspraxis geeignet sein.
Als Grundlage der Entwicklung einer solchen Methodik möchte diese Arbeit einen Überblick über die Tragfähigkeitsforschung geben sowie deren zentrale Ergebnisse zusammenfassen. Die Bestimmung einer maximalen Besucherzahl muss sich stets auf den Zusammenhang zwi- schen Besucherzahl und Belastung beziehen, der anhand der Erkenntnisse der recreation eco- logy dargelegt werden soll. Die recreation ecology befasst sich im Sinne einer spezialisierten Ökosystemforschung mit den Auswirkungen von Erholungsnutzungen auf das Ökosystem. Die Arbeit möchte außerdem Erkenntnisse über derzeit angewandte Besucherbegrenzungs- konzepte erlangen und daraus Hinweise zu einer erfolgreichen Umsetzung von Besucherbe- grenzungen ableiten. Zuletzt soll die entwickelte Methodik im Rahmen der Bearbeitung von zwei Fallstudien umgesetzt und auf ihre Brauchbarkeit geprüft werden.
2.3 Schwerpunkte Eingrenzung der Fragestellung
Auch wenn das Ziel der Arbeit eindeutig ist, sollte erwähnt werden, welche Themenbereiche die vorliegende Arbeit aufgrund der eingeschränkten Bearbeitungszeit und dem gewählten Schwerpunkt nicht berücksichtigen konnte.
2.3.1 Zum Begriff der Belastung
Die skizzierte Problemsituation, die sich durch erhebliche Belastungen durch die Erholungsnutzung auszeichnet, ist die Voraussetzung für die Anwendung einer Besucherbegrenzung. Mit welchem Ziel diese Begrenzung angewandt werden soll und wie deren Umsetzung erfolgt, hängt maßgeblich von dem Verständnis des Belastungsbegriffes ab. Die Diskussion um den Belastungsbegriff ist eine ethisch geprägte Debatte, bei der in Frage gestellt wird, ob die Belastung sich auf die Natur an sich oder auf die durch die Natur für den Menschen bereitgestellten Nutzungsfunktionen bezieht.
Belastung ist nach Schemel der Unterschied zwischen erwartetem Zustand und der Realität (vgl. Schemel 1978, S. 61). Der erwartete Zustand spiegelt dabei eine Bewertung, also eine Werthaltung wider. Daraus wird ersichtlich, dass es keine Belastung an sich geben kann. Es gibt lediglich Zustandsveränderungen, die als Belastung interpretiert werden. Ein normatives Zielsystem ist die Grundlage für diese Interpretation und damit Voraussetzung für die Ent- scheidung, ob eine Zustandsveränderung eine Belastung ist oder nicht (vgl. Scharpf Harfst 1983, S. 19ff). Wie der Belastungsbegriff verwendet wird, hängt maßgeblich vom normati- ven System des Bewertenden ab. Dabei existieren zwei sich gegenüberstehende Positionen, denen ein grundsätzlich unterschiedliches Mensch-Natur-Verständnis zu Grunde liegt: Zum einen das bioökologische Verständnis und zum anderen die geoökologische oder humanö- kologische Position. Das bioökologische Verständnis spricht der Natur einen Wert an sich zu und hat den Schutz aller Lebewesen zum Ziel. Die humanökologische Position verfolgt den Schutz der Umwelt, insofern diese zur Bedürfnisbefriedigung der Menschen beiträgt. Die folgende Abbildung zeigt die Grundgedanken der beiden Ansätze auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Grundmuster des Bio- und Geoökologischen Ansatzes
In den USA werden insbesondere die Belastungen des Tourismus auf die touristische Nutzung selbst, also die Auswirkungen auf das Erleben der Touristen vor Ort thematisiert. Eine solche anthropozentrische Perspektive scheint für Mitteleuropa und insbesondere für Deutschland nicht geeignet zu sein. Die kleinflächigen Schutzgebiete und die umfassende Nutzung nahe- zu aller übrigen Flächen machen einen bioökologischen Schwerpunkt bei der Bewertung der Auswirkungen und damit beim Verständnis des Belastungsbegriffes geradezu unerlässlich (vgl. Riekens 1996, S. 175). Die vorliegende Arbeit befasst sich daher im bioökologischen Sinne mit den Auswirkungen auf die Umwelt und nicht mit den Auswirkungen auf deren Nutzungsfunktionen für den Menschen.
2.3.2 Zum Begriff des Grenzwertes
Wie in Kapitel 1 angedeutet, hat in der prognostizierten Situation die Belastung bereits einen Grenzwert überschritten. Grundsätzlich muss hierbei zwischen dem Gegenstand unterschie- den werden, auf den sich die Begrenzung bezieht. Bezüglich der beschriebenen Situation in Schutzgebieten existiert eine Grenze der Nutzung sowie eine Grenze der Belastung. In diesem Zusammenhang stellen Scharpf und Harfst fest, dass bei einem angenommenen Zusammenhang zwischen Nutzung und Belastung die Frage nach der Grenze der Belastung nichts anderes als die Frage nach der Festlegung von Nutzungsgrenzen ist (vgl. Scharpf Harfst 1983, S. 28). Zur weiteren Diskussion um die Grenzwertproblematik wird auf Kapitel Als die entscheidende Größe bei der Anwendung einer Besucherbegrenzung, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Grenze der Nutzung, d.h. auf die maximale Nutzungsintensität. Die Grenze der maximalen Belastung, die ökologische Belastbarkeit, wird als möglicher Ausgangspunkt zur Bestimmung einer maximalen Besucherzahl auch behandelt, steht aber nicht im Zentrum der Untersuchungen.
2.3.3 Zur Anwendung des Instruments
Die Anwendung von Instrumenten im Rahmen des Schutzgebietsmanagements gliedert sich in mehrere Phasen: die Auswahl des geeigneten Instruments, die Anpassung des Instruments an die vorhandene Situation, die Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung des Instruments und die Evaluation der Instrumentenan- wendung. Die vorliegende Arbeit befasst sich nur am Rande mit der Auswahl des Instruments der Besucherbegrenzung im Gegensatz zu anderen Managementinstrumenten. Die vorliegende Arbeit befasst sich des weiteren weder mit den Maßnahmen zur Umsetzung der Begren- zung noch mit der Evaluation dieses Managementinstrumentes. Maßnahmen zur Umsetzung beinhalten beispielsweise die Auswahl, nach welchen Kriterien den Besuchern der Einlass in das Schutzge- biet gewährt wird, und wie die Begrenzung und deren Kontrolle praktisch durchzuführen ist. Die Evaluation von Besucherbegren- zungen beinhaltet Untersuchungen zu Effizienz und Effektivität des Instruments.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich dagegen auf die Anpassung des Instruments an die vorhandene Situation. Zur Anpassung ge- hört die Definition des Zeitraumes, in dem die Begrenzung wirksam werden soll, die Bestimmung des relevanten Gebietes sowie die Auswahl der von der Kontingentierung betroffenen Nutzern, z.B. anhand der ausgeübten Aktivität. Im Mittelpunkt der Anpassung des Instruments an die Situation vor Ort steht aber immer die Frage nach der Bestimmung der Höhe der Besucherzahl.
Abb. 2:
Umsetzung von Instrumenten im Schutzgebietma- nagement
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Vorgehensweise
Im folgenden werden die Arbeitsschritte, die zur Beantwortung der Fragestellung führen sollen, vorgestellt.
3.1 Nutzung von Methoden der Tragfähigkeitsforschung
Die Beantwortung der Frage, wie die Zahl für eine Besucherbegrenzung festgesetzt werden soll, führt unweigerlich zu der allgemeiner gefassten Frage, wie viele Besucher ein Gebiet vertragen kann. Mit dieser Frage befasst sich schon seit langem die vor allem in den USA ausgeprägte Tragfähigkeitsforschung. Eine kritische Zusammenfassung der Tragfähigkeits- forschung auf der Grundlage einer Literatur- und Internetrecherche zeigt einen ersten Zu- gang zum Thema auf. Im Anschluß erfolgt eine Diskussion der derzeitigen Erkenntnisse der Tragfähigkeitsforschung und der in deren Rahmen entwickelten theoretischen Methoden zur Bestimmung von maximalen Besucherzahlen. Abschließend wird überprüft, welche der bestehenden Methoden sinnvoll erscheinen und inwieweit diese auf andere Situationen übertragbar sind.
3.2 Nutzung von Erkenntnissen der recreation ecology
Mittels einer Literatur- und Internetrecherche werden Erkenntnisse über die Auswirkungen der Erholungsnutzung aus Studien der recreation ecology zusammengefasst. Mit der Aus- wertung von grundlegenden Werken und Sekundärliteratur wird eine Übersicht über den Themenbereich erstellt. Im Zentrum dieser Auswertung steht der Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und auftretenden Belastungen. Die so gewonnen Erkenntnisse werden anhand von aktuellen, einzelfallbezogenen Studien überprüft. Es wird versucht auf Grundla- ge dieser Ergebnisse Hinweise zur Bestimmung der maximalen Besucherzahl zu erhalten.
3.3 Analyse vorhandener Besucherbegrenzungskonzepte
Die gegenwärtige Verwendung des Instruments der Besucherbegrenzung wird untersucht, um daraus Erkenntnisse zur Entwicklung einer Methodik abzuleiten. Dabei werden zum einen die in der Literatur dokumentierten Beispiele von angewandten Besucherbegrenzungen auf die angewandte Methodik und deren Ergebnisse hin untersucht. Zum anderen wird mittels einer europaweiten Erhebung in Großschutzgebieten ermittelt, wie die Anwendung von Besucherbegrenzungen in Europa derzeit erfolgt. Aus den Fallbeispielen der Literatur sowie aus den Ergebnissen der Erhebung sollen erfolgreiche Herangehensweisen sowie übertragbare Orientierungswerte abgeleitet werden.
3.4 Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse in Fallstudien
Die durch die vorangegangenen Arbeitsschritte gewonnen Erkenntnisse werden dazu genutzt, eine Methodik zur Bestimmung der quantitativen Besucherbegrenzung zu entwickeln. Die Anwendung dieser Methodik erfolgt im Rahmen von zwei Fallstudien in Großschutzgebieten vor Ort. Die Durchführung der entwickelten Methodik wird dokumentiert, sowie deren Ergebnis diskutiert.
TEIL II - LITERATURANALYSE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG
4. Besuchermanagement in Schutzgebieten - Eine Einführung
Das Management von touristischen Aktivitäten und Besuchern innerhalb eines Schutzgebietes ist Teil des gesamten Schutzgebietsmanagementprozesses.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Die drei Aspekte des Schutzgebietsmanagements
Brown betont in diesem Zusammenhang, dass die Erholungsnutzung in zunehmendem Maße die größte Herausforderung innerhalb des Schutzgebietsmanagements darstellt (vgl. Brown et al. 1985, S. 321).
Das Management von Erholungssuchenden in Schutzgebieten verfolgt hauptsächlich zwei Ziele: Zum einen die Bereitstellung von angemessenen Möglichkeiten zur Erholungsnutzung und zum anderen die Sicherstellung, dass die dadurch verursachten Belastungen ein ak- zeptables Maß nicht übersteigen. Forschung und Praxis des Besuchermanagements haben die Aufgabe, diese beiden Positionen miteinander zu verbinden (vgl. Brown et al. 1985, S. 321ff). Besuchermanagement umfasst demnach das Monitoring der Erholungsnutzung und das Monitoring der auftretenden Belastungen. Des weiteren umfast er die Identifizierung der zentralen Maßnahmen um die gewünschten Zielzustände im Gebiet zu erreichen, die Vorher- sage, welche Wirkungen alternative Maßnahmen haben und schließlich die Bewertung der Effektivität der angewandten Maßnahmen.
Seit dem Beginn dieser Forschungsrichtung gab es erhebliche Fortschritte, wobei diese immer wieder durch die problematische Definition der gewünschten Zielzustände einge- schränkt wurden (vgl. Cole 2004, S. 16). Die Entscheidung über akzeptable Belastungssitu- ationen oder angemessene Möglichkeiten zur Erholungsnutzung sind Wertentscheidungen, in denen das Schutzgebietsmanagement unterschiedliche Sichtweisen und Einstellungen der Öffentlichkeit berücksichtigen muss. Es beschäftigt sich demnach immer auch mit gesell- schaftlichen Werten, insbesondere mit den Einstellungen der Erholungssuchenden im Gebiet selbst. Besuchermanagement ist damit kein rein naturwissenschaftliches Arbeitsgebiet.
4.1 Aktuelle Entwicklungen im Besuchermanagement
Die folgenden Ausführungen basieren im wesentlichen auf den Ergebnissen von zwei kürz- lich abgehaltenen Konferenzen. ‚The Second International Conference on Monitoring and Management of Visitor Flows in Recreational and Protected areas’ fand im Juni 2004 in Rovaniemi, Finnland statt. Der Kongress ‚Umwelt, Naturschutz und Sport im Dialog’ beschäf- tigte sich mit dem Titelthema ‚Sport in Schutzgebieten’ und wurde im September 2004 in Köln abgehalten.
4.1.1 Tendenzen in der Forschung
Die gegenwärtig steigende Nutzung von Schutzgebieten zu Erholungszwecken bringt eine sich diversifizierende sowie zunehmend interdisziplinäre Diskussion über Besucherma- nagement in Schutzgebieten mit sich. Insbesondere fördert diese Entwicklung eine stärker international geprägte Bearbeitung des Themas. Der Austausch von Wissen und aktuellen Forschungsergebnissen zwischen den USA und Europa ist hierbei als positive Entwicklung zu bewerten. Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich dabei auf die folgenden Themen- bereiche:
- Besuchermonitoring
- Modellierung von Besucherströmen
- Studien zu Konflikten und Verhaltensmustern von Besuchern
- Instrumente und Methoden des Besuchermanagements
- Besuchermanagement und Geoinformationssysteme
4.1.2 Trends und Themen in der Praxis des Besuchermanagements
Um eine mittelfristig ausgerichtete Planung des Managements von touristischen Aktivitäten in Schutzgebieten zu ermöglichen, ist das Aufzeigen von gegenwärtigen Trends sowie die Analyse derer Auswirkungen auf das Besuchermanagement notwendig. Die folgenden Aussagen beruhen zum Großteil auf Eagles (2004).
Das Besuchermanagement in Schutzgebieten wird zukünftig stark durch das global steigende Bildungsniveau beeinflusst werden. Aufgrund dieser Entwicklung wird die Nachfrage nach differenzierten und hochqualitativen Angeboten für Besucher der Schutzgebiete ansteigen. Auch die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung in den wirtschaftlich entwickelten Ländern wird das Besuchermanagement der Zukunft beeinflussen. Wenn immer mehr ältere Menschen Schutzgebiete besuchen, resultieren daraus Änderungen der ausgeübten Aktivi- täten und ein allgemeiner Wandel bezüglich der Nachfrage nach Erholungsmöglichkeiten und Besucherangeboten. Ein zentrales Thema, welches das Management beeinflussen wird, ist der steigende und verbesserte Zugang zu Informationstechnologien. Besucher werden zukünftig in der Regel besser informiert sein, wenn sie ein Gebiet besuchen. Seitens des Managements kann dies vor allem als Chance gesehen werden, um Besucher frühzeitig mit den relevanten Informationen auszustatten. Das Schutzgebietsmanagement muss in diesem Bereich seine Kompetenzen stärker entwickeln. Ein Bereich, der sich in Zukunft ebenfalls stark entwickeln wird, ist der Einsatz von mobilen Informations- und Navigationstechnolo- gien. Diese können für das Monitoring von Besucherströmen, sowie zur Besucherinforma- tion genutzt werden. Die Organisationsformen der Schutzgebietsverwaltungen unterliegen derzeit einem grundlegenden Wandel. Die ehemals vorwiegend staatlichen Ämter werden zu staatlichen Eigenbetrieben umgewandelt, die zentrale Finanzmittelkontrolle wird durch flexibles Finanzmanagement ersetzt. Hinzu kommt eine zunehmende Tendenz zur Beauftra- gung von Subunternehmern für einzelne Aufgabengebiete. Das Schutzgebietsmanagement wird dadurch insgesamt anpassungsfähiger und effektiver. Einer erheblichen Veränderung unterliegt die Finanzierung der Schutzgebietsverwaltungen, die anstelle von überwiegend staatlicher Unterstützung zunehmend auf Eintrittspreise und Gebühren der Schutzgebiets- besucher angewiesen ist. Dadurch sind steigende Kosten für Serviceleistungen des Manage- ments zu erwarten. Serviceleistungen, die sich finanziell nicht tragen und daher bezuschusst werden müssten, werden oftmals aufgegeben. Aufgrund dieser Veränderungen der Finan- zierung spielt der Besucher eine zunehmend größere Rolle im gesamten Schutzgebietsma- nagement.
4.2 Wortbedeutungen und Definitionen
Nicht nur bei komplexen und schlecht erforschten Themenbereichen unterscheiden sich die Denkinhalte in Bezug auf die Verwendung verschiedener Wörter zum Teil erheblich. Unter- schiedliche Denkinhalte beeinflussen aber die Sichtweise auf und die Herangehensweise an ein Problem. Damit beeinflussen unterschiedliche Verständnisse von verwendeten Wörtern letztlich auch das Problemlösungsverhalten selbst. Aus diesem Grund ist es kein wissen- schaftlicher Selbstzweck, die Bedeutung verwendeter Begrifflichkeiten klarzustellen. Die dadurch gewährleistete Beseitigung von Unschärfen in der Begriffsverwendung und dem Wortverständnis kann der Lösung einer wissenschaftlichen Fragestellung zuträglich, wenn nicht sogar dafür nötig sein.
4.2.1 Begriffe der Tourismusforschung
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen für verschiedene Formen von Tourismus, einschließlich der verwandten Formen Naturtourismus, Abenteuertourismus, Ökotourismus und nachhaltiger Tourismus (siehe dazu: Boo 1990; Boyd 2000; Drumm Moore 2002; Newsome et al. 2002; Opaschowski 1999; Schmied et al. 2002; Wood 2002). Auch wenn unterschiedliche Tourismusformen möglicherweise Schutzgebiete in unterschiedlicher Weise belasten, wird in der vorliegenden Arbeit von einer solchen Differenzierung abgesehen. Auch die relevanten Unterschiede in den Definitionen von Tourist, Erholungssuchender, Besucher und Gast (vgl. Eagles et al. 2002, S. 161ff) werden hier nicht berücksichtigt.
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Nutzung von Schutzgebieten durch den Menschen zu Erholungs- und Bildungszwecken. In dieses Verständnis fallen Tourismus und Erholung genauso wie Sport und sämtliche andere ähnliche Aktivitäten.
4.2.2 Begriffe des Schutzgebietsmanagements
In der folgenden Arbeit werden unter Schutzgebieten Gebiete zum Schutz der Natur ver- standen. So sind beispielsweise aus kulturhistorischen Gründen geschützte Bereiche nicht Gegenstand dieser Arbeit. Mit der Verwendung des Schutzgebietbegriffs geht keine Defini- tion der räumlichen Ausdehnung einher. Kleinräumige Naturschutzgebiete werden ebenso angesprochen wie Großschutzgebiete. Nichtsdestotrotz liegt das Hauptaugenmerk der Untersuchung, und insbesondere der Fallstudien, auf der Großschutzgebietskategorie des Nationalparks.
Um die Ziele des Schutzgebiets umzusetzen, stehen dem Management verschiedene Metho- den und Mittel zur Verfügung. Über die Kategorisierung dieser Methoden herrscht bis auf einige grundlegende Klassifizierungen, wie die Unterscheidung von indirekten und direkten Maßnahmen, keine Einigkeit. Direkte Maßnahmen wirken sich unmittelbar auf das Besucher- verhalten aus. Die Entscheidungsfreiheit des Besuchers wird durch direkte Maßnahmen ein- geschränkt. Indirekte Maßnahmen beeinflußen Faktoren, die Bestandteil der Entscheidungs- findung des Besuchers sind, und versuchen so mittelbar das Besucherverhalten zu verändern. Die damit verbundenen Begrifflichkeiten werden aufgrund der fehlenden Klassifizierungen immer wieder in unterschiedlicher Weise benutzt, was eine Definition für die vorliegende Arbeit unerlässlich macht.
Strategische Kategorien sind generelle Ansätze des Management zum Umgang mit auftre- tenden Belastungen. Zu jeder strategischen Kategorie gehören verschiedene Strategien oder Managementstrategien. In der englischsprachigen Literatur werden diese mit primary stra- tegies oder basic strategies bezeichnet (vgl. Anderson et al. 1998, S. 10ff; Eagles et al. 2002, S. 88; Stankey Manning 1986, S. 63). Strategien nehmen Bezug auf einen oder mehrere Faktoren, welche die Belastung verursachen. Eine Kombination verschiedener Strategien ist am effektivsten, um Belastungen zu verringern. Strategien werden durch die Anwendung von Instrumenten umgesetzt (vgl. Anderson et al. 1998, S. 10ff).
Instrumentenkategorien fassen die zur Verfügung stehenden Instrumente nach der Art ihrer Anwendung zusammen. Sie werden im englischen als tactic categories bezeichnet (vgl. An- derson et al. 1998, S. 10ff). Instrumente sind die Mittel, die zur Umsetzung einer Strategie angewandt werden. Zur Umsetzung einer Strategie ist die Anwendung vieler verschiedener Instrumente aus unterschiedlichen Instrumentenkategorien möglich. Anderson bezeichnet Instrumente als tactics (vgl. Anderson et al. 1998, S. 10ff). Der Begriff der Managementmaß- nahme wird in der vorliegenden Arbeit synonym zu dem Begriff des Instruments verwendet. Die Beziehungen zwischen diesen Möglichkeiten des Besuchermanagements sind in Tabelle 1 auf der folgenden Seite dargestellt.
Die Besucherbegrenzung (engl. use limit) ist ein Instrument, welches die Zahl der Besucher, die ein Gebiet betreten dürfen, beschränkt (vgl. Eagles et al. 2002, S. 89). Analog dazu werden in dieser Arbeit die Begriffe Limitierung und Kontingentierung verwendet.
4.2.3 Begriffe der Tragfähigkeitsforschung
Im folgenden soll zunächst die grundlegende Wortbedeutung von Tragfähigkeit geklärt werden. Da sich die Verwendung des Begriffes mit der Entwicklung der Forschungsrichtung mehrfach veränderte, wird auf eine Definition an dieser Stelle verzichtet. Die Entwicklung der Begriffsverwendung sowie die unterschiedlichen Verständnisse von Tragfähigkeit werden in Kapitel 5 thematisiert.
In der ursprünglichen Bedeutung kann Tragfähigkeit definiert werden als ein Maß „bis zu dem ein Gegenstand belastet werden kann, ohne das er seine Tragefunktion einbüßt oder Schaden nimmt.“ (Mattig 1973, S. 11) Beispiele sind die Tragfähigkeiten von Brücken oder Fundamenten, sowie von Schiffen und Seilbahnen. Eine Grenze stellt dabei die maximale
Tab. 1: Strategies and instruments in visitor management
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung nach Cole et al. 1987; Eagles et al. 2002; Anderson et al. 1998
Tragfähigkeit dar, an der bei weiterer Belastung die belastete Unterlage nachgibt oder zer- stört wird. In dieser rein mechanistischen Bedeutung wird der Begriff in den Ingenieurwis- senschaften benutzt. In anderen Zusammenhängen wird der Begriff eher im übertragenen Sinn verwendet und bezieht sich dann auf das funktionale Zusammenspiel zwischen den Umweltbedingungen und dem Menschen. Wird dabei die maximale Tragfähigkeit überschrit- ten, bricht dieses funktionale Zusammenspiel zusammen (vgl. Mattig 1973, S. 11). Aufgrund der mechanistischen Bedeutung des Wortes leuchtet ein, dass bei Überschreitung der maxi- malen Tragfähigkeit der die Belastung Ausübende, bzw. das die Belastung ausübende Objekt ebenso Schaden nimmt oder zerstört wird wie der belastete Gegenstand selbst. Beispielswei- se kommt ein Mensch zu Schaden, wenn er durch sein Gewicht eine Brücke zum Einstürzen gebracht hat. Dieser Aspekt gilt auch für die übertragene Sichtweise: bei der Überschreitung der maximalen Belastung nimmt auch der Belastende, bzw. Auslösende schaden (vgl. Mattig 1973, S. 12).
4.2.4 Begriffe der recreation ecology
Es sollen nun einige in der recreation ecology häufig verwendete Begriffe näher behandelt werden.
Zum Themenkreis der Belastung
Ökologische Belastungen können unter verschiedenen Perspektiven analysiert werden. Zum besseren Verständnis scheint es hier sinnvoll, zunächst ein vereinfachtes Wirkungsschema von Besucherbelastungen vorzustellen.
Abb. 4: Hauptfaktoren touristischer Nutzung in Bezug auf ökologischen Belastungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Nutzungsintensität bezeichnet die Häufigkeit der Nutzung, bzw. die Häufigkeit der Be- lastung. Sie definiert demnach die Menge der Nutzung im Gebiet. Unter Nutzungsart wird die Aktivität verstanden, die im Gebiet ausgeübt wird. Die Art der Nutzung bestimmt damit entscheidend die auftretenden Belastungsarten, wie z. B. Tritteinwirkung oder Gewässerver- schmutzung. Der Zeitpunkt der Nutzung kann sich sowohl auf den Tagesverlauf, sowie auf den Zeitpunkt innerhalb eines Jahres beziehen. Ökosystemare Voraussetzungen schließen sämtliche relevante Charakteristika des Standorts mit ein, insbesondere die Merkmale des belasteten Organismus selbst (vgl. Cole 2004, S. 12).
Scharpf und Harfst verwenden zur Durchführung von Belastungsanalysen die Begriffe Belastungsdauer, Belastungsgrad und Belastungsintensität (vgl. Scharpf Harfst 1983, S. 70f). Die Belastungsdauer setzt sich aus der Andauer und der Häufigkeit der Einwirkung zusammen. Der Belastungsgrad definiert die Belastungsstärke als quantitative Komponente der Einwirkung, bei Tritteinwirkung z. B. das Gewicht des Tritts sowie Anzahl der Tritte. Der Belastungsgrad wird aus der Belastungsart und dem Verhalten abgeleitet. Die Belastungsintensität ist schließlich das Produkt aus Belastungsdauer und Belastungsgrad. Die von Cole ausgearbeiteten Begrifflichkeiten erschienen insgesamt konsistenter und umfassender und werden daher in der vorliegenden Arbeit verwendet.
Zum Themenkreis der Störung
Eine Störung ist eine äußere Einwirkung, die lebenswichtige Aktivitäten der betroffenen Tiere unterbricht oder verändert (vgl. Schemel Erbguth 2000, S. 86). Die gestörten Akti- vitäten können die Nahrungsaufnahme, Nahrungssuche, Sich-Putzen, Brüten, Füttern, Füh- ren von Jungen und auch Ruhezeiten sein. Störungen sind demnach äußere Einwirkungen, die sich negativ auf das Energie- und Zeitbudget des Tieres auswirken können. Störungen können von anderen Tieren, natürlichen Vorgängen und Menschen verursacht werden (vgl. Reichholf 1999, S. 74). Stock stellt fest, das der Begriff Störung bereits selbst eine Wertung
Abb. 5: Beziehungsschema zwischen Reiz, Reaktion und Konsequenz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
beinhaltet. Er schlägt daher vor, den Störungsbegriff in einem Schema von Reiz, Reaktion und Konsequenz darzustellen (vgl. Stock et al. 1994, S. 49). Dieses Schema ist in Abbildung 5 dargestellt.
Die Reaktion ist dabei die Wirkung, die der Reiz bei dem gestörten Individuum auslöst. Die Konsequenzen beziehen sich auf das Individuum sowie auf alle nachfolgenden Ebenen wie Population, Biozönose und Ökosystem. Mögliche Folgen des Störreizes können daher nach physiologischen, verhaltensbiologischen oder ökologischen Auswirkungen klassifiziert wer- den. Physiologische Auswirkungen umfassen beispielsweise die Erhöhung der Herzschlagfre- quenz und einen gesteigerten Energieverbrauch beim Tier. Dies geht mit einer Ruhestörung einher. Verhaltensbiologische Auswirkungen reichen von erhöhter Aufmerksamkeit und damit Ablenkung von der Aktivität über Ausweichreaktionen bis zu Fluchtverhalten. Öko- logische Auswirkungen umfassen das zeitweise Verschwinden oder gänzliche Abwandern von Arten aus eigentlich geeigneten Lebensräumen (vgl. Reichholf 1999, S. 75f; Schemel Erbguth 2000, S. 86).
Zum Themenkreis der Empfindlichkeit
Der Begriff der Empfindlichkeit bezeichnet einen Teilaspekt der komplexen Vorgänge wäh- rend einer Interaktion von Mensch und Pflanze. Die vielfältigen Reaktionen der Pflanze auf diese Interaktion können mit dem englischen Wort plant strategies beschrieben werden (vgl.
Liddle 1997, S. 180ff). Diese Strate-
Tab. 2: Interaktion zwischen Pflanze und Mensch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: verändert nach Liddle 1997, S. 182 oder das Tier nicht wahrnimmt,
beginnt die Interaktion mit der Beta- phase. Die Betaphase beschreibt den eigentlichen Kontakt und kann in zwei verschiedenen Zeitmustern ablaufen. Entweder ist der Kontakt so kurz, dass die Pflanze während der Dauer des Kontakts nicht reagiert, oder der Kontakt ist länger, und die Pflanze reagiert, während der Kontakt weiter fortbesteht. Das Ende der Phase Beta ist die Beendigung des Kontakts. Die darauf folgende Gammaphase endet entweder mit dem Tot der Pflanze oder mit der Rückkehr der Pflanze in ihren ursprünglichen Zustand vor der Interaktion (vgl. Liddle 1997, S. 180ff).
Resistenz bezeichnet die Widerstandsfähigkeit der Pflanze gegenüber der Belastung in der konkreten Situation. Eine hohe Resistenz bedeutet eine geringe Verletzlichkeit. Regenerati- onsfähigkeit wird verstanden als die Fähigkeit eines Organismus, nach einer Beeinträchti- gung in seinen ursprünglichen Zustand zurück zu kehren. Der Begriff der Toleranz bezieht sich in diesem Schema auf das endgültige Ergebnis einer Belastung und der darauffolgenden
Reaktion. Die Toleranz bezieht demnach sowohl Resistenz als auch Regenration mit ein. Eine hohe Toleranz bedeutet demnach eine hohe Resistenz oder eine hohe Regenerationsfähigkeit oder beides.
Der Begriff Empfindlichkeit wird in der Literatur sehr heterogen verwendet. So ist es oftmals unklar, ob er gegensätzlich zu Resistenz oder Toleranz verstanden wird (vgl. Liddle 1997, S. 188). In der vorliegenden Arbeit bezieht sich Empfindlichkeit auf das endgültige Ergebnis einer Beeinträchtigung und wird somit als gegensätzlich zu Toleranz verstanden.
4.2.5 Begriffe der Grenzwertforschung
Im Rahmen dieser Arbeit muss zunächst unterschieden werden, worauf sich ein Grenzwert, bzw. eine Begrenzung bezieht. Besucherbegrenzungen sind als Grenzwerte in Bezug auf die Nutzung des Schutzgebietes zu verstehen. Zur Festsetzung einer solchen Besucherbegren- zung kann es nötig sein, eine Grenze der maximalen Belastung zu definieren, also einen Grenzwert in Bezug auf die Situation des Ökosystems. Die Festsetzung solcher ökosystema- rer Grenzwerte wird daher oft als Grundlage für die Einführung von Grenzwerten zur Steu- erung von Nutzungen gesehen. Als Ausgangspunkt der Diskussion um die Festsetzung von ökosystemaren Grenzwerten wird auf die Diskussion um den Belastungsbegriff in Kapitel 2 verwiesen.
Die Entscheidung über eine maximal akzeptable Belastung wird maßgeblich durch unsere Wahrnehmung der Umwelt geprägt. Diese Umweltwahrnehmung als Basis der Grenzzie- hung kann durch verschiedene Wahrnehmungsmodelle veranschaulicht werden. Die persön- liche Wahrnehmung kann dabei beispielsweise durch psychologische Mechanismen oder die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beeinflusst werden. Diese environmental perception bezeichnet Messerli als die entscheidende Verbindung zwischen Mensch und Umwelt (vgl. Messerli 1986, S. 13f). Dieser subjektiven Wahrnehmung steht dabei immer einer objektiven Beurteilung der Umwelt entgegen. Ein gesellschaftlicher Konsens über einen Grenzwert wird aufgrund der individuell verschiedenen Wahrnehmung der Umwelt erschwert und verlang- samt (vgl. Marzelli 1989, S. 12f). Zur Erlangung einer breiten Zustimmung bezüglich der Be- urteilung der Umwelt sind daher überindividuelle, normative Festsetzungen nötig. Diese von der Gesellschaft unabhängigen Werte müssen folglich ethisch begründet werden. Die dabei relevanten unterschiedlichen Standpunkte der Umweltethik wurden schon in der Diskussion zum Belastungsbegriff dargestellt. Vor diesem Hintergrund haben sich im Umfeld des Grenz- wertbegriffes verschiedenste Begriffe etabliert, die z. T. unterschiedlich verwendet werden oder sich von ihrer Bedeutung her überschneiden.
Grenzwerte sind nicht wissenschaftlich abgeleitete Werte, sondern das Ergebnis eines po- litischen Entscheidungsprozesses, der auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen Nutzen und Risiko abwägt (vgl. SRU 1987 zit. in: Ott 1999, S. 10). Sie sind damit synonym zu den englischen Begriffen critical value oder limit value zu sehen. Hierbei ist es wichtig, zwischen Grenzwert und Schwellenwert zu unterscheiden. Schwellenwerte werden als na- türlich gegeben angesehen und sind damit inhaltlich definiert. Die obigen Anmerkungen zur Umweltwahrnehmung haben gezeigt, dass im Gegensatz dazu Grenzwerte immer normativ gesetzt werden. Der Schwellenwert gilt somit oft als wissenschaftlich gesicherte Aussage, während der Grenzwert das Ergebnis eines politischen Entscheidungsprozesses ist (vgl. Ott 1999, S. 10f).
Synonym zum Grenzwertbegriff wird oft der Begriff des Umweltqualitätsstandards verwen- det. Umweltqualitätsstandards kennzeichnen den zu erreichenden oder einzuhaltenden Wert für ein vorgegebenes Umweltqualitätsziel. Sie dienen als Maßstab der Kontrolle (vgl. UBA 1994, S. 10). Umweltqualitätsziele charakterisieren einen angestrebten Zustand der Umweltqualität, den es, gegebenenfalls in einem bestimmten Zeitraum, zu erreichen gilt (vgl. UBA 1994, S. 9).
5. Die Tragfähigkeitsforschung als Managementansatz
Nach einer Einführung zur Entstehung der Forschungsrichtung wird im folgenden Kapitel die aktuelle Diskussion innerhalb der Tragfähigkeitsforschung dargestellt. Anschließend werden vorhandene Methoden zur Bestimmung der Tragfähigkeit vorgestellt und bewertet.
5.1 Die Entstehung der Tragfähigkeitsforschung
Der Tragfähigkeitsbegriff wird meistens in einem übertragenen Sinn benutzt. Diese Verwen- dung geht im wesentlichen auf Malthus und dessen Veröffentlichung ‚Essay on the principle of population’ von 1798 zurück (vgl. Mattig 1973, S.12). Darin versteht Malthus die Tragfä- higkeit der Erde als deren Kapazität zur Produktion von Nahrung (Malthus 1986[1798]zit. in: Prato 2003, S. 145). Zentraler Punkt seines Konzepts ist die Formulierung von Grenzen des Wachstums sowie die mathematischen Berechnungen zur Ermittlung dieser Grenzen. Diese Grundideen haben das weitere Verständnis von Tragfähigkeit sowie die Ausrichtung der Tragfähigkeitsforschung langfristig beeinflusst (vgl. Seidl Tisdell 1999, S. 397f). In der folgenden Entwicklung der Tragfähigkeitsforschung wurde der Begriff der Tragfähigkeit in vielen verschiedenen Zusammenhängen benutzt.
Bruning verwendet Tragfähigkeit ähnlich wie Malthus im Sinne einer Ernährungskapazität. So stellt er als zentrale Frage zur Ermittlung der Tragfähigkeit: „Wie viele Menschen könnten in einem Naturraum bekannter Große ernährt werden und bei einem bestimmten Lebens- standard ihre Dauerexistenz finden.“ (Bruning 1953, zit in: Mattig 1973, S. 12) Isenberg ver- steht Tragfähigkeit in einem umfassenderen Sinn und definiert diese als gesamtökonomische Basis: „Als Tragfähigkeit eines Gebietes wird hier die mögliche Volksdichte, d.h. die Zahl der Menschen bezeichnet, die darin auf Grund der strukturellen Gegebenheiten unter bestimm- ten Voraussetzungen Existenzmöglichkeiten finden.“ (Isenberg 1953, S. 4) Nach Isenberg ist die Tragfähigkeit langfristig abhängig erstens von der Naturausstattung, zweitens von der Erschließung, der technischen Ausstattung und dem Ausnutzungsgrad der natürlichen Grundlagen, drittens von Art der Lebenshaltung und der Sozialmoral sowie viertens von der wirtschaftlichen Verflechtung mit anderen Gebieten. Die Berechnung der Tragfähigkeit fin- det hier auf Grundlage von Wanderbewegungen, aus Daten der Volkswirtschaft sowie aus der Arbeitslosenquote statt (vgl. Isenberg 1953, S. 4f).
Diese beiden Beispiele stehen für die in Deutschland vorherrschende Ausrichtung der Trag- fähigkeitsforschung. Sie konzentrierte sich insbesondere auf die Demographie, die Agrar- wissenschaften sowie auf den ökonomischen Sektor. Forschungsarbeiten dieser Richtung beschäftigten sich beispielsweise mit wirtschaftlicher Tragfähigkeit, bodenbedingter Tragfä- higkeit, der Siedlungskapazität sowie mit der Tragfähigkeit von Agrargebieten oder Staats- und Wirtschaftsräumen.
Ein anderes Verständnis der Tragfähigkeit deutete diese als Funktion von Belastungen auf das Ökosystem. In den USA wurde das Konzept der ökologischen Tragfähigkeit erstmals von Hawden und Palmer 1922 formuliert. Sie untersuchten von Tieren ausgehende Belastungen und definierten Tragfähigkeit (engl. carrying capacity) daher als die Zahl der Tiere, die ein Gebiet, ohne Schaden zu nehmen, aufnehmen kann (vgl. Pulliam Haddad 1994, S. 141). Die Definition von Hawden und Palmer war insofern revolutionär, da sie die Anzahl der Tiere mit dem Zustand der Umwelt in Verbindung brachte (vgl. Seidl Tisdell 1999, S. 400f). Etwa ein Jahrzehnt später definierte Leopold die Tragfähigkeit als die maximale Dichte, die ein be- stimmtes Gebiet noch ertragen kann (vgl. Seidl Tisdell 1999, S. 401). Diese und alle folgen- den Definitionen der ökologischen Tragfähigkeit berücksichtigen allerdings nur sehr schlecht die komplexen Verhältnisse der vorliegenden Ökosysteme. Das Konzept der Tragfähigkeit in diesem Verständnis kann daher nur für deterministische und wenig variable Systeme Ver- wendung finden. Die geringe Variabilität bezieht sich dabei vor allem auf die Veränderungen von ökologischen Wirkungszusammenhängen und das unterschiedliche Verhalten von Arten (vgl. Cohen 1995 zit. in: Seidl Tisdell 1999, S. 401).
Während der späten sechziger und frühen siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts traten in den USA zwei unterschiedliche Anwendungsgebiete der Tragfähigkeitsforschung hervor. Zum einen wurde das Tragfähigkeitskonzept in der Angewandten Ökologie zum Manage- ment von Habitaten und Ökosystemen verwendet. So existieren beispielsweise innerhalb des Managements von Beweidungsgebieten eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte und Verständnisse des Tragfähigkeitsbegriffs (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 374). Zum anderen wurde es in der Humanökologie eingesetzt, um die Grenzen des Bevölkerungswachstums sowie den Verbrauch der Bevölkerung zu illustrieren und zu diskutieren. Die genaue Definiti- on von Tragfähigkeit als Funktion von soziokulturellen sowie ökologischen Belastungen des Menschen hängt dabei maßgeblich vom Verständnis des Belastungsbegriffs ab. Eine dem anthropozentrischen Ansatz verpflichtete Definition der Tragfähigkeit liefert Eberlei: „Un- ter ökologischer Tragfähigkeit wird verstanden, dass ökologische Systeme in Abhängigkeit von darauf projizierten gesellschaftlichen Zwecksetzungen über den systemaren Verbund der natürlichen Grundlagen nur eine begrenzte Zahl davon abhängiger konkurrierender Nutzungsfunktionen in einem räumlich, zeitlich und intensitätsmäßig begrenzten Umfang erfüllen können.“ (Eberlei 1985, S. 22) Die Anwendung des Tragfähigkeitskonzeptes auf die menschliche Gesellschaft bzw. die menschliche Spezies setzt die Einsicht voraus, dass die Tragfähigkeit gesellschaftlich und nicht biologisch definiert ist. Dies ist als der gravierende Unterschied zwischen dem ökologischen und dem sozialen Tragfähigkeitsverständnis anzu- sehen (vgl. Seidl Tisdell 1999, S. 401ff).
Die Anwendung der Tragfähigkeit auf Probleme, die durch Menschen verursacht wurden, führte zu einer Änderung von einem positivistischen zu einem normativen Konzept. Damit gab es im Gegensatz zum Management von Habitaten keine objektive, allgemeingültige Grenze der Tragfähigkeit mehr. Außer unter kontrollierten Umgebungsbedingungen wie im Labor ist eine naturwissenschaftlich-deterministische und damit objektive Errechnung der Tragfähigkeit in diesem Sinne nicht möglich (vgl. Seidl Tisdell 1999, S. 404). Dies wurde in der Tragfähigkeitsforschung, wie im folgenden Abschnitt deutlich wird, oft nicht berücksichtigt. Daher führen Seidl und Tisdell dazu aus: „An academic disservice has been done by those who claim that carrying capacities in applied and human ecology are scientific and objectively determined.“ (Seidl Tisdell 1999, S. 407)
Eine Erweiterung erfuhr das Konzept, als die maximale Tragfähigkeit, nicht mehr auf die Anzahl der Tiere oder Menschen, sondern auf die von ihnen ausgehenden Belastungen selbst bezogen wurde. Dieses Verständnis der ökologischen Tragfähigkeit stimmt mit der Verwendung des Begriffs der ökologischen Belastbarkeit überein.
Tragfähigkeit als Funktion von soziokulturellen sowie ökologischen Belastungen des Menschen wurde schon früh auf den Themenbereich von Erholung und Tourismus übertragen. Dieser Themenkreis steht im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts.
5.2 Das Tragfähigkeitskonzept im Kontext von Erholung, Tourismus und Natur- schutz
Das Tragfähigkeitskonzept ist in den USA entstanden und wurde dort auch in Bezug auf Er- holung, Tourismus und Naturschutz weiterentwickelt. Im deutschsprachigen Raum verläuft die Tragfähigkeitsforschung bis auf wenige Ausnahmen ohne direkten Bezug zur Erholungs- nutzung ab. Daher liegt der Schwerpunkt des folgenden Kapitels auf den Entwicklungen in den USA.
5.2.1 Die Entwicklung der Tragfähigkeitsforschung in den USA
Die Anfänge
Das Tragfähigkeitskonzept wurde erstmals schon Mitte der dreißiger Jahre auf die Erholungs- und Tourismusplanung in Schutzgebieten angewandt (vgl. Stankey Manning 1986, S. 47). Zu dieser Zeit beschäftigte sich Summer im Auftrag der Nationalparkverwaltung der USA mit der Frage der Tragfähigkeit in Nationalparken (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 373f). Summer führte später dieses Konzept weiter aus und stellte dabei heraus, dass die Belastung der natürlichen Ressourcen innerhalb der Tragfähigkeit, bzw. innerhalb eines Sättigungspunktes der Erholungsnutzung bleiben muss (vgl. Summer 1942. zit. in: Stankey McCool 1984, S. 454f). Dieser Sättigungspunkt, bzw. diese Grenze der Tragfähigkeit, wurde von Summer als die maximale Intensität der Erholungsnutzung definiert, die ein Gebiet im Sinne eines nachhaltigen Schutzes verkraften kann (vgl. Summer 1942. zit. in: Stankey McCool 1984, S. 455f). Grundlage dieser Sichtweise war die Annahme, dass es einen linearen Zusammenhang zwischen der Nutzungsintensität und den auftretenden Belastungen gab (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 376).
Die grundlegenden Arbeiten
Das Interesse an der Idee der touristischen Tragfähigkeit oder „Erholungsnutzungskapazi- tät“ (Riekens 1996, S. 43) stieg gegen Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre einhergehend mit der steigenden Nutzung von Schutzgebieten durch Erholungssuchende (vgl. Stankey Manning 1986, S. 47). Die ersten ausführlichen Schriften über Erholungsnut- zungskapazität (engl. recreational carrying capacity) waren die von Anderson 1959, von La- Page 1963, von Wagar 1964 und von Lucas 1964. Von diesen ist insbesondere die Arbeit von Wagar (1964) heraus zu stellen, die wichtige, zukunftsweisende Gedanken enthielt. Er stellte im Gegensatz zu vorhergehenden Definitionen heraus, dass die Tragfähigkeit kein dem Ort oder Gebiet inhärenter Wert sei, der ermittelt werden kann. Für ihn war die Tragfähigkeit kein absoluter Wert. Tragfähigkeit war seiner Meinung nach abhängig von den Bedürfnissen und Werten der Menschen und konnte somit nur in Bezug auf ein Managementziel definiert werden. Er vertrat des weiteren die Ansicht, dass die Notwendigkeit zur Begrenzung der Nutzung durch die Anwendung anderer Instrumente verringert werden könnte (vgl. Wagar 1964, S. 6f).
Die Suche nach der ‚magischen Zahl’
Dass die Idee der Tragfähigkeit als Managementkonzept im Schutzgebietsmanagement An- wendung fand, ist nicht überraschend. Viele der Schutzgebietsmanager waren ausgebildete Biologen und daher vertraut mit dem Konzept und seiner Anwendung im Bereich des Ma- nagement von Wild- und Nutztieren. Wie schon im vorhergehenden Abschnitt dargestellt, wurde in diesem Zusammenhang Tragfähigkeit als eine Anzahl von Tieren einer Spezies verstanden, die ein Habitat ernähren kann (vgl. Dasmann 1964 zit. in: Stankey Manning 1986, S. 47).
Die Analogie zum Management von Besuchern in Erholungssituationen lag nahe, stellte sie doch in Aussicht, dass ein bestimmter Grenzwert für ein Gebiet existiert, der durch eine na- turwissenschaftliche Berechnung ermittelt und so zu einer maximalen Anzahl von Besuchern in einem Gebiet führen kann. Diese Suche nach der „magischen Zahl“ (Trousdale 1997, S. 2) stellte Schutzgebietsmanagern in Aussicht, dass es nun nicht mehr nötig sei, schwierige Managemententscheidungen zu treffen oder gar diese auf politischer Ebene zu verhandeln, da ohnehin jede Entwicklung der Erholungsnutzung durch die vorgegebene Tragfähigkeit eingeschränkt sei (vgl. Trousdale 1997, S. 2f). So wurde die Frage nach der maximalen An- zahl von Besuchern, die ein Gebiet betreten konnten, bevor kritische Belastungen auftraten, zu einem wichtigen Fokus der Arbeit vieler Schutzgebietsmanager (vgl. Stankey Manning 1986, S. 47). Die Tragfähigkeit wurde nach diesem Verständnis als ein Schwellenwert de- finiert, nach dessen Überschreitung die Belastungen stark ansteigen (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 376).
Schon Ende der sechziger Jahre wurden in den USA mehrere Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt, wobei die Forschungsaktivität im Bereich der recreational carrying capacity in den siebziger Jahren mit der Veröffentlichung von zahlreichen Publikationen ihren Höhepunkt erreichte (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 376).
Unterschiedliche Forschungsrichtungen innerhalb der recreational carrying capacity Zu Beginn der siebziger Jahre fand eine Aufteilung der Forschung zur recreational carrying capacity in die ökologische Sichtweise (ecological carrying capacity) und die soziale Sicht- weise (social carrying capacity) statt. Die ecological carrying capacity behandelte dabei die besucherverursachten Belastungen auf die ökosystemaren Gegebenheiten im Gebiet. Die social carrying capacity beschäftigte sich mit den Auswirkungen der Nutzung auf die Zufrie- denheit der Besucher selbst (vgl. Brown et al. 1985, S. 323f). Diese beiden unterschiedlichen Definitionen gingen aus den gegenüberstehenden Positionen zum Verständnis der Belastung hervor. Die ecological carrying capacity kann als Kapazität im Sinne der Kompensationsfähig- keit des Naturhaushaltes gesehen werden und ist daher aus der bioökologischen Sichtweise entstanden. Die social carrying capacity bezeichnet die Tolerierbarkeit der auftretenden Be- lastung hinsichtlich einer Nutzung und entspricht somit der geoökologischen Position (vgl. Ott 1999, S. 7). Obwohl die recreational carrying capacity nur durch das Zusammenführen beider Richtungen bestimmt werden kann, wurden sie von Forschern oft voneinander ge- trennt bearbeitet (vgl. Brown et al. 1985, S. 325f).
Mitte der siebziger Jahre stellte Lime (vgl. Lime 1976, S. 123) fest, dass es zwar eine ständig wachsende Zahl an Arbeiten zur recreational carrying capacity gab, deren zentrale Inhalte sich aber seit den ersten Schriften Anfang der sechziger Jahre kaum weiterentwickelt hät- ten. Die Bestimmung der Tragfähigkeit: Von Zahlen zu Zielen In den siebziger Jahren erkannte man, dass der Grund, weshalb ein Schutzgebiet eingerich- tet wurde, entscheidend für die Bestimmung der Tragfähigkeit war. Recreational carrying ca- pacity wurde als die Intensität der Erholungsnutzung definiert, die aufgrund der Managem- entziele des Gebietes akzeptabel war (vgl. Haas 2001, S. 1). Diese Entwicklung wurde auch durch die Erkenntnisse der recreation ecology beeinflusst, die den Zusammenhang zwischen Nutzungsgrad und verursachten Belastungen nun als krummlinig asymptotisch definierten. Dieser Zusammenhang machte deutlich, dass die naturwissenschaftliche Berechnung der Tragfähigkeit wenn nicht unmöglich, so doch nur begrenzt sinnvoll war. Die Tragfähigkeit wurde nun nicht mehr als eine dem Gebiet oder der Natur innewohnende Zahl angesehen, die herausgefunden oder berechnet werden konnte (vgl. Haas 2001, S. 1).
Für ein gesamtes Schutzgebiet existieren daher je nach Ziel bzw. Perspektive immer mehrere Tragfähigkeiten (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 376). Wenn aber die Tragfähigkeit von Zielen abhängig ist, dann ist ihre Ermittlung eher ein öffentlicher Prozess im Bereich der Zieldefini- tion und der Diskussion von Werten als eine naturwissenschaftliche Berechnung (vgl. Haas 2001, S. 2).
Weitere Verständnisse der recreational carrying capacity Aus der Überlegung, dass die Tragfähigkeit durch die definierten Ziele abgeleitet werden muss, entwickelte sich eine Vielzahl an weiteren Verständnissen und Definitionen der re- creational carrying capacity (siehe dazu: Scharpf Harfst 1983, S. 15; Shelby Heberlein 1986, S. 19ff; Sowman 1987, S. 57ff; URDC 1980, S. 10f). Zu diesen gehören unter anderen die technische Tragfähigkeit, die politische Tragfähigkeit, die planerische Tragfähigkeit sowie die Besuchertragfähigkeit. Während einige dieser Definitionen weniger praktikabel waren, erscheint es heute sinnvoll, die recreational carrying capacity nach vier unterschiedlichen Aspekten zu gliedern. Diesen Aspekten entsprechen die soziale, oder sozialpsychologische Tragfähigkeit, die ökologische Tragfähigkeit, die ökonomische Tragfähigkeit und die physi- sche Tragfähigkeit. Mit der physischen Tragfähigkeit bezeichnet man die maximale Anzahl von Nutzungseinheiten (engl. use units), die aufgrund der physischen Gegebenheiten in einem Gebiet Platz haben. Unter use units können hier beispielsweise Menschen, Fahrzeuge oder Boote verstanden werden (vgl. Sowman 1987, S. 333). Die ökonomische, oder auch finanzielle Tragfähigkeit bezeichnet den Punkt, ab dem das Schutzgebiet ökonomisch nicht mehr lebensfähig ist (vgl. Eagles 2003, S. 54).
Gegen Ende der siebziger Jahre war das Interesse am Konzept der recreational carrying capacity in den USA stark zurückgegangen, da eine naturwissenschaftlich-deterministische Ermittlung als nicht möglich erschien (vgl. Haas 2001, S. 1).
Vom vorausschauenden zum reaktiven Konzept In den achtziger Jahren fand ein grundlegender Wandel des Konzepts hin zu einem monito- ringbasierten Ansatz statt. Diese Entwicklung beinhaltete die Veränderung des Fokus von der Eingangsgröße, nämlich der Ermittlung der maximalen Nutzungsintensität, zu einem Fokus auf die Ausgangsgröße, die Ermittlung der ökosystemaren und sozialen Zustände, die ein Gebiet bereitstellen sollte. Dieser auf dem Instrument des Monitorings basierende Ansatz erlaubte es Schutzgebietsmanagern, die Tragfähigkeit eines Gebiets zu ermitteln, indem sie Richtwerte für ökosystemare und soziale Zustände definierten, die dann als Stellvertreter für eine quantitative Besuchergrenze verwendet wurden (vgl. Haas 2001, S. 2).
Dieser Wandel wurde maßgeblich durch die vermehrte Kritik an dem auf eine numerische Tragfähigkeit ausgerichteten Konzept ausgelöst. Zahlreiche Autoren diskutierten verschiedene unschlüssige Aspekte des ursprünglichen Konzepts. Wagar kritisierte die allzu umfangreichen Vereinfachungen, die mit der Bestimmung einer quantitativen Tragfähigkeit einhergingen (vgl. Wagar 1974, S. 275f). Washburne bemerkte, dass die Ermittlung der Tragfähigkeit ohne Bezug zu den Richtwerten des Schutzgebietsmanagements nichts mit dem eigentlichen Schutzauftrag zu tun habe (vgl. Washburne 1982, S. 727). Stankey und McCool fassten die Kritik verschiedener Arbeiten zusammen und folgerten, dass die entscheidende Frage nicht die nach der maximalen Zahl sei, sondern die nach den akzeptablen, bzw. gewünschten Zuständen im Gebiet (vgl. Stankey McCool 1984, S. 454f).
5.2.2 Die Entwicklung der Tragfähigkeitsforschung im deutschsprachigen Raum
Mit Bezug auf die Erholungsnutzung fand die Forschung im deutschsprachigen Raum oft unter einem anderem Namen, also nicht explizit als Tragfähigkeitsforschung statt. Die wissenschaftliche Diskussion, sowie auch die methodischen Ansätze entstanden weitgehend unabhängig von der Entwicklung in den USA.
Ansätze zur qualitativen Bestimmung der ökologischen Tragfähigkeit stellten erstmals Sei- bert (1974) und Gundermann (1976) vor. Bezzola (1975) erarbeitete ein umfangreicheres Schema zur Kapazitätsberechnung, das allerdings nur am Rand die ökologischen Auswirkun- gen der Erholungsnutzung thematisiert. Weitere Systematisierungen von Kapazitätseffekten haben Jacsman und Czinke durchgeführt. Alle diese Arbeiten bleiben allerdings isolierte Einzelarbeiten, die sich nicht in eine fortschreitende Entwicklung der Forschungsrichtung einordnen lassen. Sie stehen im allgemeinen in Komplexität, Detaillierungsgrad und theore- tischer Fundierung weit hinter den Arbeiten aus den USA zurück. Herauszustellen bleibt hier die Arbeit von Eberlei (1985), der ein systematisches Vorgehen zur Ermittlung einer unter geoökologischer Perspektive entwickelten ökologischen Tragfähigkeit vorstellt. Ott (1999) behandelt ausführlich die Frage der ökologischen Belastbarkeit und die damit verbundene Problematik der Grenzziehung. Nur Riekens (1996) nimmt in ihrer Untersuchung als einzige ausdrücklich Bezug auf die Forschungsarbeiten aus den USA, ohne jedoch darauf aufbauend Neues zu entwickeln.
Abgesehen von einigen Arbeiten zu Erholungsbelastungen und damit verbundenen Klassifizierungen von Empfindlichkeiten fehlen im deutschsprachigen Raum übergeordnete Konzepte genauso wie fallbezogene Studien zur Tragfähigkeitsermittlung.
5.2.3 Die Tragfähigkeitsforschung im aktuellen Diskurs - Themen und Erkenntnisse
Im folgenden sollen die zentralen Themen und die verschiedenen Positionen innerhalb der gegenwärtigen Diskussion der Tragfähigkeitsforschung dargestellt werden.
Tragfähigkeit als naturwissenschaftliche oder wertbasierte Zahl Wie im vorherigen Abschnitt bereits angedeutet, wurde das Tragfähigkeitskonzept zu Beginn als ein naturwissenschaftlicher und objektiver Ansatz gesehen, um die Nutzung von Schutzgebieten zu kontrollieren (vgl. Shelby Heberlein 1986, S. 9f). Seit den Anfängen gab es allerdings auch kritische Stimmen, die das Verständnis der Tragfähigkeit als absolute, naturgegebene Zahl in Frage stellten.
Steinbeck bemerkte in diesem Kontext, dass eine teleologische Denkweise nicht angebracht sei und die Forschung in eine falsche Richtung führe (vgl. Steinbeck, 1941 zit. in: Vaske et al. 2000, S. 204). Auch Fleischmann argumentierte, dass die Tragfähigkeit, bzw. ein gesunder Zustand der Natur, nicht von der Natur selbst definiert werden könne. Für die Natur selbst sei eine Veränderung der Umweltbedingungen, in welcher Weise auch immer, weder gut noch schlecht. Daher könne es auch keinen der Natur innewohnenden Grenzwert geben (vgl. Fleischmann 1969 zit. in: Vaske et al. 2000, S. 204). Cole weist darauf hin, dass im Zentrum der Tragfähigkeitsbestimmung Entscheidungen darüber ‚was sein soll’ stehen. Doch die Naturwissenschaft behandelt das ‚was ist’, und seit David Hume kann es als allgemein aner- kannt gelten, dass niemals Soll-Aussagen (d.h. Werte) aus Ist-Aussagen (d.h. Fakten) abge- leitet werden können (vgl. Cole 1995a, S. 44f). Cole folgert daher, dass die unterschiedlichen Auffassungen über den Tragfähigkeitsbegriff möglicherweise auf verschiedene Ansichten über die Verwendung von Fakten und Werten in der Wissenschaft zurück zu führen sind. McCool und Lime betonen, dass die nicht-lineare und dynamische Natur vieler Ursache-Wir- kungszusammenhänge sowie die Variabilität der natürlichen Umgebung die Berechnung der Tragfähigkeit auf naturwissenschaftlicher Basis quasi unmöglich macht (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 374).
Mittlerweile ist es in der wissenschaftlichen Diskussion eine allgemein akzeptierte Meinung, dass die Tragfähigkeit keine der Natur inhärente absolute Zahl ist, die naturwissenschaftlich- deterministisch zu errechnen ist. Die Ermittlung der Tragfähigkeit ist immer als Bewertungs- prozess anzusehen (vgl. Cole 2001b, S. 12; Haas 2003, S. 2f; Hendee Dawson 2002, S. 176f; Manning 2001, S. 21f; Mc Cool Lime 2001, S. 380f; Vaske et al. 2000, S. 204).
Shelby und Heberlein haben diese Erkenntnis weitergeführt und unterteilen demzufolge den Prozess der Tragfähigkeitsbestimmung in eine deskriptive und in eine bewertende Kompo- nente (vgl. Shelby Heberlein 1986, S. 11ff). Die deskriptive oder auch beschreibende Kom- ponente beschäftigt sich mit Fakten und objektiven Daten. Dabei steht der Zusammenhang zwischen der Nutzungsintensität und den verursachten Belastungen im Mittelpunkt der Untersuchungen. Die bewertende oder auch „verschreibende Komponente“ (vgl. Manning 2001, S. 22) betrifft die eher subjektive Festsetzung, wie viele Belastungen oder Verände- rungen des natürlichen Zustands im Gebiet als akzeptabel angesehen werden sollen (vgl. Shelby Heberlein 1986, S. 15f). Stankey bemerkte bezüglich dieser zwei Komponenten der Tragfähigkeitsbestimmung schon 1979, dass Tragfähigkeit kein wissenschaftliches Konzept, sondern ein Managementbegriff sei. Die Rolle der Naturwissenschaft in der Ermittlung von Tragfähigkeiten kann lediglich, so Stankey, die Beschreibung der durch unterschiedliche Nutzungsintensitäten verursachten Belastungen sein. Sie hilft somit den Schutzgebietsma- nagern zu entscheiden, ob die auftretenden Belastungen mit dem Schutzziel vereinbar sind oder nicht. Die Naturwissenschaft alleine kann aber keine Antworten auf die Frage liefern, was die Tragfähigkeit eines Gebiets ist oder sein sollte (vgl. Stankey 1979 zit. in: Burch 1984, S. 490).
Obwohl, wie beschrieben, viele Veröffentlichungen versuchten, das deterministische Verständnis von Tragfähigkeit zu entkräften, bleibt diese Sichtweise immer noch allgegenwärtig. So ist es einfach, Managementpläne für Schutzgebiete zu finden, in denen die Entscheidung über eine Tragfähigkeit im Sinne einer maximalen Besucherzahl mit der Begründung hinausgeschoben wird, dass die derzeitigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Bereich zu viele Unsicherheiten beinhalten. Dieses Vorgehen basiert auf der irrigen Annahme, dass mit genügend Forschung die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichen werden, um die Tragfähigkeit des Gebiets herauszufinden (vgl. Haas 2003, S. 2).
Gegenwärtig zeichnet sich in dieser Diskussion ab, dass der beschreibenden und damit naturwissenschaftlichen Komponente im Gegensatz zur bewertenden Komponente immer weniger Bedeutung eingeräumt wird. So sieht beispielsweise Haas die Ermittlung der Trag- fähigkeit als eine Verwaltungsentscheidung, die auf einer vernünftigen und professionellen Bewertung beruht (vgl. Haas 2003, S. 2). Auch Manning argumentiert in diese Richtung und bemerkt, dass die Tragfähigkeitsbestimmung wissenschaftliche Ergebnisse sowie auch Wertentscheidungen beinhaltet und daher als eine informierte Beurteilung (engl. informed judgement) gesehen werden sollte (vgl. Manning 2001, S. 26). Auch Mc Cool stellt fest, dass die naturwissenschaftlichen Variablen, die auf den Ursache-Wirkungszusammenhang zwi- schen Nutzung und Belastung wirken, zu vielfältig und veränderlich sind, um sie realistisch in eine Modellierung einzubeziehen (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 385). Er schließt daraus, dass die Tragfähigkeitsbestimmung keine naturwissenschaftliche Frage, sondern eine moralische Entscheidung sei. Wird die Tragfähigkeit weiterhin als naturwissenschaftlich zu beantwor- tendes Problem verstanden, dann werden dadurch Erwartungen an die Methode und deren Ergebnisse gestellt, die in dieser Form nicht zu erfüllen sind.
Tragfähigkeit: Ein Wert oder mehrere Werte? - Gibt es Die Tragfähigkeit?
So wie ecological carrying capacity und social carrying capacity zwei auf unterschiedlichen Sichtweisen basierende und getrennt bearbeitete Konzepte sind, so stützen sich auch die übrigen Definitionen von Tragfähigkeit auf disziplinspezifische Zugänge zu diesem Konzept. Diese unterschiedlichen Verständnisse von Tragfähigkeit produzierten vielfältige Veröffentli- chungen, die das Thema allerdings getrennt von einander behandelten. Daraus wurde gefol- gert, dass jede Kapazität eine eigene Entscheidung erforderte und eine eigene Zahl darstellte (vgl. Haas 2003, S. 1). Auch Stankey stellt fest, dass die Tragfähigkeit je nach Situation und Perspektive eine völlig andere sein kann und folgert daher, dass ein Gebiet immer mehrere Tragfähigkeiten besitzt (vgl. Stankey et al. 1990, S. 221f). Eberlei unterstreicht hierbei die Bedeutung der Dynamik des Ökosystems, das stets funktionellen sowie strukturellen Verän- derungen unterliegt. Er schließt daher, dass auch die ökologische Tragfähigkeit zeitvariabel ist, da eben deren Grundvoraussetzungen variabel sind (vgl. Eberlei 1985, S. 23f). Riekens fasst schließlich zusammen, dass jedes Gebiet verschiedene Kapazitäten besitzt, und zwar abhängig vom Jahresverlauf, von der betrachteten Erholungsaktivität sowie von Klimaereig- nissen (vgl. Riekens 1996, S. 44).
Eine andere Perspektive sieht die Tragfähigkeitsbestimmung als eine einzige Entscheidung, die alle relevanten und wichtigen Informationen berücksichtigt. Dabei können je nach Si- tuation die ökosystemaren Verhältnisse, die Zufriedenheit der Besucher oder die physische Kapazität von Infrastruktureinrichtungen entscheidend sein (vgl. Haas 2003, S. 1).
Ökologische und Ökonomische Tragfähigkeit Die zunehmende Diskussion um die Finanzierung von Großschutzgebieten weltweit sollte, so Eagels, mit dem Konzept der ökologischen Tragfähigkeit verknüpft werden (vgl. Eagles 2003, S. 54). Die Bestimmung der ökologischen Tragfähigkeit, welche die nachhaltige Nut- zung des Gebiets sicherstellen soll, wird selten auf eine ökonomische Perspektive bezüg-
Abb. 6: Konzept der ökonomischen Tragfähigkeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
lich der Nachhaltigkeit der Schutzgebiete ausgeweitet. Er schlägt vor, eine mini- male Erholungsnutzung aus ökonomischer Sicht mit der aus ökologischer Perspek- tive ermittelten maximalen Nutzungsintensität zu ver- binden, um so eine für das Schutzgebiet akzeptable Spanne der Erholungsnut- zung zu bestimmen.
Ein anderes Verständnis der ökonomischen Tragfähigkeit wird von Sowman (1987) vorge- stellt. Ökonomische Tragfähigkeit bezeichnet bei ihm keine Grenze der minimalen, sondern der maximalen Erholungsnutzung des Schutzgebietes. Dieses Verständnis trifft, so Sow- man, nur auf Schutzgebiete zu, in denen neben dem Tourismus noch andere wirtschaft- liche Aktivitäten ausgeübt werden. Steigt die Erholungsnutzung in dieser Situation über einen bestimmten Grenzwert, so werden andere wirtschaftliche Nutzungen beeinflusst und schließlich die ökonomische Lebensfähigkeit des Gebiets beeinträchtigt (vgl. Sowman 1987, S. 333f). Obwohl es sich bei der aufgezeigten Verknüpfung mit der ökonomischen Tragfähigkeit um einen wichtigen und zukunftsorientierten Ansatz handelt, liegen bisher nur wenige Arbeiten zu der beschriebenen Frage vor.
Zusammenfassung der Erkenntnisse der gegenwärtigen Diskussion Die im Großteil der aktuellen Literatur vertretenen Standpunkte lassen sich auf der Basis von McCool und Lime (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 380ff) wie folgt zusammenfassen:
Zur Natur der Tragfähigkeit
- Es existiert keine von der Natur vorgegebene Tragfähigkeit oder Kapazität.
- Tragfähigkeit ist nicht eine Nutzungsintensität, nach der Belastungen auftreten. Be- lastungen treten von der aller ersten Nutzung an auf. Zur Ermittlung der Tragfähigkeit
- Die Ermittlung der Tragfähigkeit beinhaltet eine beschreibende und eine bewertende Komponente. Die Tragfähigkeit ist damit kein naturwissenschaftlich-deterministisch zu berechnender Wert.
- Eine Ermittlung erfolgt immer unter der Annahme eines stabilen Ökosystems. Auf- grund der Variabilität des Ökosystems ist jede ermittelte Tragfähigkeit bei veränderten Zuständen zu überprüfen.
Zur beschreibenden-naturwissenschaftlichen Komponente der Tragfähigkeitsbestimmung
- Der Zusammenhang zwischen Belastung und touristischer Nutzungsintensität ist we-
der einfach, linear oder in anderer Form klar festgestellt. Zur Zeit ist die Naturwissen- schaft nicht in der Lage, diese Beziehung in langfristiger Perspektive zu ermitteln.
Trotz der vielen Schwierigkeiten, Tragfähigkeit zu definieren und zu bestimmen, bleibt das Konzept in der populären wie auch in der wissenschaftlichen Literatur präsent. Es wird deutlich, dass es trotz dieser Schwierigkeiten somit ein wichtiges konzeptionelles System im Bereich des Schutzgebietsmanagement darstellt (vgl. Stankey Manning 1986, S. 47). Ob sich das Tragfähigkeitskonzept weiterentwickeln wird oder nicht, hängt, so Cole, insbeson- dere von den Schutzgebietsmanagern und deren Willen ab, wertbasierte Entscheidungen zu treffen. Die weitere Entwicklung des Konzepts wird weniger von der Fähigkeit der Naturwis- senschaften abhängen, empirische Grundlagen für diese Entscheidungen zu schaffen (vgl. Cole 1995a, S. 46).
5.3 Theoretische Methoden zur Bestimmung der Tragfähigkeit
Obwohl das Konzept der Tragfähigkeit schon seit langem einerseits in der Forschung behandelt wird, sowie andererseits in der Planungspraxis Verwendung findet, gibt es keine standardisierte, weit verbreitete Methode zur Bestimmung der Tragfähigkeit (vgl. Sowman Fuggle 1987, S. 57). Bestehende Methoden können vor allem nach zwei Kriterien unterschieden werden. Erstens sind sie entweder vorausschauend oder reaktiv, und zweitens basieren sie auf Besucherbefragungen oder auf ökologischen Untersuchungen.
Der vorausschauende Ansatz beinhaltet eine Modellierung oder einen ähnlichen systematisierten Forschungsansatz zur Ermittlung von Grenzwerten.
Bei der Anwendung des reaktiven oder adaptiven Ansatzes werden Indikatoren und dazugehörige Richtwerte für den gewünschten Zustand des Ökosystems eingeführt. Im Sinne eines regelmäßigen Monitorings wird daraufhin der aktuelle Zustand des Ökosystems, ausgedrückt durch die aktuellen Indikatorausprägungen, mit den gewünschten Ausprägungen, also den Standards, verglichen. Falls die Belastungen sich in der Nähe der Richtwerte befinden, wird davon ausgegangen, dass die gegenwärtige Nutzungsintensität in etwa der Tragfähigkeit entspricht. Falls sich die Bedingungen verschlechtern, müsste auch die Tragfähigkeit reduziert werden. Ständiges Monitoring des ökosystemaren Zustands unterstützt die weitere, genaue Anpassung der Tragfähigkeit. Der adaptive Ansatz kann somit als trial-and- error Prozess verstanden werden (vgl. Stankey et al. 1985, S. 21).
Die Tragfähigkeit eines Gebiets kann auf der Grundlage von Vorlieben und Abneigungen von Besuchern festgesetzt werden. Diese Einstellungen der Besucher werden durch Befragungen ermittelt, deren Ergebnisse Grundlage für die Festsetzung der Nutzungsgrenze sind. Diese Herangehensweise zur Festlegung der Tragfähigkeit ist als normativer Ansatz bekannt, da die Erhebungen nach den Werten und Normen der Besucher fragen (vgl. Manning 2001, S. 22f). Durch die normative Theorie werden Richtwerte für die Zufriedenheit der Besucher ermittelt. Der normative Ansatz findet daher in der Regel zur Bestimmung der social carrying capacity Anwendung. Alle Methoden der ökologischen Herangehensweise gehen von der Annahme aus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Nutzungsintensität und den auftretenden Belastungen gibt. Die Tragfähigkeit wird nach diesem Verständnis auf der Basis dieses Zu- sammenhangs unter der Bezugnahme auf die festgelegten Grenzwerte der gewünschten ökosystemaren Zustände ermittelt (vgl. Riekens 1996, S. 48ff). Im Zentrum des ökologischen Ansatzes steht somit die Entwicklung eines Modells oder einer Funktion für den Ursache- Wirkungszusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Belastungen (vgl. Davis Tisdell 1995, S. 34). Die verschiedenen Methoden zur Ermittlung der ecological carrying capacity unterscheiden sich insbesondere nach der impliziten Definition des Nutzungs-Belastungs- Zusammenhangs.
Im folgenden sollen die in der Literatur dokumentierten theoretischen Methoden zur Ermitt- lung der ökologischen Tragfähigkeit vorgestellt werden. Methoden des normativen Ansat- zes, die vor allem zur Ermittlung der social carrying capacity dienen, werden nicht themati- siert. Der Abschnitt schließt mit einer zusammenfassenden Diskussion und Bewertung der untersuchten Methoden.
5.3.1 Die Tragfähigkeitsbestimmung anhand von management frameworks
Als Ausgangspunkt der meisten anderen Methoden sowie als umfassendste und komple- xeste Methoden werden hier die in den USA und Kanada erstellten Managementsysteme für Schutzgebiete (engl. management frameworks) behandelt. Alle hier vorgestellten frame- works basieren auf den grundlegenden Überlegungen zum Tragfähigkeitsproblem, wobei das Verständnis der Tragfähigkeit von framework zu framework mehr oder weniger weit gefasst wird. Im allgemeinen haben alle management frameworks ihren Fokus auf der Defi- nition und Bereitstellung von unterschiedlichen Möglichkeiten zur Erholung in Schutzgebie- ten. Der Hauptunterschied zwischen
Abb. 7: Zeitliche Entwicklung der frameworks
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
dem Tragfähigkeitskonzept und den hier vorgestellten management frameworks ist, dass die Manage- mentsysteme Entscheidungsunter- stützungssysteme für das Schutz- gebietsmanagement darstellen und nicht als wissenschaftliches Konzept zu verstehen sind (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 384).
Die im folgenden behandelten management frameworks sind das Recreation Opportunitiy Spectrum (ROS) (Clark Stankey 1979), das Vi- sitor Impact Management (VIM) (Kuss et al. 1990a; Kuss et al. 1990b), die Limits of Acceptab- le Change (LAC) (Mc Cool Cole 1997; Stankey et al. 1985), der Visitor Activity Management Process (VAMP) (Graham et al. 1988) sowie das Visitor Experience and Resource Protection (VERP) (NPS 1997). Abbildung 7 illustriert die zeitliche Entstehung der frameworks.
Da diese management frameworks in der Literatur ausführlich dargestellt und diskutiert worden sind, wird im folgenden eine vergleichende Analyse der verschiedenen Systeme erfolgen, die sich vor allem auf Nilsen und Tayler (1997) und Vaske et al. (2000) stützt. Eine Übersicht aller Ergebnisse der vergleichenden Analyse nach Nilsen und Tayler sind im Anhang in Anlage II einzusehen. Im hier durchgeführten Vergleich wird insbesondere auf den Beitrag der frameworks zur Tragfähigkeitsermittlung geachtet. Die folgende Analyse ist anhand der Gemeinsamkeiten im Prozessaufbau der verschiedenen Managementsysteme strukturiert.
Alle untersuchten management frameworks folgen den gewöhnlichen Schritten eines rationalen Planungsprozesses: Definition der Richtlinien, Datensammlung und Aufbau einer Datenbank, Analyse des Ausgangszustandes, Synthese, Zielsetzung, Finden von Alternativen, Maßnahmenformulierung und schließlich Umsetzung (vgl. Nilsen Tayler 1997, S. 50f). Abbildung 8 zeigt die Bestandteile der frameworks.
Die Managementframeworks LAC, VIM, VERP stimmen darüber hinaus noch in weiteren, konkreteren Schritten überein (vgl. Vaske et al. 2000, S. 218):
- Definition von unterschiedlichen Möglichkeiten zur Erholungsnutzung.
- Definition der Zielsetzungen des Schutzgebietsmanagements.
- Identifizierung der Schlüsselindikatoren für die auftretenden Belastungen.
- Festsetzung von quantitativen Richtwerten für diese Indikatoren.
- Aufnahme und Monitoring der Verhältnisse im Gebiet und Vergleich mit den Richt- werten.
- Verknüpfung von Managementmaßnahmen mit Richtwerten, falls die Belastungen die Richtwerte übersteigen.
Hier wird bereits deutlich, dass die management frameworks sich zum Teil sehr stark auf- einander beziehen, bzw. aufeinander aufbauen. In einigen Bereichen unterscheiden sie sich daher nur wenig voneinander. Auch wenn die Inhalte und die Ausgestaltung der oben genannten Prozessschritte von System zu System Unterschiede aufweisen, so basieren die Komponenten von LAC, VIM und VERP doch insgesamt auf den selben Elementen und Prin- zipien.
Die Definition der Erholungsmöglichkeiten in den management frameworks Die Zufriedenheit und die Erlebnisse des Besuchers werden durch die vorgefundenen sozialen und ökologischen Zustände bedingt. Das Schutzgebietsmanagement ist verantwortlich für die Bereitstellung von Möglichkeiten für diese Erlebnisse. Aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche und Vorstellungen der Besucher muss das Schutzgebietsmanagement unterschiedliche Möglichkeiten zur Ausübung der Erholungsnutzung bereitstellen. Die gegebenenfalls unterschiedlichen Möglichkeiten zur Ausübung der Erholungsnutzung, die ein Schutzgebietsmanagement bereitstellen will, müssen definiert werden. Dies ist demnach ein vorausschauender Ansatz des Schutzgebietsmanagements. Die Definition eines Möglichkeitstypus (engl. opportunity type) umfasst eine qualitative Beschreibung der zur Verfügung gestellten Möglichkeiten. (vgl. Vaske et al. 2000, S. 204)
Indikatoren und Richtwerte in den management frameworks
Jeder Typus der Erholungsmöglichkeit verlangt unterschiedliche Situationen. Eine qualitative Beschreibung dieser Situationen und Zustände ist dabei nicht ausreichend. Indikatoren und Richtwerte werden zur quantitativen Definition dieser Zustände eingeführt. Diese Indikato- ren beziehen sich auf ökologische, soziale, managementbezogene und andere Umstände, die für das Erlebnis des Besuchers relevant sind. Richtwerte sind entweder Zielwerte oder minimale, bzw. maximale Grenzwerte. Sie sind in jedem Fall Wertentscheidungen über akzeptable Belastungen im Gebiet. Es gibt eine Vielzahl an möglichen und verwendeten Indikatoren. Entscheidend ist die Auswahl von Schlüsselindikatoren, welche die wichtigsten Komponenten des Besuchererlebnisses repräsentieren (vgl. Vaske et al. 2000, S. 205f).
Zur Verknüpfung von Richtwerten und Maßnahmen in den management frameworks Zuerst werden in einem Brainstormingprozess alle Maßnahmen gesammelt, die die Einhal- tung der Richtwerte unterstützen könnten. Nachfolgend müssen die erfolgsversprechends- ten Maßnahmen durch das Schutzgebietsmanagement ausgewählt werden. LAC, VIM und
VERP unterscheiden zwischen
Abb. 8: Komponenten und Ablauf der Managementframeworks
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
drei Instrumenten zur Minimie- rung der Belastungen: Erstens sämtliche infrastrukturelle und andere technische Maßnah- men, zweitens Information und Erziehung sowie drittens Besu- cherbegrenzungen (vgl. Vaske et al. 2000, S. 207). Marion hält fest, dass ROS, LAC, VIM sowie VAMP auf vier verschiedene Weisen versuchen, die Erho- lungsnutzung zu beeinflussen (vgl. Marion Rogers 1994, S. 157). Erstens, durch die Ände- rung der Nutzungsintensität, zweitens durch die Beeinflus- sung der Nutzungsart, drittens durch die Veränderung des Orts der Nutzung und viertens durch eine Einflussnahme auf das Ver- halten der Besucher. Abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Management- strategien muss noch auf die unterschiedliche Verwendung verschiedener Begriffe hinge- wiesen werden. Zwar arbeiten alle Managementsysteme auf die eine oder andere Weise mit Faktoren, Indikatoren und Richtwerten, der Bedeutungs- inhalt dieser Begriffe wird von framework zu framework aller- dings stark unterschiedlich defi- niert (vgl. Nilsen Tayler 1997, S. 55).
Zur monitoringbasierten Festsetzung von Besucherzahlen
Auch wenn LAC, VIM und VERP alle einen reaktiven Managementansatz verfolgen, bietet lediglich LAC die Möglichkeit, durch die beschriebene adaptive Vorgehensweise eine ökologische Tragfähigkeit zu ermitteln. Es muss betont werden, dass die limits of acceptable change zwar diese Möglichkeit bieten, die Ermittlung der maximalen Besucherzahl aber nicht im Zentrum der Methode steht.
Fazit
Alle behandelten management frameworks sind aus dem Themenkreis der Tragfähigkeit entstanden und integrieren die Frage nach besucherverursachten Belastungen und den damit verbundenen akzeptablen Zuständen im Gebiet. Trotz dieser ursprünglichen Ausrichtung werden methodische Möglichkeiten zur Ermittlung konkreter Kapazitäten und den zugehörigen Zahlen zumeist ausgespart (vgl. Boyd Butler 1996, S. 559). Keines der vorgestellten Systeme entwickelt eine Methodik zur vorausschauenden Festsetzung einer maximalen Besucherzahl. Die management frameworks haben durch ihre Systematisierung und Strukturierung der Managementabläufe erheblich zur Entwicklung des Besuchermanagements beigetragen, können aber bis auf die Ausnahme der LAC zur Ermittlung der Tragfähigkeit und der Festsetzung einer Besucherbegrenzung keinen Beitrag leisten.
5.3.2 Tragfähigkeitsbestimmung nach verschiedenen Autoren
Nach den umfassenderen Managementsystemen werden nun konkrete Ansätze zumeist einzelner Autoren zur Bestimmung der Tragfähigkeit vorgestellt. Gemäß der Ausrichtung der Arbeit handelt es sich hierbei lediglich um Methoden zur Bestimmung der ökologischen Tragfähigkeit.
Methode nach Bechmann
Bechmann (1980) stellt ein Verfahren zur Berechnung der Besucherkapazität eines Gebietes vor. Diese Kapazität, so Bechmann, setzt sich aus der Fläche des Gebiets und Pro-Kopf-Richt- werten zusammen. Die Pro-Kopf-Richtwerte in m2 pro Person sind normative Festsetzungen, die unabhängig von der ausgeübten Aktivität angegeben werden. Bechmann verwendet hier Richtwerte von 2.000 sowie 5.000 m2 pro Person. Die daraus abgeleiteten Schätztabellen für die Erholungskapazität schränkt Bechmann selbst bezüglich ihrer Aussagefähigkeit ein, da „die Hypothesen auf denen sie beruhen, mehr als fragwürdig sind.“ (Bechmann 1980,
S. 109) In jedem Fall stellt Bechmann heraus, dass es sich bei der Festsetzung der Tragfähigkeit nicht um empirisch ermittelte Sachverhalte, sondern vielmehr um Entscheidungen mit normativem Charakter handelt. Bechmann folgert, dass die Wissenschaft bei der Tragfähigkeitsermittlung beratend aber nicht entscheidungsbestimmend mitwirken kann. Die Vorgehensweise ist aufgrund der undurchsichtigen Herleitung der Orientierungswerte nur als eingeschränkt anwendbar anzusehen.
Methode nach Chamberlain
Chamberlain (1997) führt in seiner Arbeit aus, dass die Festsetzung der Tragfähigkeit eines Gebiets keine komplizierten Berechnungen, sondern nur eine gute Beurteilung voraussetzt. Die Tragfähigkeitsermittlung sollte nicht auf umfassenden Forschungsmethoden, sondern auf den Erfahrungen der Menschen vor Ort basieren. Es ist, so Chamberlain, wesentlich wichtiger, überhaupt eine Tragfähigkeit festzusetzen, als dass sie hundertprozentig richtig ist. Als Verfahren zur Tragfähigkeitsbestimmung schlägt Chamberlain die Bildung einer Ex-
pertengruppe aus dem Gebiet mit ca. sieben Teilnehmern vor. Diese Gruppe, die von einem Außenstehenden geleitet wird, setzt im Diskurs die Tragfähigkeiten für das Gebiet fest. Diese Methode ist eine der wenigen, die völlig auf Berechnungen verzichtet und folglich die Er- mittlung der Tragfähigkeit auf der Basis von Erfahrungswissen und informierter Bewertung einführt. Obwohl hier offensichtlich keine objektive Ermittlung der Tragfähigkeit erfolgen kann, so ist diese Methode doch leicht anzuwenden sowie kostengünstig durchzuführen.
Methode nach Davis und Tisdell
Davis und Tisdell (1995) stellen den Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Be- lastung in das Zentrum ihrer Methode zur Tragfähigkeitsberechnung. Dieser in der neben-
Abb. 9: Zusammenhang zwischen Nutzungsin- tensität und Belastung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
stehenden Abbildung dargestellte Zusammenhang wird von ihnen, jedoch ohne Herleitung oder wei- tere Begründung, als lineare Funk- tion definiert. Durch die Festsetzung einer maxi- malen Belastungsintensität (Punkt
A) kann anhand der Funktion auf die maximale Nutzungsintensität (Punkt M) geschlossen werden. Wie die Quantifizierung der Belas- tungen, die Skalierung der Achsen und die Festsetzung der maxima- len Belastung vorgenommen wer- den kann, wird von den Autoren nicht ausgeführt (vgl. Davis Tis- dell 1995, S. 35f). Abgesehen von
der unerklärten sowie unrealistischen Annahme eines linearen Ursache-Wirkungs-Zusam- menhangs sind auch die restlichen Verfahrensschritte nicht ausreichend erläutert, so dass es sich hierbei um keine empfehlenswerte Methode handelt.
Methode nach Eberlei
Eberlei (1985) stellt in seiner Arbeit eine komplexe Methodik zur Bestimmung der ökologi- schen Tragfähigkeit auf, wobei er diese Vorgehensweise theoretisch entwickelt, ohne sie bei- spielhaft umzusetzen. Nach Eberlei hängt die ökologische Tragfähigkeit des Raumes von der vorhandenen Element- und Beziehungsstruktur des Ökosystems, den Nutzungsfunktionen, die der betreffende Raum nach gesellschaftlichen Ansprüchen erfüllt oder erfüllen soll sowie der Art und dem Umfang an Nebenwirkungen der vorhandenen Nutzungen und Aktivitäten ab. Daraus leitet Eberlei drei grundlegende Komponenten seiner Methodik ab: Grundlagener- hebung, Potential- und Belastungsanalyse. Die Tragfähigkeitsbestimmung selbst unterteilt er in zwei unterschiedliche Verfahrensphasen. Einerseits die Tragfähigkeitsbeurteilung der Nutzungen in Abhängigkeit von den vorhandenen Potentialen sowie andererseits die Erfas- sung der natürlichen Grundlagen. In ihrem Zusammenhang bedingen die naturräumlichen Voraussetzungen die Tragfähigkeit, da sie die Erfüllung der Nutzungsfunktion erst ermögli- chen. Die erfassten Nutzungen werden dabei in Abhängigkeit vom Potential der natürlichen Grundlagen betrachtet. Die Tragfähigkeitsbeurteilung der Nutzungen wird in Abhängigkeit vom tragbaren Umfang der Nebenwirkungen ausgeführt. Die Auswirkungen der Nutzungs- aktivitäten oder die Nebenwirkungen werden hinsichtlich der Beeinflussung der natürlichen Grundlagen und der Beeinflussung der Erfüllung der Nutzungsfunktionen erfasst. Über das Ausmaß der tragbaren Auswirkungen wird eine normative Entscheidung gefällt. Ein Fluß- diagramm der Verfahrensschritte ist im Anhang als Anlage III zu finden. Als systematische Vorgehensweise ist die Methodik schlüssig entwickelt und beinhaltet alle wichtigen Verfah- rensschritte. Allerdings bildet sie lediglich einen Rahmen, an dem sich die Tragfähigkeitser- mittlung orientieren kann. Die Ermittlung der Tragfähigkeit endet hier bei der normativen Entscheidung über eine maximale Ausprägung der Belastungen. Die Verknüpfung zwischen Nutzungsintensität und auftretender Belastung wird leider nicht thematisiert. Somit ist die vorgestellte Methode für die Fragestellung dieser Arbeit als wenig relevant anzusehen.
Methode nach Greene
Greene (1976 zit. in: Brown et al. 1985, S. 325f) sieht als Grundlage zur Bestimmung der Tragfähigkeit die klare Formulierung von Zielen des Schutzgebietsmanagements. Der zweite Verfahrensschritt ist die Analyse des gegenwärtigen Zustands der Ökosystemstruktur sowie des Zustands der touristischen Infrastruktur des Gebiets. Insbesondere für die Infrastruktur sind Aussagen über die physische Kapazität Bestandteil der Analyse. Während des dritten Schritts werden die Bereiche innerhalb des Schutzgebiets definiert, die für die Erholungsnut- zung geeignet erscheinen. Daraufhin wird geschätzt, wie viele Besucher diese Teilbereiche maximal nutzen können. Die Tragfähigkeit des Gesamtgebiets wird errechnet, in dem die Anzahl an Besuchern der für die Erholungsnutzung vorgesehen Teilbereiche addiert wird. Diese Methode, basierend auf Annahmen über die physische Tragfähigkeit, geht nicht auf die durch Erholung verursachten Belastungen und den Zusammenhang mit der Nutzungs- intensität ein. Die angewandten Techniken zur Ermittlung von Maximalzahlen beschränken sich auf Schätzungen. Diese Methode liefert deshalb weder objektive noch nachvollziehbare Ergebnisse und kann daher nicht empfohlen werden.
Methode nach Kuss und Morgan
Kuss und Morgan (1980) untersuchen die Tragfähigkeit des Bodens gegenüber Erholungs- nutzungen. Tragfähigkeit definieren sie dabei als eine Grenze des Bodenbedeckungsgrades, bei dem ein Maß an Erosion eintritt, dass die Bodenstruktur nicht nachhaltig zerstört. Ihre Arbeit basiert auf der Ausgangsthese, dass ein Zusammenhang zwischen Erholungsnutzung und Erosion existiert. Als Ergebnis liefern die Autoren eine Formel zur Berechnung der Trag- fähigkeit, die allerdings den Zusammenhang zwischen Erholungsnutzung und Erosion in keiner Weise berücksichtigt. In der Fortsetzung dieses Forschungsprojektes entwickeln sie (Kuss Morgan 1984) zur Ermittlung der Tragfähigkeit ein Zusammenhang zwischen Bo- denbedeckungsgrad und Erosion, aber keinen Zusammenhang zwischen Erholungsnutzung und Erosion. Abgesehen von dem eingeschränkten Verständnis des Tragfähigkeitsbegriffs liefern die Ergebnisse dieser Methode keine Hinweise für eine Bestimmung der ökologischen Tragfähigkeit.
Methode nach Lindsay
Lindsay (1986) schlägt zur Berechnung der Tragfähigkeit folgende Formel vor:
TF = ƒ × (M, T, Z, N, AM, EV)
Eine genauere Definition der Variablen, z. B. was mit verfügbarer Ressource ge- meint ist, wird von Lindsay nicht vorge- nommen. Wie die Variablen quantitativ erfasst werden, oder welcher Art die oben definierte Funktion ist, wird ebenso nicht weiter ausgeführt. Die Anwendbarkeit der Methode bleibt somit eingeschränkt.
Methode nach Parsons
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Parsons (1985) stellt Zelt- und Biwakplätze in den Fokus seiner Methode, da diese nicht nur Bereiche von örtlich und zeitlich konzentrierter Nutzung sind, sondern ebenso in der Regel gut sichtbar sind und in ökologisch empfindlichen Gebieten liegen. Damit sind keine bewirt- schafteten, angelegten Zeltplätze für mehrere Nutzer gemeint, sondern kleinere Plätze zum Übernachten, auf denen in der Regel eine Gruppe Platz findet. Sein Verfahren zur Ermittlung der Tragfähigkeit basiert auf einer Klassifikation der vorhandenen Zeltplätze. Daraufhin wird die Anzahl aller akzeptablen Zelt- oder Biwakplätzen im Gebiet geschätzt. Im Zentrum der Vorgehensweise steht die Ermittlung der optimalen Anzahl an Zeltplätzen für das Gebiet. Bei dieser Ermittlung werden ökologische sowie auch soziale Aspekte mit berücksichtigt. Die optimale Anzahl von Zeltplätzen ist gegeben, wenn bei der Belegung aller Zeltplätze zur sel- ben Zeit keine unakzeptablen Belastungen auftreten. Die Festsetzung dieser Anzahl erfolgt, so Parsons, als Managemententscheidung auf der Grundlage einer Diskussion in einem Team von Experten. Um die maximale Besucherzahl für das Gebiet zu errechnen, wird die Anzahl der Zeltplätze mit der durchschnittlichen Gruppengröße multipliziert. Für Situationen, die durch die grundlegende Voraussetzung charakterisiert sind, dass die Hauptbelastungen an den Übernachtungsplätzen auftreten, ist dieses Verfahren eine gut zu handhabende Metho- de, die daher auch häufig angewandt wird. Dort, wo die Belastungssituation komplizierter und räumlich differenzierter ist, stößt die Methode an ihre Grenzen, da beispielsweise die Belastungen außerhalb der Übernachtungsplätze völlig ausgeblendet werden. Außerdem können die Auswirkungen von Tagesbesuchern nicht miteinbezogen werden.
Methode nach Sowman und Fuggle
Sowman und Fuggle (Sowman 1987; Sowman Fuggle 1987) entwickeln eine umfassende theoretische Vorgehensweise zur Ermittlung der Tragfähigkeit. Sie berücksichtigen dabei, im Gegensatz zur ähnlich ausführlichen Methode von Eberlei, verschiedene Arten von Tragfä- higkeit in ihrer Methode. Das Schema des Verfahrensablaufs nach Sowman und Fuggle ist als Anlage IV der Arbeit beigefügt. Bezüglich der Bestimmung der ökologischen Tragfähigkeit stellen sie fest, das es keine wissenschaftlich zuverlässigen Methoden zu ihrer Bestimmung gibt. Da sie den Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Belastung allerdings nicht weiter thematisieren, bleibt unklar, wie aus den festgesetzten Grenzen der Belastungen Aus- sagen über eine maximale Nutzung abgeleitet werden sollen (vgl. Sowman 1987, S. 341). Die einzelnen Prozessschritte der Vorgehensweise sind oftmals, wie bezüglich der ökologi- schen Tragfähigkeit ausgeführt, nur kurz behandelt, unvollständig oder stark vereinfacht. Die Methode ist, ebenso wie die von Eberlei, als wichtige Orientierungshilfe zur Ermittlung einer Tragfähigkeit zu sehen. Die entscheidenden Probleme der Tragfähigkeitsermittlung werden in der vorgelegten Methodik allerdings nicht thematisiert. Die Relevanz für die praktische Tragfähigkeitsbestimmung ist daher als eingeschränkt anzusehen.
Methode nach Wagtendonk
Wagtendonk (1985) legt seiner Berechnung der Tragfähigkeit ein System von travel zones zugrunde. Die Ermittlung der Tragfähigkeit beginnt mit der Berechnung einer maximalen sozialen Nutzungsdichte (A), die sich anhand der Größe der travel zone (a, a2) sowie der Weglänge pro Quadratmeile (w) aus der
folgenden Formel ergibt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese maximale Nutzungsintensität, oder maximale Tragfähigkeit wird anschließend durch die Einführung eines Empfindlichkeitsfaktors reduziert. Die Empfindlichkeitsbewertung des Gebietes basiert auf einer Aufnahme der wichtigsten ökosystemaren Grundlagen. Ergebnis kann hier beispielsweise eine Biotoptypenkarte sein. Jeder Biotoptyp wird daraufhin auf einer Skala von null bis neun hinsichtlich der Faktoren Seltenheit, Empfindlichkeit, Toleranz und Regenrationsfähigkeit bewertet. Für jeden Biotoptyp wird aus der Bewertung dieser verschiedenen Aspekte ein Empfindlichkeits-
wert (B) abgeleitet. Dieser wird anhand der folgenden Formel errechnet:
S + E + T + R
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
B: Empfindlichkeitsfaktor
Heraus zu stellen ist bei dieser Methode die Berücksichtigung der naturräumlichen Gegeben- heiten durch die Anwendung einer Empfindlichkeitsanalyse. Damit geht sie in ihrem Ansatz sowie in der Aufstellung des der Methode zugrundeliegenden Modells schon wesentlich über die meisten anderen Methoden hinaus. Allerdings werden hier Besucherbelastungen nicht in die Tragfähigkeitsberechnung integriert. Der einzige in die Berechnung eingestellte Faktor, der eine Belastung ausdrückt, ist die Weglänge pro Quadratmeile. Da diese in der Be- rechnung der Tragfähigkeit (CC) proportional der maximalen, sozialen Tragfähigkeit (A) ist, kann hier eher von einer Tragfähigkeit im Sinne einer Bereitstellungsfunktion an Infrastruktur gesprochen werden. Zur Bestimmung der ökologischen Tragfähigkeit mit dem Ziel, Belastun- gen einzuschränken, kann die vorliegende Methode nicht verwendet werden.
Methode der WTO
Die Welttourismusorganisation (WTO 1984) stellte eine umfassende Tragfähigkeitsermitt- lung vor, die die ökologische sowie auch soziale Kapazität berücksichtigt. Als Ansatz zur Er- mittlung der Tragfähigkeit wird die Messung der momentanen Spitzennutzung des Gebietes vorgeschlagen. Zwei Drittel dieser Spitzenbelastung entspricht, laut WTO, dem Tragfähig- keitswert. Eine weitere Begründung für diese Vorgehensweise wird nicht geliefert. Trotz der leichten Handhabung ist diese Ermittlung als unzulässige Vereinfachung an zu sehen.
Richtwerte nach Ammer und Pröbstl
Aufgrund des Mangels an Methoden aus dem deutschsprachigen Raum soll hier noch kurz auf die Behandlung des Themas bei Ammer und Pröbstl (1991) eingegangen werden. Auch wenn sie keine explizite Methode zur Ermittlung der Tragfähigkeit vorschlagen, so stellen sie doch Tragfähigkeitszahlen für bestimmte Situationen vor. Diese sind in Tabelle 3 einzuse- hen.
Die Methodik zur Ermittlung dieser Zahlen kann anhand der Arbeit von Ammer und Pröbstl allerdings nicht nachgeprüft werden, weshalb die Aussagekraft der dargestellten Zahlen als eingeschränkt anzusehen ist.
Tab. 3: Tragfähigkeit von Konzentrationsbereichen und der freien Landschaft
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Ammer Pröbstl 1991, S. 130
5.3.3 Bewertung und Diskussion der vorgestellten Methoden
Theoretische Diskussion Praxis der Tragfähigkeitsbestimmung Viele der Methoden erwecken den Eindruck, als ob deren Entwicklung abgekoppelt von der theoretischen Diskussion abgelaufen ist. Die dort erlangten Erkenntnisse scheinen nicht oder nur mit erheblicher Verspätung in die Praxis der Tragfähigkeitsbestimmung eingeflossen zu sein.
Keine umfassenden Methoden
Auffällig ist, dass die meisten Methoden sich nur auf eine bestimmte Definition der Tragfähigkeit beziehen. Umfassende Methoden zur Bestimmung einer gesamten Tragfähigkeit eines Gebiets liegen kaum vor. Des weiteren sind viele Verfahrensweisen nur eingeschränkt anwendbar, da sie von speziellen Voraussetzungen ausgehen.
Keine ausreichend fundierten Methoden
Oft werden Artikel oder Methoden zur Tragfähigkeit vorgestellt, die entweder außer dem Titel kaum etwas mit dem Thema zu tun haben, oder aber aus inhaltslosen allgemeinen Aussagen zur Thematik bestehen (so z. B. Jackson 1986; Pearce Kirk 1986). Auch Lindberg stellt fest, dass der Begriff Tragfähigkeit oft entweder ohne jeglichen Bezug zu dem eigentlichen Konzept verwendet wird, oder dass die als Tragfähigkeitsermittlung bezeichneten Methoden nicht einmal den grundlegenden Voraussetzungen des Tragfähigkeitskonzeptes entsprechen (vgl. Lindberg et al. 1997, S. 464). Dies ist auch der Grund, weshalb trotz einer sehr hohen Anzahl an durchgesehenen Arbeiten und Artikeln nur eine so geringe Anzahl an Verfahrensweisen zur Tragfähigkeitsermittlung vorgestellt werden konnte.
Die größte Gemeinsamkeit der untersuchten Vorgehensweisen ist, dass sie bis auf wenige Ausnahmen aufgrund von Mängeln in der Herleitung oder allzu starker Vereinfachungen als nicht anwendbar angesehen werden können. Viele Methoden beschreiben verbal das Vorge- hen, ohne aber konkrete, anwendbare Anweisungen für das Vorgehen, bzw. das Berechnen der Tragfähigkeit zu geben. Beispielsweise führt Kania aus: „Capacity would be determined by the opportunity for relative solitude at overnight campsites across the entire lake basin.“ (Kania 1986, S. 467) Andere Methoden gehen über die verbale Beschreibung hinaus und ent- wickeln eine systematische, strukturierte Vorgehensweise mit verschiedenen Prozessschrit- ten. Doch oft wird auch bei diesen besser ausgearbeiteten Methoden das zentrale Problem der Tragfähigkeitsbestimmung ausgelassen, nur am Rande thematisiert oder unbefriedigend abgehandelt (so z. B. Lindsay 1986; Sowman 1987; Sowman Fuggle 1987).
Beschreibende und Verschreibende Komponente
Die in den Methoden verwendeten Wertentscheidungen werden oft nicht als diese kenntlich gemacht. Um die Nachvollziehbarkeit der Vorgehensweise zu gewährleisten, sollten Beschreibungen jedoch klar und für jeden nachvollziehbar von Verschreibungen getrennt werden (vgl. Mc Cool Lime 2001, S. 384).
Fazit
Bis auf wenige Situationen, die durch spezielle Nutzungsmuster gekennzeichnet sind, kann keine der vorliegenden Methoden zur Anwendung empfohlen werden. Trotz allem können aus den unterschiedlichen Ansätzen der Methoden wichtige Hinweise hinsichtlich einer Aufstellung einer eigenen Methodik gewonnen werden. Aus der Analyse und Bewertung wird vor allem ersichtlich, was bei einer Tragfähigkeitsermittlung unbedingt zu vermeiden ist. Letzten Endes scheint die Bestimmung der Tragfähigkeit mit den bisher bekannten Methoden auf fundierte wissenschaftliche Art und Weise nicht möglich zu sein.
5.4 Resümee
Die theoretische Diskussion des Tragfähigkeitskonzepts hat in den letzten 30 Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Die mehrfache Neuausrichtung des Forschungsschwerpunkts hat viele Erkenntnisse gebracht und die Forschung vorangetrieben. Diese Entwicklung hat grundlegende Hinweise in Bezug auf Ansatz und Aufstellung einer Methodik zur Tragfähigkeitsbestimmung geliefert.
Die Praxis der Tragfähigkeitsforschung, d.h. die zur Verfügung stehenden Methoden zur Ermittlung der Tragfähigkeit, sind im Vergleich zur theoretischen Diskussion als unterent- wickelt zu bezeichnen. Trotz aller theoretischen Diskussion um das Tragfähigkeitskonzept sowie den daraus entstandenen Verfahrenansätzen liegt derzeit keine Methode vor, mit der die Tragfähigkeit eines Gebietes wissenschaftlich fundiert bestimmt werden könnte. Die Praxis der Tragfähigkeitsforschung leistet damit keinen Beitrag zur Entscheidung über Besucherkapazitäten, bzw. zur quantitativen Festlegung einer Besucherbegrenzung in den Schutzgebieten vor Ort.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Tragfähigkeitsforschung insgesamt derzeit keine Antwort auf die Frage gibt, wie Besucherbegrenzungen in einer wissenschaftlich akzeptier- ten Weise festgesetzt werden können. Haas formuliert es treffend mit: „The fundamental question of years past still remains, how do we decide upon a numeric visitor capacity?“ (Haas 2001, S. 2)
6. Recreation ecology als zentraler Teil der Tragfähigkeitsbestim- mung
Wie im vorhergehenden Kapitel aufgezeigt wurde, ist die Erfassung des Zusammenhangs zwischen der Erholungsnutzung und den daraus entstehenden Belastungen ein zentraler Punkt der naturwissenschaftlichen Herangehensweise zur Tragfähigkeitsermittlung. Daher steht die Untersuchung dieses Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs im Zentrum des folgen- den Kapitels. Der damit zusammenhängende Themenkreis der Bestimmung der Empfind- lichkeit wird im darauffolgenden Abschnitt dieses Kapitels behandelt. Ein Problem bei der Definition von Belastungsgrenzen ist stets die Frage, wie die Grenze selbst festgesetzt wird. Dieser Frage widmet sich der vierte Abschnitt, während abschließend die Probleme der Über- tragung von Erkenntnissen im Bereich der recreation ecology thematisiert werden.
6.1 Belastungen durch Sport und Tourismus
Die Umweltauswirkungen des Tourismus im allgemeinen sind gut beschrieben, klassifiziert und ausführlich dokumentiert (vgl. Marion Rogers 1994, S. 154). Den Auswirkungen von Erholungsaktivitäten auf der Ebene von Schutzgebieten wird dabei, insbesondere außerhalb der USA, weit weniger Beachtung geschenkt. Trotzdem sollen in der folgenden Arbeit nicht die Ergebnisse zahlreicher Studien zu Belastungswirkungen wiedergegeben werden, da dies bereits an anderer Stelle geschehen ist (siehe dazu: Ammer Pröbstl 1991; Cole 1986; Ham- mitt Cole 1998; Kuss et al. 1990a; Leung Marion 2000; Leung 1998; Liddle 1997; Scharpf Harfst 1983; Wall Wright 1977).
6.1.1 Arten der Belastung
Vielmehr sollen im folgenden kurz die verschiedenen Arten der Auswirkungen von Erho- lungsnutzungen dargestellt werden. Die Klassifikation von Belastungsarten wird in der Lite- ratur nicht einheitlich vorgenommen, so können Belastungen entweder nach den belasteten Schutzgütern oder nach den die Belastung hervorrufenden Aktivitäten gegliedert werden. Eine weitere Klassifikation erfolgt nach offensichtlichen, direkten Arten der Belastung, sowie nach indirekten Belastungen oder Folgeeffekten. Unter Bezugnahme auf Ammer und Pröbstl, Kuss und Riekens scheint die folgende Gliederung der direkten Hauptbelastungsarten sinn- voll (vgl. Ammer Pröbstl 1991, S. 73ff; Kuss et al. 1990a, S. 9ff; Riekens 1996, S. 83ff):
- Belastung von Vegetation und Boden
- Gewässerbelastungen
- Belastungen und Störungen von Tieren
- Verschmutzung durch Abfälle
Als indirekte Belastungen kommen noch hinzu:
- Bodenverbrauch
- Verkehrsbelastung
Differenzierter werden die Belastungen von Erholungsnutzungen in Tabelle 4 dargestellt.
Tab. 4: Arten der Belastung durch Erholungsnutzung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
6.1.2 Zur räumlichen Verteilung von Belastungen
Mehrere Untersuchungen zeigen, dass die Belastungen relativ kleine Teile eines Schutzge- biets beeinträchtigen (vgl. Leung Marion 2000, S. 25). Selbst in Bereichen mit einem sehr hohen Nutzungsdruck bleiben die Belastungen stark konzentriert und betreffen nur selten mehr als ein Prozent der Schutzgebietsfläche, bzw. einige Prozent der Uferflächen (vgl. Cole et al. 1997, S. 15). Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass in besonderen Fällen, z. B. der Wasserverschmutzung, die Wirkungen von Besuchern weit über die Belastung vor Ort hinausgehen können (vgl. Leung Marion 2000, S. 26). Daraus kann zum einen geschlossen werden, dass die Ökosysteme als ganzes eher selten gravierend beeinträchtigt werden. Zum anderen werden die Belastungen in begrenzten Teilbereichen des Gebiets aber gut sichtbar, was in der Regel dem Schutzauftrag des Gebiets widerspricht (vgl. Cole et al. 1997, S. 24).
6.2 Der Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Belastungen
Die Thematisierung dieses Zusammenhangs kann sich einerseits auf das Aufzeigen der auf diesen Zusammenhang wirkenden Faktoren, sowie andererseits auf die quantitative Beschreibung dieses Zusammenhangs konzentrieren. Neben allgemeinen Erkenntnissen werden die Ergebnisse der Forschung in Bezug auf die einzelnen Belastungsarten dargestellt.
In der Literatur, die sich mit den Auswirkungen von Sport und Erholung auf die Natur beschäftigt, wird dieser Zusammenhang nur selten behandelt. Er wird beispielsweise im Standardwerk der recreation ecology von Liddle (1997) gar nicht erwähnt. Dagegen ist die Arbeit von Kuss et al. (1990a), die sich relativ ausführlich diesem Themenbereich widmet, als Ausnahme zu sehen. Die Belastungsart der Trittbelastung auf Boden und Vegetation ist hier als Sonderfall zu bezeichnen, da in Bezug auf diese Beziehung viele Ergebnisse vorliegen (vgl. Riekens 1996, S. 174).
Auch die Praxis der Belastungsanalyse lässt diesen Zusammenhang oft unberücksichtigt. So haben Scharpf und Harfst (1983) eine umfassende Analyse empirischer Belastungs- und Empfindlichkeitsuntersuchungen durchgeführt, in denen die ausgewerteten Arbeiten be- züglich der Berücksichtigung von Nutzungsintensität, Belastungsart, Belastungsdauer und Belastungsintensität untersucht wurden. Die Ergebnisse dieser Analyse geben die Tabellen 5 und 6 wieder.
Tab. 5: Beurteilung von tierökologischen Untersuchungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: verändert nach Scharpf Harfst 1983, S. 73
Ergebnis ihrer Arbeit ist, dass Nutzungsintensität und Belastungsdauer zumeist ungenau dargestellt wurde oder gar nicht Gegenstand der Untersuchungen war. Deshalb konnte bei Feldarbeiten in der Regel keine exakte Ermittlung der Belastungsintensität vorgenommen werden. Im Gegensatz dazu sind Laborversuche, die durch die experimentelle Kontrolle von Nutzungsintensität und Belastungsdauer eine genaue Ermittlung der Belastungsintensität ermöglichen, nur sehr eingeschränkt übertragbar (vgl. Scharpf Harfst 1983, S. 70ff).
6.2.1 Auf den Zusammenhang wirkende Faktoren
Der Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und auftretenden Belastungen ist generell abhängig von (vgl. Hendee Dawson 2002, S. 215f):
- Naturräumliche Voraussetzungen, z. B. Biotoptyp
- Art der Aktivität
- Art der untersuchten Belastung (Tritt,...)
- Verhalten der Besucher
- Zeitpunkt der Nutzung
Um die konkrete Wirkung dieser Faktoren auf den beschriebenen Zusammenhang darstellen zu können, müssten diese Faktoren gewichtet werden. Es muß herausgefunden werden, zu welchem Grad sie diese
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10: Hauptfaktoren für den Zusammenhang zwischen Nut- zungsintensität und Belastung
Beziehung beeinflus- sen. Um im konkreten Fall die Wichtigkeit die- ser Einflussfaktoren zu bewerten, kann eine Sensitivitätsanalyse oder eine ABC-Analyse angewandt werden (vgl. Brauchlin Hee- ne 1995, S. 129). Ist die Bestimmung dieser Einflussfaktoren nicht möglich, müssen zur Ermittlung der Korrelation zwischen Nutzung und Belastung die wir- kenden Faktoren unter experimentellen Umständen kontrollierbar sein (vgl. Cole 2004, S. 13).
6.2.2 Belastungen auf Boden und Vegetation
Bei dieser Belastungsart ist die Belastungsintensität insbesondere vom Zusammenwirken der naturräumlichen Situation, der Pflanzenart und der Nutzungsintensität abhängig (vgl. Kuss et al. 1990a, S. 31ff). Als gesichert scheint, dass der meiste Schaden mit der anfänglichen Nutzung eines Gebietes einhergeht. Viele Vegetationsgesellschaften sind leicht zu zertreten, und die Bodenverdichtung erreicht schnell fast maximale Werte (vgl. Marion Rogers 1994,
S. 157). Bei Untersuchungen auf Wanderwegen in den USA wurde festgestellt, dass bei einer Nutzung durch 75 Wanderer ein achtzigprozentiger Verlust der Pflanzendecke eintrat. Erst bei einer Nutzung von 500 Wanderern kam es zu einer fast vollständigen Zerstörung der Pflanzendecke (vgl. Cole 2004, S. 12). Vergleichbare Ergebnisse sind auch für die Trittbelastung auf Korallenriffen bestätigt worden (vgl. Davis Tisdell 1995, S. 31f). Folgende Merkmale charakterisieren demnach den Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Vegetationsverlust (vgl. Hammitt Cole 1998, S. 167):
- Bei geringer Nutzungsintensität bewirkt bereits eine geringe Zunahme der Besucher- zahl einen hohen Verlust an Bodenvegetation.
- Bei hoher Nutzungsintensität bewirkt sogar eine hohe Zunahme der Besucherzahl lediglich einen geringen Verlust der Vegetationsdecke.
- Diese ersten beiden Annahmen sind umso ausgeprägter zu beobachten, je empfind- licher der belastete Vegetationstyp ist.
Der beschriebene Zusammenhang wurde durch viele aktuelle Einzelgutachten bestätigt (vgl. Leung Marion 2000, S. 36). Wie anhand der unten stehenden Abbildung zu erkennen ist, handelt es sich hierbei um eine krummlinig asymptotische Funktion.
Abb. 11: Der krummlinig asymptoitische Zusammenhang zwischen Nutzungs- und Belastungsintensität
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
- Arbeit zitieren
- Diplom-Geograf Christopher Garthe (Autor:in), 2005, Tourismus und Sport in Schutzgebieten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86739
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