Samuel Huntington, geboren 1927, ist US-amerikanischer Politikwissenschaftler und lehrt seit 1978 an der angesehenen Harvard University in Cambridge/Massachusetts. Seit den 1960er Jahren war er für mehrere US-Präsidenten, den nationalen Sicherheitsrat und das US-Außenministerium als Berater tätig. Überdies ist er Mitbegründer der Zeitschrift „Foreign Affairs“. 1993 veröffentlichte er in dieser Zeitschrift, als Antwort auf die Frage nach der Weltordnung nach Ende des Kalten Krieges, einen Artikel mit der Überschrift „Kampf der Kulturen?“. Drei Jahre später und nach zahlreichen, auf der ganzen Welt kontrovers geführten Diskussionen, publizierte Huntington ein Buch mit nahezu identischem Titel. Einziger Unterschied: Das Fragezeichen war verschwunden. Huntington entwickelt darin die Theorie, dass inter- und intrastaatliche Konflikte im 21. Jahrhundert vor allem kulturell begründet sind. Konflikte entstünden demnach fast ausschließlich zwischen Gruppen oder Staaten, die unterschiedlichen Kulturkreisen zuzuordnen sind. Besonders großes Konfliktpotential besteht laut Huntington zwischen „dem Westen“ und dem Islam sowie „dem Westen“ und China. Dies sei nur als kurzer Abriss gegeben, doch genau diese Punkte sind es, welche die größten Kontroversen hervorrufen. Seit der Veröffentlichung von „Kampf der Kulturen“ 1996 ist einiges von globaler Bedeutung geschehen, was die Diskussion um Huntingtons Thesen neu entfacht hat. Man denke nur an die Anschläge vom 11. September 2001, die anglo-amerikanische Invasion von Afghanistan oder die Auseinandersetzung mit dem Iran beim Thema Kernenergie und Kernwaffen.
Zu beachten ist allerdings, dass Huntington selbst seine Veröffentlichung keineswegs als wissenschaftliche Arbeit betrachtet. Für ihn stellt sie eher ein Paradigma zur Erklärung der Weltordnung im 21. Jahrhundert dar. Sein ausgegebenes Ziel ist Politikberatung. Diese Auslegung erklärt auf der einen Seite seine methodische Vorgehensweise, auf der anderen Seite allerdings schottet sie Huntington selbst vor Kritik von wissenschaftlicher Seite ab: Wer kein wissenschaftliches Werk schreibt, kann auch von der Wissenschaft nicht kritisiert werden.
In der folgenden Arbeit möchte ich die zentralen Thesen Huntingtons darstellen und diese auch anhand von Beispielen bewerten. Ein abschließendes Fazit soll meine persönliche Meinung zum „Kampf der Kulturen“ wiedergeben.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Huntingtons Theorien
2.1 Die Kulturkreise
2.2 Die Konflikte des 21. Jahrhunderts
2.3 Machtverlust des Westens als Konfliktursache
2.4 Sinisches Auftrumpfen – Neue Wirtschaftsmächte in Asien
2.5 Die blutigen Grenzen des Islam
2.6 Ratschläge Huntingtons für die westliche Politik
3 Kritik an Huntingtons Kampf der Kulturen
3.1 Zu Huntingtons Methode
3.2 Zur Theorie der Kulturkreise
3.3 Feindbild Islam?
3.4 Der Krieg in Jugoslawien – ein typischer Bruchlinienkonflikt?
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Samuel Huntington, geboren 1927, ist US-amerikanischer Politikwissenschaftler und lehrt seit 1978 an der angesehenen Harvard University in Cambridge/Massachusetts. Seit den 1960er Jahren war er für mehrere US-Präsidenten, den nationalen Sicherheitsrat und das US-Außenministerium als Berater tätig. Überdies ist er Mitbegründer der Zeitschrift „Foreign Affairs“. 1993 veröffentlichte er in dieser Zeitschrift, als Antwort auf die Frage nach der Weltordnung nach Ende des Kalten Krieges, einen Artikel mit der Überschrift „Kampf der Kulturen?“. Drei Jahre später und nach zahlreichen, auf der ganzen Welt kontrovers geführten Diskussionen, publizierte Huntington ein Buch mit nahezu identischem Titel. Einziger Unterschied: Das Fragezeichen war verschwunden. Huntington entwickelt darin die Theorie, dass inter- und intrastaatliche Konflikte im 21. Jahrhundert vor allem kulturell begründet sind. Konflikte entstünden demnach fast ausschließlich zwischen Gruppen oder Staaten, die unterschiedlichen Kulturkreisen zuzuordnen sind. Besonders großes Konfliktpotential besteht laut Huntington zwischen „dem Westen“ und dem Islam sowie „dem Westen“ und China. Dies sei nur als kurzer Abriss gegeben, doch genau diese Punkte sind es, welche die größten Kontroversen hervorrufen. Seit der Veröffentlichung von „Kampf der Kulturen“ 1996 ist einiges von globaler Bedeutung geschehen, was die Diskussion um Huntingtons Thesen neu entfacht hat. Man denke nur an die Anschläge vom 11. September 2001, die anglo-amerikanische Invasion von Afghanistan oder die Auseinandersetzung mit dem Iran beim Thema Kernenergie und Kernwaffen.
Zu beachten ist allerdings, dass Huntington selbst seine Veröffentlichung keineswegs als wissenschaftliche Arbeit betrachtet. Für ihn stellt sie eher ein Paradigma zur Erklärung der Weltordnung im 21. Jahrhundert dar. Sein ausgegebenes Ziel ist Politikberatung. Diese Auslegung erklärt auf der einen Seite seine methodische Vorgehensweise, auf der anderen Seite allerdings schottet sie Huntington selbst vor Kritik von wissenschaftlicher Seite ab: Wer kein wissenschaftliches Werk schreibt, kann auch von der Wissenschaft nicht kritisiert werden.
In der folgenden Arbeit möchte ich die zentralen Thesen Huntingtons darstellen und diese auch anhand von Beispielen bewerten. Ein abschließendes Fazit soll meine persönliche Meinung zum „Kampf der Kulturen“ wiedergeben.
2 Huntingtons Theorien
Ausgangssituation für die Arbeit Huntingtons ist die Welt nach dem Kalten Krieg, der faktisch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Dezember 1991 endete. Die Auflösung des sowjetischen Staatenverbundes bedeutete gleichzeitig das Ende der bipolaren Weltordnung. Nationalstaaten gehörten nicht länger zum Westen oder Osten oder waren einfach blockfrei. Viele Staaten, vor allem im ehemaligen Ostblock waren gezwungen, ihren Status und ihre Zugehörigkeit neu zu definieren. Hier setzt Huntington an. Seiner Meinung nach definieren sich Staaten im 21. Jahrhundert vor allem nach dem Kulturkreis, dem sie sich zugehörig fühlen.
2.1 Die Kulturkreise
In seiner zentralen These beschreibt Huntington die Weltordnung des 21. Jahrhunderts als Ordnung, die auf der Basis von Kulturkreisen beruht. Bestimmendes Kriterium für die Zuordnung eines Staates zu einem Kulturkreis ist die Religion. Huntington sieht die Nationalstaaten auch weiterhin als Haupthandlungsakteure in internationalen Beziehungen. Einen Kulturkreis definiert Huntington als „die höchste kulturelle Gruppierung von Menschen und die allgemeine Ebene kultureller Identität des Menschen unterhalb der Ebene, die den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Sie definiert sich sowohl durch gemeinsame objektive Elemente wie Sprache, Geschichte, Religion, Sitten, Institutionen als auch durch die subjektive Identifikation der Menschen mit ihr“ (Huntington 1996: S. 56).
Idealtypisch besteht jeder Kulturkreis aus einem Kernstaat, dem potentiell mächtigsten und kulturell führenden, sowie mehreren Peripheriestaaten, die ihrem Kernstaat folgen. Abweichend von diesem Musterbeispiel definiert Huntington mehrere Sonderfälle: Als einsames Land bezeichnet er einen Staat, der entweder einen eigenen Kulturkreis bildet oder aus einem anderen Grund isoliert ist. Ein Beispiel hierfür ist Japan. In einem gespaltenen Land leben Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen, wie es im ehemaligen Jugoslawien der Fall war. Für Huntington ist diese Bevölkerungskonstellation mit ihren religiösen Unterschieden die entscheidende Ursache für den Balkankrieg in den 1990er Jahren. In einem zerrissenen Land schließlich sucht die politische Führung Anschluss an einen anderen Kulturkreis, als an den, dem der Großteil der Bevölkerung angehört.
Ausgehend von diesen Definitionen legt Huntington schließlich maximal acht, mindestens aber sechs Kulturkreise fest:
- Der Westen bezeichnet die christlich geprägte Kultur Europas, Nordamerikas und Australiens.
- Der orthodoxe Kulturkreis umfasst die slawischen Gebiete mit Russland, Serbien, Bulgarien sowie Griechenland.
- Der hinduistische Kulturkreis beschränkt sich auf Indien.
- Auch der japanische Kulturkreis ist auf sein Stammland Japan zu reduzieren.
- Der sinische oder konfuzianische Kulturkreis besteht aus China und einigen Nachbarstaaten in Ost- und Südostasien.
- Der islamische Kulturkreis erstreckt sich von Mittelafrika über den nahen Osten, Zentralasien bis nach Indonesien.
- Über die Existenz eines separaten (schwarz)afrikanischen Kulturkreises ist sich Huntington nicht ganz im Klaren.
- Auch bei der Frage nach einem eigenen lateinamerikanischen Kulturkreis hat Huntington seine Zweifel. Er ist sich nicht sicher, ob Lateinamerika nicht als Subkultur des Westens zu betrachten ist (vgl. Huntington: S.59ff).
Der vermehrte Kontakt zwischen den Kulturen führt laut Huntington aber nicht zu Dialog und Annäherung. Durch die deutlichere Wahrnehmung der interkulturellen Unterschiede steigt das Bedürfnis nach Abgrenzung. Huntington hält es für ein Grundbedürfnis des Menschen, Sündenböcke und Feindbilder zu schaffen: Man weiß, was man ist, indem man weiß, was man nicht ist.
Folglich braucht auch der Westen nach dem Untergang der Sowjetunion neue Gegenspieler. Huntington sieht die künftigen Kontrahenten des Westens im islamischen und im konfuzianischen Kulturkreis. Wenig Konfliktpotential für den Westen sieht er in den Verhältnissen mit Afrika und Lateinamerika. Indien, Japan und der orthodoxe Kulturkreis liegen irgendwo dazwischen.
2.2 Die Konflikte des 21. Jahrhunderts
Entsprechend seiner Theorie unterscheidet Huntington drei Konfliktformen. Dies sind Bruchlinienkonflikte, Kernstaatenkonflikte und intrakulturelle Konflikte.
Intrakulturelle Konflikte hält Huntington zwar für grundsätzlich möglich, jedoch für sehr unwahrscheinlich. Sollte ein solcher Konflikt entstehen, wird dieser wenig intensiv und ohne große Ausschweifungen von statten gehen.
Bruchlinienkonflikte dagegen werden immer häufiger ausbrechen. Sie entstehen entlang kultureller Grenzen und können daher zwischenstaatlich oder innerstaatlich auftreten. Innerstaatlich geht es dabei entweder um die Unabhängigkeit einer nicht regierenden Gruppe vom Staatsgebilde, um die Kontrolle von Gebieten oder um Vertreibung einer anderen Gruppe aus dem Land (=ethnische Säuberung). Innerstaatliche Konflikte dauern wesentlich länger als zwischenstaatliche, da die Dynamik von Rache und Vergeltung besonders groß ist und die Kontrahenten auch nach Findung eines vermeintlichen Kompromisses in spannungsgeladenem Klima gemeinsam weiterleben müssen, so dass Zwistigkeiten jederzeit wieder offen ausbrechen können (vgl. Huntington S. 410f.). Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich Staaten oder Gruppen des gleichen Kulturkreises in den Konflikt einmischen und diesen somit ausweiten (=Kin-Länder-Syndrom).
Dieser Fall könnte dann zu einem Kernstaatenkonflikt führen. Huntington geht jedoch davon aus, dass sich die Kernstaaten dabei nicht direkt militärisch gegenüberstehen, sondern eher die Gruppe ihres Kulturkreises logistisch unterstützen. Eine direkte Konfrontation unter Kernstaaten wird wohl vermieden werden, da sich hier die Gewaltspirale schnell in eine Art Weltkrieg weiterdrehen könnte. Ein Szenario des direkten Kernstaatenkonflikts hält Huntington allerdings unter Beteiligung Chinas für möglich. Der Grund hierfür liegt in der Verschiebung des weltweiten Machtgleichgewichts zu ungunsten des westlichen Kulturkreises. Einen Kernstaatenkonflikt mit dem Islam kann es nicht geben, da dieser Kulturkreis über keinen Kernstaat verfügt. Umso aggressiver sieht Huntington den Islam aber in Sachen Bruchlinienkonflikten. Sehr plakativ spricht er hier von den „blutigen Grenzen des Islam“ (vgl. Huntington: S.414ff). Dazu aber an anderer Stelle mehr.
2.3 Machtverlust des Westens als Konfliktursache
Streit entsteht, nicht erst seit Huntington, bei ungeklärten Machtverhältnissen. Dies ist sowohl auf Mikroebene, als auch in der Weltpolitik der Fall. In Huntingtons Welt der Kulturkreise ist die Verschiebung oder die neue Unklarheit der Machtverhältnisse untrennbar mit dem prognostizierten Rückgang westlichen Einflusses verbunden: Seit dem 15. Jahrhundert, mit der Entdeckung Amerikas, hat sich der Westen eine Vormachtstellung in der Welt erkämpft. Es begann mit unbremsbarer Expansion, der Entdeckung neuer Erdteile und der fast schon obligatorischen Zerschlagung von Eingeborenenkulturen. Die Indianerstämme Nordamerikas, Mayas, Inkas und Azteken seien nur als einige Beispiele genannt. Weiter folgten Versklavung und schließlich die Kolonialisierung, die im Zeitalter des Imperialismus (ca. 1880 bis 1914) gipfelte, als die westlichen Mächte einen Großteil der Erde unter sich aufgeteilt hatten und auch, heute fast unvorstellbar, ein großes Land wie China wirtschaftlich kontrollierten. Möglich war dies über fünf Jahrhunderte vor allem durch technische und wirtschaftliche Überlegenheit, was sich auch auf die militärische Macht niederschlug (vgl. Huntington: S.119ff). Wie von selbst erklärt sich, dass sich seit den Anfängen der westlichen Dominanz in den Kolonien und besetzten Gebieten antiwestliche Ressentiments aufgebaut haben, die nun immer stärker zu Tage treten, da der Einfluss des Westens konstant abnimmt. Was derzeit in gewalttätiger Form nur von Fundamentalisten und internationalem Terrorismus ausgedrückt wird, könnte laut Huntington schon bald rund um den Globus vorherrschende Stimmung sein. Der Westen indes scheint seine Haltung der Überlegenheit und Arroganz trotz gegensätzlicher Trends nicht ablegen zu wollen, was die Ablehnung in nicht-westlichen Gebieten noch weiter vorantreibt. Statistiken sprechen dagegen eine andere Sprache: Wirtschaftlich wird China in spätestens 50 Jahren die größte Macht darstellen, die Wachstumsraten in nahezu ganz Asien übertreffen die der westlichen Staaten bereits jetzt um Längen. Ein weiterer Faktor, der das Kräftegleichgewicht zu Gunsten der „Herausfordererkulturen“ verschiebt ist demographischer Natur. Das Bevölkerungswachstum im Westen ist wesentlich geringer, als in Asien und den Ländern des islamischen Kulturkreises. Schlimmer noch: Die Bevölkerungszahl der westlichen Länder ist sogar rückläufig. Folglich gibt es in den Herausfordererkulturen eine viel größere Anzahl junger Menschen. Vor allem junge Menschen sind es auch, die leicht zu mobilisieren sind und einen Konflikt am ehesten mittragen (vgl. Huntington: S.183f).
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- Christoph Ochs (Author), 2007, Huntingtons Kampf der Kulturen - Realistische Theorie oder ideologisches Mittel zum Zweck?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85327
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