Es wird das Anliegen sein, die Erzählweise der Geschichten des Squires und des Franklin in Chaucers Canterbury Tales auf den Einfluss hin zu untersuchen, den ihre soziale Stellung und ihr gesellschaftlicher Stand auf ihre Erzählungen nimmt. Dieser Einfluss, der dem jeweils Erzählenden selbst unbewusst ist, ist der Erzählweise an diversen Stellen zu entnehmen und erlaubt dem Leser Schlüsse zu ziehen auf die Werte und Normen des späten 14. Jahrhunderts, sowie auf deren Ironisierung und auf Abweichungen durch Chaucers Protagonisten.
Beginnend mit der Geschichte des Squires wird untersucht werden, inwieweit sie als Provokation des Franklins gelten kann und inwieweit dieser auf jene Provokation reagiert, indem er des Squires Erzählung zunächst vor ihrem Ende unterbricht und in der folgenden eigenen Geschichte all seine erzählerische Kunst darauf verwendet, das durch den Squire ins Lächerliche gezogene Ideal der höfischen Liebe und somit das Ideal der adeligen Gesellschaft zu rekonstruieren. Es wird der Frage nachgegangen werden, wie der Franklin seine eigene Geschichte aufbaut und ob er durch sie eine Brücke zurück zu schlagen vermag zu den Idealen der höfischen Gesellschaft, und ob er eine Lösung des schwelenden Konflikts zwischen seiner Geschichte und der des Squires finden und dadurch seine soziale Stellung bestätigen und festigen können wird.
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung
II Die Geschichte des Squires
III Die Reaktion des Franklin
IV Schlussbetrachtung
V Literaturverzeichnis
I Einleitung
In der vorliegenden Arbeit wird das Anliegen sein, die Erzählweise der Geschichten des Squires und des Franklin in Chaucers Canterbury Tales auf den Einfluss hin zu untersuchen, den ihre soziale Stellung und ihr gesellschaftlicher Stand auf ihre Erzählungen nimmt. Dieser Einfluss, der dem jeweils Erzählenden selbst unbewusst ist, ist der Erzählweise an diversen Stellen zu entnehmen und erlaubt dem Leser Schlüsse zu ziehen auf die Werte und Normen des späten 14. Jahrhunderts, sowie auf deren Ironisierung und auf Abweichungen durch Chaucers Protagonisten.
Beginnend mit der Geschichte des Squires wird untersucht werden, inwieweit sie als Provokation des Franklins gelten kann und inwieweit dieser auf jene Provokation reagiert, indem er des Squires Erzählung zunächst vor ihrem Ende unterbricht und in der folgenden eigenen Geschichte all seine erzählerische Kunst darauf verwendet, das durch den Squire ins Lächerliche gezogene Ideal der höfischen Liebe und somit das Ideal der adeligen Gesellschaft zu rekonstruieren. Es wird der Frage nachgegangen werden, wie der Franklin seine eigene Geschichte aufbaut und ob er durch sie eine Brücke zurück zu schlagen vermag zu den Idealen der höfischen Gesellschaft, und ob er eine Lösung des schwelenden Konflikts zwischen seiner Geschichte und der des Squires finden und dadurch seine soziale Stellung bestätigen und festigen können wird.
II Die Geschichte des Squires
Was Chaucers Charakterisierung des Squires betrifft, so finden sich schon im Prolog Hinweise auf die Ambiguität des Squires. So bestehen die ihm zugeschriebenen Feldzüge im Gegensatz zu denen seines Vaters, des Knights und somit des berufsmäßigen Ritters, aus Erfolgen, die er sich auf seinen kurzen Feldzügen der Chyvachie als jemand errungen hat, dem diese Lorbeeren hauptsächlich zum Schmuck in der Gunst bei den Frauen dienen (and born hym weel, as of so litel space, /In hope to stonden in his lady grace).1
Chaucer beschreibt auch seine äußere Erscheinung als auffallend künstlich (With lokkes crulle as they were leyd in presse)2. Diese Beobachtungen sollen später bei der Betrachtung seiner Geschichte vom Falkenweibchen berücksichtigt werden. An dieser Stelle tritt bereits im Prolog die Frage nach Schein und Sein hervor. Indem Chaucer den Squire als Idealbild sowohl höfischer als auch weltlicher Perfektion beschreibt, evoziert dessen kraftvolle, jugendliche Erscheinung in Verbindung mit dem zweifelhaften Zweck seiner chyvachie sowie der Künstlichkeit seiner gelockten Haarpracht die Frage nach der wirklichen moralischen Position des Squires.3 Nun kann man aufgrund künstlich gelegter Locken dem Squire keine unlauteren Absichten unterstellen. Es kann jedoch schon als Hinweis Chaucers gelesen werden, die strahlende Perfektion, in welcher der Squire im Prolog auf den ersten Blick erscheint, anzuzweifeln und im folgenden zu hinterfragen. Mit seiner Geschichte, in welcher er das Scheitern des mittelalterlichen Ideals höfischer Liebe in Gestalt eines Falkenpaares beschreibt, und darin in der Darstellung der verzweifelten Reaktion des Falkenweibchens so sehr übertreibt und ihr Leiden ironisiert, droht der Squire, den schwer erarbeiteten gesellschaftlichen Aufstieg des Franklin und das Wertesystem, innerhalb sich dieser Aufstieg nur vollziehen konnte, ins Wanken zu bringen und so zu erschüttern, dass Franklin seine soziale Stellung demaskiert zu sehen befürchten muss. Der Squire selbst befindet sich in einer überlegenen Lage, da ihn seine soziale Stellung von Geburt her als Sohn des Knights in eine Klasse erhebt, welcher der Franklin trotz seiner harten lebenslangen Arbeit daran, immer nur annähernd und eben nicht vollständig angehört, und deren Werte er desto vehementer glaubt verteidigen zu müssen, um gesellschaftlich anerkannt zu werden.
Der Leser weiß nicht, ob der Franklin sogar zum Adel gehört; sicher ist jedoch, dass er gesellschaftlich nicht so hoch steht wie der Squire. Im folgenden wird noch darauf eingegangen werden, warum der Franklin den Squire zwar unterbricht, um jeden Preis jedoch einen offenen Konflikt zu vermeiden sucht. Doch zunächst scheint auch der Squire sich gegenüber der Gunst der Zuhörer abzusichern, indem er eine bewusste Rückversetzung in eine historische Welt vornimmt und als Inhalt seiner Geschichte ein mittelalterliches höfisches Topos wählt: das der höfischen Liebe. Mit der Verlegung des Schauplatzes seiner Geschichte in das Tartarenland der Mongolei (At Sarray, in the land of Tartarye, /Ther dwelte a kyng that werreyed Russye,/)4 schafft er eine große räumliche Distanz zu seinen Zuhörern und lässt seine Geschichte in exotischer Atmosphäre spielen. Diese Distanz schafft ihm selbst wiederum erzählerische Freiräume, die ihm gewisse Brüche innerhalb seiner Geschichte erlauben. So führt der Squire den Beginn seiner Geschichte mit einer ganz für das Spätmittelalter typischen captatio benevolentiae ein: Have me excused if I speke amys / My wyl is good, and lo, my tale is this. / (...) But for to telle yow al hir beautee,/ It lyth nat in my tonge, n´yn my konnyng;/ I dar nat undertake so heigh a thing./ Myn Englissh eek is insufficient./ It moste been a rethor excellent/ That koude his colours longynge for that art,/ If he sholde hire discryven every part./ I am noon swich,/ I moot speke as I kan.5
[...]
1 Chaucer, The Canterbury Tales, Fragment I, 85 f.
2 Ebd., Fragment I, 81
3 Johnston, Clerks and Courtiers, S.84, 18-26
4 Chaucer, The Canterbury Tales, Fragment V, 9-10
5 Chaucer, The Canterbury Tales, Fragment V, 7-8 und 34-41
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