Krieg, Krankheiten, Armut, Korruption, Sklavenhandel, Kolonialismus, Stagnation, Unterentwicklung, Abgeschlossenheit, Primitivität: dieser Katalog könnte endlos weitergeführt werden und beschreibt die Klischees, die viele Europäer1 mit Afrika verbinden. Kann ein solches Bild in eine Arbeit über westafrikanische Stoffe passen, die als Zeichen von Kreativität, kultureller Dynamik und Modebewusstsein gelten? Die Antwort auf diese Frage ist klar mit einem „Nein“ zu beantworten und soll auf den Perspektivenwechsel verweisen, der in dieser Arbeit eingenommen wird und der sich eindeutig gegen die genannten Stereotypen der „Afrikanität“ richtet.
Die Stoffe, die in Reisereportagen oft einseitig als bunt, farbenfroh, wildgemustert und typisch afrikanisch beschrieben werden und unter den Bezeichnungen Waxprints und Fancyprints geläufig sind, sind ein Beleg für die modische Aktivität Westafrikas, die sich in der Aufnahme fremder Innovationen, ihrer Umgestaltung, Uminterpretation und ihrer Kombination mit Lokalem widerspiegelt. Diese Stoffe können nicht einfach unter dem europäischen Wunsch nach Exotik abgehandelt werden, sondern bedürfen einer differenzierten Betrachtung ihrer Geschichte, Herstellung und Nutzung um sich von eurozentristischen Sichtweisen zu lösen.
So „afrikanisch“, wie viele Medien die Stoffe darstellen, waren sie nicht immer. Ursprünglich sind es niederländische Kopien der indonesischen Batik, die über den frühen Transatlantikhandel nach Westafrika gelangten und dort eine anspruchsvolle Kundschaft fanden, die nicht jedes Produkt in ihre Konsumgewohnheiten aufnahm. Damit begann ein stetiger Handel mit den Waxprints und den kostengünstigeren Fancyprints zwischen Europa und Westafrika, der von dem europäischen Streben geprägt war, die Wünsche der Konsumenten an die Stoffe zu erfüllen und zu der Traditionalisierung der Stoffe führte, wie die vorliegende Arbeit es im Einzelnen noch aufzeigen wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Literaturlage, Fragestellungen, Arbeitsthesen und Vorgehensweise
1.2 Geographische Einordnung Westafrikas
2. Definitionen
2.1 Begriffseinordnung von Waxprint und Fancyprint
2.2 Der ethnologische Aneignungsbegriff
2.3 Das Modell der kulturellen Aneignung materieller Gegenstände
3. Geschichtliche Hintergründe
3.1 texilhandel zwischen Europa und Westafrika
3.2 Die Kulturgeschichte der westafrikanischen Industriestoffe
4. Die Herstellung
4.1 Die indonesische Batik
4.2 Industrielle Herstellungsverfahren
4.3 Die westafrikanischen Färbetechniken
5. Die Motive
5.1 Das Archiv der Motive
5.2 Kategorisierung der Muster
6. Die Sprache der Motive
6.1 Namensgebung
6.2 Nonverbale Kommunikation
7. Inwiefern kann man bei den Wax- und Fancyprints von einem Aneignungsprozess ausgehen?
8. Fazit
9. Literatur
Konventionelle Quellen
Elektronische Quellen
10. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Krieg, Krankheiten, Armut, Korruption, Sklavenhandel, Kolonialismus, Stagnation, Unterentwicklung, Abgeschlossenheit, Primitivität: dieser Katalog könnte endlos weitergeführt werden und beschreibt die Klischees, die viele Europäer[1] mit Afrika verbinden. Kann ein solches Bild in eine Arbeit über westafrikanische Stoffe passen, die als Zeichen von Kreativität, kultureller Dynamik und Modebewusstsein gelten? Die Antwort auf diese Frage ist klar mit einem „Nein“ zu beantworten und soll auf den Perspektivenwechsel verweisen, der in dieser Arbeit eingenommen wird und der sich eindeutig gegen die genannten Stereotypen der „Afrikanität“ richtet.
Die Stoffe, die in Reisereportagen oft einseitig als bunt, farbenfroh, wildgemustert und typisch afrikanisch beschrieben werden und unter den Bezeichnungen Waxprints und Fancyprints geläufig sind, sind ein Beleg für die modische Aktivität Westafrikas, die sich in der Aufnahme fremder Innovationen, ihrer Umgestaltung, Uminterpretation und ihrer Kombination mit Lokalem widerspiegelt. Diese Stoffe können nicht einfach unter dem europäischen Wunsch nach Exotik abgehandelt werden, sondern bedürfen einer differenzierten Betrachtung ihrer Geschichte, Herstellung und Nutzung um sich von eurozentristischen Sichtweisen zu lösen.
So „afrikanisch“, wie viele Medien die Stoffe darstellen, waren sie nicht immer. Ursprünglich sind es niederländische Kopien der indonesischen Batik, die über den frühen Transatlantikhandel nach Westafrika gelangten und dort eine anspruchsvolle Kundschaft fanden, die nicht jedes Produkt in ihre Konsumgewohnheiten aufnahm. Damit begann ein stetiger Handel mit den Waxprints und den kostengünstigeren Fancyprints zwischen Europa und Westafrika, der von dem europäischen Streben geprägt war, die Wünsche der Konsumenten an die Stoffe zu erfüllen und zu der Traditionalisierung der Stoffe führte, wie die vorliegende Arbeit es im Einzelnen noch aufzeigen wird.
1.1 Literaturlage, Fragestellungen, Arbeitsthesen und Vorgehensweise
Erst seit den letzten dreißig Jahren fanden die Pagnes[2] als Objekte wissenschaftlicher Untersuchungen Beachtung. Dadurch ist die Menge wissenschaftlicher Literatur relativ überschaubar. Darüber hinaus existieren keine Monographien, die sich ausschließlich diesen Textilien widmen, so dass ihnen häufig nur ein Kapitel in unselbständiger Literatur zugesprochen wird. Somit kommt es dazu, dass die in dieser Arbeit verwendeten Quellen hauptsächlich auf Aufsätzen aus Fachzeitschriften sowie aus Sammelbänden basieren. Dabei handelt es sich überwiegend um ethnologische und kunsthistorische Veröffentlichungen.
Zu einem der frühesten Aufsätze zählt der von Boelman und Van Holthoon, die Anfang der 1960er Jahre eine Studie in Ghana durchführten und ihre Ergebnisse 1973 veröffentlichten. Im Auftrag der europäischen Waxprintproduzenten „Vlisco“ und „Ankersmit“ sollten die Soziologen untersuchen, inwiefern sich soziale Veränderungen auf das Kaufverhalten der Ghanaer auswirken. Dabei stellten sie heraus, dass einige Designs bevorzugten Absatz fänden, da ihnen ein hoher Wert und eine afrikanische Identität zugesprochen werde. Dadurch entstehe ein uniformes Kleidungsverhalten, welches paradoxerweise den Status des Trägers repräsentiere, also ein Zeichen sozialer Disparität sei.
Ruth Nielsen hingegen, die 1979 einen Aufsatz veröffentlichte, beschäftigt sich mit der Geschichte und der Vielfalt der existierenden Designs, die sie versucht nach verschiedenen Kriterien zu klassifizieren.
In der älteren Literatur wird bereits von dem Phänomen berichtet, dass den Waxprints und ihren Imitaten teilweise Namen zugesprochen würden und dies ein Zeichen ihrer Etablierung und Wertschätzung durch die westafrikanische Bevölkerung sei. Jedoch beschreibt Susan Domowitz Anfang der 1990er Jahre in ihrer Dissertation, die sie im Fachbereich „Folklore und ethnologische Musikwissenschaften“ an der Indiana Universität absolvierte, diese Kulturpraktik und ihre Integration in den Alltag genauer. Dabei erläutert sie die kulturellen Hintergründe der Namensgebung der Stoffe, ihren Zusammenhang mit lokalen Sprichwörtern und ihre Funktion in der alltäglichen Kommunikation. In der 1994 erschienen Dissertation über das weibliche Kleidungsverhalten der Ashanti widmet die Kunsthistorikerin Suzanne Gott ein Kapitel der Geschichte der afrikanischen bedruckten Stoffe, der Bedeutung ihrer Namensgebung und ihrer Verwendung als Kommunikationsmittel.
Mit der Geschichte der Waxprints beschäftigten sich Autoren wie der Kunsthistoriker John Picton, der die Entwicklung der Stoffe in ihrem kolonialen Kontext betrachtet, und der Marketingdozent Paul Ingenbleek, der in seinem Aufsatz von 1998 in der Zeitschrift „Textielhistorische Bijdragen“ein Augenmerk auf die Handels- und Verkaufsstrategien legt. Mit dem präkolonialen und kolonialen Handel zwischen Europa und Westafrika beschäftigt sich die Ethnologin Andrea Reikat und stellt dabei die Bedeutung der Textilien als Ex- und Importgüter dar.
Allgemeine und mit Bildern illustrierte Arbeiten über Pagnes bieten die Ethnologin Kerstin Bauer und die Anthropologin Anne Grosfilley. Erstgenannte ist Kuratorin der Ausstellung „African Styles“ des Iwalewa Hauses und hat in diesem Zusammenhang 2001 einen Ausstellungskatalog mit einer begleitenden Aufsatzsammlung herausgegeben, in dem neben handgefertigten afrikanischen Textilien auch industrielle Stoffe besprochen werden. Detailaufnahmen und eine umfassende Bearbeitung der Waxprints von der Geschichte bis hin zur nonverbalen Kommunikation sind Qualitäten des Kapitels „Le wax: le tissus africain d’Europe“ in der 2004 erschienen Monographie von Grosfilley über afrikanische Textilien.
Die Magisterarbeit der Ethnologin Gabriele Gerlich erschien 2005 und ist damit die aktuellste Ausführung, die in dieser Staatsarbeit verwandt wurde. Sie untersuchte in einer vierzehnmonatigen Feldforschung in Ghana den alltäglichen Umgang mit den Waxprints und geht dabei neben ihrer Geschichte und Herstellung auf die soziokulturellen Zusammenhänge und symbolischen Bedeutungen der Stoffe ein.
Die Motivation für die vorliegende Arbeit entstand aus der Gegebenheit heraus, dass in der existierenden Literatur das Thema der Aneignung von Waxprints zwar angesprochen wird, jedoch nie anhand von allgemeinen Modellen zur Aneignung konkretisiert oder bewiesen wurde. Bereits bei Boelman und Van Holthoon klingt eine mögliche Aneignung der Waxprint und ihrer Imitationen durch die Identifizierung der Waxprints als „african prints“ an.[3] Auch Anne Grosfilley spricht von einer Aneignung dieser Stoffe, definiert ihr Verständnis von Aneignung aber nicht, sondern erwähnt nur, dass die Aufdeckung der Aneignungsformen für die Wichtigkeit der Waxprints sprechen würde.[4] Am deutlichsten geht Gabriele Gerlich auf den Aspekt der Aneignung von Textilien ein, indem sie die Namensgebung in Berufung auf den Bayreuther Ethnologen Gerd Spittler als Aneignungsfaktor ansieht. Jedoch fehlt auch hier eine entsprechende Modellanwendung.[5]
Vor dem Hintergrund der geringen Beachtung der Aneignungsaspekte in der einschlägigen Fachliteratur ergaben sich einige offene Fragestellungen, die die Aneignung der Pagnes hinterfragen und im Weiteren zu den Thesen dieser Arbeit führen sollen.
Dabei geht es zunächst einmal darum, welches Konzept der Aneignung materieller Kultur genutzt werden kann, um die Aneignung der Pagnes zu erklären. Davon ausgehend stellen sich die Fragen, die über die historische Entwicklung und die Herstellung der Pagnes beantwortet werden können: „Was wurde angeeignet bzw. was war das ursprünglich Fremde und welcher materielle Wandel vollzog sich?“. Die Existenz verschiedener Herstellungstechniken und einer unerschöpflichen Menge an Motiven verweist zum einen auf die Entwicklungsphasen, die das Pagne durchlief, und zum anderen auf die Formen, zu der die Aneignung letzendlich führte. Darüber hinaus stellen sich Fragen wie „In welchem kulturellen Rahmen wurden die Pagnes integriert?“ und „Welchen Einfluss hat der kulturelle Rahmen auf die Aneignung?“.
Neben diesen Fragen spielt die Frage nach den Auslösern für die Aneignung eine interessante Rolle: „Welchen Nutzen oder welche Vorteile ziehen die Westafrikaner aus der Aneignung?“.
Ausgehend von den Fragestellungen, die nicht allein durch die Literatur, die sich mit den Waxprints beschäftigt, beantwortet werden konnten, bedurfte es der Suche nach anderweitigen Quellen, die helfen würden, diese Fragen zu beantworten. Nach weiterer Literaturrecherche im Bereich der Aneignung materieller Gegenstände stieß ich auf die an der Universität Bayreuth beschäftigten Ethnologen Gerd Spittler, der bereits von Gabriele Gerlich erwähnt wurde, und Hans Peter Hahn. Beide Wissenschaftler beschäftigen sich mit der materiellen Kultur und dem lokalen Umgang importierter Güter. Den in diesem Zusammenhang stehenden ethnologischen Begriff der Aneignung beschreiben die Autoren in Aufsätzen, wie beispielsweise in dem 2002 erschienenen „Globale Waren – lokale Aneignung“ von Spittler und besonders ausführlich in der Monographie „Materielle Kultur“ von Hahn.
Ausgehend von der Analyse der wissenschaftlichen Beiträge über Pagnes unter dem Gesichtspunkt des ethnologischen Aneignungsbegriffs materieller Kultur ergaben sich folgende Arbeitsthesen, die innerhalb dieser Arbeit untersucht werden sollen:
Waxprints- und Fancyprints wurden von der westafrikanischen Bevölkerung angeeignet. Dabei ist die Aneignung der Pagnes ein Ergebnis westafrikanischer, politischer, religiöser und sozialer Umstände und Strukturen, an die sich die Mitglieder durch die kulturspezifischen Gebrauchsformen der Pagnes einerseits anpassen und andererseits latent Widerstand leisten. Das heißt, dass die Aneignung der Pagnes zu einer Kommunikationsform führt, die sich dem lokalen Wertesystem anpasst, das auf der Tabuisierung von Themenbereichen und der Wertschätzung des Schweigens aufbaut. Andererseits stellt die Aneignung eine Möglichkeit dar, sich über politisch, religiös und persönlich brisante Themen zu äußern.
In diesem Zusammenhang verläuft die Aneignung aus Sicht der Westafrikaner eher aktiv und kreativ als passiv und eher prozesshaft als ereignishaft.
Die Untersuchung der Arbeitsthesen beschränkt sich auf die Analyse und Interpretation der Literatur über den Themenbereich der Pagnes auf der einen Seite und den der Aneignung materieller Kultur auf der anderen Seite. Dabei sollen die Kenntnisse über die Geschichte, die Herstellung, die Designs und die Kommunikation der Waxprints und ihrer Imitationen in einer Synthese mit den Ausführungen von Hans Peter Hahn über Aneignung zusammengeführt werden, um zu überprüfen, inwiefern die Kriterien, die Hahn an die Aneignung stellt, durch die westafrikanischen Pagnes erfüllt werden.
1.2 Geographische Einordnung Westafrikas
Afrika ist nach Asien und Amerika der drittgrößte Kontinent der Erde und etwa dreimal so groß wie Europa.[6] Der Kontinent teilt sich in die fünf Regionen Nordafrika, Westafrika, Ostafrika, Zentralafrika und Südafrika auf. Dem Datenreport der „Deutschen Stiftung Weltbevölkerung“ zufolge lebten Mitte 2006 etwa 920 Mio. Menschen in ganz Afrika und davon 271 Mio. in Westafrika, das damit nach Ostafrika die bevölkerungsreichste Region ist. Zu den zu Westafrika zählenden Staaten gehören die küstenanteiligen Länder Kap Verde, Mauretanien, Senegal, Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, Sierra Leone, Liberia, Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin und Nigeria und die Staaten ohne maritime Angrenzung Burkina Faso, Mali und Niger.[7]
Vor dem Hintergrund, dass die heutigen Staatsgrenzen Westafrikas auf eine künstliche Teilung durch die europäischen Kolonialmächte zurückzuführen ist, kann man nur mit Vorsicht von einer multikulturellen Bevölkerungszusammensetzung sprechen, die nicht auf der Migration von Ethnien beruht, sondern Ergebnis der kolonialen Strukturen ist.[8] Der nördliche Teil Westafrikas, der an die Sahara angrenzt, wird von den Tuareg, einer nomadisierten Berberethnie mit afroasiatischer Sprachzugehörigkeit, bewohnt. Der östliche Teil wird durch die Haussa, die sprachlich mit den Tuareg verwandt sind, und den Yoruba dominiert, während Wolof und Fulbe sich im westlichen Teil niedergelassen haben.[9] Yoruba, Wolof und Fulbe gehören, im Gegensatz zu den Tuareg und Haussa, der Sprachfamilie der Kwa-Sprachen an. Darüber hinaus seien noch die Ethnien geographisch und sprachlich verortet, die in dieser Arbeit Erwähnung finden, auch wenn sie teilweise Minderheiten der westafrikanischen Bevölkerung bilden. Das Reich der Ashanti, das im 17. Jh. entstand, liegt im heutigen Ghana. Ihre Sprache gehört, wie die der Baule der Elfenbeinküste, zu dem Akan-Twi, einer Untergruppe der Kwa-Sprachen. Neben dem Akan-Twi gehören ebenfalls die Sprachen der Ewe, Bewohner des südlichen Ghanas und Togos, und der Ga, die südöstliche Ghanas siedeln, zu der Sprachenkategorie des Kwa.[10]
Das tropische bis subtropische heiß-feuchte Klima Westafrikas wird im südlichen Teil durch seine Nähe zum Äquator und im nördlichen Teil durch die Lage am Rande der Sahara geprägt. Das bedeutet für die größten Teile Westafrikas, die südlich des nördlichen Wendekreises liegen, eine hohe Niederschlagsrate, die durch die Passatzirkulation hervorgerufen wird. Teile Mauretaniens, Malis und des Nigers sind durch ihre Nähe zur Sahara von größerer Trockenheit geprägt, so dass bis zu zehnmonatige Dürreperioden keine Ausnahme darstellen und eine niedrige Luftfeuchte die Folge ist.[11]
Bis zum Ende des 19. Jh. stützte sich die westafrikanische Wirtschaft hauptsächlich auf die Landwirtschaft, Viehzucht und die Fischerei. In der ländlichen Subsitenzwirtschaft waren Arbeitsteilungsstrategien kaum ausgeprägt und das städtische Leben bildete die Ausnahme. Ab dem 19. Jh. kam es zu einer zunehmenden Urbanisierung und Marktproduktion.[12] Heute ist die Wirtschaft vorwiegend auf den landwirtschaftlichen Betrieb von Monokulturen und einer Industrie, die hauptsächlich Rohstoffe exportiert, ausgerichtet.[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Westafrikanische Staaten und für die Arbeit relevante Ethnien
2. Definitionen
2.1 Begriffseinordnung von Waxprint und Fancyprint
Wax- und Fancyprints zählen im Gegensatz zu den von Hand hergestellten und verzierten Textilien zu den ursprünglich in Europa maschinell produzierten Pagne-Stoffen, die in Westafrika getragen werden.
Der französische Begriff Pagne ist von dem portugiesischem Wort Pano, einer Maßeinheit für Baumwollstoffe, abgeleitet[14] und in der Literatur auch unter den Bezeichnungen tissus, cloth, lapper, buba oder wrapper geläufig.[15] Neben seiner Bezeichnung für einen in Westafrika getragenen Baumwollstoff mit einer spezifischen Musterung und Farbgebung bezeichnet es auch die Art, den Stoff als Wickelrock zu tragen.[16] Bauer berichtet, dass Pagnes auf dem Markt in Einheiten von drei Pagnes zu bekommen sind. Davon dient eines dem geschneiderten Oberteil, eines dem Wickelrock und das letzte der Verwendung als kunstvoll gebundenes Kopftuch oder dem Festbinden des Kindes an den Oberkörper der Mutter. Männer tragen das Pagne zu einem langen, tunikaähnlichem Boubou oder einem Hemd geschneidert.[17]
Die Pagnes teilen sich in die Waxprints und die Rollerprints auf, die sich im Wesentlichen durch ihre Herstellungsverfahren unterscheiden. Während bei den Waxprints der Baumwollstoff über ein Reserveverfahren (Negativdruck) beidseitig gleich intensiv gefärbt wird, wird die Farbe ihrer Imitate, den Rollerprints, lediglich einseitig über den Positivdruck, einem direkten Farbauftrag, aufgebracht.[18] In einigen Arbeiten wird der Begriff Fancyprints auch synonym für Rollerprints gebraucht, wie es auch der Fall im Titel dieser Arbeit ist. Im weiteren Verlauf soll jedoch das Fancyprint als eine Subkategorie der Rollerprints verstanden werden, um zu einem differenzierteren Verständnis zu gelangen. Zu den Rollerprints zählen nämlich sowohl Javaprints als auch Fancyprints, die sich durch ihre Musterungen voneinander unterscheiden. Die fehlende Differenzierung dieser Begriffe in einigen Arbeiten ist vermutlich auf den besonders klingenden Namen „Fancyprint“ zurückzuführen, der von den Autoren als Eyecatcher genutzt wird.
Die Javaprints gelten als Vorläufer der Waxprints und sind an ihrem Design zu erkennen, das an indonesische Musterungen erinnert. Die Fancyprints hingegen sind bedruckte Baumwollstoffe minderer Qualität und mit den Manchesterstoffen zu vergleichen.[19] Sie teilen sich in zwei, durch ihr Design bestimmte, Kategorien auf: In die Gedenkstoffe als Herstellung von originalen Designs und die imi-wax, die die Designs europäischer Waxprints kopieren und den größeren Teil ausmachen.[20]
Waxprints, als Originale der Rollerprints, werden nach der Aufwendigkeit ihres Herstellungsverfahrens in wax print, wax cover und wax block unterschieden und genauer unter dem Kapitel „Industrielle Herstellungsverfahren“ beschrieben.[21]
2.2 Der ethnologische Aneignungsbegriff
Materielle Kultur ist ein Thema, das von mehreren Wissenschaften behandelt wird. Aus diesem Grund ist sie kein ausschließlich ethnologisches Thema, sondern wird interdisziplinär behandelt. Allerdings hat die Ethnologie, die neben der Archäologie und der Linguistik der Kulturanthropologie zuzuordnen ist, gerade in den letzten 20 bis 30 Jahren eine Fülle an wissenschaftlichen Arbeiten über den Umgang mit Dingen, und hier im Speziellen mit Alltagsobjekten, zu denen auch die Pagnes zählen, hervorgebracht. Dabei werden nicht mehr ausschließlich die Äußerlichkeiten der Gegenstände, sondern ihre inhärenten geistigen Prinzipien untersucht, um die Stereotypen der frühen Forschungen zu umgehen und einer Trennung von geistiger und materieller Kultur entgegenzuwirken.[22]
„Die Verbindung von Bedeutungen mit materiellen Objekten ergibt den Zusammenhang [...]. Bedeutung ist hierbei nichts für sich allein oder selbständig Vorhandenes, sondern eine Dimension der Dinge, die sich aus bestimmten Kontexten, also aus dem Umgang mit den Dingen erschließt.“[23]
Aneignung ist in diesem Zusammenhang eine prozessuale Erscheinung des lokalen Handelns mit anfänglich fremden Gütern, denen darüber lokale Bedeutungen und Eigenschaften zugesprochen werden.[24] Die ethnologische Untersuchung der Aneignung entstand durch einen grundlegenden Paradigmenwechsel in dieser Wissenschaft, der mit einer Veränderung der ethnologischen Forschung einherging.
Lange Zeit fokussierten Ethnologen und Anthropologen die Unabhängigkeit von Gesellschaften durch die Untersuchung ihrer indigenen, nicht importierten, materiellen Kultur. Diese Unabhängigkeit der Kulturen wurde immer wieder als inhärenter Automatismus beschrieben, der die Kontinuität und Bewahrung von Traditionen zum Ziel habe. Später wurde die Unabhängigkeit der untersuchten Gesellschaften, die scheinbar während des Kontaktes mit fremden Kulturen unbeeinflussbar seien, durch den Selbstbehauptungsprozess erklärt, bei dem die Gesellschaft Abwehrstrategien entwickle und Widerstand gegen äußere Einflüsse leiste.[25]
„Während Ethnologen früher eher nach Zeichen des Widerstands suchten, hat sich in den letzten Jahrzehnten die gesellschaftliche Veränderung durch die Integration neuer Elemente als zentrale ethnologische Perspektive auf den Kulturwandel durchgesetzt.“[26] Nun trat die Untersuchung der Aneignung neuer Kulturelemente anstatt ihrer Abwehrmechanismen in das Zentrum neuerer Untersuchungen. Dabei verstehen Ethnologen unter dem Begriff Aneignung „den Akt der kulturellen Interpretation und Umdeutung. [...] man nimmt etwas in Besitz, dass vorher im Besitz einer anderen Person war. Aneignung in diesem Sinne impliziert immer auch eine Interaktion mit anderen Personen [...].“[27] Nur über das Verständnis einer Aneignung als Interaktionsprodukt kann die Ethnologie ihre traditionelle Perspektive von abgekapselter Kultur überschreiten.[28]
Spittler gibt in seinem Aufsatz vier Gründe für die abgelaufene Umorientierung in der Ethnologie an. Zum einen wurde die quantitative Zunahme fremder Einflüsse durch die zunehmende Globalisierung festgestellt, die die Theorie der Abwehr- und Widerstandsmechanismen in Frage stellten, bis sie nicht mehr haltbar war. Darüber hinaus wurde das Individuum nicht mehr als passives Objekt ohne Wahlmöglichkeiten angesehen, sondern als autonomes Wesen, das selber entscheidet, wie es mit fremden Einflüssen umgeht. Als dritter Aspekt wird angebracht, dass die fremden Einflüsse an sich nicht mehr negativ als primitive Nachahmung und Authentizitätsverlust bewertet werden. Heute ist hier die Sprache von kreativen Prozessen, die eine Kulturbereicherung zur Folge haben. Die Steigerung des Stellenwertes der Konsumforschung in der Ethnologie bildet die letzte Ursache für den Perspektivenwechsel. Während vor der Umorientierung der Konsum immer kritisch bewertet wurde, da die Untersuchung indigener, handwerklicher Produkte im Vordergrund stand, wird der Konsum heute als Ausdruck der Lebensgestaltung gesehen. Konsumgüter, deren Produktions- und Konsumort oft weit auseinander liegen, sind Teil der Forschungen geworden.[29]
Somit richtet sich die heutige ethnologische Konsumforschung gegen die Homogenisierungstheorien von Wissenschaftlern wie beispielsweise George Ritzer, in denen dem Konsument eine passive Opferrolle als „Homo Consumens“ zugesprochen wird. Nach seiner 1993 veröffentlichte „McDonaldisierungs-These“ würden sich Konsumgüter global, in einheitlicher Form ausbreiten.[30]
Verschiedene Ethnologen haben die Formen der Aneignung im Sinne der Modifikation globaler Güter im lokalen Kontext untersucht und stehen somit der Auffassung der Homogenisierungsvertreter gegenüber.
Es existieren - je nach Autor - unterschiedliche Bezeichnungen in der Wissenschaft für Aneignung. Während Spittler die aus dem Englischen und Französischen übernommene Bezeichnung Appropiation vorzieht, verwendet Robertson die Glokalisierung (ein Wortspiel, das auf die Lokalisierung des Globalen anspielt) und Sahil die Domestikation. Sahil vergleicht die anfangs fremde zivilisatorische Errungenschaft als etwas Wildes, das durch Umwandlung und Umdeutung für den heimischen Gebrauch nutzbar gemacht wird.[31] Vor dem Hintergrund, dass angeeignete Dinge vor ihrer Aneignung in ihrem ursprünglichen Kontext Bestandteil einer anderen Kultur waren, spricht Walter Moser von Recycling oder auch von Wiederaneignung. In Anlehnung an die Linguistik beschreibt Hannerz die Umformung von Kulturelementen durch ihre weltweite Verbreitung als Kreolisierung, die das Entstehen neuer Kulturformen betont.[32] Der Begriff der Hybridisierung ähnelt der Kreolisierung und erklärt das Entstehen neuer Formen als Produkt des spannungsreichen Nebeneinanders verschiedener Kulturen, das an Beispielen der Kolonialisierung verdeutlicht werden kann.[33]
Hans Peter Hahn versteht unter kultureller Aneignung den durch aktives Handeln bestimmten Prozess, bei dem eine Ware zum Gut wird, und erklärt somit, wie importierte Waren zum Teil einer lokalen Kultur werden.
„Die Aneignung ist deshalb ein Schlüssel, um abstrakte und anonyme Waren zu Gütern mit subjektiv empfundenen Werten zu machen.[...] Aneignung erklärt somit, wie trotz globaler Einheitlichkeit lokale Vielfalt Bestand haben kann“.[34]
Die Ausführungen zu Hahns Verständnis des kulturellen Aneignungsprozesses sollen im Folgenden genauer dargelegt und am Schluss der Arbeit auf die Fancy- und Waxprints übertragen werden.
2.3 Das Modell der kulturellen Aneignung materieller Gegenstände
Hans Peter Hahn beschreibt in Anlehnung an die Ausführungen von Silverstone, Hirsch und Morley in ihrem Aufsatz „Information and Communikation Technologies and the Moral Economy of the Household“ den Prozeß der Aneignung in einem fiktiven Modell.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Prozess der Aneignung
Erwerb bzw. Annahme, Transformation und Traditionalisierung sind die drei Phasen, in die sich das Modell aufteilt. Durch den erfolgreichen Durchlauf dieser stetigen Entwicklung wird ein Ding einer fremden Kultur zum Teil der aneignenden Gesellschaft und von dieser als „authentisch“, also als etwas Eigenes betrachtet.
Dabei versteht Hahn unter dem Begriff Ding alle materiellen Gegenstände, die in einer Gesellschaft Verwendung finden, egal, ob es sich dabei um von Menschenhand erschaffene oder natürlich vorkommende Gegenstände handelt. Gegenstand und Objekt verwendet er synonym zu dem Begriff Ding im Bewusstsein, dass in einer Kultur verwendete Dinge nicht nur lokal hergestellte Gegenstände sind, sondern ihr Poduktionsort oft auch weit vom Konsumort entfernt liegen kann.[35]
Bevor Gegenstände fremder Kulturen angeeignet werden können, müssen sie aus der Ferne bezogen werden. In der Phase des Erwerbs oder der Annahme geht es in erster Linie um die Besitzergreifung der Dinge. Dabei ist der Kauf neben Raub, Betteln und dem Beschenktwerden nur ein Weg in den Besitz fremder Waren zu kommen. Somit ist diese Phase eine notwendige Voraussetzung für den weiteren Aneignungsprozess.[36]
Jeder Gegenstand schränkt die Freiheit des Aneignungsprozesses je nach seinem inhärenten Anteil an „Eigensinn“ ein. Dies wird in Abbildung 2 als Eigensinn der Dinge ausgewiesen, der ein, über der Transformation stehender, Einflussfaktor ist.[37] Technische Geräte sind ein Beispiel für Dinge mit hohem Anteil an Eigensinn, da die Bedienung nur auf eine gewisse, dem Gerät entsprechende Weise erfolgen kann und sich selten kaum von der am Herstellungsort unterscheidet.[38]
Die Phase der Transformation endet entweder in der kompletten Umgestaltung des Gegenstandes oder lediglich in der Gebrauchsübernahme ohne äußerliche Transformationen. Beide Fälle stellen Grenzen des erfolgreichen Durchlaufs der zweiten Phase dar, die anschaulich den weiten Handlungsspielraum der Individuen darstellt.[39] Hahn unterteilt diese Phase in vier Teilaspekte: Die materielle Umgestaltung, die Benennung, die kulturelle Umwandlung und die Inkorporierung.
Erstgenannter Teilaspekt stellt keine Notwendigkeit der Aneignung dar, ist aber eine Möglichkeit, die im Zuge des Prozesses auftreten kann. Hier werden Gegenstände über verschiedene Veränderungstechniken umgestaltet.
Die Benennung und die kulturelle Umwandlung von Dingen können unter einem Punkt zusammengefasst werden. Dabei werden die erst noch fremden Objekte in bereits bekannte Kategorien des alltäglichen Lebens eingeordnet und dadurch in einen Kontext gestellt. Den Dingen werden Bedeutungen zugewiesen, die in ein bereits bestehendes kognitives Muster eingeordnet werden. Somit entsteht „eine definitive Verbindung des Gegenstands als solchem mit bestimmten lokalen Bedeutungen“.[40] Die Klassifizierung äußert sich vor allem in der Benennung der Dinge und der Verwendung ihrer lokalen Namen im alltäglichen Sprachgebrauch.[41]
Der letzte Aspekt der Transformation ist die Inkorporierung, also die „Einverleibung“ des fremden Gegenstandes. Dem fremden Gegenstand wird eine Funktion zugesprochen, die auf die Bedürfnisbefriedigung des Individuums oder der gesamten Gesellschaft ausgerichtet ist.[42] Dabei ist im Wesentlichen die Umgangs- und Gebrauchsart des Objektes von großer Bedeutung, die zur Bedürfnisbefriedigung angewendet werden muss. Jeder Gegenstand verlangt eine spezifische, auf seine Funktionen ausgerichtete Umgangs- oder Gebrauchsart, die auch die Summe der Zeit bestimmt, die ein Individuum in direktem Kontakt zum Gegenstand verbringt.[43]
Die Traditionalisierung betrachtet Hahn als letzte notwendige Phase, um das Fremde eines Objektes abzuwerfen und es „authentisch“ erscheinen zu lassen. Dafür muss allerdings ein ausreichend langer Zeitraum zur Verfügung stehen und eine gesellschaftliche Einigkeit über die Bedeutung des zuvor fremden Objektes bestehen. Ist dies nicht der Fall, kann man zwar von einem angeeigneten Objekt sprechen, das jedoch nicht traditionalisiert wurde.[44]
Es soll auch erwähnt sein, dass die Traditionalisierung in wechselseitiger Beziehung zur Transformation steht und in der Modellskizze durch den Äquivalenzpfeil angedeutet wird. Dies zeigt an, dass der Aneignungsprozess unendlich ist und einem bereits angeeigneten und authentifizierten Objekt immer wieder auch neue Bedeutungen und somit auch Gebrauchsweisen zukommen können, die die ursprünglichen ergänzen oder auch ersetzen[45].
Aneignung ist des Weiteren kein einseitig verlaufender Prozess, bei dem sich Gesellschaften der zweiten oder dritten Welt die Sachkultur und den Massenkonsum der industrialisierten Staaten aneignen oder im extremsten Fall authentifizieren. Auch die sogenannte „erste Welt“ eignet sich Teile materieller Kultur unindustrialisierter Bevölkerungsteile an. Ein Beispiel dafür ist die gegenwärtige Beliebtheit einer Mode, die auf Elementen „traditioneller“ afrikanischer, asiatischer oder indigener Ethnien Amerikas beruht und unter dem Begriff „Ethnomode“ eine durch Exotismen westlich geprägte Sicht auf diese Ethnien kommerzialisiert. Beiden Richtungen der Aneignung ist jedoch gemein, dass sie „das Fremde“ durch verschiedene Strategien überwinden und sich die Beziehung zwischen Gesellschaft und Objekt wandelt.[46]
3. Geschichtliche Hintergründe
Die Waxprints und ihre Imitationen sind eigentlich Stoffe, die von Europäern als eine günstigere Imitation der indonesischen Batik für den Verkauf nach Asien produziert wurden und durch verschiedene Umstände schließlich ihren Weg nach Westafrika fanden.
Jedoch gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass Stoffe über viele Jahrhunderte hinweg ein Tausch- und Zahlungsmittel in ganz Afrika waren, so dass der westafrikanische Im- und Export von Textilien nicht erst seit Ankunft der Europäer den schwarzen Kontinent erreichte. Wichtige Handelsepochen werden im Folgenden über die Haupthandelsrouten unterschieden. Dabei soll neben der Transsahararoute , die ihren Höhepunkt während des europäischen Mittelalters erlebte, auch auf die transatlantische Handelsroute, die den Europäern direkten Zugang nach Westafrika verschaffte, eingegangen werden.
Die Javaprints gelten als Vorläufer der Waxprints und entwickelten sich aus der indonesischen Batik. Die Kenntnis dieser Entwicklung, ihre Antriebe und Auslöser bilden die Basis für ein weitreichendes Verständnis der Aneignung der europäischen Industriedrucke. Die heute von den Westafrikanern als Teil ihrer Kultur verstandenen Textilien haben eine lange Geschichte außerhalb Westafrikas hinter sich und verdeutlichen somit die relative Schnelligkeit, mit der sich die „Afrikanisierung“ der Waxprints vollzog.
3.1 texilhandel zwischen Europa und Westafrika
Die südlich der Sahara gelegenen Regionen des Sahel, zu denen auch Westafrika zählt, unterlagen lange Zeit, auf Grund geologischer und klimatischer Faktoren, einer Isolation. Zum einen stellte die Sahara durch ihr extremes Klima und schwer zugängliches Gelände eine unüberwindbare Barriere dar. Darüber hinaus konnte die Region ebenfalls nicht über die Küste aufgrund der stark wehenden Passatwinde erreicht werden, da die bekannten Segelschiffstypen zu der Zeit noch nicht in der Lage waren, gegen den Wind zu kreuzen.[47]
Der erste Handel über die Sahara begann etwa tausend Jahre vor Chr. und ist unter der Bezeichnung Transsahara-Handel geläufig. Nordafrikaner stießen anfangs mit Ochsen und Pferden, später mit Kamelen in das Innere Afrikas vor. Besonders die Araber erlangten durch den Transsahara-Handel und dem direkten Bezug des Goldes große politische Macht in Nordafrika und besetzten dort die Mittelmeerküste.[48] Dies verwehrte den Europäern den Zugang zur Transsahararoute und die ersehnten Goldquellen blieben ihnen fremd.[49] Lediglich die Beteiligung am Handel zwischen Afrika und Europa in den nordafrikanischen Zentren wie beispielsweise Mogador, Algier und Tunis stand ihnen offen. Diese Handelsorte dienten der Verteilung der afrikanischen Güter aus dem Sahel und fanden ihr Pendant in westafrikanischen Zentren wie Timbuktu, von denen Güter aus dem Norden teilweise bis zu den Küsten distribuiert wurden.[50]
Diese Güter waren, wie Hopkins sie benennt, zum einen Bedarfsgüter und zum anderen Luxusgüter. Zur ersten Gruppe zählen Artikel wie Kaurimuscheln, Salz und Waffen, die über Karawanen in den Süden transportiert wurden, und Gold sowie Sklaven, die in Nordafrika in Empfang genommen wurden. Die Gruppe der Luxusgüter umfasste die in den Norden gesandten Güter wie wertvolle Stoffe, Pfeffer, Elfenbein, Straußenfedern, Kolanüsse und Lederwaren und die im Sahel begehrten Artikel wie Kupfer, mit fremden Farben gefärbte Qualitätsstoffe oder auch Glaswaren.[51]
Somit kann zwar vor dem 15. Jh. von einem westafrikanisch-europäischen Handel die Rede sein, dieser war jedoch nur indirekter Natur ohne jeglichen direkten Kontakt zwischen Westafrikanern und Europäern.[52] Dieses wurde dann durch die Portugiesen durchbrochen, die in der ersten Hälfte des 15.Jh. über den Atlantik an der westafrikanischen Küste ankamen, um neben missionarischen Absichten Handelsbeziehungen zu knüpfen. Sie eröffneten die Transatlantikroute zwischen Europa und der westafrikanischen Küste.[53]
[...]
[1] Um den Lesefluss nicht unnötig zu behindern, beschränke ich mich im weiteren Verlauf ausschließlich auf die männliche Form. Bei der Nennung der männlichen Form, z.B.: „der Europäer“, ist die weibliche Form, in diesem Fall „die Europäerinnen“, immer mitgemeint. Wird die weibliche Form benutzt, ist auch ausdrücklich diese gemeint.
[2] Die Bezeichnung Pagnes wird als Oberbegriff für Waxprints und ihre Imitationen verstanden
[3] Vgl. Boelman & Van Holthoon, 1973, S. 237
[4] Vgl. Grosfilley, 2004, S. 26
[5] Vgl. http://www.ifeas.uni-mainz.de/workingpapers/AP54nurtext.pdf (Stand 20.10.2006), S. 62
[6] Vgl. www.bpb.de/themen/2MDWSY,0,Afrika.html (Stand 06.02.2007)
[7] Vgl. www.weltbevoelkerung.de/pdf/dsw_datenreport_06.pdf (Stand 06.02.2007), S. 6
[8] Vgl. www.bpb.de/themen/QLDFBC,,0,Multikulturelle_Gesellschaften.html (Stand 07.02.2007)
[9] Vgl. www.afrika-start.de/afrika-bevoelkerung.htm (Stand 07.02.2007)
[10] Vgl. Vgl. Mabe, 2001, S. 335
[11] Vgl. www.bpb.de/themen/Z6LG5R,3,0,Naturraum_Klima_und_nat%FCrliche_Ressourcen.html#art3 (Stand 06.02.2007)
[12] Vgl. Mabe, 2001, S. 692
[13] Vgl. www.bpb.de/themen/DXSN5Y,0,0,Entwicklungsstrategien_f%FCr_Wirtschaft_und_Gesellschaft.html (Stand 06.02.2007)
[14] Vgl. Bauer, 2001, S. 107
[15] Vgl. Beck, 2000, S. 6
[16] Vgl. Luttmann, 2005, S. 15
[17] Vgl. Bauer, 2001, S. 103
[18] Vgl. Nielsen, 1979, S. 468
[19] Vgl. Ingenbleek, 1998, S. 95
[20] Vgl. Grosfilley, 2004, S. 22
[21] Vgl. http://www.ifeas.uni-mainz.de/workingpapers/AP54nurtext.pdf (Stand 20.10.2006), S. 35 ff.
[22] Vgl. Hahn, 2005, S. 9 ff.
[23] Hahn, 2005, S. 11
[24] Vgl. Hahn, 2004, S. 58 ff.
[25] Vgl. Spittler, 2002, S 15
[26] Hahn, 2005, S. 100
[27] Spittler, 2002, S. 16
[28] Spittler, 2002, S. 19
[29] Vgl. Spittler, 2002, S. 16 f.
[30] Vgl. Hahn, 2005, S. 68 f., 100
[31] Vgl. Spittler, 2002, S. 15 f.
[32] Vgl. Hahn, 2005, S. 100, 107
[33] Vgl. Hahn, 2004, S. 56
[34] Hahn, 2005, S. 101
[35] Vgl. Hahn, 2005, S. 18 ff.
[36] Vgl. Hahn, 2005, S. 103; Spittler, 2002, S. 19
[37] Vgl. Hahn, 2005, S. 104
[38] Vgl. Spittler, 2002, S. 18
[39] Vgl. Hahn, 2005, S. 104
[40] Hahn, 2005, S. 103
[41] Vgl. Hahn, 2004, S. 65 f.
[42] Vgl. Eicher, 1995, S.145
[43] Vgl. Hahn, 2005, S.103
[44] Vgl. Hahn, 2005, S. 103 f.
[45] Vgl. Hahn, 2005, S. 106
[46] Vgl. Hahn, 2005, S. 107
[47] Vgl. Boser-Sarivaxévanis, 1997, S. 5
[48] Vgl. Hopkins, 1973, S. 79
[49] Vgl. Boser-Sarivaxévanis, 1997, S. 7
[50] Vgl. Hopkins, 1973, S. 85
[51] Vgl. Hopkins, 1973, S. 81 f.
[52] Vgl. Reikat, 1997, S. 88
[53] Vgl. Boser-Sarivaxévanis, 1973, S. 7 f.
- Arbeit zitieren
- Rebecca Schramm (Autor:in), 2007, Waxprints und Fancyprints - Zeichen eines kulturellen und kreativen Aneignungsprozesses?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85557
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