Von Beginn der Rezeptionsgeschichte an ist nahezu jedes resümierende Urteil über Fouqués umfangreiches Werk ambivalent […]. In den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gehört Fouqué zu den beliebtesten (Unterhaltungs-)Schriftstellern; mit der ›Undine‹, dem ›Zauberring‹ und dem ›Held des Nordens‹ macht er das poetische und das politische Programm der Romantik in literarischer Hinsicht populär.
Doch besonders mit der zuerst genannten Erzählung „Undine“ (1811) machte sich Friedrich de la Motte Fouqué (1777-1843) seinen Namen in der Literatur-geschichte. Bis heute gilt er in erster Linie als Autor dieses einen Werkes, denn „die Geschichte von dem unschuldigen Wassermädchen und ihrem treulosen Geliebten wirkt auf uns in unverminderter Frische und Schönheit.“ Was macht diese Erzählung aber aus, dass sie einen solchen Reiz auf die Leser damaliger und auch heutiger Zeit auszuüben vermag? Vor allem, da der Stoff der Geschichte sogar noch aus dem 16. Jahrhundert von dem Naturwissenschaftler Paracelsus stammt. Es stellen sich daher die Fragen, was dieses Undine-Motiv so außergewöhnlich macht und welche Aspekte der Vorlage Fouqué für seinen Text übernommen hat. Darüber hinaus bietet sich eine genaue Charakterisierung der Hauptfigur Undine an, deren Verhalten bereits zu Beginn der Geschichte eine faszinierende Andersartigkeit ausweist. Höhepunkt der Erzählung stellt dann allerdings die folgenreiche Beseelung des geheimnisvollen Elementargeistes dar. Interessant ist in diesem Zusammenhang nicht nur der drastische Charakterumschwung Undines, sondern auch ihre bewusste Abkehr von ihren geisterhaften Verwandten und ihrem heimischen Element dem Wasser. Weitere Spannung erhält der Text wiederum durch eine Dreieckskonstellation: Undine, immer noch teilweise eine Wasserfrau, trifft auf die menschliche Bertalda, die ebenfalls um die Liebe des Ritters Huldbrand kämpft – und am Ende siegt. Wie Pfeiffer in diesem Zusammenhang bestätigt:
Von vornherein können wir uns einer trüben Ahnung nicht erwehren, daß das Ende kein glückliches sein werde, und stets wird diese Ahnung in geschickter Weise bei uns rege gehalten durch die mannigfachen Erscheinungen aus der Welt der Elementargeister.
Deren Gesetzte sind es auch, die Undine letztlich in ihr Element zurückkehren lassen und sie zwingen, ihren Geliebten für seinen Treuebruch mit dem Tod zu bestrafen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung in die Thematik
2. Paracelsus als Inspiration für Fouqués Undine
2.1 Die Vorlage: Paracelsus & seine Elementargeister
2.2 Gemeinsamkeiten zu Fouqué
3. Undine – die geisterhafte Wasserfrau
3.1 Irgendetwas ist anders
3.2 Undine bekommt eine Seele
4. Gefangen zwischen zwei Welten
4.1 Abkehr von den Elementargeistern
4.2 Dreiecksbeziehung – Wassernixe gegen Menschenfrau
4.3 Endgültige Niederlage – Undine kehrt in ihr Element zurück
5. Fazit
Bibliographie
Werke:
Kritische Literatur:
Internetseiten:
1. Einführung in die Thematik
Von Beginn der Rezeptionsgeschichte an ist nahezu jedes resümierende Urteil über Fouqués umfangreiches Werk ambivalent […]. In den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gehört Fouqué zu den beliebtesten (Unterhaltungs-)Schriftstellern; mit der ›Undine‹, dem ›Zauberring‹ und dem ›Held des Nordens‹ macht er das poetische und das politische Programm der Romantik in literarischer Hinsicht populär.[1]
Doch besonders mit der zuerst genannten Erzählung „Undine“ (1811) machte sich Friedrich de la Motte Fouqué (1777-1843) seinen Namen in der Literaturgeschichte. Bis heute gilt er in erster Linie als Autor dieses einen Werkes, denn „die Geschichte von dem unschuldigen Wassermädchen und ihrem treulosen Geliebten wirkt auf uns in unverminderter Frische und Schönheit.“[2] Was macht diese Erzählung aber aus, dass sie einen solchen Reiz auf die Leser damaliger und auch heutiger Zeit auszuüben vermag? Vor allem, da der Stoff der Geschichte sogar noch aus dem 16. Jahrhundert von dem Naturwissenschaftler Paracelsus stammt. Es stellen sich daher die Fragen, was dieses Undine-Motiv so außergewöhnlich macht und welche Aspekte der Vorlage Fouqué für seinen Text übernommen hat. Darüber hinaus bietet sich eine genaue Charakterisierung der Hauptfigur Undine an, deren Verhalten bereits zu Beginn der Geschichte eine faszinierende Andersartigkeit ausweist. Höhepunkt der Erzählung stellt dann allerdings die folgenreiche Beseelung des geheimnisvollen Elementargeistes dar. Interessant ist in diesem Zusammenhang nicht nur der drastische Charakterumschwung Undines, sondern auch ihre bewusste Abkehr von ihren geisterhaften Verwandten und ihrem heimischen Element dem Wasser. Weitere Spannung erhält der Text wiederum durch eine Dreieckskonstellation: Undine, immer noch teilweise eine Wasserfrau, trifft auf die menschliche Bertalda, die ebenfalls um die Liebe des Ritters Huldbrand kämpft – und am Ende siegt. Wie Pfeiffer in diesem Zusammenhang bestätigt:
Von vornherein können wir uns einer trüben Ahnung nicht erwehren, daß das Ende kein glückliches sein werde, und stets wird diese Ahnung in geschickter Weise bei uns rege gehalten durch die mannigfachen Erscheinungen aus der Welt der Elementargeister.[3]
Deren Gesetzte sind es auch, die Undine letztlich in ihr Element zurückkehren lassen und sie zwingen, ihren Geliebten für seinen Treuebruch mit dem Tod zu bestrafen.
2. Paracelsus als Inspiration für Fouqués Undine
2.1 Die Vorlage: Paracelsus & seine Elementargeister
Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493-1541), der sich selbst den Namen Paracelsus gab, war seinerzeit ein bedeutender Arzt, Alchemist, Mystiker, Laientheologe und Philosoph, dessen Wissen und Wirken als sehr umfassend angesehen wurde.[4] Seine besondere Aufmerksamkeit galt jedoch der Naturwissenschaft, worin er „eine von Gott gesetzte Aufgabe“[5] sah. Für ihn zeigte sich das göttliche Wirken nämlich überall in der lebendigen, unergründlichen Natur, und daher sollte vor allem auch die Wissenschaft der Medizin seiner Meinung nach „auf Natur- und Gotterkenntnis […] fußen.“[6]
Von seinen zahlreichen naturwissenschaftlichen Abhandlungen hat jedoch vor allem ein Text mit dem Titel „Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de caeteris spiritibus“ (1581) nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Er gilt nicht nur als das meist rezipierte Werk von Paracelsus und wurde von Autoren wie Shakespeare, Grimmelshausen, Goethe, Eichendorff, Heine, Mörike und Bachmann als Inspiration genutzt[7], sondern stellt auch ohne Frage die bedeutendste Quelle für Fouqués Erzählung „Undine“ dar. Paracelsus behauptet hierin nämlich die Existenz vier verschiedener Arten von Elementargeistern: „die Wasserleute –undenae, die Bergleute –gnomi, die Luftleute –sylvestres und die Feuerleute –vulcani oder salamandri“[8]. Diese Wesen sind allerdings keineswegs reine Geister, sondern verkörpern darüber hinaus scheinbar auch ein Abbild des Menschen. Sie gehören einer vermittelnden Gattung an: „Von den Menschen unterscheidet sie ihre Seelenlosigkeit, von den Geistern die Sterblichkeit.“[9] Mit dieser seinerzeit gewagten These wendet sich Paracelsus „gegen den Dämonenglauben des Mittelalters, gegen die Ausgrenzung bestimmter Phänomene als heidnisch und böse, indem er sie in sein Verständnis von Natur hinein nimmt.“[10] Er verortet den Lebensraum der geisterhaften Erscheinungen nicht direkt in der Welt der Menschen, sondern in den Elementen Wasser, Erde, Luft und Feuer, schafft ihnen somit „einen eigenen Platz in der christlichen Weltordnung.“[11]
Einen besonderen Status unter den Elementargeistern nehmen allerdings die Wasserleute, die Undinen ein. Ihr Name leitet sich von dem lateinischen Wort „unda“ ab, was soviel wie Welle bedeutet und bereits auf das Element Wasser als ihren Lebensraum verweist. Darüber hinaus sind sie laut Paracelsus „die einzigen, die von Menschengestalt sind und diese Form auch halten und zu gleichen Teilen Mann und Frau sind“[12]. Allerdings ist in der Literaturgeschichte meist von Wasser frauen die Rede, da das weibliche Geschlecht aufgrund einer weit verbreiteten Dichotomie eher der Natur zugeordnet wird, während das männliche vor allem die Kultur verkörpert. Bereits bei Paracelsus lässt sich diese Aufteilung erkennen, denn auch er geht eher davon aus, dass sich ein menschlicher, beseelter Mann einer seelenlosen Nixe zuwendet, als andersherum. Zentraler Zweck einer solchen Verbindung ist die Seelenvergabe, die als „Ausdruck für die Zivilisierung“[13] der Elementargeister gesehen werden kann. Denn „damit der Mensch zum Seelenvermittler aufsteigen konnte, musste die Geisterwelt abgewertet werden.“[14] Die Undinen gelten als seelenlose Wesen, die nur durch Heirat mit einem Menschen von ihrer geistigen Sterblichkeit erlöst werden können. Dieses Streben allein erklärt ihre ständige Kontaktaufnahme zum Menschen. Doch „die männliche Macht, dem Naturwesen Frau eine unsterbliche Seele einzuhauchen, hat ihren Preis: die Verbindung muss monogam und bis ans Lebensende sein.“[15] Das vor Gott geschlossene Ehebündnis stellt somit für beide Seiten das zentrale, verpflichtende Element dar: Ohne die Heirat mit einem menschlichen Mann bleibt die Undine zur ewigen Seelenlosigkeit verdammt, beim Bruch des ehelichen Treueschwurs erwartet allerdings beide Beteiligten der Tod bzw. der Austritt aus der menschlichen Welt.
2.2 Gemeinsamkeiten zu Fouqué
Paracelsus’ Abhandlung vermittelt also bereits ein relativ detailliertes Bild der mysteriösen Elementargeister und ihrer durchaus schicksalhaften Beziehung zum Menschen. Fouqué nimmt in seiner Erzählung „Undine“ nun – fast ein Vierteljahrhundert später – viele Aspekte dieser Vorgabe auf und entwirft eine literarische Handlung, die den naturwissenschaftlichen Überlegungen aus dem Text „Liber de nymphis“ Rechnung trägt.
In beiden die Verbindung des Sterblichen mit einem überirdischen Wesen, in beiden die hohe Strafe, welche auf dem Treubruch steht […] und schließlich die Verführung, welcher der Held nicht widerstehen kann und durch welche die Katastrophe eingeleitet wird.[16]
Doch nicht nur in der groben Struktur lässt sich Fouqué von Paracelsus inspirieren, auch das zentrale Element der Seelenübergabe durch eine christliche Eheschließung verwendet er, obwohl sie ursprünglich, in anderen literarischen Bearbeitungen, nicht zur Stoffgruppe gehört[17]. Bei ihm wird dieses Moment vielmehr sogar zum unersetzlichen Katalysator der Handlung und dient letztlich als Auslöser der abschließenden Katastrophe, wie zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer erläutert werden wird. Darüber hinaus entspricht auch die Figur der Wasserfrau genau den paracelsischen Vorstellungen. Ihre unbeschreibliche Schönheit und unergründliche Natürlichkeit greift Fouqué hierbei ebenso auf, wie „auch die von Paracelsus der Melusine zugeschriebenen Ambivalenzen […], wenn er Undine aus der Optik des Ritters als ein sowohl liebenswertes wie auch grauenerregendes Geschöpf erscheinen läßt.“[18] Betrachtet man die Erzählung im Gesamten, bestätigt sich daher, „daß Beziehungen zu Paracelsus vielfach nachzuweisen sind, daß vor allem die Grundidee der Dichtung wohl aus ihm entnommen sein dürfte.“[19]
Dennoch nimmt Fouqué auch einige Änderungen des Stoffes vor, die sich zum Teil allein schon aus der neuartigen, weil „literarisch-märchenhafte[n] Bearbeitung des Undine-Motivs“[20] ergeben. So steht der Name Undine hier nicht nur, wie bei Paracelsus, stellvertretend für eine ganze Gattung von Elementargeistern, sondern bezeichnet in erster Linie die weibliche Hauptfigur der Erzählung selbst. Wobei diese Wasserfrau vom Autor zusätzlich noch
zu einer Art märchenhafter Königstochter gemacht [wird], deren Vater ein mächtiger Wasserfürst im Mittelländischen Meere ist. Er wünscht, daß seine Tochter einer Seele teilhaftig werde, und dies kann sie nur durch Verbindung mit einem sterblichen Menschen.[21]
Die Figur der Undine gewinnt somit bei Fouqué sowohl eine eigene ausdifferenzierte Persönlichkeit, als auch ein familiäres Umfeld, das die Erzählung um grundlegende Elemente erweitert. Unterstützt wird dieser Handlungsstrang zudem noch durch die Schaffung einer neuen Figur, „nämlich die des Kühleborn. Der Oheim Undinens, der aber in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu ihr steht, repräsentiert die Welt der Elementargeister und deren Einfluss auf die Menschheit.“[22] Dieser erneute Bezug auf die paracelsische Vorlage lässt sich nicht nur innerhalb der Handlungsebene erklären, sondern resultiert ebenso aus der Zeit, in der die Erzählung verfasst wurde. Denn
mit der Romantik belebt sich das Interesse für die Elementargeistervorstellungen. Die wiedererwachende Sehnsucht nach dem Phantastischen sieht in den Elementargeistern diejenigen, die die (von der Naturwissenschaft für tot erklärte) Natur wieder beleben, sie verzaubern und mysteriös erscheinen lassen.[23]
[...]
[1] Stockinger, Das dramatische Werk, S. 5.
[2] Pfeiffer, Über Fouqués Undine, S. 1.
[3] Ebd., S. 35.
[4] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Paracelsus.
[5] Trüpel-Rüdel, Undine – eine motivgeschichtliche Untersuchung, S. 45.
[6] Http://de.wikipedia.org/wiki/Paracelsus.
[7] Vgl. Stauffer, Undines Sehnsucht, S. 52.
[8] Trüpel-Rüdel, Undine – eine motivgeschichtliche Untersuchung, S. 46.
[9] Roth, Hydropsie des Imaginären, S. 73.
[10] Trüpel-Rüdel, Undine – eine motivgeschichtliche Untersuchung, S. 42/43.
[11] Stauffer, Undines Sehnsucht, S. 55.
[12] Trüpel-Rüdel, Undine – eine motivgeschichtliche Untersuchung, S. 46.
[13] Ebd., S. 48.
[14] Stauffer, Undines Sehnsucht, S. 64.
[15] Roth, Hydropsie des Imaginären, S. 76.
[16] Pfeiffer, Über Fouqués Undine, S. 12.
[17] Vgl. El Nawab, Ingeborg Bachmanns „Undine geht“, S. 27.
[18] Roth, Hydropsie des Imaginären, S. 99.
[19] Pfeiffer, Über Fouqués Undine, S. 28/29.
[20] Trüpel-Rüdel, Undine – eine motivgeschichtliche Untersuchung, S. 63.
[21] Pfeiffer, Über Fouqués Undine, S. 26.
[22] Pfeiffer, Über Fouqués Undine, S. 34.
[23] Trüpel-Rüdel, Undine – eine motivgeschichtliche Untersuchung, S. 53.
- Arbeit zitieren
- Janine Gruschwitz (Autor:in), 2006, Fouqués "Undine" - Mysteriöse, beseelte Wasserfrau gefangen zwischen zwei Welten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85854
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