Die Akquisitionswelle in Deutschland ist nach wie vor ungebrochen. Käufe und Verkäufe von Unternehmen, Übertragungen von Anteils- oder Aktienpaketen an bekannte Unternehmen stehen von jeher im Mittelpunkt des Interesses der Wirtschaftspresse.
Fast jede zweite Transaktion erfolgt in Deutschland mit einem ausländischen Partner, wobei der Akzent immer stärker auf die Akquisition der Unternehmen in Osteuropa gesetzt wird: so sind in 2006 rund 50 Mrd. Euro in die osteuropäischen Länder geflossen.
Im Jahr 1991, als der „Eiserne Vorhang“ fiel und die Umwandlung der kommunistischen Gesellschaftssysteme zum kapitalistischen Wirtschaftssystem begann, eröffnete sich für die Unternehmen in den entwickelten Marktwirtschaften die Möglichkeit für den schnellen Markteintritt.
Damit wurden hohe Erwartungen hinsichtlich der Gewinnung neuer Marktanteile, internationaler Diversifikation, Senkung der Produktionskosten u.a. verbunden.
Nach der anfänglichen „Ost-Euphorie“ ist es jedoch zu einer Ernüchterung in der Beurteilung der Attraktivität des Investitionsstandortes Osteuropa gekommen.
Am Beispiel eines marktführenden deutschen mittelständischen Service-Unternehmens, das Ende 2006 ein Ticket-Unternehmen in Moskau akquiriert hat, werden wesentliche Probleme und besondere Herausforderungen der Akquisition in Details erläutert und die in der Praxis angewandten Lösungsansätze dargestellt.
Die teils in Deutschland, teils in Russland erhobenen empirischen Befunde lassen erkennen, dass das Vorliegen von Erfolgsbedingungen wirtschaftlicher Art eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Akquisitionserfolg ist. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein verstärkter Akzent auf die Erläuterung der organisatorischen und kulturellen Integration des akquirierten Unternehmens gesetzt.
Es soll betont werden, dass sich die betriebswirtschaftliche Forschung mit den Problemen einer Akquisition in Osteuropa und insbesondere in Russland kaum auseinandergesetzt hat. In Anbetracht dieser Forschungslücke liegt es deshalb nahe, dies in der vorliegenden Arbeit zu untersuchen, wobei das Basismaterial durch die Zusammenarbeit mit beiden Unternehmungen erarbeitet worden ist.
INHALTSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 Problembeschreibung
1.2 Gang der Untersuchung
1.3 Auswertung der Mergers & Acquisitions – Literatur
1.4 Lücken bisheriger Studien und theoretische Fundierung der Analyseschwerpunkte
2 UNTERNEHMENS- UND MARKTANALYSE
2.1 Unternehmensbild
2.1.1 Das akquirierende Unternehmen
2.1.2 Das akquirierte Unternehmen
2.2 Unternehmensziele und -potenziale
2.2.1 Unternehmensziele
2.2.2 Potenziale des akquirierten Unternehmens
2.3 Akquisitionsumfeldanalyse
2.3.1 Russland: Land – und Marktbesonderheiten
2.3.2 Steuerrechtliche Aspekte
2.3.2.1 Finanzierungskosten
2.3.2.2 Doppelbesteuerung
2.3.2.3 Verlustausgleich
3 KONKLUSIONEN FÜR DIE AKQUISITIONSPOLITIK
3.1.1 Mögliche Formen der Unternehmensverbindungen
3.1.2 Gründe für eine Akquisitionsentscheidung
4 AKQUISITIONSABLAUF
4.1 Transaktionsphase
4.1.1 Auswahl des Bewertungsansatzes
4.1.2 Faktorenmodelle
4.1.2.1 Multiples for Comparables
4.1.2.2 Berechnung des Unternehmenswertes: Zahlenbeispiel
4.1.3 Erwerbsweg
4.1.4 Risikoverteilung
4.2 Integrationsphase
4.2.1 Organisatorische Integration
4.2.2 Kulturelle Integration (Akkulturation)
4.2.3 Akquisitionskontrolle
5 FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 PROBLEMBESCHREIBUNG
Die Akquisitionswelle in Deutschland ist nach wie vor ungebrochen. Käufe und Verkäufe von Unternehmen, Übertragungen von Anteils- oder Aktienpaketen an bekannte Unternehmen stehen von jeher im Mittelpunkt des Interesses der Wirtschaftspresse: “General Electric mit Akquisition in Russland“ , „US-Ölunternehmen Star Energy akquiriert: Wahnsinnsideal in Russland“ , “IDS Scheer erwirbt 75% an Vertriebs- und Beratungspartner im Wachstumsmarkt Russland“ sind nur wenige dieser Schlagzeilen. Gravierende Zahlen in Millionen-Höhe über die bereits bestehenden Akquisitionserfolge bestätigen die steigende Bedeutung dieser Form der Unternehmensverbindungen.
Fast jede zweite Transaktion erfolgt in Deutschland mit einem ausländischen Partner, wobei der Akzent immer stärker auf die Akquisition der Unternehmen in Osteuropa gesetzt wird: so sind in 2006 rund 50 Mrd. Euro in die osteuropäischen Länder geflossen.
Im Jahr 1991, als der „Eiserne Vorhang“ fiel und die Umwandlung der kommunistischen Gesellschaftssysteme zum kapitalistischen Wirtschaftssystem begann, eröffnete sich für die Unternehmen in den entwickelten Marktwirtschaften die Möglichkeit für den schnellen Markteintritt.
Damit wurden hohe Erwartungen hinsichtlich der Gewinnung neuer Marktanteile, internationaler Diversifikation, Senkung der Produktionskosten u.a. verbunden.
Nach der anfänglichen „Ost-Euphorie“ ist es jedoch zu einer Ernüchterung in der Beurteilung der Attraktivität des Investitionsstandortes Osteuropa gekommen. Die Misserfolgsquoten schwanken zwischen 40 % bis 60 % und in den letzten vier Jahren sind rund 1.200 kleine und mittlere Unternehmen, die den Schritt ins EU-Ausland gewagt haben, an den Sitz in Deutschland zurückgekehrt.
Da das Akquisitionsthema sehr umfangreich ist, werden in der vorliegenden Arbeit nur diejenigen Problembereiche analysiert, die eine hohe Relevanz für einen Unternehmenskauf in Russland aufweisen.
Am Beispiel eines marktführenden deutschen mittelständischen Service-Unternehmens, das Ende 2006 ein Ticket-Unternehmen in Moskau akquiriert hat, werden wesentliche Probleme und besondere Herausforderungen der Akquisition in Details erläutert und die in der Praxis angewandten Lösungsansätze dargestellt.
Die teils in Deutschland, teils in Russland erhobenen empirischen Befunde lassen erkennen, dass das Vorliegen von Erfolgsbedingungen wirtschaftlicher Art eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Akquisitionserfolg ist. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein verstärkter Akzent auf die Erläuterung der organisatorischen und kulturellen Integration des akquirierten Unternehmens gesetzt.
Es soll betont werden, dass sich die betriebswirtschaftliche Forschung mit den Problemen einer Akquisition in Osteuropa und insbesondere in Russland kaum auseinandergesetzt hat. In Anbetracht dieser Forschungslücke liegt es deshalb nahe, dies in der vorliegenden Arbeit zu untersuchen, wobei das Basismaterial durch die Zusammenarbeit mit beiden Unternehmungen erarbeitet worden ist.
1.2 GANG DER UNTERSUCHUNG
Die Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte, wobei die letzten drei Abschnitte mit dem Phasenmodell eines Akquisitionsprozesses einhergehen. Die Gliederung bezieht sich daher auf den Ablauf der Managementaufgaben in der Praxis.
In der Einleitung wird zunächst das untersuchte Problem einer grenzüberschreitenden Akquisition kurz skizziert. Diesem folgt die Beschreibung des Untersuchungsablaufes. Methodisch wird die Arbeit durch die Analyse der Literatur zu den relevanten Bereichen fundiert, mit deren Auswertung sich Abschnitt 1.3 befasst. In Abschnitt 1.4 werden die Lücken bisheriger Studien sowie die theoretische Fundierung der Analyseschwerpunkte dargestellt.
In Abschnitt 2 erfolgt eine strategische Analyse der beteiligten Unternehmen sowie des Akquisitionsumfeldes. Dabei werden die einzelnen Marktakteure im Hinblick auf deren Ziele und Potentiale bei einer Akquisition beschrieben und verfügbare Zahlen und Fakten der Entwicklung auf dem deutschen und russischen Markt bezüglich der Anzahl und Volumina der nationalen und grenzüberschreitenden Transaktionen aufgeführt.
Steuerrechtliche Aspekte werden nur insoweit berücksichtigt, als sie problematisch für den internationalen Unternehmenskauf erscheinen. Insofern werden in Abschnitt 2.3.2 die sog. Verlustvorträge, Finanzierungskosten und das Problem der Doppelbesteuerung thematisiert.
Das Ziel des dritten Abschnitts soll sein, mögliche Formen der Unternehmensverbindungen aufzuzeigen sowie Gründe für eine Akquisitionsentscheidung abzuleiten.
In Abschnitt 4.1 wird zunächst die Transaktionsphase einer Akquisition vorgestellt. Hier werden finanzwirtschaftliche Grundlagen für die internationalen Unternehmensbewertungsverfahren diskutiert, um damit die Auswahl des passenden Faktorenmodells zu begründen. Ausführlich wird auf die Berechnung des Unternehmenswertes mit realen Zahlen eingegangen. Anschließend werden zwei mögliche Erwerbswege skizziert und die Gründe für einen Asset Deal abgeleitet.
Der folgende Abschnitt 4.2 befasst sich mit der Integrationsphase, einer der wichtigsten Phasen des Akquisitionsablaufes, die den Hauptbeitrag zum Erfolg einer Akquisition leistet. In den weiteren Punkten dieses Abschnitts stehen organisatorische und kulturelle Aspekte des Integrationsmanagement zur Diskussion; es wird erläutert, welche konkreten Integrationsmaßnahmen vom akquirierenden Unternehmen eingeleitet worden sind. Abschließend wird die Kontrolle des Akquisitionserfolges besprochen.
Im Fazit findet eine Zusammenfassung der Analyseergebnisse statt. Alle Literaturquellen sind im Literaturverzeichnis am Ende der Arbeit aufgelistet.
1.3 AUSWERTUNG DER MERGERS & ACQUISITIONS – LITERATUR
Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über den Stand der Mergers & Acquisitions-Literatur (kurz: M&A-Literatur) zum heutigen Zeitpunkt. Bei der Berücksichtigung der Menge solcher Beiträge soll in diesem Artikel auf die grundsätzliche Fokussierung der dargestellten Arbeiten sowie auf die Hervorhebung der für die eigene Untersuchung relevanten Befunde eingegangen werden.
Die Bedeutung von Unternehmensübernahmen im Ausland für die Forcierung der Internationalisierung vieler Unternehmungen und die Erreichung der damit verbundenen strategischen Ziele ist in der letzten Zeit häufig betont worden. (Jansen, 2001, S. 5; Copeland et.al, 2005, S. 755; Hölters, 2005, S. 5; Holzapfel et.al, 2000, S. 5).
Viele Autoren gehen dabei zuerst auf die Begründung der steigenden Anzahl der Unternehmenskäufe ein (Jansen, 2001; Ott, 1990; Picot et.al, 2000). Zu erwähnen sind hier solche Treiber der Mergers & Acquisitions wie die Globalisierung, New Economy, komplexere Wertschöpfungsketten und veränderte Eigentumsverhältnisse. So stellt z.B. Jansen, 2001, in einer strategischen und kapitalmarkttheoretischen Analyse die Umwelt- und Systemveränderungen dar. Anhand verfügbarer Zahlen wird auch die Entwicklung des deutschen und internationalen M&A-Marktes aufgeführt. Außerdem präsentiert der Verfasser Theorien zu Unternehmensübernahmen. Auf wissenschaftlichem Wege erarbeitet ebenfalls Ott, 1990, mögliche Gründe für eine Akquisition sowie Akquisitionstypen und Möglichkeiten der Analyse eines Akquisitionskandidaten. Ferner werden besondere Formen des Unternehmenskaufs (Buy out Variationen) von Niewiarra, 2000, betrachtet.
Die Auswahl des passenden Unternehmensbewertungsansatzes stellt bei einer Akquisitionsentscheidung ein denkbares Problemfeld dar (Suckut, 1992; Damodaran, 2000; Picot et.al, 2000). So hat z.B. Suckut, 1992, auf Basis einer theoretischen und einer empirischen Analyse die Auswirkungen von Wechselkursänderungen und Unterschieden im Zinsniveau auf die Unternehmensbewertung in Deutschland und den USA untersucht. Aufbauend auf den gebräuchlichen Methoden zur Unternehmensbewertung (u.a auch die DCF-Methode) sowie der Finanztheorie wird in seiner Arbeit ein Bewertungsrahmen für internationale Akquisitionen unter Einbeziehung strategischer Elemente entwickelt.
Die in der Praxis oft angewandte DCF-Methode weist mehrere Annahmen auf, die im Falle einer Akquisition verletzt werden können. Damodaran, 2000, befasst sich als einer der ersten Autoren mit der Bewertung von jungen Unternehmen ohne Vergangenheitsdaten bzw. mit Unternehmen, die Verluste machen oder für die es keine vergleichbaren Unternehmen gibt. Dabei werden die Schwächen der Multiples for Comparables-Methode dargestellt und alternative Lösungsansätze erläutert. Am Beispiel von Amazon.com wird die Bewertung eines virtuellen Unternehmens durchgeführt. Andere Autoren gehen auf Synergieeffekte bei der Unternehmensbewertung (Baetge, 1991) oder auf mögliche Bewertungsmethoden im Falle einer Akquisition in Osteuropa (Reisinger, 1994) ein.
Mit einer Akquisition werden unterschiedliche Zielsetzungen angestrebt. Die Akquisiteure versuchen ihre Produktions- und Personalkosten zu senken, neue Märkte zu erschließen und durch die internationale Diversifikation das Unternehmensrisiko zu senken.
Die meisten Studien zeigen jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen den ursprünglich mit der Übernahme verfolgten und den tatsächlich erreichten Zielen (Picot et.al, 2000; Baetge, 1991; Reineke, 1989). Als Antwort darauf zeigt sich eine Verlangsamung des „Akquisitionsbooms“ der 90er Jahre, manche Autoren sind sogar der Meinung, dass die fünfte Fusionswelle vorbei sei (Suckut, 2001, S. 3).
Baetge, 1991, verdeutlicht die Chancen und Risiken von Unternehmensübernahmen und gibt den Praktikern Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch in Vorträgen und Diskussionsbeiträgen. Es wird insbesondere auf die Bedeutung der Beratung bei einer Akquisition eingegangen. Picot et al., 2000, analysiert auf Basis der analytischen Beiträge der Wissenschaftler und der Anwendungsbeispiele die wesentlichen Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren in den einzelnen Phasen eines Akquisitionsprozesses.
Der Phase der Integration kommt in den meisten Beiträgen zu Unternehmenskäufen eine nur sehr untergeordnete Rolle zu. Dieser Aspekt wird der Phasenlogik folgend oft an das Ende gestellt, obwohl er eher als eine begleitende Querschnittsaufgabe durch alle Akquisitionsphasen verstanden werden sollte (s. Jansen, 2001).
Mit dem Integrationsthema beschäftigen sich intensiv z.B. Ott, 1990, der nach einer umfassenden Studie von 800 amerikanischen Mittelständern die kulturelle und organisatorische Integration sowie die erfolgsunterstützenden Faktoren im Integrations- und Akquisitionsprozess vertieft untersucht. Im Weiteren wird in der Arbeit die Umsetzung der sich zum Teil ausschließenden Vorgehensweisen der Integration erörtert und schrittweise vorgestellt.
Das Problem der unternehmenskulturellen Anpassung wird von manchen Autoren als eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmensübernahme angesehen (Reineke, 1989; Picot et.al, 2000). Die Arbeit von Reineke, 1989, beinhaltet zwei Studien und die Diskussion von Möglichkeiten und Grenzen einer bewussten Beeinflussung des Akkulturationsprozesses. Es werden Empfehlungen, differenziert nach Unternehmenskulturtypen, abgeleitet. Die Abhängigkeit des Akquisitionserfolges vom oranisatorischen und kulturellen Integrationsmanagement wird bei Picot et.al, 2000, auch zum Gegenstand der Untersuchung. Jansen, 2001, und Hölters, 2005, präsentieren in ihren Arbeiten die Forschungsergebnisse einer Post-Merger-Studie.
Bei einer Akquisition ergeben sich auch bestimmte Rechtsunsicherheiten sowohl für inländische als auch für grenzüberschreitende Unternehmenskäufe, da der Kauf und Verkauf eines Unternehmens grundsätzlich keinen spezifischen gesetzlichen Bestimmungen unterliegt. Aufgrund bestehender Unsicherheit werden Rechte und Pflichten der Beteiligten in der Praxis meist vertraglich geregelt. Holzapfel und Pöllath, 2000, geben einen Überblick über die Unternehmenssteuerreform 2001 (Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen von KGs, Erleichterung der Buchwert-Aufstockung durch Erwerber etc.); dieser folgen die Regeln, die sich in der Praxis durchgesetzt haben. Anschließend werden drei Muster der möglichen Vertragsgestaltung vorgestellt. Die Behandlung steuerrechtlicher Aspekte geht mit dem Phasenmodell einer Akquisition einher, wobei zusätzlich auf die Besonderheiten bei Aktiengesellschaften und Privatisierung von DDR-Unternehmen eingegangen wird.
In einer Analyse von Hölters, 2005, geben kompetente Fachleute ihre Meinung zu sämtlichen beim Unternehmenskauf relevanten Gebieten, wie Bewertung, Finanzierung, Vertrags-, Steuer-, Arbeits- und Kartellrecht ab. Außerdem werden in der neuen Auflage Themen wie Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz, Post-Merger-Akquisition und internationale Akquisitionen behandelt. Die Verfasser geben Antworten auf die Fragen, ob verkauft werden soll und ob und um was sich ein Erwerber bemühen soll. Die vor kurzem eingeführten internationalen Rechnungslegungsstandards finden im betrachteten Aufsatz ebenfalls ihre Anwendung. Ein verstärktes Augenmerk wird zusätzlich auf die aktien- und börsenrechtlichen Implikationen von Unternehmensakquisitionen gelegt.
Während die Betrachtung der Veräußererseite schon ausreichende Berücksichtigung im Schrifttum gefunden hat, wird für die Perspektive des Erwerbers ein erhebliches Forschungsdefizit konstatiert. Die Arbeit von Hötzel, 1993, leistet einen Beitrag zur Verringerung des aufgezeigten theoretischen Defizits. Aufbauend auf einer detaillierten Analyse der steuerlichen Rechtsfolgen eines Unternehmenskaufs werden viele Gestaltungsmaßnahmen vorgestellt, die eine steuerliche Optimierung des Vorgangs erlauben. Der Verfasser systematisiert die vielfältige und komplexe Materie, in dem er die Gestaltungssuche aus einem umfassenden steuerlichen Ziel- und Subzielsystem ableitet. Die konsequente Zerlegung des Elementarziels „relative Steuerbarwertminimierung“ führt zu einem Katalog einzelner steuerlicher Subziele, an denen sich die unterschiedlichen Maßnahmen ausrichten. Der konzeptionelle Charakter dieses Vorgehens eröffnet darüber hinaus auch dem Praktiker die Möglichkeit, das Zielsystem auf eine individuelle Konstellation zuzuschneiden und um spezifische Aspekte zu erweitern.
Die Beiträge von Picot et.al, 2000, und Luginbühl, 1993, sind wiederum der Diskussion über rechtliche und finanzwirtschaftliche Parameter mit dem Schwerpunkt der bestehenden Rechtsunsicherheit sowie Vertragsgestaltung, Ansprüche und Garantien der Parteien, Haftung, Abgrenzung der Zusammenschlüsse von Unternehmenskooperation gewidmet.
Da sich die Interessen und Ansichten des Erwerbers und des Verkäufers auf den rechtlichen und steuerlichen Gebieten meist nicht decken, müssen Kompromisse gefunden werden, die so gestaltet sein müssen, dass keine der beiden Parteien sich benachteiligt fühlt. Die Entscheidungsfehler sind in meisten Fällen äußerst kostspielig, so dass in einigen Fällen die neugeschaffene Gruppe Vergleich anmelden muss oder sogar in Konkurs geht bzw. der Verkäufer einen Teil seines Kaufpreises im Nachhinein verliert. Ereignisse in der deutschen Wirtschaft zeigen immer wieder, dass Unternehmen planlos erworben werden, d.h. dass Erwerber ohne eine Strategie und sorgfältige Planungen Unternehmen kaufen, die nicht zu ihnen passen, oder ohne sorgfältige Planungen Preise entrichten, die nicht gerechtfertigt sind.
Das Buch von Jung, 1993, gibt denjenigen praktische Hinweise und Ratschläge in systematischer Form, die Investitionsentscheidungen dieser Art treffen und negative Ereignisse vermeiden wollen, und wie durch die Zusammenführung zueinander passender und sich somit ergänzender Unternehmen größere Werte geschaffen werden können als vordem durch die beiden Einzelunternehmen.
Viele Autoren beschäftigen sich mit den grenzüberschreitenden Akquisitionen (Ott, 1990, Suckut, 1992; Holzapfel und Pöllath, 2000; Hölters, 2005). Mit wenigen Ausnahmen (z.B. Reisinger, 1994) werden jedoch in den analysierten Studien die spezifischen Probleme einer Akquisition in osteuropäischen Ländern kaum berücksichtigt.
Reisinger, 1994, arbeitet auf Basis der Problemfelder bei Direktinvestitionen in Zentral- und Osteuropa (Technologiedefizite, veraltete Produktionsprozesse) Parameter einer Entscheidung für eine Investition in ein bestehendes Unternehmen oder den Aufbau eines neuen Unternehmens heraus. Bekannte theoretische Grundlagen und Konzepte (Due Diligence, Vertragsgestaltung) werden auf die einzigartigen Bedingungen unternehmerischer Entscheidungen in Osteuropa umgelegt, wobei eine länderübergreifende Darstellung für die kommunistisch-planwirtschaftliche Wirtschaftsordnung aufgeführt wird. Der Verfasser beschreibt vor allem solche Länder wie Polen, Ungarn, Tschechien/Slowakei etc. Die Akquisitionsprobleme in Russland werden nicht behandelt.
1.4 LÜCKEN BISHERIGER STUDIEN UND THEORETISCHE FUNDIERUNG DER ANALYSESCHWERPUNKTE
Die Beispiele aus den M&A-Publikationen sowie die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse zeigen, dass Akquisitionen ein sehr risikobehaftetes Mittel der Unternehmensstrategie sein können. Trotz der Menge an M&A-Literatur zu betriebswirtschaftlichen Problemen und Gründen des Unternehmenserwerbs weisen entsprechende empirische Untersuchungen auf hohe Misserfolgsquoten hin. Worauf sie aber im konkreten Fall zurückzuführen sind und ob bei der darzustellenden Akquisition gleiche Fehler und Problemlösungen wie in den Literaturquellen oder andere zu finden waren, wird in der vorliegenden Arbeit beschrieben und bewertet. In der Arbeit werden die theoretischen Hypothesen aus der M&A-Literatur empirisch geprüft und Einflusszusammenhänge offengelegt, um daraus Gestaltungsempfehlungen für derartige Transaktionen abzuleiten.
Bei der Suche nach Misserfolgsgründen werden in der Literatur oft die auftretenden organisatorischen und personellen Probleme hervorgehoben. Anders als in den meisten Untersuchungen wird in dieser Arbeit konsequent von einem handlungs- und interaktionstheoretischen Bezugsrahmen ausgegangen, bei dem die Interessen, Ressourcen und Handlungsinterdependenzen der beteiligten relevanten Akteure den Ausgangspunkt bilden.
Schwerpunkt der Untersuchung stellen solche Gefahren dar, die von den Hauptparteien selbst ausgehen, was aber trotz der Fülle von Beispielen aus der M&A-Literatur kaum illustriert wird.
Von besonderer Bedeutung ist ebenfalls, dass in der vorliegenden Arbeit der Bereich mittelständischer Unternehmen und deren Übernahmen in Russland im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Damit hebt sie sich vom Großteil der auf dem Markt befindlichen M&A-Publikationen ab, welche das Hauptaugenmerk auf den Bereich der spektakulären Großübernahmen richten und dabei die spezifischen Probleme des Mittelstandes außer Acht lassen.
Die Arbeit verfolgt einen ganzheitlich-integrativen Ansatz, in den Forschungsergebnisse mehrerer Disziplinen einfließen. Dazu gehören die mikroökonomische und kapitaltheoretische Betrachtung des Akquisitionsmarktes sowie die Strategieforschung, die Organisationstheorie und die Psychologie. Die Erkenntnisgenerierung erfolgt darüber hinaus anhand der systematischen Auswertung empirischer Akquisitionsstudien. Solchermaßen auf theoretischen und empirischen Erkenntnissen basierend wird zum einen gezeigt, inwiefern sich Unternehmensakquisitionen als Instrumente der strategischen Unternehmensgestaltung eignen und zum anderen, inwiefern strategischer und organisatorischer Fit das Akquisitionserfolgspotenzial strukturell determinieren.
Die genannten Lücken bisheriger Studien sowie fehlende Berücksichtigung spezifischer Probleme bei einer Akquisition in Russland, Charakteristika der wirtschaftlichen Bedingungen für eine Akquisitionsentscheidung, mangelhafte Betrachtung des Integrationsmanagements und ungenügende Beachtung der sich speziell für die Mittelständer ergebenden Schwierigkeiten bilden den Ansatzpunkt für die eigene Untersuchung. Im Folgenden wird eine Analyse der Interessen und Streitpunkte der Beteiligten durchgeführt, aus der heraus ein umfassendes Verständnis für ihr Handeln und Verhalten entwickelt werden kann.
Anhand dieser Arbeit werden die aus der Literatur abgeleiteten Vorschläge und Kriterien zur Schaffung strategischer, führungsmäßiger sowie organisatorischer Rahmenbedingungen des Gesamtakquisitionsprozesses empirisch geprüft. Außerdem wird anhand der bestehenden bzw. fehlenden Voraussetzungen die Möglichkeit gegeben, die Erfolgswahrscheinlichkeit der Akquisition sowie Empfehlungen für die Zukunft abzuleiten.
2 UNTERNEHMENS- UND MARKTANALYSE
2.1 UNTERNEHMENSBILD
2.1.1 DAS AKQUIRIERENDE UNTERNEHMEN
Das im SDAX notierte deutsche Unternehmen ist der größte E-Commerce Anbieter für Ticketing in Europa und betreibt Europas führendes Internet-Portal für kultur- und sportorientierte Freizeitgestaltung.
Es handelt sich um ein typisches mittelständisches Unternehmen, mit großer Bedeutung einzelner Führungspersonen für den Geschäftserfolg, gering gestreuten Eigentumsanteilen, Risikoteilung zwischen wenigen Personen und überschaubarer Hierarchie (weitere Unterschiede zwischen Unternehmensgrößen s. Ott (1990, S. 8-18)).
Der Konzern teilt sich in zwei Segmente: Ticketing und Live-Entertainment. Das Segment Ticketing beinhaltet die Vermarktung und den Vertrieb von jährlich über 35 Millionen Eintrittskarten für rund 85.000 Konzert-, Theater-, Sport- und andere Veranstaltungen. Zur Vermarktung der Eintrittskarten wird eine Vielzahl von Distributionswegen genutzt: Vorverkaufsstellen, Call-Center und zwei Internetplattformen. Das Webangebot wird monatlich von über drei Millionen Interessenten besucht. Über 250 Online-Partner sind an das Firmensystem angeschlossen. Somit verfügt das betrachtete Unternehmen über ein Alleinstellungsmerkmal auf dem deutschen Markt.
Das Segment Live-Entertainment beinhaltet die Planung, Organisation und Abwicklung von Konzertveranstaltungen, Konzerttourneen und Open-Air Festivals. In der europäischen Konzert- und Entertainment-Branche ist das Unternehmen der Marktführer.
Der Konzernumsatz stieg im vergangenen Jahr um über 30 %, wobei das starke Wachstum überwiegend durch Akquisitionen getrieben wird. Der Unternehmenskauf wird ständig dem langsamen eigenständigen Aufbau von Auslandstöchtern vorgezogen und nach bereits erfolgreichen Akquisitionen in der Schweiz, Italien und Österreich hat sich der Mittelständer im vergangenen Jahr nach Russland gewagt: er hat über 50 % der Anteile am größten privaten Anbieter von Ticketvertriebsleistungen mit Sitz in Moskau übernommen. Die Börse reagierte darauf mit einem Anstieg des Aktienkurses um ca. 1,5 %. Über eine vereinbarte Kaufoption ist sichergestellt, dass auch die verbleibenden Anteile mittelfristig (innerhalb eines Halbjahres) übernommen werden können.
2.1.2 DAS AKQUIRIERTE UNTERNEHMEN
Das Ticketing in Russland ist stark konzentriert und liegt zum größten Teil (55 %) in staatlicher Hand. Das Akquisitionsobjekt ist seinerseits eines der wenigen privaten Unternehmen, welches das Ticketing zu 40 % betreibt.
Die akquirierte russische GmbH ist einer der bekanntesten Ticket-Anbieter in Russland, wo er zwei große russische Internet-Ticketportale betreibt und das laufende Geschäftjahr auch mit Gewinn abschließen wird. Nach Experteneinschätzung beträgt der Wert des Unternehmens ca. 20 Mio. Dollar.
Das Unternehmen existiert auf dem russischen Markt seit über sechs Jahren. Es kooperiert mit mehreren hundert russischen Veranstaltern und Theatern und verfügt neben den Vertriebswegen wie Internet und Call Center insbesondere in den zwei größten russischen Städten Moskau (2006: 10,4 Mio Einwohner) und St. Petersburg (4,6 Mio. Einwohner) auch über zahlreiche stationäre Vorverkaufsstellen. Täglich stehen über 700 Veranstaltungen zur Auswahl bereit. Neben Eintrittskarten für Konzerte nationaler und internationaler Stars werden auch Karten für sämtliche großen Theaterhäuser in Moskau angeboten.
2.2 UNTERNEHMENSZIELE UND -POTENZIALE
2.2.1 UNTERNEHMENSZIELE
Internationale Unternehmensakquisitionen sind ein zunehmend wichtiger Bestandteil der Unternehmensstrategie. Ihre Relevanz resultiert aus den vielfältigen Vorteilen, die mit der internationalen Akquisitionspolitik verbunden sein können: Erschließung neuer Märkte, internationale Diversifikation (Verteilung der Unternehmensrisiken auf mehrere Länder – z.B. Reduzierung von Währungsrisiken), Wachstum in andere Märkte, Senkung der Verwaltungs-, Vertriebs- und Personalkosten, Nähe zum Kunden. Eine vergleichende Übersicht über die bedeutendsten Ziele für zukünftige Akquisitionen in den kommenden fünf Jahren ist in Abb. 1 anschaulich dargestellt:
Abb. 1: Akquisitionsziele in den kommenden fünf Jahren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Hölters (2005), S. 25
[...]
- Quote paper
- Natalia Alexeeva (Author), 2007, Internationale Akquisitionen mittelständischer Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86208
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