Die vorliegende Arbeit behandelt das Thema Macht und Landesherrschaft, sowie den daraus resultierenden Herrschaftspflichten im Mittelalter. Diese sollen am Beispiel des Werks von Hartmann von Aues „Iwein“ verdeutlicht werden.
Unter anderem werden die Fragen beantwortet, wie Macht erlangt werden konnte und welche Rechte und Pflichten mit ihr einhergingen. Vorrausgehend soll eine Definition von Macht und Herrschaft stehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Machtbegriff
2.1 Machtausübung
3.Erlangen von Macht und Herrschaft
3.1 Durch Geburt
3.2 Durch Heirat
4. Präsentationsformen der Macht
5. Herrschaftsrechte
6. Herrschaftspflichten
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit behandelt das Thema Macht und Landesherrschaft, sowie den daraus resultierenden Herrschaftspflichten im Mittelalter. Diese sollen am Beispiel des Werks von Hartmann von Aue „Iwein“ verdeutlicht werden.
Unter anderem werden die Fragen beantwortet, wie Macht erlangt werden konnte und welche Rechte und Pflichten mit ihr einhergingen. Vorausgehend soll eine Definition von Macht und Herrschaft stehen.
Der Protagonist Iwein, der im Doppelweg als Jungritter zuerst Macht erlangt, diese wieder verliert, sich bewähren und selbst finden muss, bevor er letzen Endes als würdiger Territorialherrscher endet, bietet dabei viele Ansatzpunkte. „Die Iwein-Geschichte beginnt eigentlich mit der Erwerbung einer Landesherrschaft.“[1]
Interessant erscheint mir zudem, einen Vergleich zwischen Fiktion und Realität vorzunehmen. Welche realen Prozesse des Mittelalters hatten Einfluss auf das Werk von Hartmann von Aue und wie stellt er diese dar? In diesem Zusammenhang soll auch die höfische Kultur des Mittelalters vorgestellt werden. Wie präsentierten sich Adlige und Herrscher, wodurch hoben sie sich vom „gewöhnlichen“ Menschen ab?
Durch die genaue Betrachtung der Herrschaftspflichten erhoffe ich mir außerdem, das Scheitern Iweins genauer skizzieren zu können und hieraus abzuleiten, was den vollkommenen Landesherrn ausmacht. Anspruch und Wirklichkeit von Tugend im Mittelalter und deren Umsetzung im Artusroman sind dabei entscheidende Maßstäbe.
2. Der Machtbegriff
Macht wird im „Mittelhochdeutschen Wörterbuch“ von Beate Hennig wie folgt übersetzt: „maht, math stF Macht; Kraft, Stärke; Gewalt; Heer, Streitmacht; Schar, Menge; Fähigkeit,(…), Anstrengung,(…).“[2] Neben körperlicher Stärke ist auch die Macht durch militärische Überlegenheit eine Definitionsmöglichkeit.
Gerhard Schönrich beschreibt Macht „als das Vermögen oder die Fähigkeit (…), Mögliches wirklich zu machen. (…). Macht besitzt derjenige, der bekommen würde, was immer er wollte, wenn er nur wollte.“[3] In dieser Beschreibung stehen nicht die Gründe einer Machtstellung im Vordergrund, sondern Chancen die mit ihrem Besitz einhergehen.
Der Begriff kann demnach aus verschiedenen Perspektiven gesehen und erklärt werden.
Ich möchte weiterführend versuchen den Begriff der Machtausübung bzw. der Herrschaft zu beschreiben. Denn nur er beinhaltet die sozialen Aspekte von Macht, welche in Hartmann von Aues Iwein und den dort vorfindbaren Herrschaftsrechten- und Pflichten eine wichtige Rolle spielen.
2.1 Machtausübung
Nach Schönrich gehören zur Machtausübung folgende Komponenten:
1. Der machtausübende Akteur
2. Ressourcen auf die er sich stützen kann
3. Handlung
4. Ein zweiter Akteur auf den Macht ausgeübt wird
5. Ziel
6. Kontext
An einem Beispiel, der Brunnenaventiure, aus Hartmanns Iwein soll dieser theoretische Ansatz zur Machtausübung deutlich gemacht werden.
Iwein reitet zur âventiure aus und wird von einem Menschen in Tiergestalt zu einer Quelle geschickt, mit deren Wasser er einen Stein übergießen soll. Hierdurch wird ein heftiges Unwetter ausgelöst, auf das folgend der Landesherr Askalon erscheint. Dieser wird im Kampf mit Iwein verwundet und stirbt schließlich auf seiner Burg.[4]
In dieser Szene ist der machtausübende Akteur Iwein. In seiner Position als Ritter und den damit verbundenen Ressourcen Stärke und ritterliche Körper- und Kampfesübung übt er mit seiner Handlung, dem Begießen des Steins mit Wasser, Macht aus. Er begeht Landfriedensbruch um sein Ziel, sich durch Machtausübung zu bewähren und dadurch Ruhm und Ehre im Kontext der âventiure zu erlangen, zu erreichen.
Iwein wird zum Machtausübenden, indem er seinen Willen durchsetzt und den Landesherren Askalon unterwirft. „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstrebungen durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“[5]
Die Rolle des Unterworfenen ist jedoch noch nicht ausreichend geklärt. Von Macht kann nur dann gesprochen werden, wenn sie produktiv ist, d.h. ein Nutzen für den Machthaber erkennbar wird. Dieser entsteht nur, wenn das Gegenüber kooperiert, sich in den Dienst des Machtausübenden stellt und dementsprechend seine Freiheit aufgibt.[6] Im vorgestellten Beispiel verliert der Unterworfene seine Freiheit erst mit dem Tod. Zuvor kommen eine Kooperation mit dem Unruhestifter und Provokateur und der dadurch zu erwartende Ehrverlust für ihn nicht in Frage. Der Anspruch Iweins auf den Sieg im Zweikampf ist für den sich im Recht fühlenden inakzeptabel.
Der wahre Nutzen des Zweikampfes in Form von Gattin, Land und Herrschaft, wird für Iwein später erkennbar. „Mit dem Auftreten Laudines ist erst die volle Dimension der Brunnenaventiure enthüllt“[7]
Es bleibt anzumerken, dass die Darstellung des hier aufgezeigten „Fehdewesens“ sehr stark vereinfacht ist. Im Ordnungsprinzip von minne und reht wurden Techniken und Verfahren genutzt, die das Ziel hatte, eine Fehde unblutig zu beenden.[8] Das Einlenken eines Akteurs hatte zudem nicht zwangsläufig einen Ehrverlust zur Folge, sondern konnte im Kontext einer „Politik des kalkulierten Risikos“[9] stehen. Dadurch war eine Aussöhnung möglich, bei der keiner der Akteure sein Prestige aufgeben musste.[10]
3. Erlangen von Macht und Herrschaft
3.1 Durch Geburt
„Niemand kann anderes Recht erwerben als das, was ihm angeboren ist …. Welches Kind frei und ehelich geboren ist, das behält das Recht seines Vaters.“[11]
So steht es im „Sachsenspiegel“ von Eike von Repgow, dem wohl bedeutendsten Rechtsbuch des deutschen Mittelalters. Recht, also auch das Herrschaftsrecht, ist immer mit der Geburt in einen bestimmten Stand hinein verbunden. Der Sohn eines Bauers blieb zeit seines Lebens an den Beruf und den Stand seines Vaters gebunden. Einen Aufstieg in höhere Stände war ausgeschlossen.
Ritter und Adlige hingegen waren von Geburt aus reicher an Privilegien und Möglichkeiten ihren gesellschaftlichen Status zu verbessern. Sie konnten unter anderem durch Heirat und die mit ihr einhergehende Verbindung zu einem anderen Adelshaus dessen Güter und Ländereien übernehmen. Hierauf möchte ich im folgenden Abschnitt näher eingehen.
3.2 Durch Heirat
Die Heirat zweier Menschen im Mittelalter hatte oft praktische Gründe, die Vorteile für beide Partner beziehungsweise deren Elternhäuser einbrachten.
Dabei konnte es z.B. zur Allianzenschließung zwischen zwei Königshäusern kommen, die dadurch ihre Macht und Herrschaftsbereiche zu vergrößern vermochten. Kriege konnten beigelegt werden, somit diente die Eheschließung auch der Friedenstiftung. Ein weiterer wichtiger Grund für eine Hochzeit war ferner die Nachkommenssicherung und die damit verbundene Thronfolge in den Königshäusern. Neben diesen Gründen hatte die Liebe einen eher zweitrangigen Stellenwert. Die Partner sollten sich zwar achten, eine tiefe Gefühlsbindung war aber nicht ausschlaggebend, um eine eheliche Bindung einzugehen.
Hartmann von Aues Iwein erlangt seine Herrschaft und damit seine Macht durch die Heirat Laudines.
„waz sol der rede mêre? wan ez was michel vuoge. da waren pfaffen genuoge: die tâten in die ê zehant. sî gâben im vrouwen unde lant.“[12]
Die Eheschließung lässt Iwein zum Vormund Laudines werden, außerdem wird durch die Hochzeitsnacht die Standesgleichheit begründet.[13] So ist es auch im Sachsenspiegel nachzulesen:
Ssp.III, 45 §3: „Dat wif is ok des mannes notinne, to hant alse se in sin bede trit;
Ssp. I, 45 §1: Al ne si en man sime wive nicht evenbordich he is doch er vormunde unde se is sin genotinne, unde trit in sin recht, swen se in sin bedde geit.
Es muss hierbei ergänzt werden, dass der Rechtsbegriff im Mittelalter ein anderer war als heute. „Recht bedeutete in damaliger Zeit sowohl Recht als auch Pflicht.“[14]
Zuvor ist er „besitzloser Jungritter – Königssohn zwar, aber wohl ohne Aussicht auf Thronfolge, Nachgeborener (…). Ihm gelingt es, durch die Heirat mit einer Königswitwe selbst zum Territorialherren aufzusteigen (…).“[15]
Welche Pflichten sich mit diesem Titel verbinden, soll noch erläutert werden.
Den Vorwurf an Iwein, den Zweikampf mit Askalon allein aus einem Wunsch nach Herrschaft und Besitz provoziert zu haben muss fallen gelassen werden. Zwar ist der Kampf Ausgangspunkt und Grundlage für die Begegnung mit Laudine, es ging ihm jedoch ausschließlich um seine Ehre.[16]
Letzten Endes profitiert Iwein von der „rechtlichen und militärischen Unterprivilegierung der Frau: Laudine könnte ihr Land weder militärisch noch bei einem Rechtsstreit halten.“[17] Aus der zuerst rein rationalen Suche nach einem Landesherrn, der mit diesen Pflichten betraut werden kann, wird „sogar eine Herzensverbindung (…)- das macht der Abschied deutlich.“[18]
Iweins Herrschaft ist letztlich ein Erfolg seiner aventiure. Die Abhängigkeit des Helden von den sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit ist indessen immens groß.
4. Präsentationsformen der Macht
Im gesamten Mittelalter, also auch zurzeit Hartmann von Aues († zwischen 1210 und 1220), war der König der oberste Souverän im Staat.[19]
Die Ausübung der Macht war allerdings nicht auf seine Person beschränkt.
[...]
[1] Thum, Bernd: Politische Probleme der Stauferzeit im Werk Hartmanns von Aue: Landesherrschaft im Geschichte, Literatur, Kunst. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Verlagsgemeinschaft Klett; Stuttgart, 1979. S.52
[2] Henning, Beate: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Max Niemeyer Verlag; Tübingen, 2001. S. 214
[3] Schönrich, Gerhard: Machtausübung und die Sicht der Akteure. Ein Beitrag zur Theorie der Macht, in: Das Sichtbare und das Unsichtbare der Macht. Institutionelle Prozesse in Antike, Mittelalter und Neuzeit. Hrsg.: Melville, Gert. Böhlau Verlag; Köln (u.a.), 2005. S. 383
[4] Vgl.: Hartmann von Aue: Iwein. Text der siebenten Ausgabe von G.F. Benecke… Übersetzung und Nachwort von Thomas Cramer. – 4. überarbeitete Auflage. Berlin; New York: de Gruyter, 2001. V. 418-1168
[5] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Bes. Von Johannes Winckelmann. Mohr-Verlag; Tübingen, 1985. S.28.
[6] Vgl.: Schönrich, S.404-406.
[7] Cormeau, Christoph und Störmer, Wilhelm: Hartmann von Aue. Epoche – Werk – Wirkung. Verlag C.H. Beck, München, 1993. S.205
[8] Vgl.: Bätz, Oliver: Konfliktführung im Iwein des Hartmann von Aue. Shaker Verlag; Aachen, 2003. S.8-11
[9] Althoff, Gerd: Regeln der Gewaltanwendung im Mittelalter, in: Sieferle, Rolf P./ Breuninger, Helga (Hrsg.): Kulturen der Gewalt. Ritualisierung und Symbolisierung von Gewalt in der Geschichte. Frankfurt a.M., New York, 1998. S. 158
[10] Vgl.: Bätz S.11
[11] Von Repgow, Eike: Der Sachsenspiegel. Hrsg.: Clausditer Schott. Manesse Verlag; Zürich, 1996. Erstes Buch -16. S.49
[12] Hartmann von Aue: V. 2416-2420
[13] Vgl.: Rummel, Marie E.: Die rechtliche Stellung der Frau im Sachsenspiegel-Landrecht, in: Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte. Hrsg. Dr. Dr. h.c. Ruth Schmidt-Wiegand. Verlag Peter Lang; Frankfurt a.M, 1987. S. 76
[14] Rummel: S. 35
[15] Mertens, Volker: Iwein und Gwigalois – der Weg zur Landesherrschaft, in: Germanisch-Romanische Monatsschrift. Hrsg: Conrad Wiedemann. Carl Winter Universitätsverlag; Heidelberg. Band 31, 1981. S.14
[16] Vgl.: Mertens S.14
[17] Mertens, Volker: Iwein und Gwigalois – der Weg zur Landesherrschaft. S.15
[18] Mertens: S.15
[19] Vgl.: Mertens S.17
- Arbeit zitieren
- Till Keßler (Autor:in), 2007, Herrschaft und Macht in Hartmanns von Aues "Iwein", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85604
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