Die nur drei Jahre, die die Tschechoslowakische Dritte Republik von Frühling 1945 bis Februar 1948 durchlebte, stellen einen sehr beschränkten Berichtszeitraum dar. Doch die Menge der Weichenstellungen, die sich für das weitere Schicksal der Tschechoslowakei in diesem Jahrhundert in der kurzen Spanne zwischen dem nationalsozialistischen und dem stalinistischen Totalitarismus ereignet haben, machen diesen Zeitabschnitt in bezug auf die Tschechoslowakei zweifellos zu einem der schicksalsträchtigsten im 20. Jahrhundert. Die bemerkenswerte Dichte von politischen Entscheidungen, sozialen und wirtschaftlichen Umbrüchen und nicht zuletzt zwei Bevölkerungstransfers von gewaltigen Ausmassen deuten darauf hin, dass sie in einer Gesellschaft erfolgten, deren Charakter sich in Folge des Zweiten Weltkrieges deutlich gewandelt hatte. So ist man gut beraten, die Jahre bis zur – wenigstens äusseren – Konsolidierung des kommunistischen Regimes in direkter Folge des Krieges zu sehen. Nur so werden die Geschwindigkeit und Dichte an Ereignissen begreifbar. Nur so kann letztendlich halbwegs verständlich werden, wie sich die zur Zwischenkriegszeit von demokratischen und bürgerlichen Traditionen gekennzeichnete Tschechoslowakei nach dem Krieg zu dem Staate in Europa entwickeln konnte, in dem Kommunisten in freien Wahlen am meisten Wählerstimmen errungen haben.
Zum Schatten, den der gerade beendete Krieg auf die Gegenwart und Zukunft warf, kam der Schatten Stalins dazu. In einer sich auf-spaltenden Welt gab es keine Mitte für Unentschlossene mehr. Die aussenpolitische Konstellation, vor allem das Sich-Abzeichnen des Ost-West-Gegensatzes, bestimmte die innenpolitische Entwicklung der ČSR massgeblich und es kann nur darüber spekuliert werden, welche Wendung die tschechoslowakische Nachkriegsentwicklung unter andern aussenpolitischen Konstellationen genommen hätte.
Die als Überblicksstudie verfasste Arbeit schliesst mit einer knappen Darstellung der politischen Entwicklung nach der Erreichung der kommunistischen Monopolmacht im Februar 1948 bis ins Jahr 1953.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zum Stand der Forschung
- Die ČSR unmittelbar nach Kriegsende – Kaschauer Programm,
- Slowakische Frage, Dekrete des Präsidenten
- Die Neubesiedlung des Grenzlandes 1945-1947: Die grösste Migration der tschechischen Geschichte
- Die Parlamentswahlen von 1946
- Die Position der Nachkriegstschechoslowakei in Europa
- Der Weg zum „Siegreichen Februar“ und der Kollaps der demokratischen Kräfte - Ereignisse, Akteure, Wertung
- Die Konsolidierung des Regimes und politische Verfolgung bis 1953
- Schlussüberlegungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der politischen, demographischen und wirtschaftlichen Transformation der Tschechoslowakei in den Jahren 1945 bis 1953. Sie untersucht den Übergang vom nationalsozialistischen und dem stalinistischen Totalitarismus und analysiert die Auswirkungen dieser beiden Regime auf die tschechoslowakische Gesellschaft.
- Die politische Entwicklung in der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg
- Die ethnischen Massentransfers und die Neubesiedlung des Grenzlandes
- Die Bedeutung der Parlamentswahlen von 1946
- Die Rolle der aussenpolitischen Konstellation für die innenpolitische Entwicklung
- Die Konsolidierung des kommunistischen Regimes und politische Verfolgung
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung befasst sich mit der Bedeutung der Zeitspanne von 1945 bis 1948 für die tschechoslowakische Geschichte und betont die Dichte der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche in dieser Zeit.
- Kapitel 2 analysiert den Stand der Forschung zu dieser Periode und betrachtet die verschiedenen Perspektiven, die von emigrierten Politikern, tschechischen Historikern und internationalen Forschern vertreten werden.
- Kapitel 3 beleuchtet die unmittelbare Nachkriegszeit in der ČSR, das Kaschauer Programm und die slowakische Frage. Es befasst sich auch mit den Dekreten des Präsidenten.
- Kapitel 4 untersucht die grösste Migration der tschechischen Geschichte, die Neubesiedlung des Grenzlandes in den Jahren 1945-1947.
- Kapitel 5 analysiert die Parlamentswahlen von 1946 und ihre Bedeutung für die politische Entwicklung der Tschechoslowakei.
- Kapitel 6 widmet sich der Position der Nachkriegstschechoslowakei in Europa und den Auswirkungen des Ost-West-Gegensatzes auf die tschechoslowakische Innenpolitik.
- Kapitel 7 beleuchtet den Weg zum „Siegreichen Februar“ und den Kollaps der demokratischen Kräfte. Es untersucht die Ereignisse, Akteure und die Bewertung dieser Zeit.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Tschechoslowakei, Nachkriegsgeschichte, politische Transformation, ethnische Massentransfers, Neubesiedlung, Parlamentswahlen, Ost-West-Gegensatz, Kommunismus, politische Verfolgung.
- Quote paper
- Adrian von Arburg (Author), 1999, Die Tschechoslowakei von 1945 bis 1953 - Politische, demographische und wirtschaftliche Transformation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86196