In den Städten konzentrierten sich seit dem 13. Jahrhundert immer mehr Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft. Knechte, Mägde oder auch Kaufleute und Grossbürger lebten Seite an Seite. Auch ein Teil der Fahrenden wurde zeitweise oder dauerhaft sesshaft. Die schwierige Aufgabe Auseinandersetzungen unter den Stadtbewohnern zu regeln, um ein friedliches Nebeneinander zu sichern, kam dem Rat der Stadt zu. So musste er sich natürlich auch mit der rechtlichen Stellung der Dirnen befassen, denn als soziale Aussenseiterinnen waren sie bevorzugtes Opfer von Gewalt.
Grob kann man zwei Gruppierungen von Dirnen feststellen, die fahrenden Dirnen und die Dirnen in der Stadt. Doch sind diese beiden Gruppen nicht strikt voneinander zu trennen. Der Übergang von einer Dirne in der Stadt zu einer fahrenden Dirne war fliessend. Da sie im 13. Jahrhundert immer wieder aus den Städten vertrieben wurden, waren sie ständig zu einem fahrenden Dasein gezwungen.
Die fahrenden Dirnen wurden auch „Freie Frauen“ genannt. Dieses „frei“ bedeutete, dass sie ausserhalb der städtischen Ordnung standen, was Schutzlosigkeit und Rechtlosigkeit mit sich brachte. Sie waren auf den Strassen des Spätmittelalters unterwegs, wobei natürlich die Städte eine besondere Anziehungskraft auf sie ausübten. Doch der Stadtrat war über sie wenig erfreut. Vielerorts war die Prostitution lange Zeit verboten und man versuchte die Dirnen mit Massenausweisungen aus der Stadtgemeinschaft fern zu halten. Doch der räumliche und rechtliche Ausschluss der Frauen aus dem Bürgerverband blieb symbolisch – sie liessen sich oft einfach vor den Stadtmauern nieder und waren so problemlos für die Stadtbewohner erreichbar. Ausdrücklich geduldet waren die fahrenden Frauen nur bei besonderen Anlässen, vor allem bei Märkten und Messen. Für das 15. und 16. Jahrhundert berichten einige Chroniken über die grosse Zahl an Prostituierten bei bestimmten Anlässen. [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Forschungsstand
1.3 Aufbau
2 Die räumliche Trennung
3 Kleiderordnungen
4 Das Frauenhaus
4.1 Die Lage der Frauenhäuser
4.2 Die Schliessung der Frauenhäuser
5 Fazit
6 Literatur und Quellenverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
In den Städten konzentrierten sich seit dem 13. Jahrhundert immer mehr Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft. Knechte, Mägde oder auch Kaufleute und Grossbürger lebten Seite an Seite. Auch ein Teil der Fahrenden wurde zeitweise oder dauerhaft sesshaft. Die schwierige Aufgabe Auseinandersetzungen unter den Stadtbewohnern zu regeln, um ein friedliches Nebeneinander zu sichern, kam dem Rat der Stadt zu. So musste er sich natürlich auch mit der rechtlichen Stellung der Dirnen befassen, denn als soziale Aussenseiterinnen waren sie bevorzugtes Opfer von Gewalt.[1]
Grob kann man zwei Gruppierungen von Dirnen feststellen, die fahrenden Dirnen und die Dirnen in der Stadt. Doch sind diese beiden Gruppen nicht strikt voneinander zu trennen. Der Übergang von einer Dirne in der Stadt zu einer fahrenden Dirne war fliessend. Da sie im 13. Jahrhundert immer wieder aus den Städten vertrieben wurden, waren sie ständig zu einem fahrenden Dasein gezwungen.[2]
Die fahrenden Dirnen wurden auch „Freie Frauen“ genannt. Dieses „frei“ bedeutete, dass sie ausserhalb der städtischen Ordnung standen, was Schutzlosigkeit und Rechtlosigkeit mit sich brachte. Sie waren auf den Strassen des Spätmittelalters unterwegs, wobei natürlich die Städte eine besondere Anziehungskraft auf sie ausübten. Doch der Stadtrat war über sie wenig erfreut. Vielerorts war die Prostitution lange Zeit verboten und man versuchte die Dirnen mit Massenausweisungen aus der Stadtgemeinschaft fern zu halten. Doch der räumliche und rechtliche Ausschluss der Frauen aus dem Bürgerverband blieb symbolisch – sie liessen sich oft einfach vor den Stadtmauern nieder und waren so problemlos für die Stadtbewohner erreichbar. Ausdrücklich geduldet waren die fahrenden Frauen nur bei besonderen Anlässen, vor allem bei Märkten und Messen. Für das 15. und 16. Jahrhundert berichten einige Chroniken über die grosse Zahl an Prostituierten bei bestimmten Anlässen. Auch während dem Konzil von Konstanz wird über eine grosse Anzahl von Prostituierten in der Stadt berichtet.[3]
So liessen sich viele Dirnen immer wieder in den Städten nieder und versuchten sesshaft zu werden. Die wenigstens partielle Integration in des jeweilige Umfeld war entscheidend für die Überlebenschancen der Prostituierten. Der Rat hatte auch eingesehen, dass durch Vertreibungen das Problem nicht beseitigt werden konnte, so unterstellte er die fahrenden Frauen im Spätmittelalter einem rechtlichen Schutz, was aber nicht bedeutete, dass man diese Lebensweise gebilligt hätte. Es war eine Lebensweise, welche einfach geduldet wurde, um ein mögliches grösseres Übel zu vermeiden. Man glaubte, dass sie eine nützliche Aufgabe in der Gesellschaft übernahmen, ohne sie Vergewaltigung und Unzucht an der Tagesordnung wären. Die Einstellung der Gesellschaft gegenüber den Prostituierten war also höchst ambivalent. „Die Einsicht in ihre Unentbehrlichkeit als Regulativ legte zwar deren Duldung nahe, die Unmoral ihres Gewerbes und die Überzeugung von der Verwerflichkeit ihres Wesens führten jedoch in vielen Städten zur Marginalisierung der Prostitution.“[4] Trotzdem wurden die Dirnen seit dem 13. Jahrhundert einem rechtlichen Schutz unterstellt, was aber in keiner Weise mit einer sozialen Anerkennung einher ging. Die Einschätzung dieser Frauen war unvermindert von Verachtung gekennzeichnet, doch wurden sie nur noch zu liturgischen Festen aus der Stadt gewiesen. Die Bemühungen, die Dirnen auf Abstand zur städtischen Gemeinschaft zu halten, fanden ihren Ausdruck zuerst in Marginalisierungen und danach in Stigmatisierungen, was bedeutete, dass man ihnen allmählich einen Platz in der Gesellschaft zuordnete, sie aber durch gezielte Kennzeichnungen am untersten Ende der gesellschaftlichen Prestigeskala einordnete. Sie fanden also ihren Platz bei den städtischen Unterschichten, was eine starke soziale Exklusion mit sich brachte.[5] Seit dem Ende des 14. Jahrhundert erwarben die Städte bereits bestehende Bordelle oder richteten Häuser für die Dirnen ein, welche sie an Frauenwirte zur Nutzung verpachteten, was ein weiterer Schritt zur Institutionalisierung und Integration der Prostitution bedeutete. Ein weiterer Schritt der zunehmenden Einbindung der Prostitution in die städtische Ordnung waren die Bemühungen des Rates, das Verhalten in den Bordellen den in der ganzen Stadt geltenden Regeln zu unterwerfen und somit wurde das städtische Bordell zu einer Institution, die der sittlichen Ordnung der Stadt diente. Mit ausgehendem 15. Jahrhundert verstärkten sich nicht zuletzt auf Grund der Reformation und der aufkommenden Syphilis, die Bestimmungen gegen die Prostitution, was in einem totalen Verbot mündete.[6]
Dieses Bild, welches ich hier entworfen habe, ist ein Idealtypus. So einheitlich kann diese Entwicklung in Europa nicht beobachtet werden. Vielmehr ist es immer wieder erstaunlich, wie gross die regionalen Unterschiede in Bezug auf die Prostitution sind. Mein Ziel ist es ein Modell für die städtische Prostitution in der frühen Eidgenossenschaft zu erstellen. Dieses Modell bewegt sich zeitlich so zwischen der Mitte des 14. Jahrhundert und dem Ende des 16. Jahrhundert, als die Reformation in viele Gebiete der Schweiz bereits Einzug gehalten hatte. Geographisch wird sich meine Arbeit vor allem auf die Städte Luzern, Zürich, Bern und Basel fokussieren, da ich zu diesen Städten die ergiebigsten Quellen gefunden habe. Die Arbeit soll zeigen, welche obrigkeitlichen Massnahmen getroffen wurden, um ab der Mitte des 14. Jahrhundert die Prostitution zu regulieren. Welche Stigmatisierungen und Marginalisierungen erliess die Obrigkeit, um die Dirnen einer bestimmten sozialen Gruppe zu zuordnen und so eine gesellschaftliche Ordnung nach bestimmten Normen zu erhalten? Weiter soll auch das mitttelalterliche Frauenhaus angeschaut werden. Was bezweckte die Obrigkeit mit den Frauenhäusern? Wo lagen sie? Warum wurden diese im 16. Jahrhundert fast ausschliesslich geschlossen?
1.2 Forschungsstand
Die Forschungslandschaft zur Prostitution in der Schweiz ist nicht riesig, dennoch gibt es einige erwähnenswerte Arbeiten dazu. In einem Aufsatz über den Kohlenberg stellt Katharina Simon-Muscheid neben anderem viel Wissenswertes zu den Basler Frauenhäusern zusammen, während dem St. Galler Frauenhaus bei Ernst Ziegler ein Kapitel gewidmet ist. Zu Luzern ist bei Hans Wicki einiges zu finden.[7]
Doch umfassende Arbeiten, welche sich spezifisch auf die Prostitution in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft fokussieren, gibt es nicht. Die umfangreichsten Werke sind diejenigen von Beate Schuster, welche allgemeine Aspekte der mittelalterlichen Prostitution sehr umfassend darstellt. Ihr Werk konzentriert sich vor allem auf den süddeutschen Raum, inklusive der Schweiz. Die meisten allgemeinen Informationen zur Prostitution habe ich aus den Werken von Beate Schuster. Weiter gab Jacques Rossiaud ein umfangreiches Werk über die Prostitution in Südostfrankreich heraus, während Leah Lydia Otis dasselbe für Südwestfrankreich tat. Rossiaud vertritt aber im Vergleich zu Schuster viel stärker den Standpunkt, die Prostituierten seien im 15. Jahrhundert rechtlich und geografisch vermehrt in die städtische Gesellschaft integriert gewesen.
1.3 Aufbau
Der Hauptteil der Arbeit beinhaltet 3 Kapitel. Jedes Kapitel hat eine von den Obrigkeiten gegen die Prostitution ergriffenen Massnahmen zum Gegenstand. Dafür werde ich die meisten Quellen aus der sehr übersichtlichen Zusammenstellung der Schweizer Chronik von Leo Zehnder entnehmen.
Das Kapitel zum Frauenhaus stellt eine weitere Massnahme dar, wie die Obrigkeit die Prostitution regulieren wollte. Dieses Kapitel soll auch exemplarisch das Kapitel 2 etwas beleuchten, da die Frauenhäuser dem Kriterium der räumlichen Trennung entsprechen mussten. Die Originaldokumente stammen wiederum vor allem aus Leo Zehnders Schweizer Chronik. Weitere Quellen stammen aus Renward Cysats Chronik und auch bei J. Conrad Troll sind einige Originaldokumente zu finden, welche ich beiziehen werde.
Das Schlusskapitel soll nochmals der Beantwortung der eingangs gestellten Fragen dienen und einige weitere Ideen anfügen.
[...]
[1] Schuster, Beate, Die freien Frauen: Dirnen und Frauenhäuser im 15. und 16. Jahrhundert (Geschichte und Geschlechter 12), Frankfurt/Main 1995, S. 54ff.
[2] Ebd., S. 54ff.
[3] Zu dem Konzil von Konstanz siehe: Schuster, Beate, Die unendlichen Frauen. Prostitution und städtische Ordnung in Konstanz im 15./16. Jahrhundert, Konstanz 1996, S. 19ff., allgemein zu den fahrenden Dirnen ist zu empfehlen: Schuster, Beate, Die freien Frauen: Dirnen und Frauenhäuser im 15. und 16. Jahrhundert (Geschichte und Geschlechter 12), Frankfurt/Main 1995, S. 37ff.
[4] Lömker-Schlögell, Annette, Prostituierte - "umb vermeydung willen merers übels in der cristenhait", in: Hergemöller, B.-U. (Hg.), Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Ein Hand- und Studienbuch, Warendorf 1990, S. 75.
[5] Roeck, Bernd, Aussenseiter, Randgruppen, Minderheiten. Fremde im Deutschland der frühen Neuzeit, Göttingen 1993, S. 123.
[6] Siehe dazu: Schuster 1995, S. 178ff. oder auch: Lömker-Schlögell, Annette, Prostituierte - "umb vermeydung willen merers übels in der cristenhait", in: Hergemöller, B.-U. (Hg.), Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Ein Hand- und Studienbuch, Warendorf 1990, S. 75ff.
[7] Siehe dazu die Bibliografie.
- Arbeit zitieren
- Reto Liniger (Autor:in), 2005, Obrigkeitliche Maßnahmen zur Regulierung der Prostitution in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84754
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.