Im Seminar „Verbal and nonverbal aspects of cultural understandings and missunderstandings“ sprachen wir über die verschiedensten Gesten und Verhaltensweisen, die zu kulturellen Missverständnissen und Spannungen führen können.
Besonders interessant ist für mich, das bereits die Anrede in verschiedenen Ländern unterschiedliche Rituale hat und es sozusagen schon bei der Begrüßung zu Problemen kommen kann.
Deshalb möchte ich auf den folgenden Seiten die Entwicklung der Anredeforschung wiedergeben, die Feinheiten der Anredeformen verschiedener Länder eingehend beschreiben und erläutern, wie diese Unterschiede entstanden sind.
Zum Schluss werde ich meine Ergebnisse noch einmal zusammenfassen und versuche herauszufiltern, welche Gemeinsamkeiten auch die kulturell unterschiedlichsten Länder in ihrem Anredeverhalten haben.
Gliederung
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Entstehung und Entwicklung der Anredeforschung
2.2 Darstellung und Entwicklung der Anrede in verschiedenen Sprachen
2.2.1 Die Anrede im Deutschen
2.2.2 Die Anrede im Russischen
2.2.3 Die Anrede im Japanischen
3. Schluss
4. Bibliographische Angaben
1. Einleitung
Im Seminar „Verbal and nonverbal aspects of cultural understandings and missunderstandings“ sprachen wir über die verschiedensten Gesten und Verhaltensweisen, die zu kulturellen Missverständnissen und Spannungen führen können.
Besonders interessant ist für mich, das bereits die Anrede in verschiedenen Ländern unterschiedliche Rituale hat und es sozusagen schon bei der Begrüßung zu Problemen kommen kann.
Deshalb möchte ich auf den folgenden Seiten die Entwicklung der Anredeforschung wiedergeben, die Feinheiten der Anredeformen verschiedener Länder eingehend beschreiben und erläutern, wie diese Unterschiede entstanden sind.
Zum Schluss werde ich meine Ergebnisse noch einmal zusammenfassen und versuche herauszufiltern, welche Gemeinsamkeiten auch die kulturell unterschiedlichsten Länder in ihrem Anredeverhalten haben.
2. Hauptteil
2.1 Entstehung und Entwicklung der Anredeforschung
1958 schrieben Brown und Ford den Aufsatz „Who says <tu> to whom“, eine Arbeit, die sich das erste Mal allein mit der Anredetheorie beschäftigte.
Dieser Aufsatz beschäftigte sich mit dem Phänomen, dass es in europäischen Sprachen zwei Pronomen zur Anrede gibt. Diese Anrededifferenzierung wird auf das römische Reich des vierten Jahrhunderts zurückgeführt, denn dort wurde der Kaiser mit ʹvosʹ angesprochen.
Daraus hervorgehend prägten sich zwei Anredeformen aus:
Die vertikale Statusdimension: Höhergestellte Personen erhalten das Höflichkeitspronomen (ʹvosʹ), niedriger gestellte Personen das ʹduʹ.
Die horizontale Statusdimension: Gleichgestellte Personen benutzen das ʹsieʹ, wenn sie sich fremd sind und das ʹduʹ, wenn sie einander vertraut sind.
Brown und Ford stellten fest, dass in neuerer Zeit die horizontale Statusdimension überwiegend benutzt wird und Statusunterschiede nicht mehr so oft in der Anrede ihren Ausdruck finden.
1960 folgte ein weiterer Aufsatz von Brown, den er diesmal zusammen mit Gilman schrieb, „The pronouns of power and solidarity“.
Dieser Aufsatz beschäftigte sich mit dem Verhältnis von Anredeform und Staatsgefüge.
Demnach folgte im Mittelalter die Anrededifferenzierung der Machtstruktur und war abhängig von einem statischen und hierarchischen Staatsgefüge. Diese Anrededifferenzierung nannten Brown und Gilman Power Semantic. Das bedeutete, dass sich höhergestellte Personen immer mit ʹsieʹ, niedriger gestellte Personen einander immer mit ʹduʹ ansprachen. Dieses Anredeverhältnis war von Asymmetrie und Non – Reziprozität bestimmt.
Laut Brown und Gilman blieb die Power Semantic bis ins 19. Jahrhundert bestehen, danach entwickelte sich allmählich der Wechsel zur Solidarity Semantic. Im Zuge der französischen Revolution wurde nun nicht mehr nach den Machtunterschieden, sondern nach den Gemeinsamkeiten unterteilt.
Hatten Personen keine Gemeinsamkeiten und es herrschte Distanz zwischen ihnen, sprachen sie einander mit ʹsieʹ an, fanden sie aber eine Gemeinsamkeit und somit Vertrautheit, duzten sie sich. Dieses Anredeverhältnis war von Reziprozität bestimmt und setzte sich in mobilen Gesellschaften mit egalitärer Ideologie durch.
Brown und wiederum Ford veröffentlichten 1964 die dritte Arbeit zur Anredeforschung, „Address in American English“ in der sie sich, wie der Titel schon besagt, mit der amerikanischen Anrede beschäftigen. Da es ja im amerikanischen Englisch nur das ʹyouʹ als Anrede gibt, untersuchten Brown und Ford, inwieweit mit anderen Mitteln außer der direkten Anrede, gesellschaftliche oder persönliche Unterschiede deutlich gemacht werden können.
Dazu sichteten sie amerikanische Dramen, befragten Informanten, analysierten Tonbandaufzeichnungen und stellten Beobachtungen in einer Bostoner Firma an.
Laut Brown und Ford ergaben sich im amerikanischem Englisch zwei Möglichkeiten der Anrede, entweder spricht man sich mit dem Nachnamen und Titel an, oder nur mit dem Vornamen. Dies geschieht wie bei der horizontalen Statusdimension der europäischen Sprachen, der Nachname wird benutzt, wenn man sich noch nicht so lange kennt, ist man sich vertraut, benutzt man nur noch den Vornamen. Das amerikanische Englisch hat aber noch eine Sonderform, um höhergestellten Personen Respekt zu zollen. Dafür gibt es spezielle Titel, wie etwa das ʹSirʹ oder ʹMadamʹ.
Neuere Forschungen, wie zum Beispiel Piepers Aufsatz „Zur Interaktion linguistischer, sozialer und biologischer Variablen im Problemkreis der Anrede“ aus dem Jahre 1984 unterteilen die Formen der Anrede auf verschiedene Ebenen.
Da wäre einmal die biologische Ebene, die eine Person über das Geschlecht, das Alter und die Verhaltensdisposition definiert.
Dann gibt es noch die soziokulturelle Ebene, das sind die sozialen Attribute, die eine Person ausmachen und die Rolle im sozialen Umfeld der Gemeinschaft, in der diese Person lebt. Laut Pieper haben diese beiden Ebenen gleichermaßen Einfluss auf die Anredeformen.
2.2.1 Die Anrede im Deutschen
1. Die Anrede in der Familie
Normalerweise ist es in Deutschland üblich, seine Eltern mit ʹMamaʹ und ʹPapaʹ anzureden. Vor den sechziger Jahren wurden die Eltern aber noch auffallend häufig mit dem strengeren ʹVaterʹ und ʹMutterʹ angesprochen, besonders von den Söhnen. Ende der sechziger Jahre gab es aber eine Phase, in der Kinder ihre Eltern mit dem Vornamen anredeten. Dies hatte aber nicht, wie man annehmen könnte, mit der zeitgleichen Studentenbewegung zu tun. Laut Werner Besch waren die Eltern:
„... vielmehr beeindruckt von der Aufbruchstimmung im psychologischen und lernpädagogischen Bereich während der sechziger Jahre“1
Im Laufe der Zeit ist es aber wieder aus der Mode gekommen, seine Eltern mit dem Vornamen anzusprechen, ich kenne jedenfalls niemanden aus meinem Bekanntenkreis, der dies tut.
Einen Umschwung hat es allerdings gegeben, was die Anrede von weiteren Verwandten, wie zum Beispiel Tante und Onkel anbelangt. Die meisten Befragten nennen solche Verwandte nur noch beim Vornamen, oder richten sich nach den Wünschen der Verwandtschaft. Da ist es eher vom Alter abhängig, ob ein Verwandter lieber mit zum Beispiel ʹOnkelʹ und Vornamen oder nur mit dem Vornamen angesprochen werden möchte.
Das sich genau strukturierte Familienbezeichnungen auf dem Rückzug befinden, liegt sicherlich auch daran, dass sich die Familie als solche im Laufe der Zeit gewandelt hat und es die ʹklassischeʹ Familie heutzutage kaum noch gibt.
2. Die Anrede von Fremden
Leute, die einander nicht kennen, siezen sich, jedenfalls, wenn sie ein gewisses Alter überschritten haben. Der Übergang im Deutschen vom ʹsieʹ zum ʹduʹ gestaltet sich mitunter schwierig und wird wie zum Beispiel beim ʹBrüderschaftʹ trinken, ritualisiert. In Gruppen, die sich durch Gemeinsamkeiten verbunden fühlen, wird sich geduzt, wie zum Beispiel in Sportvereinen, in der Gewerkschaft oder innerhalb mancher Parteien. Jugendliche oder jüngere Erwachsene duzen einander in der Regel auch, wobei hier die Grenze, ab wann man nicht mehr im ʹduzfähigenʹ Alter ist, verschwimmt.
Im Deutschen gibt es bei der Anrede von Fremden noch einen Sonderfall: das Fräulein. Früher allgemein akzeptiert als Anrede für eine nichtverheiratete Frau, wurde es im Zuge der Emanzipation als frauenfeindlich und unnötig abgestempelt. Heutzutage ist das Fräulein obsolet, nur ältere Herren benutzen es manchmal und es soll auch tatsächlich noch einige Frauen geben, die auf diese Anrede bestehen. Da diese Frauen in der Regel etwas älter sind, dient dieser Wunsch wohl nicht dem Zweck anzuzeigen, das man noch zu haben ist (ursprünglich der Sinn dieser Anrede), sondern eher dem Bestreben, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass man stets dem Laster entsagt und seine Tugend behalten hat.
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1 Besch, 1996, S. 70
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