Aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts lässt sich manchmal nur noch schwer entschlüsseln, welche dem Anschein nach marxistischen Begriffe und Konzepte denn nun originär von Marx stammen und welche den Marxismen, also den vielfältigen Interpretationsweisen von Marx, geschuldet sind. So taucht z. B. in einem marxistischen Online-Lexikon der Begriff „Klassenbewusstsein“ mehrere Male auf, jedoch nie in den Zitaten aus dem Primärwerken von Marx, sondern nur in den Überschriften der Verfasser. Zwar reflektiert auch Marx über das Bewusstsein und die Ideolgie einzelner Klassen, ohne dabei den Begriff „Klassenbewusstsein“ häufig zu vewenden. Die erste explizite Thematisierung dieses Begriffs findet sich schließlich auch nicht bei Marx, sondern in Georg Lukács’ 1923 herausgegebener Essaysamlung "Geschichte und Klassenbewußtsein". Mit diesen Texten unternahm Lukács den Versuch, einerseits seine Erfahrungen während der ungarischen Räterepublik zu theoretisieren und andererseits die Marxsche Ideologie- und Ökonomiekritik und vor allem deren Methode ins 20. Jahrhundert zu überführen. Damit wurde Geschichte und Klassenbewußtsein nicht nur zum Referenzpunkt marxistischen Denkens im 20. Jahrhundert, gerade auch in Deutschland , sondern erweiterte gleichzeitig die marxistische Theorie um neue Diskursgegenstände wie das Konzept „Klassenbewusstsein“. In Anbetracht des Stellenwertes, den Lukács diesem Konzept durch einen ganzen Aufsatz beimisst , lohnt sich eine genauere Betrachtung davon, da das „Klassenbewusstsein“ in Lukács’ Theorie in Bezug auf eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft sowie auf die epistemologische Disposition des Proletariats eine zentrale Rolle einnimmt. Diese beiden entscheideden Bedingungen einer marxistischen Theorie werden bei Lukács jedoch, vermittelt durch das Klassenbewusstsein, implizit vorausgesetzt, so dass Lukács in seinem Aufsatz nicht nach den Konstitutionsbedingungen von Klassenbewusstsein fragt, sondern nur, was „unter Klassenbewußtsein (theoretisch) zu verstehen“ ist sowie was „die Funktion des so verstandenen Klassenbewusstseins (praktisch) im Klassenkampfe“ ist. Da das Konzept „Klassenbewusstsein“ bei Marx jedoch nicht in dieser expliziten Form vorkommt, stellt sich die Frage, wie Lukács den Begriff „Klassenbewusstsein“ sowohl für die Bourgeoisie als auch für das Proletariat konzeptionalisiert.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Klassenbewusstsein und Marx?
- 2. Das Klassenbewusstsein des Bourgeoisie
- 3. Das proletarische Klassenbewusstsein
- 4. Kritik des Konzepts „Klassenbewusstsein“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Georg Lukács' Konzept des Klassenbewusstseins in seinem Werk "Geschichte und Klassenbewusstsein". Ziel ist es, Lukács' Interpretation des Marxismus im Hinblick auf das Klassenbewusstsein zu analysieren und dessen Bedeutung für die marxistische Theorie zu bewerten. Die Arbeit hinterfragt dabei die Originalität des Begriffs im Marxismus und analysiert kritisch dessen Anwendung auf die Bourgeoisie und das Proletariat.
- Lukács' Interpretation des Marxismus und des Begriffs "Klassenbewusstsein"
- Analyse des bürgerlichen Klassenbewusstseins nach Lukács
- Untersuchung des proletarischen Klassenbewusstseins in Lukács' Theorie
- Kritische Bewertung von Lukács' Konzept des Klassenbewusstseins
- Die Rolle des Klassenbewusstseins im Klassenkampf
Zusammenfassung der Kapitel
1. Klassenbewusstsein und Marx?: Dieses Kapitel beleuchtet die Schwierigkeit, marxistische Begriffe im 21. Jahrhundert zu interpretieren und differenziert zwischen Marx' eigenen Schriften und späteren Interpretationen. Es stellt fest, dass der Begriff "Klassenbewusstsein" nicht von Marx selbst stammt, sondern von Lukács geprägt wurde, der in "Geschichte und Klassenbewusstsein" (1923) versuchte, den Marxismus auf die Erfahrungen der ungarischen Räterepublik und die Herausforderungen des 20. Jahrhunderts anzuwenden. Das Kapitel betont die Notwendigkeit, Lukács' Konzept als abgeleitete und kritisch zu hinterfragende Interpretation zu betrachten, und begründet die Notwendigkeit einer detaillierten Analyse dieses zentralen Konzepts in Lukács' Werk.
2. Das Klassenbewusstsein des Bourgeoisie: Dieses Kapitel analysiert Lukács' Betrachtung des bürgerlichen Klassenbewusstseins, ausgehend von Marx' und Smiths Erkenntnissen über die Entstehung des Bewusstseins aus den Alltagsverrichtungen. Lukács betont die Gegenüberstellung von Bourgeoisie und Proletariat als Bedingung für den Klassenkampf. Er leitet das bürgerliche Klassenbewusstsein typologisch von der Stellung der Bourgeoisie im Produktionsprozess ab: Die Verfügungsmacht über Kapital und die hegemoniale Stellung schaffen ein spezifisches Klassenbewusstsein. Lukács argumentiert, dass dieser ökonomistische Erfahrungshorizont zu einem epistemologischen Defizit führt, da die Bourgeoisie unfähig ist, das gesellschaftliche Ganze zu erfassen. Die Analyse fokussiert auf die ideologischen Dispositionen der herrschenden Klasse.
Schlüsselwörter
Klassenbewusstsein, Georg Lukács, Geschichte und Klassenbewusstsein, Marxismus, Bourgeoisie, Proletariat, Klassenkampf, Ideologiekritik, Historischer Materialismus, Epistemologie.
Häufig gestellte Fragen zu "Geschichte und Klassenbewusstsein" (Lukács)
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Georg Lukács' Konzept des Klassenbewusstseins, wie es in seinem Werk "Geschichte und Klassenbewusstsein" dargestellt wird. Sie untersucht Lukács' Interpretation des Marxismus im Hinblick auf das Klassenbewusstsein und dessen Bedeutung für die marxistische Theorie. Die Arbeit hinterfragt die Originalität des Begriffs im Marxismus und analysiert kritisch dessen Anwendung auf die Bourgeoisie und das Proletariat. Sie beinhaltet eine Einleitung mit Inhaltsverzeichnis, Zielsetzung und Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselbegriffe.
Welche Themen werden behandelt?
Die zentralen Themen sind Lukács' Interpretation des Marxismus und des Begriffs "Klassenbewusstsein", die Analyse des bürgerlichen Klassenbewusstseins nach Lukács, die Untersuchung des proletarischen Klassenbewusstseins in Lukács' Theorie, eine kritische Bewertung von Lukács' Konzept des Klassenbewusstseins und die Rolle des Klassenbewusstseins im Klassenkampf.
Wie wird das Klassenbewusstsein der Bourgeoisie behandelt?
Das Kapitel zum bürgerlichen Klassenbewusstsein analysiert Lukács' Betrachtung, ausgehend von Marx' und Smiths Erkenntnissen über die Entstehung des Bewusstseins aus den Alltagsverrichtungen. Lukács betont die Gegenüberstellung von Bourgeoisie und Proletariat als Bedingung für den Klassenkampf. Er leitet das bürgerliche Klassenbewusstsein typologisch von der Stellung der Bourgeoisie im Produktionsprozess ab: Die Verfügungsmacht über Kapital und die hegemoniale Stellung schaffen ein spezifisches Klassenbewusstsein. Lukács argumentiert, dass der ökonomistische Erfahrungshorizont zu einem epistemologischen Defizit führt, da die Bourgeoisie unfähig ist, das gesellschaftliche Ganze zu erfassen. Die Analyse fokussiert auf die ideologischen Dispositionen der herrschenden Klasse.
Wie wird das Proletariat und sein Klassenbewusstsein dargestellt?
Die Arbeit untersucht das proletarische Klassenbewusstsein im Kontext von Lukács' Theorie. Details zur genauen Darstellung des proletarischen Klassenbewusstseins sind in der bereitgestellten Zusammenfassung nicht explizit enthalten, jedoch wird die Thematik als zentraler Bestandteil der Analyse genannt.
Welche Kritikpunkte an Lukács' Konzept werden angesprochen?
Die Arbeit beinhaltet eine kritische Bewertung von Lukács' Konzept des Klassenbewusstseins. Sie hinterfragt die Originalität des Begriffs im Marxismus und analysiert kritisch dessen Anwendung auf die Bourgeoisie und das Proletariat. Die genauen Kritikpunkte sind in der Zusammenfassung nicht detailliert aufgeführt, aber die Notwendigkeit einer kritischen Betrachtung wird hervorgehoben.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Klassenbewusstsein, Georg Lukács, Geschichte und Klassenbewusstsein, Marxismus, Bourgeoisie, Proletariat, Klassenkampf, Ideologiekritik, Historischer Materialismus, Epistemologie.
Ist der Begriff "Klassenbewusstsein" von Marx selbst geprägt worden?
Nein, der Begriff "Klassenbewusstsein" stammt nicht von Marx selbst, sondern wurde von Lukács geprägt. Die Arbeit betont die Notwendigkeit, Lukács' Konzept als abgeleitete und kritisch zu hinterfragende Interpretation zu betrachten.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist strukturiert in eine Einleitung mit Inhaltsverzeichnis, Zielsetzung und Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselbegriffen. Die Kapitelzusammenfassungen geben einen Überblick über die einzelnen Abschnitte der Analyse.
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- Frank Dersch (Author), 2007, Kritik des Klassenbewusstseins in Georg Lukács' "Geschichte und Klassenbewusstsein", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86583