In dieser Arbeit untersucht der Autor die nationale Frage, die als lange schwelender Konflikt des Deutschen Bundes schließlich zum Preußisch-Österreichischen Krieg im Sommer 1866 eskalierte. Wühle stellt den Konflikt im gesamteuropäischen Kontext dar und untersucht dessen Ergebnisse hinsichtlich ihrer Bedeutung für den deutschen Einigungsprozeß unter preußischer Hegemonie.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die nationale Frage
3. Die Schleswig-Holstein-Frage als Kriegsanlaß
4. Der Kriegsverlauf
4.1 Der Krieg Preußens gegen die Mittelstaaten
4.2 Der Italienisch-Österreichische Krieg
4.3 Der Preußisch-Österreichische Krieg
5. Die Kriegsergebnisse
6. Fazit
Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Der Preußisch-Österreichische Krieg, der im Sommer 1866 ausgetragen wurde, wird auch in unterschiedlichen Quellen „Deutscher Krieg“ oder „Bruderkrieg“ genannt. Genauer träfe die Bezeichnung Preußisch/Italienisch-Österreichischer Krieg, dessen Schauplätze sich von Holstein bis an die Adria erstreckten. Aus preußischer Sicht war der Konflikt ein Krieg und damit ein völkerrechtliches Ereignis, aus österreichischer Sicht hingegen eine Bundesexekution gegen Preußen[1]. Der Konflikt führte zu einer Neuaufteilung Mitteleuropas, die durch drei Merkmale gekennzeichnet war: Erstens die Festigung Preußens als Europäische Großmacht, zweitens das Ende des Jahrhunderte alten territorialen Flickenteppichs aus Kleinstaaten und drittens – als Folge der beiden erstgenannten Punkte, die Lösung der nationalen Frage als preußisch-kleindeutsche Variante.
In der Reihe von Kriegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter preußischer Beteiligung ist der Preußisch-Österreichische Krieg als direkte Folge des Preußisch/Österreichisch-Dänischen Krieges von 1864 und wiederum als Ursache des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 einzuordnen. Diese drei Kriege werden daher zusammenfassend auch „Einigungskriege“ genannt.
2. Die nationale Frage
Der seit 1862 amtierende preußische Ministerpräsident Otto v. Bismarck wollte die nationale Frage damit lösen, „...indem er zunächst den Deutschen Bund und dann Österreich aus dem Nationsbildungsprozeß ausschaltete“[2]. Der Deutsche Bund, der als föderalistisches Staatengebilde neben Preußen und der konkurrierenden Großmacht Österreich 34 weitere unabhängige Staaten ganz oder teilweise in sich vereinte, stellte die Gegen-Realität zu Bismarcks Visionen dar. Bismarck schrieb daher bereits 1862 an die Budgetkommission: „Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig“[3]. Daß die somit auf die Tagesordnung gebrachte nationale Frage nur außerhalb des Deutschen Bundes und nur durch Preußen gelöst werden kann, verdeutlichte Bismarck 1863 in einem Brief an Robert v. d. Goltz: „Die Frage ist, ob wir eine Großmacht sind oder ein deutscher Bundesstaat, und ob wir, der ersten Eigenschaft entsprechend, monarchisch oder, wie es der zweiten Eigenschaft allerdings zulässig ist, durch Professoren, Kreisrichter und kleinstädtische Schwätzer zu regieren sind.“[4]
Die dem Deutschen Bund neben Preußen und Österreich angehörenden Mittelstaaten verfügten je nach Größe, Bedeutung und geographischer Lage nur über zwei politische Alternativen: pro-preußisch oder pro-österreichisch., zumindest wurden sie zunehmend dazu gedrängt, nicht zuletzt aufgrund der „...Unfähigkeit der kleinen und mittleren Staaten, eine gemeinsame deutschlandpolitische Linie zu finden und diese auch gegen den Widerstand Österreichs und Preußens durchzusetzen“[5]. Politisch gesehen bot Österreich zunächst den besseren Schutz, da Kaiser Franz Josef anders als König Wilhelm den Mittelstaaten ihre vollständige Souveränität garantierte. Hingegen eröffnete Preußen, wirtschaftlich gesehen, vor allem mit dem Zollverein die besseren Entwicklungsperspektiven. Preußen garantierte durch den Zollverein Einnahmen, auf die insbesondere die kleineren Staaten angewiesen waren[6]. Dies hatte zur Folge, daß sich die Mittelstaaten, die sich politisch nach Österreich hin orientierten, sich im wirtschaftlichen Bereich Preußen fügen mußten.
Die Vorherrschaft der beiden Großmächte Österreich und Preußen über den Deutschen Bund wird als Dualismus bezeichnet. Dieser Dualismus „...wurde begleitet vom Kampf um deutschlandpolitische Konzeptionen“[7], wobei Reformversuche des Deutschen Bundes und kleindeutsche Lösungen der Vorherrschaft Preußens bei gleichzeitiger Verdrängung Österreichs miteinander konkurrierten. Das Scheitern des Dualismusprinzips im Deutschen Bund ist auf eine wachsende Entfremdung der beiden Großmächte zurückzuführen, die nicht nur eine unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung nahmen, sondern auch unterschiedliche ordnungspolitische Vorstellungen entwickelten, wie z.B. bei der Zoll-Frage, bei der Österreich ein System von Schutzzöllen, Preußen jedoch den Freihandel unterstützte[8]. In dem bereits 1818 durch Friedrich v. Motz gegründeten Zollverein gehörten 1866 fast alle Mittelstaaten an, Österreich jedoch nicht. Im Zuge des Französisch-Österreichischen Krieges von 1859 hatte sich die deutsche Öffentlichkeit quer durch alle politischen Landschaften in der Österreich-Frage polarisiert. So gehörten neben Bismarck auch Ferdinand Lasalle zur anti-österreichischen Gruppierung, während neben Heinrich v. Gagern z.B. Karl Marx zur pro-österreichischen Gruppierung zählte[9]. Der Österreich-Gegner Ludwig Bamberger bezeichnete Österreich als „das böse Prinzip Deutschlands“ und schrieb 1859 in einer Flugschrift: „Wahrlich, eine Nation, die nicht von Abscheu und Ekel ergriffen wird, wenn österreichische Kaiser von deutschen Brüdern und von nationaler Einheit sprechen, ist schwer zu retten“[10]. Diese wachsende Anti-Österreichische Stimmung verstand es Bismarck zunehmend für sich nutzbar zu machen, z.B. mittels gezielter Pressepolitik. So formulierte es ein Leitartikel in der Berliner National-Zeitung: „Indem wir uns vom Hause Habsburg trennen, welches die Ideen und Ansprüche des römisch-deutschen Kaisertums nicht loswerden kann, werden wir [...] die selbständige Nation und stehen vor der Möglichkeit, einen deutschen Nationalstaat zu errichten. Wir können deutscher (!) sein als es unseren Vorfahren vergönnt war“[11]. Mit dieser Politik brachte es Bismarck fertig, die Interessen Preußens mit den Interessen Deutschlands für identisch zu erklären[12] und somit eine wichtige Grundlage für den Erfolg der kleindeutschen Lösung zu schaffen. Im an König Wilhelm I. gerichteten Bericht des preußischen Staatsministeriums über die Frankfurter Reformakte schrieb Bismarck: „Das preußische Volk bildet einen so wesentlichen Bestandtheil des deutschen und ist in seinen Bedürfnissen und Interessen, wie seinen Wünschen und Gesinnungen, mit der deutschen Gesammtheit der deutschen Nation [...] innig verwachsen...“[13].
Die Grundlage der von Österreich verfolgten Großdeutschen Interessen bildete die historische Verknüpfung Deutschlands mit den habsburgischen Territorien, dies geriet allerdings angesichts der politischen Schwäche und wirtschaftlichen Unterentwicklung Österreichs zunehmend ins Hintertreffen[14]. Innenpolitisch stand Österreich kurz vor dem Staatsbankrott. Die Verwaltung war von Korruption und Vetternwirtschaft zersetzt. Der Vielvölkerstaat war zudem ein permanenter Krisenherd ethnischer Konflikte. Besonders an den Peripherien des Kaiserreiches waren Armut, Unterentwicklung und Analphabetentum stark ausgeprägt. Die prekäre Finanzlage und die innenpolitischen Probleme hatten Österreichs militärpolitisches Gewicht gegenüber Preußen schon seit Jahrzehnten verringert[15]. Einen Krieg konnte sich Österreich also eigentlich weder militärisch noch finanziell leisten.
Bismarck hatte zwar den Rückhalt des Hohenzollernkönigs Wilhelm I., nicht aber den des preußischen Landtags, gegen den er durch Kriegsminister Albrecht v. Roon im Zuge des Verfassungskonflikts als geeigneter Kandidat eingesetzt worden war, um die Interessen des Königs gegen die Parlamentsmehrheit durchzusetzen. Um sich innenpolitisch langfristig halten zu können, war Bismarck daher dringend auf außenpolitische Erfolge angewiesen: Er „...konnte sich ausrechnen, daß er nach dem Krieg entweder als der erfolgreichste preußische Ministerpräsident aller Zeiten vor das Parlament treten oder aber als Urheber der größten Katastrophe seit Jena und Auerstedt in die Geschichte eingehen würde“[16]. Daß Bismarck für die Lösung der nationale Frage trotz aller diplomatischen Bemühungen einen Krieg nicht nur in Kauf nahm, sondern ihn ausdrücklich wünschte, wird in seinem Schreiben an Goltz von 1863 deutlich: „Unsre Stärkung kann nicht aus Kammern- und Preßpolitik, sondern nur aus waffenmäßiger Großmachtspolitik hervorgehen“[17].
[...]
[1] Vgl. Huber, Ernst-Rudolf: Bismarck und das Reich, Stuttgart, 1970, S. 542
[2] Müller, Jürgen: Deutscher Bund und Deutsche Nation 1848-1866, Göttingen, 2005, S. 369
[3] Bismarck, Otto v., zitiert in: Wolter, Heinz (Hrsg): Otto von Bismarck, Leipzig, 1989, S. 168f.
[4] ders, ebda, S. 188
[5] Müller, Jürgen: Deutscher Bund und deutsche Nation 1848 – 1866, Göttingen 2005, S. 372
[6] vgl. Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Dt. 1806-1870, München, 1995, S. 422
[7] Siemann, Wolfram: Gesellschaft im Aufbruch, Frankfurt 1990, S. 23
[8] vgl. ders., ebda, S. 269
[9] vgl. ders., ebda, S. 184
[10] Bamberger, Ludwig, zitiert in: Siemann, Wolfram: Gesellschaft im Aufbruch, Frankfurt 1990, S. 187
[11] National-Zeitung vom 25.07.1866, in: Siemann, W.: Gesellschaft im Aufbruch, Frankfurt 1990, S. 229
[12] vgl. Müller, Jürgen: Deutscher Bund und deutsche Nation 1848 – 1866, Göttingen, 2005, S. 378
[13] Bismarck, zitiert in: Huber (Hrsg): Dok. zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Stuttgart, 1986, S. 157
[14] vgl. Doering-Manteuffel: Die dt Frage und das eur. Staatensystem 1815-1871, München, 1993, S. 38
[15] vgl. Angelow, Jürgen: Von Wien nach Königgrätz, München, 1996, S. 66
[16] Zimmer, Frank: Bismracks Kampf gegen Kaiser Franz Joseph, Graz, Wien, Köln, 1996, S. 72
[17] Bismarck, Otto v., zitiert in: Wolter, Heinz (Hrsg): Otto von Bismarck, Leipzig, 1989, S. 189
- Quote paper
- Matthias Wühle (Author), 2007, Der Preußisch-Österreichische Krieg von 1866 und seine Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84992
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