Günter Grass und Christoph Hein lassen in den beiden erwähnten Romanen vor allem eine große Gemeinsamkeit feststellen: Sie lassen die Vergangenheit mit Hilfe verschiedener Figuren aus einer multiplen Perspektive darstellen. Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Geschichtsbilder und die subjektiven Vergangenheitsbewältigungen aufzuzeigen und eine Erinnerungs- bzw. Interpretationsselektion der vergangenen Geschehnisse und Begebenheiten zu geben. Dabei rekonstruieren beide Autoren durch ihre Figurenwahl Geschichte, die nicht den Anspruch erfüllen kann noch möchte objektiv und wahrheitsgemäß zu sein, sondern sie stellen lediglich eine Annäherung an die Realität dar, die der Wahrheit der Erlebnisse persönlich oder unpersönlich, aber stets mit einer subjektiv-autobiographischen Sichtweise, entgegentritt. Grass sowohl als auch Hein benutzten hierzu verschiedene Erzähler die, bei Grass über 100 Jahre deutsche Geschichte des 20. Jahrhundert, bei Hein über einen Zeitraum von vier Jahren Geschehnisse in einer Kleinstadt der DDR, berichten. Bei Grass handelt es sich um einen Makrokosmos, der aber stets in kleinere Mikrokosmen aufgeteilt wird, in denen für den Autor persönlich interessante Geschehnisse angesprochen werden und in Bezug zu den sozialpolitischen oder kulturhistorischen Begebenheiten gesetzt werden, wobei Zeitgeschichte und Zeitkritik ineinander verschmelzen. Auch Hein hat ähnlich wie Grass, die Aufteilung der Geschichte in kleinere Teilstücke vorgenommen und stellt durch die Wahl der verschiedenen Erzähler nicht nur deren unterschiedlichen Standpunkte in Bezug auf die Bekanntschaft und das Verhältnis mit der tragischen Hauptfigur Horn dar, sondern er zeigt auch typische Verhaltensweisen auf, die in der DDR der fünfziger Jahre vorherrschten und kritisiert dabei, wie Grass, gesellschaftspolitische Fehltritte und Misstände in der Regierung oder im Grossbürgertum. Somit soll sich diese Hausarbeit mit der Interpretation von einigen ausgewählten Geschichten aus den beiden Romanen beschäftigen, um das jeweilige Geschichtsbild der Autoren und die Vergangenheitsbewältigung ihrer Figuren auszuarbeiten. Dabei wird durch eine individuelle Betrachtung der Geschehnisse und der Einbettung des Einzelnen in sein soziales, politisches oder kulturelles Umfeld, die Geschichte „von unten“ dargestellt und Fehltritte in der Gesellschaft kritisierend offengelegt.
Günter Grass´ Mein Jahrhundert (1999) und Christoph Heins Horns Ende (1985): Geschichtsbilder, Geschichtsperspektive und Vergangenheitsbewältigung.
Günter Grass und Christoph Hein lassen in den beiden erwähnten Romanen vor allem eine große Gemeinsamkeit feststellen: Sie lassen die Vergangenheit mit Hilfe verschiedener Figuren aus einer multiplen Perspektive darstellen. Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Geschichtsbilder und die subjektiven Vergangenheitsbewältigungen aufzuzeigen und eine Erinnerungs- bzw. Interpretationsselektion der vergangenen Geschehnisse und Begebenheiten zu geben. Dabei rekonstruieren beide Autoren durch ihre Figurenwahl Geschichte, die nicht den Anspruch erfüllen kann noch möchte objektiv und wahrheitsgemäß zu sein, sondern sie stellen lediglich eine Annäherung an die Realität dar, die der Wahrheit der Erlebnisse persönlich oder unpersönlich, aber stets mit einer subjektiv-autobiographischen Sichtweise, entgegentritt. Grass sowohl als auch Hein benutzten hierzu verschiedene Erzähler die, bei Grass über 100 Jahre deutsche Geschichte des 20. Jahrhundert, bei Hein über einen Zeitraum von vier Jahren Geschehnisse in einer Kleinstadt der DDR, berichten. Bei Grass handelt es sich um einen Makrokosmos, der aber stets in kleinere Mikrokosmen aufgeteilt wird, in denen für den Autor persönlich interessante Geschehnisse angesprochen werden und in Bezug zu den sozialpolitischen oder kulturhistorischen Begebenheiten gesetzt werden, wobei Zeitgeschichte und Zeitkritik ineinander verschmelzen. Auch Hein hat ähnlich wie Grass, die Aufteilung der Geschichte in kleinere Teilstücke vorgenommen und stellt durch die Wahl der verschiedenen Erzähler nicht nur deren unterschiedlichen Standpunkte in Bezug auf die Bekanntschaft und das Verhältnis mit der tragischen Hauptfigur Horn dar, sondern er zeigt auch typische Verhaltensweisen auf, die in der DDR der fünfziger Jahre vorherrschten und kritisiert dabei, wie Grass, gesellschaftspolitische Fehltritte und Misstände in der Regierung oder im Grossbürgertum. Somit soll sich diese Hausarbeit mit der Interpretation von einigen ausgewählten Geschichten aus den beiden Romanen beschäftigen, um das jeweilige Geschichtsbild der Autoren und die Vergangenheitsbewältigung ihrer Figuren auszuarbeiten. Dabei wird durch eine individuelle Betrachtung der Geschehnisse und der Einbettung des Einzelnen in sein soziales, politisches oder kulturelles Umfeld, die Geschichte „von unten“ dargestellt und Fehltritte in der Gesellschaft kritisierend offen gelegt.
Hein hat als einer der führenden Schreiber der ehemaligen DDR maßgeblich dazu beigetragen, dass die Geschehnisse und Begebenheiten des sozialistischen Staates durch teilweise fiktionale Dialoge im Gedächtnis und vor allem Geschichtsverständnis der Leser blieb, wobei kultur- und sozialpolitische Institutionen und die Zeitgeschichte der typischen DDR Kleinstadt und somit auch stellvertretend die Gesellschaftsform der gesamten DDR detailliert beschrieben wird. Er sieht die Aufgabe eines Schriftstellers mehrperspektivisch:
Denn Schriftsteller sind, denke ich, Chronisten. Schreiben ist nach meinem Verständnis dem Bericht-Erstatten verpflichtet. Natürlich ist es die Chronik eines Schriftstellers, sie ist nicht objektiv, sondern sehr viel mehr: Sie ist eingreifend und realistisch und phantastisch und magisch, Poesie eben (Hein: Die fünfte Grundrechenart. Aufsätze und Reden 1987-1990, 123).
Obwohl Hein diese Aussage erst einige Jahre nach der Veröffentlichung von Horns Ende schriftlich fixierte und ausarbeitete, wird es bei der Lektüre und der gesamten Struktur und Intention des bereist 1985 geschriebenen Romans deutlich, wie der Autor das Geschichtsverständnis und die Wichtigkeit der Beschäftigung mit dem historischen Realitäten hervorhebt. Hein greift in seinem Erzählwerk auf ein konstituierendes Geschichtsverständnis zurück, welches Michael Braun als „eine Kategorie ästhetischer Realitätserkundung, eine Schreibkategorie, die ihre Form der Gesellschaft entlehnt“ bezeichnet (Braun: Perspektive und Geschichte in Christoph Heins Horns Ende, 94). Diese Realitätserkundung, also die Suche und das Streben nach der objektiven Wirklichkeit wird somit zum Gegenstand der Betrachtung. Über seinen Roman Horns Ende, dem im Vergleich zu früheren und späteren Arbeiten weniger öffentliche und literaturkritische Aufmerksamkeit zugekommen ist, verkündet der Autor dessen Inhaltsschwerpunkt als einen „Roman über Geschichte, Geschichtsverständnis, auch über Geschichtsschreibung“ (Hein: Gespräch mit K. Jachimczak, 62). Da diese Selbstbestimmung Heins vielen Lesern auf den ersten Blick nicht eindeutig auffällt, möchte ich im Folgenden diesen Roman genauer analysieren, um dessen und des Autors geschichtsrelevanten Verständnispunkte offen zu legen.
Der Roman spielt in einem kleinen Ort der ehemaligen DDR, Bad Guldenberg, das als fiktives Städtchen als „Hochburg des Spießbürgertums“ fungiert (Braun, 95). Interessant bei der Komposition dieses Buches ist die Aufnahme von unterschiedlichen Zeitebenen und Zeitsträngen, die ebenso bei Grass signifikant hervortreten und im späteren Verlauf dieser Arbeit in Vergleich mit Horns Ende gesetzt werden wird. In Horns Ende ist eine Dreiteilung der Zeitebene vorgenommen, die sich wiederum mehrfach in weitere Subzeitebenen unterteilen lassen. Die Erzählzeit ist in den früheren achtziger Jahren anzusetzen aus der fünf Hauptfiguren, der Bürgermeister von Guldenberg, Kruschkatz, ein Mediziner, Dr. Spodeck, die Kolonialwarenhändlerin Gertrude Fischlinger, sowie der Apothekersohn Thomas und die psychisch verwirrte Marlene Gohl über die Geschehnisse und Ereignisse der zweiten Ebene, der Tatzeit von 1957, berichten. Dieses Jahr erfährt den Fokuspunkt der Handlungsgeschichte, da der Museumsleiter Horn an dessen Ende durch Selbstmord sein Ende besiegelt:
„Ich bin mir sicher er wird sich im September bei mir entschuldigen, sagte ich mir, wahrscheinlich bereut er bereits jetzt seinen Rappel. Ich irrte mich. Zwei Monate später, Ende August, nahm sich Horn das Leben (Dr. Spodeck in Horns Ende, 185),
Obgleich in die Handlung intensiv eingebettet und die Voraussetzung für das Schreiben dieses Roman unabdinglich motivierend ist der Zeitraum von 1957 nicht der einzige Zeitstrang der Berücksichtigung findet. Weiter werden auch eine Zeitebene in die Zeitepoche des Hitlerregimes zurückgelegt, die offene Kritik und Bezeugung der Greueltaten des Faschismus am Beispiel der Mutter von Marlene Gohl darlegen. Diese wurde aufgrund eines von ihr selbst iniziierten Identitätstausches anstelle der Tochter Marlene in ein Konzentrationslager für geistig und körperlich behinderte Menschen gebracht, in dem sie den Vergasungstod erleidet. Aus Liebe zu der eigenen Tochter und dem Bestreben diese vor den Häschern zu schützen opfert sich die Mutter selbst und lässt Marlene und ihren Ehemann, den Museumsmaler Gohl, zurück. Da sich die Dorfbewohner nicht gegen die Verhaftung und Verschleppung von Frau Gohl und der unendlichen Trauer der übrigen Familienmitglieder intensiv kümmern lebt der Maler zurückgezogen und angewidert von seinen Mitmenschen, voller Kummer und Leid abgeschieden mit seiner Tochter.
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- Arbeit zitieren
- Achim Zeidler (Autor:in), 2006, Günter Grass´ "Mein Jahrhundert" und Christoph Heins "Horns Ende": Geschichtsbilder, Geschichtsperspektive und Vergangenheitsbewältigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86353
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