1. Einleitung
Die politikwissenschaftliche Konstruktivismustheorie geht dabei auf eine Ableitung soziologischer und kulturwissenschaftlicher Aspekte zurück, die ihren Ursprung Ende der 60er Jahre des 20.Jahrhunderts hat. Erste theoretische Relevanz dieses neugeprägten Ansatzes erlangte dabei der Aufsatz von Harald Müller in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZIB) von 1994. Der Ansatz förderte neugeschaffene Denkweisen im Hinblick auf das Verhältnis sozialer Handlungen und Strukturen unter intensivierter Berücksichtigung von Ideen und Interessen sowie der Einbeziehung kultureller Gesichtspunkte in Form von normativen Festlegungen. Mit dieser Arbeit soll versucht werden, diese Theorieentwicklung in Anwendung auf einen realhistorischen Kontext, den Ost-West-Konflikt zu beziehen. Mit dieser Hausarbeit soll versucht werden, anhand der theoretischen Überlegungen konstruktivistischer Perspektiven, eine Erklärung für das Ende des Ost-West-Konflikts mit epistemologischen Aussagen zu ermöglichen. Weitere Überlegungen gelten der problematischen Reflexion und dem künftigen Stellenwert konstruktivistischer Konzepte mit dem Versuch der Skizzierung von relevanten internationalen Betrachtungen.
Inhalt
1. Einleitung
2. theoretische Sichtweise des Konstruktivismus
2.1 entwicklungstheoretischer Ursprung – Theorie des kommunikativen Handelns
2.2 substanzielle Idee des Konstruktivismus und zentrale Aussagen
2.3 Die Gesamtheit der konstruktivistischen Analysen
2.3.1 Der Staatskonstruktivismus
2.3.2 Der Sozialkonstruktivismus
2.3.3 reflexiver Konstruktivismus
3. Konstruktivistische Analyse des Ost-West-Konflikts
3.1 historischer Abriss des Ost-West-Konflikts
3.2 konstruktivistische Betrachtung des Ost-West-Konflikts
3.2.1 Die Feinbilddarstellung und deren Wandel in der 13 Bundesrepublik Deutschland
3.2.2 Die Feindbilddarstellung und deren Wandel in den 14 Vereinigten Staaten von Amerika
3.3 Perspektiven nach der Beendigung des Ost-West-Konflikts
4. Konfrontationslinien, Probleme und Zukunftsaussichten der konstruktivistischen Perspektive
4.1 Abgrenzung zu den Großtheorien in den internationalen 17 Beziehungen
4.2 Probleme des konstruktivistischen Konzepts
4.3 Zukünftige Sichtweise – Bestand oder Untergang des 19 konstruktivistischen Ansatzes durch fehlende Übereinkunft bei der Benennung des Integrationsbegriffes?
5. Fazit
6. Anhang
6.1 Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Die Gedanken und Vorstellungen zu internationalen Beziehungen beruhen auf einem historischen Rückgriff auf die Zeit gegen Ende des 18.Jahrhunderts. Jeremy Bentham gilt hierbei als Begründer des Terminus „international relations“, der entscheidend das heutige Ausmaß und die Tragweite neuerer Analysen und Sichtweisen zu den internationalen Beziehungen beeinflusste und zur Generierung beziehungsweise Bestimmung politischer Außenverhältnisse beiträgt. Der heutige Begriff definiert das Verhältnis von Gruppen, die der lokalen Trennung unterliegen und in einem bestimmten, klar zu trennenden Konzept unabhängig voneinander sind. Die Bestimmung des Terminus stellt dabei den Bezug zu den Nationalstaaten, beziehungsweise staatlich begründeten Gesellschaften dar, die in einer bestimmten Relation zueinander stehen. Neben dem Verhältnis staatlicher Institutionen und deren Relevanz untereinander umfasst der Begriff auch die gesellschaftlich geprägte Arena und deren Akteure.[1] Dabei kann die Welt nicht als Postulat aus homogenen Interessen betrachtet werden; es bedarf vielmehr kooperativer Maßnahmen und Strukturen, da sich die Welt nicht als einheitliches Gebilde darstellt. Dies bildet auch den Ausgangspunkt für die diskursförmige Auseinadersetzung und wurzelt in der wissenschaftlichen Begründung und Erklärung der internationalen Strukturen aus verschiedenen Blickwickeln und Argumentationssträngen. Dabei geht es um Festlegungen bestimmender Akteure, sowie die Klärung von Interessen und Präferenzen, die die Bestimmung der Handlungsrahmen und der daraus abgeleiteten Entscheidungen zulässt.[2]. Die wissenschaftliche Betrachtung der internnationalen Beziehungen folgt dabei dem Anspruch einer kategorialen, theoretischen Differenzierung mit deskriptiven und erklärenden Ansätzen über die Regularien und Handlungsmuster, Prozesse und Strukturen aus einer Vielzahl von Perspektiven heraus. Infolgedessen wird den wissenschaftlichen Theoriekonstrukten die Aufgabe der Ordnung dieser von komplex geprägten Prozessen der Welt zuteil, die in ihrer umfassenden Darstellung die Grundlage für die wissenschaftlich-theoretischen Überlegungen sind. Theoriebildung ermöglicht die Herleitung einheitlicher- und sinnbestimmender Aussagen über den entsprechenden Gegenstand. Die theoretische Betrachtung internationaler Phänomene ist aber auch mit Problemen behaftet, da es keine konsensfähige Einigung über entsprechend real existierende internationale Sachverhalte gibt. Der Theoriebegriff lässt sich nach der Fragestellung beziehungsweise Zielvorgabe modifizieren, ohne die Verschiedenartigkeit von anthropologischen, methodischen und ethischen Verständnissen zu erfassen. Die genannten Großtheorien variieren dabei in Bezug auf den Seinszustand betreffend internationaler Milieus und Akteure.[3]. Neben diesen Großtheorien kam es gegen Ende der 80er Jahre des 20.Jahrhunderts zur Schaffung einer neuen Forschungsperspektive in den internationalen Beziehungen, dem Konstruktivismus. Die politikwissenschaftliche Konstruktivismustheorie geht dabei auf eine Ableitung soziologischer und kulturwissenschaftlicher Aspekte zurück, die ihren Ursprung Ende der 60er Jahre des 20.Jahrhunderts hat. Erste theoretische Relevanz dieses neugeprägten Ansatzes erlangte dabei der Aufsatz von Harald Müller in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZIB) von 1994. Der Ansatz förderte neugeschaffene Denkweisen im Hinblick auf das Verhältnis sozialer Handlungen und Strukturen unter intensivierter Berücksichtigung von Ideen und Interessen sowie der Einbeziehung kultureller Gesichtspunkte in Form von normativen Festlegungen.[4] Mit dieser Arbeit soll versucht werden, diese Theorieentwicklung in Anwendung auf einen realhistorischen Kontext, den Ost-West-Konflikt zu beziehen. Mit dieser Hausarbeit soll versucht werden, anhand der theoretischen Überlegungen konstruktivistischer Perspektiven, eine Erklärung für das Ende des Ost-West-Konflikts mit epistemologischen Aussagen zu ermöglichen. Weitere Überlegungen gelten der problematischen Reflexion und dem künftigen Stellenwert konstruktivistischer Konzepte mit dem Versuch der Skizzierung von relevanten internationalen Betrachtungen.
2. theoretische Sichtweise des Konstruktivismus
2.1 entwicklungstheoretischer Ursprung – Theorie des kommunikativen Handelns
Den Ursprung für die konstruktivistische Betrachtung internationaler Beziehungen bildet der Aufsatz des deutschen Politologen Prof. Dr. Harald Müller. Seine Ausführungen zur politikwissenschaftlichen Betrachtung von Konstruktivismus erschienen 1994 in der ersten Ausgabe der Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZIB) unter dem Titel „Internationale Beziehungen als kommunikatives Handeln – zur Kritik der utilitaristischen Handlungstheorien“. Seine wissenschaftliche Abhandlung gilt der Kritik der utilitaristischen Theoriekonstrukte. Müller legt dabei sein Hauptaugenmerk auf die Herstellung einer geeigneten Verbindung zwischen theoretischer und realexistierender Kooperation und den Bedingungen anarchischer Sachverhalte durch den Bezug auf die Habermasche Theorie des kommunikativen Handelns. Die Herstellung einer geeigneten Verbindung erfolgt dabei durch die Einbeziehung handlungstrategischer Aspekte mit gleichzeitigem Blick auf die Integration sprachlicher Aspekte mit dem Ziel der gegenseitigen Akzeptanz der Kooperationspartner.[5] Laut Annahmen von Müller beschränkt sich der Geltungsbereich utilitaristischer Ansätze auf die Rational-Choice-Sichtweise, das heißt, die bisherigen Perspektiven beschränken ihre Annahmen auf die Begründung rationaler Aspekte, wobei eindeutig die Kosten-Nutzen Maximierung im Vordergrund der staatlichen Bemühungen stehen. Müller ist demzufolge in seinen kritischen Ausführungen zu rational-choice Ansätzen skeptisch, es wird deutlich, dass die Kooperation ohne geeignete Faktoren mit entsprechender Motivation keine Zusammenarbeit zulässt.[6]
Folglich sind die Auffassungen der Institutionalisten aus Müllers Sicht nicht als gültiges Schema für eine Außenpolitikcharakterisierung gebräuchlich.
Ähnlich verhält sich dies bei den theoretischen Bestrebungen der Realisten, die für Müller ein Postulat normierter Vorstellungen darstellen, um eine Bestimmung der Kooperation vornehmen zu können. Demzufolge lassen sich keine präzisen Angaben über die Verteilung von Gewinnen und machtpolitischen Folgen für die jeweiligen Akteure im internationalen Rahmen treffen.
Alternativ zu dieser kritischen Betrachtung der bereits existierenden Theorien von Institutionalismus und Realismus begründet er im dritten Teil seine eigene Position zur Kategorisierung der internationalen Beziehungen. Müllers Ansicht nach gilt die Sprache in ihrer theoretischen Betrachtung als bisher zu weit unterschätztes Faktum. „In beiden Varianten gewinnt Sprache kein theoretisches Gewicht, sie bleibt dem spieltheoretischen Modell äußerlich“, so Müller in seinem Aufsatz Internationale Beziehungen als kommunikatives Handeln.[7]
Diese Erkenntnis stützt sich dabei auf die Theorie von Jürgen Habermas zum kommunikativen Handeln, in dem Harald Müller eine Einbettung in die Gesamtanalyse mit strategischen Aktionen in den internationaler Beziehungen für unabdingbar hält. Folglich inkludiert Müller auch Jürgen Habermas zweiten Handlungsbegriff in sein Modell des Konstruktivismus: das verständigungsorientierte Handeln mit ein. Dies folgt der Idee der gegenseitigen Akzeptanz unter Berücksichtigung der Sprache als Argumentationsgrundlage. Aufgrund dieser Annahmen lässt sich ein gemeinsames, homogen konstruiertes Handlungskonzept konstituieren. Müllers Ausführungen zu folge bedarf das konstruktivistische Handeln mehrerer Grundlagen: zum einen die Annerkennung der involvierten Akteure, des weiteren die Gleichberechtigung der Teilnehmer in der geschaffenen Verbindung. Eine dritte Voraussetzung bildet das Einfühlungsvermögen, das heißt, die Partner müssen die Bereitschaft für eine etwaige Veränderung in diesem Gefüge besitzen, zum Beispiel in Form eines Positionswechsels.[8] Diese aufgeführten Anforderungen bedürfen einer hinreichenden Vertrauensbasis für die Gewinnung effektiver Ergebnisse. Müller argumentiert dabei im 3. Kapitel Die handlungstheoretische Alternative aus einer nicht empirisch belegbaren Sicht, um die Rechtfertigung der konstruktivistischen Perspektive gegenüber utilitaristischer Ansätze abzugrenzen. Dies wird unter anderem an seinem Argumentationsstrang klar, in dem er alleine das Vorhandensein der Kenntnisse über Handlungsmodus und Verständigungshandeln als Grundlage für die Existenz und die Vorteile gegenüber utilitaristischer Perspektiven anführt.[9]
Kapitel 4 widmet sich der Überprüfbarkeit und dem Nachvollzug Müllers Hypothesen an entsprechend ausgewählten Darstellungen.
2.2 substanzielle Idee des Konstruktivismus und zentrale Aussagen
Der Konstruktivismus gilt in den internationalen Beziehungen als postmoderne Perspektive, mit dem Anliegen, die gesellschaftlichen Konstrukte unter Berücksichtigung sprachlicher, begrifflicher und symbolischer Inhalte zu einer gesellschaftlichen Wirklichkeit zusammenzufassen, das heißt zu konstruieren.[10]
Grundlegende Idee dieser Theorie bilden dabei drei zentral orientierte Anliegen: zum einen das Wechselspiel zwischen Kollektiv und sozialen Vorgaben, zum zweiten die Konzentration auf den Terminus der „Ideen“, welcher zusammen mit der sozialen Realität für die Interessenlage bestimmend ist. Als letzte Charakteristika der konstruktivistischen Theorie gilt die Bemessung und Inklusion kultureller Eigenarten und den damit verbundenen normativen Regularien. Der Stellenwert kultureller Aspekte weist bei Vertretern dieser Ansicht einen hohen Grad an Berücksichtigung auf, da sie der Auffassung sind, dass normative Faktoren nicht nur regulative Merkmale besitzen, sondern stattdessen auch konstitutive, das heißt, generierende Funktionen besitzen.[11] Der Konstruktivismus definiert sich durch soziologisch orientierte Faktoren. Sie bieten die grundlegende Einheit für die Generierung und Rechtfertigung von Handlungen Alexander Wendts Vorstellung gilt neben der von Harald Müller inspirierten ZIB-Debatte als Ausgangspunkt für die konstruktivistische Perspektive zu Beginn der 90er Jahre des 20.Jahrhunderts. In seiner Abhandlung The Social Construction of Power Politics von 1992 beschreibt er den Konstruktivismus wie folgt: „[…] to build a bridge between these two traditions (and, by extension, between the realist-liberal and rationalist – reflectivist debates) by developing a constructitvist argument […] .“[12] Wendts Ausführungen in seinen Darstellungen The Social Construction of Power Politics definieren die Welt als ein denaturalisiertes Sozialgebilde, ohne nationale oder materiell orientierte Interessen. Die Genierung von Wirklichkeitsdarstellungen erfolgt dabei nur durch soziale Phänomene, das heißt, Sinnkonstruktionen und Ideen. „Constructivism is the view that the manner in which the material world shapes and is shaped by human action and interaction depends on dynamic normative and epistemic interpretations of the material world. […] The identities, interests and behaviour of political agents are constructed by collective meanings, interpretations and assumptions about the world.”[13]
[...]
[1] Vgl. Krell, Gert: Weltbilder und Weltordnung, S.27
[2] Vgl. Ebd., S.28
[3] Vgl. Woyke, Wichard: Handwörterbuch der Internationalen Politik, S.456-458
[4] Vgl. Rittberger, Volker/ Zangl; Bernhard: latente Organisation, Politik und Geschichte europäischer und internationaler Zusammenschlüsse, S.78-79
[5] Vgl. Müller, Harald: Internationale Beziehungen als kommunikatives Handeln, S.15
[6] Vgl. Ebd., S.16-19
[7] Vgl. Ebd., S.25
[8] Vgl. Ebd., S.26-27
[9] Vgl. Ebd., S.28
[10] Vgl. Woyke, Wichard: Handbuch der Internationalen Politik, S.455-456
[11] Vgl. Rittberger, Zangl: latente Organisation: Politik und Geschichte, europäische und internationale Zusammenschlüsse, S.78-79
[12] Wendt, Alexander: Anarchy What States Make of it: The Social Construction of Power Politics, in: De Peria, James: International Theory-Critical Investigations, S.132
[13] Wendt, Alexander: Social theory of international politics, S.133
- Arbeit zitieren
- Marvin Just (Autor:in), 2007, Eine konstruktivistische Bestandsaufnahme und Analyse über die Beendigung des Ost-West-Konflikts , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85789