Die vorliegende Arbeit untersucht den Gewissheitsbegriff bei Luther hinsichtlich ihrer Subjektivitätsstruktur in phänomenologischer Weise. Unter Einbeziehung des paulinischen Gewissheitsverständnisses und seiner Rezeption bei Luther soll sich der Frage nach der Möglichkeit eines Lutherischen Missverständnisses von Paulus genähert werden.
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
1.1 Ausgangspunkt und Problemstellung
1.2 Hermeneutische und methodologische Vorüberlegungen hinsichtlich eines Vergleichs zwischen Luther und Paulus
2 Phänomenologie der Gewissheit im Kontext ihrer bestimmenden und direktiven Begriffskonzeptionen
2.1 Über die Gewissheit und den Zweifel – eine Begriffsdialektik bei Luther
2.2 Über die Gewissheit und die Zuversicht – ein Intermezzo
2.3 Eine Sichtung und Betrachtung der Gewissheit bei Paulus als Hoffnungsgewissheit
3 Eine phänomenologische Grundlegung der Gewissheit am Modell der Relationalität
3.1 Selbstreflexivität und Selbstreferentialität des Glaubens und seiner Gewissheit
3.2 Die Glaubensgewissheit und der Subjektivismus – eine Introspektion bei Luther?
3.3 Schlussbemerkung: Von der Möglichkeit des Lutherischen Missverständnisses
Quellen- und Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit untersucht den Gewissheitsbegriff bei Luther hinsichtlich ihrer Subjektivitätsstruktur in phänomenologischer Weise. Unter Einbeziehung des paulinischen Gewissheitsverständnisses und seiner Rezeption bei Luther soll sich der Frage nach der Möglichkeit eines Lutherischen Missverständnisses von Paulus genähert werden.
1.1 Ausgangspunkt und Problemstellung
Im Allgemeinen gibt es eine Vielzahl möglicher Vorgehensweisen, die zur Erhellung eines verwendeten Begriffes beitragen können, wobei nicht allen die gleiche Beweis- und Erklärungskraft einer zuvor konkret gestellten Anfrage zukommt. Solche Begriffsbefragungen mögen in der Tat verschieden aussehen und zu verschiedenen Ergebnissen gelangen. Geht man aber der Frage nach einem möglichen Missverstehen von Paulus durch Luther nach, so stößt man auch hier auf die typische Vergleichsproblematik: Zu vergleichen ist nur Vergleichbares – was aber bildet den Maßstab des Vergleichs? Da sich Luther und Paulus in einem sowohl biografisch als auch historisch unterschiedlichen Kontext befanden und bewegten, kann und darf aus dieser Selbstverständlichkeit heraus die Frage nach Luthers Missverstehen nicht vorläufig negativ entschieden werden. Was hier gezeigt werden soll, ist nämlich, dass der eigentliche Kern der Frage nach einem Lutherischen Missverständnis am Begriff der Gewissheit mit einer phänomenologischen Betrachtungsweise am besten beizukommen ist, aus der sich dann ein gemeinsamer Vergleichsmaßstab am Modell der Relationalität darbietet. Das phänomenologische Vorgehen setzt dabei voraus, dass das bei dieser Fragestellung oftmals anzutreffende Verdachtspostulat des Lutherischen Subjektivismus hinsichtlich seiner Paulusrezeption und ihre entsprechende Beantwortung möglicherweise selbst nicht aus einer Textlektüre und ihrer rein synchronen Analyse gewonnen werden kann, wie gründlich und umfassend sie auch aussehen mag, dass vielmehr nach der dahinter stehenden Struktur der Subjektivität selbst gefragt werden muss, nach den Elementen und Tatsachen der Erscheinungen des Bewusstseins von Gewissheit und nicht nach den Ursachen und Bedingungen derselben, wie es eine psychologische Betrachtung schlechterdings vornimmt. Bevor jedoch eine Phänomenologie der Gewissheit in Ansätzen entworfen werden kann, von der ausgehend ein Vergleich möglich wäre, ist eine Begriffsbestimmung der Gewissheit im Kontext ihrer Begriffsdirektiven unumgänglich, denn nur aus der schon im Kontext vorhandenen Begriffsdialektik heraus, erhält die Gewissheit ihre spezifische Bedeutung, die anschließend auf die allgemeine Sinnebene der Relationalität transzendiert, nun gänzlich einer phänomenologischen Betrachtung ausgesetzt wird. Von dort aus wäre es zumindest möglich, eine gemeinsame Verständigungsebene zu schaffen, die einen Strukturvergleich zulässt.
1.2 Hermeneutische und methodologische Vorüberlegungen hinsichtlich eines Vergleichs zwischen Luther und Paulus
Jede Untersuchung, die darauf abzielt Luther und Paulus in einen Vergleich zu setzen, muss sich ihrer hermeneutischen Voraussetzungen gänzlich bewusst sein. Das gilt insbesondere auch dann, wenn sie dies selektiv und exemplarisch an einer thematischen Fragestellung bearbeiten will, wie dies im Rahmen dieser Arbeit am Gewissheitsbegriff Luthers geschehen soll. Tut sie das nicht, so befördert sie gegebenenfalls sogar geistreiche und plausible Beobachtungen zu Tage, trägt aber nichts zu einem Verständnis ihres Aussagegehalts bei. Das ist aber unbefriedigend und scheitert bei gestellter Aufgabe eines Vergleiches zwischen Luther und Paulus am eigentlichen Nukleus der Fragestellung: dem semantischen Wert des Vergleichs.
Zweierlei ist zunächst anzuerkennen: Einerseits begegnen uns sowohl Luther als auch Paulus nur aus der geschichtlichen Distanz.[1] Andererseits verhält es sich gleichermaßen mit dem Verhältnis zwischen Luther und Paulus. Wir betreiben eine von historisch-kritischen Einsichten geleitete moderne Paulusexegese. Luther hingegen betrieb eine Paulusexegese, die sich im Verstehenshorizont ihrer Zeit ereignet. Der geschichtliche Abstand konzediert divergierende Sprachwelten und es ist davon auszugehen, dass jede wirkmächtige Auslegung nur Aktualisierung in ihrer Zeit bedeuten kann[2], wobei ihr gemeinsamer Bezugspunkt die uns vorfindliche Welt ist, ohne die die Möglichkeit einer die Sprachwelten transzendierenden Kommunikation nicht gelingen kann.[3] Ein Postulat des Missverstehens könnte aus dem alleinigen Sachverhalt einer situationsbedingten, kontextuellen Aktualisierung nicht geltend gemacht werden, da eine Aktualisierung gerade doch einer Verfälschung des Sinngehalts in ihrem jeweils fremdartigen Kontext entgegenzuwirken vermag.
Strebt man eine Verhältnisbestimmung zwischen Paulus und Luther an, so ist ein diesem Sachverhalt angemessenes methodisches Vorgehen zu wählen. Grundsätzlich lässt sich das methodische Vorgehen in zweierlei Richtung vollziehen:
Erstens könnte man Luthers Paulusrezeption von ihren eigenen Voraussetzungen her wahrnehmen. Nach Luthers Verständnis vom Worte Gottes als unmittelbarer Anrede an den Menschen ist jede interpretatorische Distanz zum Worte Gottes aufgehoben, denn „Luthers Verständnis von ‚Wort Gottes‘ geht nicht von dem Aussagegehalt, sondern von der Anredeform aus: Gott spricht in seinem Wort zum Menschen.“[4] Infolgedessen suspendierte eine historische Distanz zwischen Luther und Paulus. Gleichwie in einem Akt der Vereinigung stellte sich die Sprache des Paulus mit der Luthers gleich. Luther ginge es demnach darum, Gott in seinem eigenen Wort zur Sprache kommen zu lassen, indem er die paulinischen Aussagen kommentierend entfaltet.[5] Oftmals lassen sich dezidiert systematische Betrachtungen zu Luther und seiner Paulusrezeption auf dieses methodische Vorgehen zurückführen.
Zweitens könnte man Luthers Paulusrezeption unabhängig von ihren eigenen Voraussetzungen, d.h. auch unabhängig von Luthers Wort-Gottes-Verständnis her, unter einer explizit historischen Fragestellung wahrnehmen. Dazu wird eine eigenständige von historisch-kritischen Einsichten geleitete moderne Paulusexegese nötig, an der nun Luther gemessen wird. Moderne exegetische Betrachtungen zu Luther und seiner Paulusrezeption bilden zugegen oftmals einen scharfen Gegenentwurf zu vielen systematischen Lutherzugängen, denen dann auch zuweilen Harmonisierung und fehlendes historisches Problembewusstsein[6] vorgeworfen wird.
Zweifellos gibt es zwischen diesen beiden Außenpositionen eine Vielzahl vermittelnder Betrachtungsweisen, die mehr oder weniger dem impliziten oder explizit erklärten Selbstverständnis der Lutherischen Paulusrezeption folgen. Hier ist unverhohlen einzugestehen, dass vielmals die angewandte Methode ihre Ergebnisse und Urteile hinsichtlich der Möglichkeit eines Lutherischen Missverstehens gewissermaßen inkludiert.[7]
Beide methodischen Zugangsweisen sind m.E. für sich ausschließlich, nicht ohne schwerwiegende Probleme anzuwenden. Das Erstere stellt letztlich ein dogmatisches und normatives Unterfangen dar, welches aus methodischer Sicht augenscheinlich historisch unkritisch verfährt. Das Letztere steht unter dem Verdacht anachronistisch zu sein, da es Luthers Paulusdeutung modernen exegetischen Einsichten unterwirft, die ebenso einer modernen Zeitbedingtheit unterstehen.[8] Ferner stellte sich die Frage, ob in dieser Weise verfahrend nicht jede vormoderne, vorkritische Bibelexegese destruiert werden könnte. Läge denn schon ein Missverstehen vor, wenn sich einzelne moderne exegetische Einsichten nicht mit der vorliegenden und zu untersuchenden vorkritischen Exegese deckten? Ein Postulat des Missverstehens könnte aus dem alleinigen Sachverhalt der Nichtanwendung von historisch-kritischer Reflexion selbstverständlich nicht gewonnen werden.
Die Spannung zwischen diesen beiden methodischen Vorgehensweisen lässt sich nicht endgültig auflösen. Für die Fragestellung des zu untersuchenden Gewissheitsbegriffs bei Luther ist daher sowohl ein eigener exegetischer Rückgriff auf Paulus nötig, als auch der Verständnishorizont Luthers in seiner theologischen Beziehungsebene und seinem Sinnhorizont zu Paulus zu berücksichtigen.
2 Phänomenologie der Gewissheit im Kontext ihrer bestimmenden und direktiven Begriffskonzeptionen
2.1 Über die Gewissheit und den Zweifel – eine Begriffsdialektik bei Luther
Eine wesentliche begriffsdialektische Gegenüberstellung, die hierbei als Entgegenstellung figuriert, ist bei Luther die von Gewissheit und Zweifel. Der Zweifel verhält sich wesensmäßig adversativ zur Gewissheit und schließt diese gänzlich aus. Doch trotz einer fehlenden Schnittmenge läge es fern, anzunehmen, dass sie sich als einander ausschließende Alternativen darstellten und dies liegt im Wesen ihrer Dialektik selbst begründet, denn ohne den Vorstellungsgehalt des Zweifels ließe sich von dort aus nicht auf die Bedeutung der Gewissheit schließen. Das ist insofern einleuchtend, dass es doch im Raum der Gewissheit selbst keinen Zweifel geben kann und sie dennoch seiner Vorstellung als conditio negantiae bedarf.
Unter den Nachschriften von Konrad Cordatus, dem ersten Nachschreiber der Tischreden Luthers, begegnet uns eine Rede Luthers, welche die Gewissheit und den Zweifel mit dem Heiligen Geist in eine Verhältnisbestimmung bringt. So heißt es dort:
Solus Spiritus Sactus est, qui in certitudinem fidei Christi sine omni dubitatione incedit. Sectarii simper edunt aliquas voces, ex quibus animadvertitur dubius animus ipsorum: Ich hoffe, ich sey from, ich sey gerecht. Christianus autem: Ich thu, was ich kann; was ich nicht thu, das zalet das leiden Christi fur mich. Ich bin selig in Christo, den ich trotz sol mir niemand nehmen; Jhesus ist mein heiland. Neque quidquam aliud est, quo Deus noster et conscientia nostra quietantur. Fidentes autem suae iustitiae non Christo, sed iustitiae suae fidunt, ideo simper dubitant.[9]
Die Tischreden umfassen nur die letzten 15 Jahre aus Luthers Leben und daher vernehmen wir hier den alten Luther. Diese Tischrede handelt im Eigentlichen nicht von dem Rechtfertigungsgeschehen durch Christus, sondern von der Gewissheit des Glaubens, die ihren Grund außer sich in Christus findet. Luthers Worte zum Zweifel nehmen zum einen Bezug auf den Heiligen Geist, mit dem kein Zweifel einhergeht[10], und zum anderen auf die eigene Gerechtigkeit - und hieße: Wenn ihr vertraut wird, käme dies einem Sein im Zweifel gleich. Das erlaubt folgende Unterscheidung: Bei Luther ist das Herz des Menschen im Zweifel. Es hat keinen Zweifel im akzidentiellen Sinne, sondern befindet sich in der Wirkmächtigkeit des Zweifels als feststehender Größe, die außerhalb Christi liegt. Bei dem entgegengestellten Begriff der Gewissheit wäre nun ebenso zu prüfen, ob er ontisch oder akzidentiell aufzufassen wäre. Da aber Luther das In-Christo-Sein so dezisiv mit der Gewissheit zusammen und verbunden denkt, ist ein akzidentielles Verständnis jedoch auszuschließen.[11]
Dass es sich beim Zweifel tatsächlich um eine Wirkmächtigkeit handelt, nämlich bei Luther die des Gesetzes, wird in der prägnanten Formel einer Promotionsdisputation im Jahre 1542 deutlich: „Est autem dubitatio opus legis.“ („Der Zweifel aber ist das Werk des Gesetzes“)[12] Diesem stellt Luther das Evangelium mit der Wirkmächtigkeit der Gewissheit gegenüber: „Nam lex efficit dubitationem animarum, Evangelium vero consolatur et certificat animam. Pugnant autem haec duo acerrime inter se, certitudo et dubitatio.” („Denn das Gesetz bewirkt inneren Zweifel, das Evangelium allerdings tröstet und macht die Seele gewiss. Diese zwei aber stehen untereinander in erbittertem Kampf, Gewissheit und Zweifel.“)[13] An dieser Stelle rekurriert Luther die Wirksamkeiten des Zweifels und der Gewissheit auf ihre ureigene sich zu beziehende Instanz, die sich auftut als das Gegeneinander von Gesetz und Evangelium. Der Zweifel und die Gewissheit beschreiben insoweit die im persönlichen Glauben erfahrbare Wirklichkeit, ausgehend von den eher abstrakt aufzufassenden hermeneutischen Kategorien, die sich zu Gesetz und Evangelium[14] in dualistischer Denkweise abstrahieren lassen. Überzeugend und sich bewährend war dieser hermeneutische Ansatz Luthers in der ihm darauf folgenden evangelischen Theologiegeschichte vor allem aus dem Grunde, weil er auf die biblisch-zentralen Begriffe no,moj und euvagge,lion zurückgriff und folglich seine eigene Legitimation aus sich selbst zu ziehen schien. So war eine mögliche Kritik wohl lange gerade darin gehemmt, weil sie anmutete, Kritik an der Schrift und christlichem Selbstverständnis selbst zu sein bzw. dem sinnrichtenden Duktus des NTs mit Blick auf das AT selbst nicht folgen zu wollen. Wurde erst einmal die Dialektik von Gesetz und Evangelium als hermeneutisches Muster verinnerlicht, wie es eigens durch Paulus instigiert schien, so las man von ihm her die ganze Schrift.
[...]
[1] Auf die Vergangenheits-Gegenwarts-Problematik in der Geschichtsphilosophie kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Auch Lessings garstig breiter Grab en sollte hier nicht neuerlich verhandelt werden. Vgl. Lessing, Gotthold Ephraim: Über den Beweis des Geistes und der Kraft, in: Gotthold Ephraim Lessing Werke, Bd. 8, München 1979, 9-14.
[2] Vgl. dazu die hermeneutischen Ausführungen von Volker Stolle “What does this mean? Ein Entwurf einer dem lutherischen Ansatz verpflichtenden biblischen Hermeneutik“, in: LuThK 23 (1999), 18-28, dort 22-26; Vgl. auch Ders.: „Luther und Paulus. Das eine Evangelium in unterschiedlichen geschichtlichen Gestalten“, in: LuThK 28 (2004), 1-23, dort 12-17: Stolle macht hier sachgerecht auf die Notwendigkeit einer je zu aktualisierenden Auslegung für die Verkündigung aufmerksam. Es gilt, dass „[s]o gewiss dabei die Gefahr einer situationskonformen Verfälschung des Evangeliums besteht, die durch sorgfältige, kritische, dogmatische Reflexion aufzudecken und abzuwehren ist, so wenig ist ein genereller Verdacht zu begründen, jede situationsbezogene Ausrichtung des Evangeliums stelle als solche grundsätzlich schon eine theologisch nicht sachgerechte Beeinträchtigung der biblischen Botschaft und der traditionellen kirchlichen Lehre dar.“ (16)
[3] Vgl. Landmesser, Christof: „Luther und Paulus. Rezension in exegetischer Perspektive zu einem Buch von Volker Stolle“, in: NZSTh 48 (2006), 224f. Zu Recht erhebt hier Landmesser kritische Einwände gegen Stolles hermeneutische Vorüberlegungen, die bei der konstatierten Bewegung einer sprachlichen Sinnstiftung den gemeinsamen Bezugspunkt als Welt vermissen lassen: Stolle, Volker: Luther und Paulus. Die exegetischen und hermeneutischen Grundlagen der lutherischen Rechtfertigungslehre im Paulinismus Luthers, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 10, Leipzig 2002, 71.
[4] Korsch, Dietrich: Martin Luther. Zur Einführung, Hamburg 1997, 47.
[5] Vgl. dazu die Diskussion von Stolle, in: Paulinismus, 49f., zu Kenneth Hagen, der diesen Ansatz konsequent verfolgt in: Luther’s Approach to Scripture as seen in his “Commentaries” on Galatians 1519-1538, Tübingen 1993.
[6] Vgl. dazu der Vorwurf des fehlenden Problembewusstseins von Stolle: Paulinismus, 49-54.
[7] Bei dieser Fragestellung sei auf die Hermeneutik Hans-Georg Gadamers verwiesen: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen (1960) 19906. Im dritten Teil seiner hermeneutischen Untersuchung, die sich auf die Universalität von Sprachlichkeit ausweitet, konstatiert Gadamer, dass jede Wahrheit eine Antwort auf eine situierte Frage darstellt. Jede Aussage, die sich methodisieren lasse, unterliegt gleichwohl einem Motivationshorizont. Vgl. dazu auch die einem anderen Denkbereich entstammende gesellschaftstheoretische Erkenntniskritik bei Jürgen Habermas: Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a.M. (1968) 199110. Nach Habermas ist Subjektivität empirisch nie voraussetzungslos. Es sind die Interessen, denen die Erkenntnis folgt und diese erst ermöglicht. Wird nun gerade die Subjektivität selbst zum zu behandelnden Gegenstand einer Untersuchung, ist dieses gerade in doppelter Hinsicht zu verzeichnen.
[8] Vgl. dazu der Versuch einer Entkräftung des Anachronismusvorwurfs durch Stolle mithilfe des Verweises auf die historische Fragestellung, die m.E. aber nicht vollkommen gelingen und überzeugen mag. Stolle: Paulinismus, 50.
[9] WA.TR 2935a, 22-30. “Allein der heilige Geist ist es, der in der Gewißheit des Glaubens an Christus ohne allen Zweifel einhergeht. Die Anhänger der Sekten reden immer etliche Worte, aus denen man wahrnimmt, daß ihr Herz im Zweifel ist: Ich hoffe, ich sei fromm, ich sei gerecht. Ein Christ aber: Ich tue, was ich kann. Was ich nicht tue, das zahlt das Leiden Christi für mich. Ich bin selig in Christus, diese Zuversicht soll mir niemand nehmen. Jesus ist mein Heiland, und es gibt nichts anderes, wodurch unser Gott und unser Gewissen beruhigt werden. Diejenigen aber, welche auf ihre Gerechtigkeit, nicht auf Christus vertrauen, vertrauen natürlich ihrer Gerechtigkeit und sind darum immer im Zweifel.“ (Übers. nach LD 9)
[10] Vgl. WA 18, 605, 32-34: „Spiritus sanctus non est Scepticus, nec dubia aut opiniones in cordibus nostris scripsit, sed assertiones ipsa vita et omni experientia certiores et firmiores.“
[11] Vgl. Ebeling, Gerhard: „Gewissheit und Zweifel: die Situation des Glaubens im Zeitalter nach Luther und Descartes“, in: ZThK 64,3 (1967), 312f.
[12] WA 39/2,163, 14-16.
[13] WA 39/2,163, 16-18.
[14] Zur Unterscheidung von Gesetz und Evangelium bei Luther: „Denn dis ist die höchste kunst jnn der Christenheit, die wir wissen sollen, und wo man auch die nicht weis, so kanstu nicht grundlich gewis werden, welcher ein Christ vor einem Heiden oder Juden sey“ (WA 36, 9, 28-31).
- Quote paper
- Tobias Urban (Author), 2007, Hat Luther Paulus missverstanden? Über Luthers Begriff der Gewissheit und ihre Subjektivitätsproblematik in Hinblick auf Paulus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85933
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