Den Anlaß für mein starkes Interesse an dem Verschuldungsproblem der Entwicklungsländer (EL) bildete mein zufälliger Besuch einer kleinen Ausstellung der Pekinger Weltfrauenkonferenz im September 1995. Dort wurde u.a. über die Zuteilung von Geldmitteln für Entwicklungsprogramme in bezug auf die weltweit wachsende Armut der Frauen diskutiert, proklamiert wurden jedoch lediglich Umschichtungen zugunsten von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Eva Rose, die Autorin eines von mir in der Ausstellung aufgefundenen Dokumentationsheftes zur Konferenz, dagegen machte darauf aufmerksam, daß eine der wichtigsten Ursachen der Entwicklungshindernisse für Frauen und für die Ausbeutung von Frauenarbeit, nämlich das Verschuldungsproblem / die Verschuldungskrise und die dadurch verursachte Armut der EL, bei der Debatte über die wirtschaftlichen Strukturanpassungs-maßnahmen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Weltbank übersehen wurde. Sie schilderte in ihrem Text zwar die konkrete Lage des
Verschuldungsproblems der EL nicht, führte aber an, daß die wirtschafts-politisch neoliberalen Strukturanpassungsprogramme aus Angst der Industrieländer (IL) davor, daß die internationale Wirtschaftsstruktur durch die Zahlungsunfähigkeit der EL gefährdet werden würde, zugunsten der IL eingeführt wurden und in deren Rahmen unhumanistische Weltmarktfabriken zu blühen begannen. Diese Maßnahmen liegen eindeutig im Interesse der westlichen IL. So schilderte Eva Rose die Situation der sehr jungen Frauen, konkret gesagt der Mädchen im schulpflichtigen Alter, wie sie durcharbeiten müssen und unter einer strikten Kontrolle stehen, die sogar gebietet, „wann und wie lange sie zur Toilette gehen dürfen“ ( Rose 1997 : 30 ). Mehrere Todesfälle von Arbeiterinnen in Weltmarktfabriken sind bekannt geworden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Struktur und Umfang der Auslandsschulden der Entwicklungsländer
2.1 Begriff
2.2 Struktur und Umfang der Verschuldung
3 Verschuldung als Entwicklungshemmnis
4 Verschuldungsprobleme und die Ursachen des Anstiegs der Verschuldungskrise
4.1 Interne Ursachen der Auslandsschulden der EL
4.2 Historischer Verlauf und Ursachen der Verschuldungskrise auf der internationalen Ebene
5 Fortsetzung der Problematik und die Rolle der IL bzw. Banken
6 Schlußbetrachtung
Literatur
1 Einleitung
Den Anlaß für mein starkes Interesse an dem Verschuldungsproblem der Entwicklungsländer (EL)[1] bildete mein zufälliger Besuch einer kleinen Ausstellung der Pekinger Weltfrauenkonferenz im September 1995. Dort wurde u.a. über die Zuteilung von Geldmitteln für Entwicklungsprogramme in bezug auf die weltweit wachsende Armut der Frauen diskutiert, proklamiert wurden jedoch lediglich Umschichtungen zugunsten von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Eva Rose, die Autorin eines von mir in der Ausstellung aufgefundenen Dokumentationsheftes zur Konferenz, dagegen machte darauf aufmerksam, daß eine der wichtigsten Ursachen der Entwicklungshindernisse für Frauen und für die Ausbeutung von Frauenarbeit, nämlich das Verschuldungsproblem / die Verschuldungskrise und die dadurch verursachte Armut der EL, bei der Debatte über die wirtschaftlichen Strukturanpassungs-maßnahmen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Weltbank übersehen wurde. Sie schilderte in ihrem Text zwar die konkrete Lage des Verschuldungsproblems der EL nicht, führte aber an, daß die wirtschafts-politisch neoliberalen Strukturanpassungsprogramme aus Angst der Industrieländer (IL) davor, daß die internationale Wirtschaftsstruktur durch die Zahlungsunfähigkeit der EL gefährdet werden würde, zugunsten der IL eingeführt wurden und in deren Rahmen unhumanistische Weltmarktfabriken zu blühen begannen. Diese Maßnahmen liegen eindeutig im Interesse der westlichen IL. So schilderte Eva Rose die Situation der sehr jungen Frauen, konkret gesagt der Mädchen im schulpflichtigen Alter, wie sie durcharbeiten müssen und unter einer strikten Kontrolle stehen, die sogar gebietet, „wann und wie lange sie zur Toilette gehen dürfen“ ( Rose 1997 : 30 ). Mehrere Todesfälle von Arbeiterinnen in Weltmarktfabriken sind bekannt geworden.
Solch´ schreckliche, aber leider wirkliche Lage vieler Frauen der Welt macht mich wütend. Die Erkenntnis, daß das Verschuldungsproblem der EL eine der wesentlichen Ursachen der geschilderten miserablen Situation vieler Frauen und deren Armut ist, veranlaßte mich dazu, eine Arbeit über das `Ausbeutungsmoment´ innerhalb der Verschuldungsthematik zu schreiben. Die Arbeit ist wie folgt gegliedert:
- Struktur und Umfang der Auslandsschulden der Entwicklungsländer
- Verschuldung als Entwicklungshemmnis
- Verschuldungsprobleme und die Ursachen des Anstiegs der Verschuldungskrise
- Fortsetzung der Problematik und der Rolle der IL bzw. Banken
Ich werde mich mit dem Problem der Auslandsschulden und der damit einhergehenden Verschuldungskrise auseinandersetzen, Lösungsversuche des Problems hier jedoch unberücksichtigt lassen.
2 Struktur und Umfang der Auslandsschulden der Entwicklungsländer
2.1 Begriff
Staatsverschuldung, öffentliche Verschuldung genannt, bedeutet Beschaffung von Staatseinnahmen durch Kreditaufnahme, und besteht aus Inlandsschulden und Auslandsschulden. Die gesamten Auslandsschulden (= Bruttoauslands-schulden) umfassen die langfristigen (vergünstigte und nicht-vergünstigte), und die kurzfristigen Schulden (Verbindlichkeiten unter einem Jahr Laufzeit). Die nicht-vergünstigten Schulden sind mit höherer Schuldendienstleistung verbunden. Das ist der geleistete Schuldendienst, er umfaßt alle Ausgaben zur Verzinsung und Tilgung aufgenommener Schulden. Als genauer Indikator für die Last für die Schuldner wird die Schuldendienstrelation angesehen. Das ist das Verhältnis des Schuldendienstes zu den Exporten von Gütern und Dienstleistungen eines Verschuldungslandes. Eine Schuldendienstrelation von z.B. 20 v H bedeutet, daß 20 v H der Exporterlöse für Zinsen und Rückzahlungen von Krediten verwendet werden müssen, und daß nur 80 v H der Exporterlöse für Import zur Verfügung stehen.[2]
2.2 Struktur und Umfang der Verschuldung
Die Arten der Auslandsschulden in bezug auf die jeweiligen Gläubiger:
a) Sind Organisation for Economic Cooperation and Development(OECD)-Länder der / die Gläubiger, gibt es:
- Official Development Assistance (ODA)-Darlehen und -Kredite. Das besteht öffentliche Entwicklungshilfe; die Darlehen werden zu vergünstigten Bedingungen mit einem Zuschußelement von mindestens 25% und zu langen Laufzeiten vergeben.
- Exportkredite. Diese kurzfristigen Lieferantenkredite werden von den Exportgüter-lieferanten für Warenlieferung an den Importeur (EL) durch Einräumen eines Zahlungszieles gewährt.
- Kapitalmärkte; also den Handel mit lang- und mittelfristigem Kapital durch Ausgabe und Tilgung. Auf ihnen wird Geld für lang- und mittelfristige Verschuldung angeboten - Bankkredite und Anleihen. Der Zinssatz ist meistens variabel vereinbart (Grundlage dafür sind die `Prime Rate´, `London Interbank Offered Rate´ plus Aufschlag ( spread ), der sich nach der Kreditwürdigkeit des jeweiligen Schuldners richtet).
- die Verschuldung bei sonstigen privaten Gläubigern.
Desweiteren gibt es die Möglichkeiten der:
b) Verschuldung bei multilateralen Gläubigern oder / und
c) Verschuldung bei nicht-OECD-Ländern sowie
d) durch die Aufnahme von IWF-Kredite, also durch Ziehungsrechte und Sonderziehungsrechte der Mitgliedsländer der IWF zur Finanzierung der wirtschaftlichen Leistungsdefizite.
International betrachtet, belief sich die gesamte Verschuldung der Entwicklungsländer laut Weltbankangaben 1970 auf 100, 1977 auf 334, 1982 auf 763, 1990 auf 1341 und 1995 auf 1950 Mrd. US$[3]. Zu Beginn der internationalen Schuldenkrise im August 1982, als Mexiko als erstes Entwicklungsland seine Zahlungsunfähigkeit erklärte, waren für 45 Länder Auslandsschulden in Höhe von über 50 v H ihres Bruttosozialproduktes aufgelaufen; 1989 galt dies für über 60 Länder.[4]
Betrachtet man die Schuldnerländer im Einzelnen, machten die größten Schuldner - Brasilien und Mexiko[5] - Anfang der 80er Jahren schon fast ein Viertel der Gesamtverschuldung der Entwicklungsländer aus. Auf die zehn größten Schuldnerländer (u.a. Argentinien, Venezuela, Indonesien, Indien und Ägypten) entfallen mehr als die Hälfte der Gesamtschulden der EL. Diese Länder waren auch 1995 nicht in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.[6]
Aber auch jene Länder, die nur gering verschuldet sind, dürfen nicht übersehen werden. In bezug auf ihre Wirtschaftskraft müssen sie als überschuldet angesehen werden. Die Belastung durch den Schuldendienst wird deutlich, wenn der Schuldenstand in Beziehung zum BSP bzw. Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesetzt wird, und, wie bereits erwähnt, durch die Schuldendienstrelation[7]. Die Relation Schuldenbestand/BSP belief sich 1985 in Mali auf 122%, in Mauretanien auf 208%, Togo 121%, Sambia 150%, Nicaragua 185% und in Jamaika auf 167% (Die entsprechenden Werte für Mexiko, Brasilien und Argentinien lagen 1982 bei 45%, 23% und 38%).[8]
[...]
[1] Als Entwicklungsländer werden nach Definition der UNO die Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bezeichnet. Länder mit niedrigem Einkommen sind jene, deren Bruttosozialprodukt (BSP) pro Kopf im Jahr 1992 675 US$ oder weniger betrug. Länder mit mittlerem Einkommen sind jene, deren BSP pro Kopf mehr als 676 US$, aber weniger als 8355 US$ betrug ( vgl. Wagner 1995:17 )
[2] vgl. Schreiber 1990: 451, Wagner 1995: 220ff
[3] Fischer 1996: 951, Nohlen 1993:595
[4] Opitz 1991:196
[5] Im Jahre 1980 hatten Brasilien 77,012 und Mexiko 57,378 Mrd. US-$ und im Jahre 1994 132,800 bzw. 125,230 Mrd. US-$ Auslandsschulden (vgl. Fischer 1996: ebd.).
[6] vgl. Fischer 1996: ebd.
[7] Im Unterschied zu ersterem ist diese Relation mit betriebswirtschaftlichen Maßstäben der Überschuldung zu vergleichen. Die Relationen zeigen jedoch nicht, inwieweit die Probleme des Schuldners auf die Ausfuhr anstatt die Verschuldung zurückzuführen ist, und noch dazu, sie lassen sich für Vergangenheit und Gegenwart wegen Umschuldungen nicht vergleichen.
[8] Knall 1986: 149
- Quote paper
- Chise Onuki (Author), 2000, Zum Verschuldungsproblem der Entwicklungsländer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84734
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