Der „Verlust der Männlichkeit“ hat in den Vierziger Jahren seinen Anfang, in denen die Frauen gezwungen waren die Arbeitsplätze der Männer zu übernehmen. Die Film Noirs dieser Zeit spiegeln die Kulturkritik jener Tage wieder. Einer der Filme, der die Krise der Männlichkeit, ausgelöst durch eine unabhängige Frau, sehr deutlich darstellt ist Jacques Tourneurs Out of the Past, zu deutsch „Goldenes Gift“, aus dem Jahre 1947.In der Filmanalyse wird vor allem auf die Charakterisierung der Figuren und ihr Verhältnis zueinander eingegangen. Ebenso wird die Wirkung der Settings, der Beleuchtung und der Inszenierung beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Männlichkeit in der Krise: Out of the Past
2.1 Die amerikanische Gesellschaft der 40er Jahre
2.2 Transgression der Männlichkeit
2.2.1 Vom “hard-boiled“- privat eye zum Loser Hero
2.2.2 Idealisierung Kittys
2.2.3 Schlüsselszene: Bruch des „Männlichkeitsvertrages“
2.2.4 Vernachlässigung des Berufes
2.3 Die Femme Fatale
2.3.1 Kitty als bad girl
2.3.2 Schlüsselszene: Kitty beseitigt Fisher
2.3.3 Licht und Schatten
2.4 Figurenkonstellation
2.4.1 Jeff und Fred
2.4.2 Kitty und Ann
3 Auswertung
4 Literaturverzeichnis
1 Vorwort
In der modernen Gesellschaft dieses und des letzten Jahrhunderts stellt sich seit Jahrzehnten die Frage nach der Rolleneinteilung der Geschlechter. Sowohl der Mann, als auch die Frau stehen in einer währenden Identitätskrise auf der Suche nach Selbstdefinition. In der Zeit der Emanzipation wurde die Dominanz des Mannes, im Sinne der Dominanz des alleinigen Ernährers, dem einzig die Karriere im Beruf vorbehalten bleibt, gedrückt. Doch heute stellt sich im Zuge der Gleichberichtigung oft die Frage nach dem starken Geschlecht oder der Männlichkeit in unserer Zeit. Es herrscht Verunsicherung im Bezug auf das eigene Geschlecht und sowohl auf die Verantwortung als auch auf die Erwartungen, die gesellschaftlich gestellt werden. Die Rolleneinteilung ist nicht mehr klar definiert. Dagegen entsteht eine Vermischung, die Identifikationsprobleme und soziale Mythen aufwirft.
Der „Verlust der Männlichkeit“ hat so gesehen in den Vierziger Jahren seinen Anfang, in denen die Frauen gezwungen waren die Arbeitsplätze der Männer zu übernehmen. Die Film Noirs dieser Zeit spiegeln genau die Kulturkritik jener Tage wieder. Einer der Filme, der die Krise der Männlichkeit, ausgelöst durch eine unabhängige Frau, sehr deutlich darstellt ist Jacques Tourneurs Out of the Past, zu deutsch „Goldenes Gift“, aus dem Jahre 1947. Die Vorlage von Daniel Mainwaring, der besser bekannt ist unter dem Namen Geoffrey Homes, lautet im Orginal „Build my gallows high“.
In der folgenden Filmanalyse wird vor allem auf die Persönlichkeit der Figuren und ihr Verhältnis zueinander eingegangen. Ebenso wird auf die Wirkung der Settings, der Beleuchtung und der Inszenierung geachtet.
Der Lesefreundlichkeit wegen werden die Beschreibungen der Situationen in der Inszenierung aus der Sicht der Figuren und nicht aus der der Schauspieler wiedergegeben.
Bei einer Filmanalyse ist es anfangs notwendig dem gesellschaftlichen Rahmen, in dem der Film entstanden ist, die nötige Aufmerksamkeit zu widmen.
2 Männlichkeit in der Krise: Out of the Past
2.1 Die amerikanische Gesellschaft der 40er Jahre
Der Film Noir umfasst speziell den Zeitraum von 1941 bis 1958.
Besonders die politische und soziale Situation des zweiten Weltkrieges und der Jahre unmittelbar danach prägten die Gesellschaft. Nicht nur im Amerika der Nachkriegszeit herrschte Verunsicherung und die Angst vor dem kalten Krieg, sondern auch weltweit hinterließen die Schrecken und Horrorszenarien des Weltkrieges ihre traumatisierenden Folgen in den Köpfen der Menschen.
Im Folgenden wird vor allem auf die amerikanische Gesellschaft dieser Zeit und die Folgen, die der Krieg auf eine ganze Generation hatte, eingegangen.
Während des zweiten Weltkrieges, als 16 Millionen amerikanische Männer in die Armee gerufen wurden, waren die Frauen gezwungen ihre Arbeitsplätze zu übernehmen. So wurden aus den meisten Hausfrauen Arbeiterinnen, die die leer gewordenen Plätze der Männer vor allem in der Industrie füllten, da das Rüstungsgeschäft zu Kriegszeiten boomte. Sie gewöhnten sich im Laufe der Jahre an die Doppelbelastung und gingen in ihrer Rolle als „Familienväter“ sichtlich auf. Als der Krieg 1945 sein Ende fand und die Männer nach Hause zurückkehrten, sollten die Frauen aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit ihre Plätze im Berufsleben wieder räumen und zurückkehren zu ihrer Stellung als Bewacherin von Familie und Haushalt.
Doch die Frauen wollten nur ungern ihre neu erworbene Freiheit über finanzielle Mittel wieder aufgeben und sich zurück in die Abhängigkeit ihrer Männer begeben. Die Damen, die die Dominanz ihrer Männer essenziell durch ihre Unabhängigkeit, ihre Willenskraft und ihre Selbstsicherheit gefährdeten, bildeten das Vorbild der Figur der femme fatale des Film Noirs. Sie stellt die personifizierte Angst der Männer vor der wechselnden Rolle der Frau in der Nachkriegszeit dar. Sie verkörpert die „male fantasy“[1] der destruktiven Frau, die in den Köpfen der Männer mit der zunehmenden Angst um ihren Stellenwert in Beruf und Familie gewachsen ist.
Im Film Noir wird die kulturelle Wahrheit der Gesellschaft der Nachkriegszeit ausgedrückt und in der Darstellung der Frauenfiguren wie Kitty Moffat in Out of the Past an die Spitze getrieben.
Nachfolgend werden die Charaktere der beiden Hauptfiguren vorgestellt und ihr Verhältnis von Frau und Mann an diesem Hintergrund aufgezeigt.
2.2 Transgression der Männlichkeit
2.2.1 Vom “hard-boiled“- privat eye zum Loser Hero
Robert Mitchum verkörpert in Out of the Past in der Rolle des Jeff Bailey den Protagonisten des Films. Im Verlauf der Story ist der Verfall Baileys von dem einst toughen Privatdetektiven zum Loser Hero auszumachen, nicht zuletzt verursacht durch die Verführung einer femme fatale. Dabei verliert Jeff seine Identität als harter, nüchterner Kerl, der einem berüchtigten Beruf nachgeht, der ihn zudem sozial an den Rand der Gesellschaft stellt. Als er Kitty, alias Jane Greer, kennenlernt und ihr verfällt, verfällt damit auch seine männliche Willensstärke und Kraft. Diesen Verlust versucht er aufzuarbeiten, indem er die Geschichte seiner traumatisierenden Vergangenheit in Form eines Geständnisses einige Zeit später seiner neuen Freundin Ann (Virginia Huston) erzählt. Doch die Vergangenheit holt ihn ein, als er Kitty ein zweites Mal vertraut und wieder hintergangen wird. So hat Jeff nie die Kontrolle über die fortlaufende Handlung, er wird durch Kittys Autorität passiv, desorientiert und läuft immer wieder in eine Falle.
Auch J.P. Telotte geht in seinem Aufsatz „Noir Narration“ genauer auf diese Thematik ein. Demnach akzeptiert Jeff, dass er von Kitty sowohl persönlich als auch in seinem Beruf, wie von einem Rahmen eingegrenzt wird. Er muss erst in eine Falle treten, um die Kontrolle über die Lage wiederzuerlangen und um sie gänzlich zu verstehen. So sagt er zu einem Freund, bevor er in eine Situation kommt, von der er genau weiß, dass es eine Falle ist:
I think I`m in a frame but all I can see is the frame. I`m going in there now to look at the picture.[2]
Anfangs hat Jeff als cooler Privatdetektiv immer einen schnellen Spruch auf den Lippen, doch wenn es scheint, als hätte er die Kontrolle über eine Situation erlangt, wird er wieder, meist von der femme fatale Kitty, hereingelegt. Doch dies kann nur geschehen, weil er ihr verfallen ist und sie in seiner blinden Liebe idealisiert.
2.2.2 Idealisierung Kittys
In der Beziehung, in der die beiden Protagonisten des Films Out of the Past zueinander stehen, kann durchaus von einer Idealisierung Kittys durch Jeff gesprochen werden. Diese wird vor allem in den Acapulcosequenzen, in denen Kitty und Jeff ihre geheime Liebesaffäre in Mexiko ausleben, deutlich. Jeff ist so geblendet von Kittys Charme und ihrer Schönheit, dass ihm nicht klar wird, wie sehr er sich ihr unterwirft und durch seinen passiven fetischistischen Blick auf sie sich selbst erniedrigt. So wird aus dem einst hartgesottenen Detektiv ein hoffnungslos romantischer Liebhaber, der sich von der dominanten Kitty dirigieren lässt.
Die Voice-over-Stimme Jeffs erzählt im Rückblick auf seine Zeit mit Kitty von einem Treffen am Strand:
And then she`d come along like school was out. And everything else was just a stone you sailed at the sea.[3]
Ebenso bestimmt stets Kitty den Ort und die Zeit des Treffens, während Jeff sich nie sicher ist, ob sie überhaupt auftaucht:
And every night i went to meet her. How did i know she`d ever show up? I didn`t. What stopped her from taking a boat to Chile or Guatemala? Nothing. How big a chump can you get to be? I was finding out.[4]
Hieran lässt sich auch gut erkennen, dass es für Jeff von großer Bedeutung ist, dass Kitty bei ihm bleibt. Er fürchtet den Verlust Kittys mehr, als die Rache Freds (Kirk Douglas spielt Kittys korrupten Mann), sollte er von ihrer Affäre erfahren. Jeff identifiziert sich nur noch über Kitty und leugnet seine eigene Identität als Privatdetektiv, dessen Aufgabe es eigentlich ist Kitty nach Hause zu Fred zu bringen. Auch Kitty ist später bewusst, dass Jeff sie idealisiert hat, als sie nach der Ermordung Freds auf dem Balkon zu ihm sagt:
I never told you i was anything but what i am. You just wanted to imagine i was. That`s why i left you.[5]
Jeffs Idealvorstellung von Kitty platzt erst abrupt, als er Zeuge ihrer rohen Gewalt wird, mit der sie seinen ehemaligen Kollegen Fisher eiskalt erschießt. In dieser Sequenz ist Jeff fassungslos und desillusioniert, was noch gesteigert wird, als er erkennen muss, dass Kitty ihn belogen hat und 40.000 $ von Fred gestohlen hat.
Der Held ist demnach schon seinem Ende nahe, wenn er anfängt der femme fatale zu vertrauen. Dies wird auch in einer der Schlüsselszenen des Films deutlich, auf die im Anschluss genauer eingegangen wird.
[...]
[1] Place, „Women in Film Noir.” In Kaplan, Women in Film Noir, S. 35.
[2] J.P. Telotte, “Noir Narration.“Voices in the Dark: The Narrative Patterns of Film Noir. S. 33.
[3] Frank Krutnik, In a lonely street. Film Noir, Genre, Masculinity. S. 107.
[4] Ebd., S. 103.
[5] Ebd., S. 103.
- Quote paper
- Eva Lindner (Author), 2005, Männlichkeit in der Krise in Jaques Tourneurs 'Out of the Past', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85682
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