Modifizierte Zinsschranke: Vergleich mit US-amerikanischen Earnings Stripping Rules


Diplomarbeit, 2007

75 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Überblick zur Unterkapitalisierung
2.1. Problematik
2.1.1. Begriffsdefinitionen
2.1.2. Unternehmensfinanzierungsformen
2.1.3. Besteuerung von Dividenden und Zinszahlungen
2.1.4. Zinszahlungen und Dividenden im Abkommensrecht
2.2. Notwendigkeit von Unterkapitalisierungsregeln
2.3. Methoden der steuerlichen Behandlung von Unterkapitalisierungen
2.4. Internationaler Überblick zu Unterkapitalisierungsregelungen
2.5. Entstehungsgeschichte und Ziele der Unterkapitalisierungssysteme USA-Deutschland
2.5.1. USA
2.5.1.1. Entwicklung und geltende Earnings Stripping Rule
2.5.1.2. Geplante Verschärfung des Earnings Stripping Rule von 2002
2.5.2. Deutschland
2.5.2.1. Bisherige Regelungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung
2.5.2.2. Unternehmensteuerreform 2008

3. Rechtsvergleich der Unterkapitalisierungssysteme USA – Deutschland
3.1. Grundkonzeption
3.1.1. Earnings Stripping Rule
3.1.2. Modifizierte Zinsschranke
3.2. Personelle Voraussetzungen und Anwendungsbereich
3.2.1. USA
3.2.1.1. Persönlicher Anwendungsbereich
3.2.1.2. Sachlicher Anwendungsbereich
3.2.2. Deutschland
3.2.2.1. Persönlicher Anwendungsbereich
3.2.2.2. Sachlicher Anwendungsbereich
3.3. Ertragskennziffer
3.3.1. USA
3.3.2. Deutschland
3.4. Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital
3.4.1. Grundlagen
3.4.2. USA
3.4.3. Deutschland
3.4.3.1. Notwendigkeit der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital
3.4.3.2. Zu Grunde liegende Rechnungslegungsnormen
3.4.3.3. Kapitalabgrenzung nach HGB
3.4.3.4. Kapitalabgrenzung nach IFRS
3.4.3.5. Kapitalabgrenzung nach US-GAAP
3.5. Rechtsfolgen der Earnings Stripping Rule und der Zinsschranke
3.5.1. USA
3.5.1.2. Ebene des Darlehennehmers
3.5.1.3. Ebene des Darlehengebers
3.5.2. Deutschland
3.5.2.1. Ebene des Darlehennehmers
3.5.2.2. Ebene des Darlehengebers
3.6. Zinsvortrag
3.6.1. USA
3.6.2. Deutschland
3.7. Ausnahmetatbestände
3.7.1. USA
3.7.2. Deutschland
3.7.2.1. Grundsätzliche Ausnahmetatbestände
3.6.2.2. Ausnahmen von der Ausnahme
3.8. Zusammenfassender Überblick

4. Anwendungsprobleme
4.1. USA
4.1.1. Problemfelder
4.1.2. DBA-Fälle
4.2. Deutschland
4.2.1. Durchsetzbarkeit
4.2.2. Freigrenzenproblematik
4.2.3. Verfassungsmäßigkeit und Vereinbarkeit mit den Besteuerungsgrundsätzen
4.2.3.1. Maßgeblichkeit von IFRS und US-GAAP für das Steuerrecht
4.2.3.2. Verfassungsrechtliches Gebot der Normen-Klarheit
4.2.3.3. Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip
4.2.4. Vereinbarkeit mit EU-Recht
4.2.5. DBA-Fälle
4.2.6. Betriebstätte

5. Fazit und Ausblick auf künftige Entwicklungen

Literaturverzeichnis

Rechtsquellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Internationaler Überblick zu Unterkapitalisierungsregeln

Abbildung 2: Ermittlung des Taxable Income

Abbildung 3: Ermittlung des Adjusted taxable income

Abbildung 4: Vermögens- und Verwaltungsrechte von Eigen- und Fremdkapital

Abbildung 5: Ausgewählte innovatorische US-Finanzierungsinstrumente

Abbildung 6: Berechnung des Excess interest expense

Abbildung 7: Vergleich Earnings Stripping Rule und Zinsschranke

Abbildung 8: Freigrenzenproblematik

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Im Rahmen der Globalisierung müssen sich international aufgestellte Unternehmen einer weltweit tätigen Konkurrenz stellen. Dies bedeutet für Handels- und Produktionsunternehmen, dass nicht nur die typischen Bereiche wie Marketing, Vertrieb oder Produktion den international notwendigen Anforderungen angepasst werden. Insbesondere die Ansprüche an den Geldverkehr steigen, so dass auch im Finanzbereich Flexibilität gewährleistet sein muss.

Im Rahmen der erhöhten internationalen Gestaltungsmöglichkeiten versuchen viele Unternehmen ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verlagern. Dies erfolgt häufig durch Verlagerung der Produktion und entsprechender Verrechnungspreisgestaltungen. Aber auch durch Gewährung von Darlehen mit daraus resultierenden Zinszahlungen an im Ausland ansässige Anteilseigner oder Konzernmuttergesellschaften erfolgt eine Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer, so dass in den Staaten mit höherer Steuerbelastung entsprechendes Steuersubstrat verloren geht. In vielen Ländern gibt es zur Vermeidung solcher Gestaltungen Steuerregelungen, die überhöhte Zinszahlungen an ausländische Anteilseigner verhindern.

Mit Einführung der Zinsschranke (§ 4h EStG n.F., § 8a KStG n.F.), die durch die Unternehmensteuerreform 2008[1] zum 01.01.2008 anstelle der bisher geltenden Gesellschafter-Fremdfinanzierung gem. § 8a KStG treten wird,[2] kommt es in einzelnen Bereichen zu einer Annäherung der deutschen Regelung zur steuerlichen Behandlung einer Unterkapitalisierung mit den entsprechenden Regelungen im US-amerikanischen Steuerrecht. Die Zinsschranke soll wie ihr US-Pendant Gewinnverlagerungen durch übermäßige Zinszahlungen in das Ausland verhindern und durch die Ausgestaltung Besteuerungssubstrat aus dem Ausland importieren.

Die Diplomarbeit zieht einen Vergleich zwischen den beiden Unterkapitalisierungssystemen in Deutschland und den USA. Dabei soll aus deutscher Sicht die modifizierte Zinsschranke als Nachfolgerin der bisher gültigen Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8 a KStG betrachtet werden und aus US-Sicht die gültige Regelung der Earnings Stripping Rule des Sec. 163(j) IRC. In den jeweiligen Kapiteln soll sich die Arbeit zunächst kurz mit der US-amerikanischen Earnings Stripping Rule befassen, um anschließend detaillierter auf die Zinsschranke einzugehen und einen Vergleich ermöglichen, der sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede zwischen den beiden Konzepten herausstellt. Beide Systeme haben gemeinsame Anknüpfungspunkte, unterscheiden sich auch in einigen Bereichen voneinander. Insbesondere ein US-Gesetzentwurf[3] aus dem Jahre 2002 könnte in einzelnen Punkten als Vorlage der deutschen Zinsschranke gedient haben und zeigt, dass die Zinsschranke keinesfalls als Regelung, die als „ambitioniert und bislang ohne Beispiel“[4] bezeichnet werden kann, anzusehen ist.[5]

Im zweiten Kapitel der Arbeit wird zunächst ein Überblick über mögliche Gründe für eine Unterkapitalisierung mit den Folgen aus steuerlicher Sicht für die jeweiligen Staaten und Unternehmen als Darlehensnehmer und Darlehensgeber gegeben. Anschließend werden die Methoden der steuerlichen Behandlung an ausgewählten Beispielen dargestellt und anhand einer internationalen Übersicht als Grundlage für die darauf folgenden Abschnitte angefügt. Zudem werden die US-amerikanischen und die deutschen Regelungen in ihren jeweiligen historischen Entstehungsprozess eingeordnet und Gründe für die Entwicklung der beiden Unterkapitalisierungssysteme bis zum heutigen Stand der gesetzlichen Regelungen aufgezeigt. Im anschließenden Hauptteil, dem dritten Kapitel, wird ein Rechtsvergleich der beiden Unterkapitalisierungssysteme der USA und von Deutschland durchgeführt. Dabei werden Voraussetzungen, Anwendungsfälle- und –formen sowie insbesondere die Rechtsfolgen dargestellt. Zudem wird die nicht immer einfach durchzuführende Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital betrachtet. Sowohl Deutschland als auch die USA kennen Ausnahmen von der Anwendung, um insbesondere reine Inlandssachverhalte oder kleinere Unternehmen vor der Anwendung zu schützen. Im vierten Kapitel werden mögliche Probleme im Rahmen der Anwendung beider Regelungen im nationalen sowie im internationalen Kontext näher erläutert. Dabei werden sowohl die nationalen Gesetze und Besteuerungsgrundsätze als auch solche mit internationalem Bezug analysiert. Insbesondere die Zinsschranke scheint erhebliche Probleme bei der Anwendung zu bereiten und erfordert ein Überdenken der derzeitigen Ausgestaltung. Die Arbeit schließt im fünften Kapitel mit einem Fazit der dargestellten Regelungen und einem Ausblick auf künftige Entwicklungen ab.

2. Überblick zur Unterkapitalisierung

2.1. Problematik

2.1.1. Begriffsdefinitionen

Die Begriffe „Gesellschafter-Fremdfinanzierung“, „Thin-Capitalization Rules“, „Earnings Stripping Rules“ oder „Unterkapitalisierungsregeln“ sind international gebräuchlich und werden für die verschiedenen Ausgestaltungsformen der jeweiligen nationalen Steuerregelungen häufig synonym verwendet, obwohl damit meist nur das Grundkonzept in einer Vielzahl von Ausgestaltungsformen begrifflich getroffen wird. Die Begriffe haben lediglich den Einzug in das Steuerrecht gefunden und erfassen keine handelsrechtlichen oder gesellschaftsrechtlichen Konstellationen. Der Begriff „Unterkapitalisierung“ soll in dieser Arbeit die internationalen Ausgestaltungsformen der Vermeidung von übermäßiger Fremdfinanzierung zusammenfassen, da nicht alle Regeln ausschließlich auf Zahlungen an Gesellschafter anknüpfen. Unterkapitalisierungsregeln setzen allerdings regelmäßig voraus, dass die Zinszahlungen durch das Gesellschafterverhältnis veranlasst sind.[6] Der Begriff der „Earnings Stripping Rule“ wird in der Arbeit speziell für die US-amerikanische und der Begriff der „Zinsschranke“ speziell für die zukünftige deutsche Ausgestaltung dieser Regelungen verwendet.

2.1.2. Unternehmensfinanzierungsformen

Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten ein Unternehmen von außen zu finanzieren. Hierbei kann eine Fremdkapitalfinanzierung, eine Eigenkapitalfinanzierung oder auch, wie es in der Mehrzahl vorkommt, ein Gemisch aus beiden Finanzierungsformen gewählt werden. Problematisch bei der Analyse der Unternehmensfinanzierung ist, dass eine Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital nicht immer ohne weitergehende Betrachtung möglich ist. Insbesondere komplizierte Finanzierungsverträge und Mezzanine-Finanzierung erschweren eine genaue Zuordnung der zu betrachtenden Finanzmittel zu Eigen- oder Fremdkapital. In Deutschland und den USA ist die Finanzierung mit diesen Mischformen des Kapitals weit verbreitet.[7]

Bei der Planung von Unternehmensfinanzierungen spielen folgende Faktoren eine bedeutende Rolle:

Ökonomische Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital

Steuer- und Bilanzrecht

Beteiligte Staaten (bei grenzüberschreitenden Zahlungen oder Unternehmensbetrachtungen)

Währungen (innerhalb der EU nachrangig).[8]

Es gibt eine Vielzahl von gesellschafts- und handelsrechtlichen Vorgaben bei der Eigen- und Fremdkapitalbehandlung sowie bei der Abgrenzung der beiden Finanzierungsformen.[9] In einigen Ländern gibt es eine gesellschaftsrechtlich vorgeschriebene Eigenkapitalausstattung, die in der Regel unter einem Betrag von 100.000 US-$ liegt.[10] In Deutschland besteht, abgesehen von der gesellschaftsrechtlich vorgegebenen Eigenkapitalausstattung, Finanzierungsfreiheit bei der Wahl der Finanzierungsform eines Unternehmens.[11] Finanzierungsfreiheit bedeutet, dass kein Finanzierungsvertrag wegen der Besteuerung inhaltlich abgewandelt wird.[12] In einigen Staaten (bspw. Südafrika) besteht für ausländische Anteilseigner eine Beschränkung des zur Verfügung gestellten Fremdkapitals in Relation zum vorhandenen Eigenkapital.[13]

2.1.3. Besteuerung von Dividenden und Zinszahlungen

Unterkapitalisierungsstrukturen im Rahmen der Besteuerung entstehen durch unterschiedliche Besteuerungskonsequenzen für Zins- und Dividendenzahlungen.[14] Die Besteuerung von Zinsen ist im geltenden deutschen Steuerrecht sowie auch im geltenden US-Steuerrecht günstiger als die Besteuerung von Dividenden.[15] Allerdings erfolgt auf Grund der günstigeren Besteuerung von Zinsen eine nachteilige Behandlung von Eigen- gegenüber Fremdkapital, so dass ein Verstoß gegen die Finanzierungsneutralität vorliegt.[16] Aus Gründen der Steueroptimierung könnte dies bereits aus rein nationaler Sicht dazu führen, dass die Unternehmen verstärkt mit Fremdkapital finanziert werden.[17] Dies könnte in einer gesamtwirtschaftlichen Krise die Unternehmen anfälliger machen und somit nicht nur für Anteilseigner, sondern auch für die Volkswirtschaft nachteilig sein.[18]

Die Finanzierung mit Fremdkapital kann auch international von Vorteil und der Eigenkapitalfinanzierung überlegen sein.[19] Auf Grund des vorrangigen Ziels der Staaten den Abzugs von Steuersubstrat aus dem jeweiligen Inland ins Ausland zu vermeiden, ist es für die Betrachtung hinsichtlich der Unterkapialisierungsregeln von besonderem Interesse, die internationale Besteuerung von Zinsen und Dividenden genauer zu untersuchen. Die unterschiedliche nationale Steuerbelastungen und die immer weiter fortschreitende Internationalisierung wird daher von Unternehmen zunehmend genutzt, durch grenzüberschreitende Steuerplanung ihren Steueraufwand gezielt zu minimieren.[20] Ziel der Unternehmen kann dabei die Verlagerung von Gewinnen aus Hochsteuerländern und Niedrigsteuerländer sein. Für einige Unternehmen kann eine Finanzierung mittels Fremdkapital zu einer deutlich geringeren Belastung führen als mittels Eigenkapital, da Zinsen und Dividenden unterschiedliche Besteuerungskonsequenzen mit sich bringen.

Soweit nach nationalem Steuerrecht eine Zinszahlung steuerlich nicht beschränkt wird, kann eine Zinszahlung aus einem Hochsteuerland in ein Niedrigsteuerland die Gesamtbelastung beider beteiligten Gesellschaften oder Personen reduzieren. Die Zinszahlung auf Ebene des finanzierten Unternehmens mindert grundsätzlich als Betriebsausgabe den steuerlichen Gewinn des Unternehmens,[21] welcher in einem Hochsteuerland einer entsprechend hohen nationalen Steuerbelastung unterliegt. Auf Ebene des im niedrig besteuerten Ausland ansässigen Darlehensgebers führt dann der Zufluss der Zinseinnahmen in der Regel zur Erhöhung seines steuerlichen Gewinns. Sitzt der Darlehensgeber in einem Niedrigsteuerland, ist die Steuerbelastung von Darlehengeber und -nehmer in der Gesamtbetrachtung daher niedriger.

Im Gegensatz dazu mindern Dividenden den zu besteuernden Unternehmensgewinn beim ausschüttenden Unternehmen nicht, da der Gewinn vor der Gewinnausschüttung ermittelt wird. Somit ergibt sich bei der Eigenkapitalfinanzierung und Ausschüttung von Dividenden keine Gewinnminderung auf Ebene des ausschüttenden Unternehmens, da bereits Ertragssteuern in voller Höhe oder teilweise auch in ermäßigter Höhe gezahlt wurden.[22]

2.1.4. Zinszahlungen und Dividenden im Abkommensrecht

Dividenden unterliegen regelmäßig im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen[23] einer höheren Quellenbesteuerung als Zinsen.[24] Nach Art. 10 Abs. 1 OECD-MA darf der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers die Dividenden besteuern. Dem Ansässigkeitsstaat des ausschüttenden Unternehmens wird allerdings gem. Art. 10 Abs. 2 OECD-MA das Recht eingeräumt eine Quellensteuer einzubehalten. Art. 10 Abs. 1 u. 2 DBA/Deutschland-USA entspricht in dieser Hinsicht den Regelungen des OECD-MA.[25]

In einigen DBA ist ein Quellensteuereinbehalt im Quellenstaat vorgesehen, soweit die Dividenden an einem im Ausland ansässigen Anteilseigner fließen.[26] Auch bei einer möglichen Dividendenfreistellung durch das anzuwendende DBA auf Ebene des Dividendenempfängers kommt es zumindest im Rahmen der Steuersatzermittlung zu einem Progressionsnachteil (sofern ein progressiver Steuersatz im Freistellungstaat zur Anwendung kommt) und somit zu einer höheren Steuerbelastung trotz Steuerfreistellung.

Nach Art. 11 Abs. 1 OECD-MA darf auf Abkommensebene der Ansässigkeitsstaat des Empfängers Zinseinkünfte besteuern. Der Quellenstaat hat allerdings auch hier ein Recht zum Quellensteuereinbehalt von bis zu 10 % (Art. 11 Abs. 2 OECD-MA). Somit ist die Abkommensregelung hinsichtlich Dividenden und Zinszahlungen für den Empfänger meist identisch, da beide Einkünfte im Ansässigkeitsstaat versteuert werden dürfen. Unterschiede ergeben sich aufgrund der Quellensteuer und der Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Auch Art. 11 Abs. 1 DBA/Deutschland-USA weist das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des nutzungsberechtigten Empfängers zu.[27]

2.2. Notwendigkeit von Unterkapitalisierungsregeln

Die Notwendigkeit von Unterkapitalisierungsregeln lässt sich vor dem Hintergrund internationaler Sachverhalte und der unterschiedlichen Besteuerung von Zinsen und Dividenden erläutern.[28] Die jeweiligen Staaten haben ein fiskalisches Interesse daran, die Erosion der nationalen Steuerbasis durch Gewinnverlagerung ins Ausland zu vermeiden.[29] Bei Betrachtung der abweichenden Besteuerungskonsequenzen von Dividenden und Zinsen ist aus steuerlicher Sicht die Fremdfinanzierung von Vorteil, soweit eine Beschränkung durch Unterkapitalisierungsregeln nicht besteht. Wenn es durch nationale Steuervorschriften keine Begrenzung dieser Möglichkeiten der Finanzierung geben würde, müssten die Unternehmen aus rein steuerlicher Sicht die Fremdfinanzierung der Eigenfinanzierung bevorzugen, sofern die finanzierte Gesellschaft in einem Hochsteuerland und der Investor in einem Niedrigsteuerland ansässig sind. Um diese ungewünschten Gewinnverlagerung durch übermäßige Vergütung für zur Verfügung gestelltes Fremdkapital zu unterbinden, gibt es bereits seit 1971 (als Pionier auf diesem Gebiet: Kanada) spezialgesetzliche nationale Normen, die Zinsaufwendungen unter bestimmten Umständen versagen, nur teilweise zum Abzug zulassen oder in Dividendenzahlungen umqualifizieren.[30]

2.3. Methoden der steuerlichen Behandlung von Unterkapitalisierungen

Eine Besteuerung von unangemessen hohen Zinsaufwendungen erfolgt in Abhängigkeit der Ausgestaltungen der jeweiligen nationalen Regelungen. Die Länder sind dabei in drei Gruppen einzuordnen:[31]

Länder mit spezialgesetzlich normierten Unterkapitalisierungsregelung

Länder mit allgemeinen steuerlichen Regelungen, die auch die Unterkapitalisierung betreffen

Länder ohne Unterkapitalisierungsregelungen.

Bei den spezialgesetzlich verankerten Unterkapitalisierungsregelungen sowie bei den allgemeinen Steuernormen gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Varianten.[32] In einigen Ländern (wie bspw. in den USA und in Deutschland) gibt es als generelle Ausnahmeklausel einen so genannten Safe Haven, der bei einer bestimmten Eigenkapital-/Fremdkapitalrelation eine übermäßige Fremdfinanzierung ausschließt.[33] In diesem Fall kann es dazu kommen, dass erst eine Zinszahlung auf darüber hinausgehendes Fremdkapital steuerlich beschränkt wird. Einige nationale allgemeine Steuerregelungen setzen an der Qualifikation des überlassenen Kapitals an und gehen dabei von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (substance over form) aus.[34] Sollte das überlassene Kapital dann von solch einer Regelung erfasst werden, kommt es zur Vermeidung einer möglichen übermäßigen Zinszahlung durch Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital. Zudem wird der Zinsabzug versagt, wenn eine Missbrauchsvermutung vorliegt. Es gibt Missbrauchsnormen, die bei einer extremen Form der Fremdfinanzierung mit der Folge zur Anwendung kommt, dass sowohl das Fremdkapital in Eigenkapital als auch die Zinszahlungen in Dividendenzahlungen umqualifiziert werden. Reine Missbrauchsnormen (wie z.B. § 42 AO im deutschen Steuerrecht) sind aufgrund der vorher greifenden speziellen Unterkapitalisierungsregeln jedoch in der Regel ohne weitere praktische Bedeutung.[35]

2.4. Internationaler Überblick zu Unterkapitalisierungsregelungen

Kanada führte als erstes Land spezielle steuerliche Regelungen zur Unterkapitalisierung ein. Deutlich später folgten Länder wie Australien (1987), die USA (1989), Frankreich (1991), Spanien (1992) und schließlich auch Deutschland (1994).[36] Neben generellen Ausnahmen unabhängig von der Tätigkeit der Unternehmung, werden in einigen Ländern Begrenzungen für Fremdkapitalzahlungen für bestimmte Branchen angewendet. In Norwegen gibt es bspw. nur Begrenzungen für im Kontinentalschelf tätige Erdöl- und Erdgasunternehmen. In der Schweiz gibt es spezielle Regelungen für Immobilien- und Finanzgesellschaften. Teilweise sehen Länder eine Zinsabzugsbeschränkung bei Darlehensgewährung durch Geschäftsführer, bspw. in Belgien oder Frankreich, vor. In Europa stellen immer häufiger Staaten entweder bei Änderung oder bei Neueinführung von Unterkapitalisierungsregelungen bei der Rechtsfolge der Regelung auf ein Abzugsverbot anstelle von einer Umqualifizierung der Zinsaufwendungen in Dividenden ab.[37] Nach einer Untersuchung von Kessler sollen vor zehn Jahren gerade einmal ein Drittel der europäischen Unterkapitalisierungsregeln ein Abzugsverbot zur Folge gehabt haben.[38] Heute ergibt sich als Rechtsfolge für 75% der EU-Staaten ein Abzugsverbot.[39]

[...]


[1] Dem Gesetz der Unternehmensteuerreform 2008, das am 25.05.2007 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde, stimmte der Deutsche Bundesrat am 06.07.2007 zu; Watrin/Wittkowski/Strom: Auswirkungen, GmbHR 2007, S.785; Watermeyer, Unternehmensteuerreform, GmbH-StB 2007, S. 207.

[2] Höreth/Stelzer/Welter: Unternehmensteuerreform 2008, BB 2006, 2665; Spengel/Reister: Unternehmensteuerreform 2008, DB 2006, S. 1741; Rödder: Anmerkungen, DB 2006, S. 2028; Müller-Gatermann: Unternehmensteuerreform 2008, Stbg 2007, S. 150.

[3] American Competiveness and Corporate Accountability Act of 2002, H.R. 5095, 107th Cong., 11.07.2002, Sec. 201.

[4] Bundesfinanzministerium: Ersatz, S. 3.

[5] Kessler: Rechtsvergleich, IStR 2007, S. 420.

[6] Obser: Gesellschafter-Fremdfinanzierung, S. 13 f.

[7] Vgl. Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 26; USA wird eine Vorreiterrolle hinsichtlich innovativer Finanzierungsformen zugerechnet, vgl. Wittorf: Steuerinduzierte Finanzierungen, S. 162 ff.

[8] Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 23.

[9] Vgl. die Ausführungen zu einzelnen Ländern und deren ökonomische, gesellschaftsrechtliche, handelsrechtliche und steuerrechtliche Behandlung in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers.

[10] Vgl. Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 26; Allerdings sei auf die Mindesteigenkapitalausstattung der Europäischen Aktiengesellschaft in Höhe von 100.000 Euro verwiesen.

[11] Peter: Rechtsvergleich, S. 22.

[12] Schneider: Investition, S. 204.

[13] Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 26.

[14] Obser: Gesellschafter-Fremdfinanzierung, S. 14; Eine niedrige Steuerbelastung ist bei der Ausgestaltung der Unternehmensfinanzierung allerdings nur ein Aspekt, da nicht in jedem Fall ausschließlich eine niedrigere Steuerbelastung Grund für die Wahl der Form der Unternehmensfinanzierung ist, sondern auch andere Faktoren, wie Haftungsrisiken, Kreditaufnahmemöglichkeiten, Bonität etc. eine Rolle spielen.

[15] Vgl. Müller-Gatermann: Unternehmensteuerreform 2008, Stbg 2007, S. 148; Tuckner: U.S. Investments, The Tax Adviser 1994, S. 1.

[16] Vgl. Herzig: Finanzierungsfreiheit, FR 1994, S. 589; Vgl. BFH v. 20.06.2000, VIII R 57/98 in DB 2000, S. 2098.

[17] Müller-Gatermann: Unternehmensteuerreform 2008, Stbg 2007, S. 148.

[18] Müller-Gatermann: Unternehmensteuerreform 2008, Stbg 2007, S. 148.

[19] Rudden/Woywode: US-Beschränkungen, DB 1993, S. 1045.

[20] Avi-Yonah/Ring/Brauner: Taxation, S. 547.

[21] Vgl. Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 29; Bspw. in den USA gem. § 163(a) IRC.

[22] Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 29 f.

[23] Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei internationalen Sachverhalten gibt es Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Ländern. Haben mehrere Staaten nach ihren jeweiligen nationalen Gesetzen ein Besteuerungsrecht, können Doppelbesteuerungsabkommen dieses Besteuerungsrecht einschränken. Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ist eine Freistellung der Einkünfte, ein Steuerabzug oder eine Steueranrechnung möglich. Im Folgenden wird auf das OECD-MA und teilweise auf das DBA zwischen Deutschland und den USA und nicht auf spezielle Sonderregelungen der verschiedenen DBA zwischen einzelnen Ländern Bezug genommen.

[24] Obser: Gesellschafter-Fremdfinanzierung, S. 14.

[25] Vgl. Wolff in Debatin/Wassermeyer: Doppelbesteuerung, DBA USA, Art. 10, Rz. 1.

[26] Das nationale US-Steuerrecht sieht zudem eine Quellensteuer in Höhe von 31 % (backup withholding) vor, falls der (inländische) Dividendenempfänger (unabhängig vom Ansässigkeitstaat) nicht fristgerecht seine Steuernummer meldet, vgl. dazu Zschiegner: Einkommensteuerrecht, IWB, F. 8, Gr. 2, S. 1207.

[27] Wolff in Debatin/Wassermeyer: Doppelbesteuerung, DBA USA, Art. 11 Rz. 1.

[28] Rein nationale Sachverhalte sind in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen, werden zumeist aber durch die Regelungen ebenfalls erfasst, damit das Regelungskonzept nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Aus diesem Grund ist für die Begründung der Notwendigkeit von Unterkapitalisierungsregelungen - aus Sicht der Staaten - im Folgenden von grenzüberschreitenden Dividenden- und Zinszahlungen auszugehen.

[29] Bspw. In den USA, vgl. Ernst: Level Playing Field, TNI 2006, S. 667.

[30] Erläuterungen zu den US-amerikanischen und deutschen Entwicklungen der Unterkapitalisierungsregelungen siehe Kapitel 2.5.

[31] Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 36.

[32] Vgl. Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 37.

[33] Vgl. Piltz in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 37 f.

[34] Bspw. in den USA, ihren Ursprung hat diese Betrachtung dort durch Gregory v. Helvering, 293 U.S. 465 (1935).

[35] Vgl. Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 41.

[36] Piltz, in International Fiscal Association (Hrsg.): Cahiers, S. 37.

[37] Kessler/Köhler: Rechtsvergleich, IStR 2007, S. 418; Zusammenfassender Überblick zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung in Europa, vgl. Kessler: Überblick, IStR 2004, S. 187 ff.

[38] Kessler/Köhler: Rechtsvergleich, IStR 2007, S. 418.

[39] Kessler/Köhler: Rechtsvergleich, IStR 2007, S. 418.

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Modifizierte Zinsschranke: Vergleich mit US-amerikanischen Earnings Stripping Rules
Hochschule
Universität zu Köln  (Steuerseminar)
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
75
Katalognummer
V85491
ISBN (eBook)
9783638897051
ISBN (Buch)
9783638897242
Dateigröße
903 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Modifizierte, Zinsschranke, Vergleich, US-amerikanischen, Earnings, Stripping, Rules
Arbeit zitieren
Nina Erdell (Autor:in), 2007, Modifizierte Zinsschranke: Vergleich mit US-amerikanischen Earnings Stripping Rules, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85491

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