Scoring für große Büroimmobilienbestände aus Sicht der Eigentümer und Mieter im Büromarkt Stuttgart

Unter Einsatz von Geoinformationstechnologie


Diploma Thesis, 2007

146 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Forschungsfragen und Forschungsziele
1.1. Forschungsfragen
1.2. Forschungsziele
1.3. Arbeitshypothesen
1.3.1. Hypothesen auf der Ebene der objektiven Qualitäten
1.3.2. Hypothesen auf der Ebene der subjektiven Anforderungsprofile
1.4. Definitorische Grundlagen
1.4.1. Büro – Büroimmobilie
1.4.2. Bürofläche
1.4.3. Immobilie als Wirtschaftsgut
1.4.4. Immobilienmarkt
1.5. Der Büromarkt Stuttgart als beispielhaftes Anwendungsgebiet

2. Stand der Forschung
2.1. Handlungstheorie
2.1.1. Grundzüge der Handlungstheorie
2.1.2. Der Büromarkt aus handlungstheoretischer Sicht
2.1.3. Anwendung der Handlungstheorie im Rahmen der Arbeit
2.2. Bürostandortforschung in der Geographie und verwandten Disziplinen
2.2.1. Erklärungsmodelle der Standortwahl von Bürobetrieben
2.2.1.1. Der funktionale Ansatz
2.2.1.2. Der organisatorische Ansatz
2.2.1.3. Der historisch-genetische Ansatz
2.2.1.4. Der Lebenszyklus-Ansatz
2.2.1.5. Entscheidungstheoretischer oder behavioristischer Ansatz
2.2.1.6. Aktionsräumlicher Ansatz
2.2.1.7. Kommunikationstheoretischer Ansatz
2.2.2. Fazit aus der Betrachtung der theoretischen Erklärungsmodelle
2.2.3. Anwendung der Bürostandorttheorien im Rahmen der Arbeit
2.3. Einflussfaktoren für Bürostandortentscheidungen
2.4. Quantitative Standortbewertungsmethoden
2.4.1. A-Class, B-Class, C-Class - Qualitäts-Notationen der Immobilienwirtschaft
2.4.2. Rating und Immobilienrating
2.4.2.1. Rating in der Immobilienwirtschaft
2.4.2.2. Immobilienrating in Deutschland
2.4.3. Scoring – Bewertung eines Objekts
2.4.3.1. Checklisten-Methode
2.4.3.2. Rangreiheverfahren
2.4.3.3. Nutzwertanalyse

3. Methodisches Vorgehen
3.1. Quantitative versus qualitative Sozialforschung
3.2. Begründung und Vorstellung des angewandten Methodenmix

4. Scoring-System zur Bewertung großer Büroimmobilienbestände
4.1. Anforderungen an das Scoring-System
4.2. Vorüberlegungen zur Erstellung des Scoring-Systems
4.3. Systematik des Scoring-Systems
4.3.1. Kriteriengruppen – Einflüsse auf die Immobilie
4.3.2. Aufbau des Scoring-Systems
4.3.2.1. Gewichtungen
4.3.2.2. Vom Indikator zum Scoring
4.3.2.3. Meßskala
4.4. Markt
4.4.1. Nationale Merkmale
4.4.1.1. Systematik der Attribute und Indikatoren
4.4.1.2. Büroimmobilienmarkt national
4.4.1.3. Wirtschaftliche Entwicklung national
4.4.1.4. Soziodemographische Entwicklung national
4.4.1.5. Politische, rechtliche Bedingungen
4.4.2. Regionale Merkmale
4.4.2.1. Systematik der Attribute und Indikatoren
4.4.2.2. Büroimmobilienmarkt regional
4.4.2.3. Wirtschaftliche Entwicklung regional
4.4.2.4. Soziodemographische Entwicklung regional
4.4.3. Fazit des Markt-Scorings
4.5. Standort
4.5.1. Verkehrsanbindung / Infrastruktur
4.5.1.1. Systematik der Attribute und Indikatoren
4.5.1.2. Qualität der Verkehrsanbindung
4.5.1.3. Qualität der Infrastruktur
4.5.2. Image / Konkurrenz
4.5.2.1. Systematik der Attribute und Indikatoren
4.5.2.2. Image des Teilraums
4.5.2.3. Konkurrenzsituation
4.6. Objekt
4.6.1. Gebäudeansicht
4.6.1.1. Systematik der Attribute und Indikatoren
4.6.1.2. Wirkung der Büroimmobilie
4.6.1.3. Gebäudeeigenschaften
4.6.2. Gebäudeausstattung
4.6.2.1. Systematik der Attribute und Indikatoren
4.6.2.2. Flexibilität
4.6.2.3. Technische Ausstattung
4.7. Schwächen des Scoring-Systems
4.7.1. Nichtberücksichtigung der Einmaligkeit einer Immobilie
4.7.2. Gefahr der Subjektivität

5. Anwendung des Scoring-Systems am Stuttgarter Büroimmobilienmarkt
5.1. Bewertung der Büroimmobilien nach vorhandener Datentiefe
5.2. Bewertung der Stuttgarter Büroimmobilienstandorte
5.2.1. Verkehrsanbindung / Infrastruktur
5.2.2. Image / Konkurrenz
5.2.3. Fazit – Bewertung der Standorte
5.3. Bewertung der Stuttgarter Büroimmobilien
5.3.1. Gebäudeansicht
5.3.2. Gebäudeausstattung
5.3.3. Fazit – Bewertung der Objekte
5.4. Ergebnisse aus dem Scoring der Stuttgarter Büroimmobilien

6. Modellierung der Mietergruppen und ihrer typischen Mietgesuche
6.1. Hochwertige Beratungsunternehmen
6.2. Geeignete Büroimmobilien für hochwertige Berater in Stuttgart
6.3. IT-Unternehmen
6.4. Geeignete Büroimmobilien für IT-Unternehmen in Stuttgart
6.5. Fazit aus der Modellierung der Mietergruppen

7. Objektiv gut bewertet! - Auch passend für Nutzeransprüche?
7.1. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse
7.2. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Wechselwirkungen zwischen objektiven Qualitäten und subjektiven Anforderungsprofilen

Abb. 2: Modell des Handelns

Abb. 3: Innerstädtische Bürostandortverlagerung nach dem Lebenszyklus-Ansatz

Abb. 4: Differenzierung der Standortfaktoren

Abb. 5: Typenspezifische Abgrenzung von Standortfaktoren

Abb. 6: Einflussgrößen auf Immobilienbewertung

Abb. 7: Aufwand und Unsicherheit bei Anwendung unterschiedlich vieler Betrachtungsebenen

Abb. 8: Gewichte der Indikatoren zur Messung des Attributs „Qualität der Verkehrsanbindung“

Abb. 9: Schematische Darstellung eines Scoring-Systems

Abb. 10: Rating-Skalen

Abb. 11: Anforderungen von Bürobeschäftigten an den Bürostandort

Abb. 12: Zusammenhang zwischen Leerstandsquote und projektiertem Bauvolumen

Abb. 13: Methode der Bewertung des Indikators „Abweichung der Qualität einer Büroimmobilie von der durchschnittlichen Objektqualität aller Büroimmobilien im Teilraum“.

Abb. 14: Methode der Bewertung des Indikators „Abweichung der Größe einer Büroimmobilie von der durchschnittlichen Objektgröße Büroimmobilien im Teilraum“.

Abb. 15: Methode der Bewertung des kombinierten Indikators aus Baualter und Instandhaltung

Abb. 16: Die Königsbau-Passagen in Stuttgart

Abb. 17: Scoring-Stufen nach Datentiefe und Anzahl damit bewerteter Büroimmobilien

Abb. 18: Zusammenhang zwischen dem Merkmal „Verkehrsanbindung / Infrastruktur“ und dem Attribut „Image“ eines Standortes

Abb. 19: STEP – Stuttgart Engineering Park

Abb. 20: 3D-Darstellung der Standortqualitäten

Abb. 21: Die Notenmittel der Teilräume auf Grundlage des Markt-, Standort- und Objektscorings von 2.081 Büroimmobilien im Stadtgebiet von Stuttgart.

Abb. 22: Professioneller Büro- und Projektentwicklungsmarkt; Unternehmenstypen

Abb. 23: Nutzerprofile: Mikrostandortanforderungen verschiedener Mietergruppen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Definitionen der Büroimmobilienqualitätsstufen A-Class, B-Class, C-Class verschiedener Marktteilnehmer

Tab. 2: Standortbewertung mit der Checklisten-Methode

Tab. 3: Standortbewertung mit dem Rangreiheverfahren

Tab. 4: Standortbewertung mit der quantitativen Nutzwertanalyse

Tab. 5: Standortbewertung mit der qualitativen Nutzwertanalyse

Tab. 6: Ergebnisse des Markt-Scorings

Tab. 7: Standorttypen und ihre Benotung im Scoring-System

Tab. 8: Bürolagen mit Büromieten und Benotung des Indikators „Miethöhe im Teilmarkt“ im Scoring-System

Tab. 9: Leerstand im Stadtgebiet Stuttgart

Tab. 10: Gebäudetypen und ihre Bewertung im Scoring-System

Tab. 11: Zuordnung von Scoring-Noten zum Achsraster

Tab. 12: Arithmetische Mittel der Teilräume des Stuttgarter Büromarkts bei der Bewertung der Attribute „Qualität der Verkehrsanbindung“ und „Qualität der Infrastruktur“

Tab. 13: Die Bewertung der Teilräume des Stuttgarter Büromarkts beim Attribut „Konkurrenzsituation“

Tab. 14: Gewichtung der Standortpräferenzen von Seiten der Unternehmenstypen

Tab. 15: Anforderungsprofil der modellierten Mietgesuche

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Forschungsfragen und Forschungsziele

Die Ökonomisierung der Immobilie basiert auf einer langen, hauptsächlich angelsächsischen Tradition. In Deutschland war der Umgang mit Immobilien lange Zeit jedoch von hohen Eigennutzerquoten und versteinertem Kapital geprägt. Seit Mitte der 80er Jahre hat sich auch hierzulande die Erkenntnis durchgesetzt, Immobilien nicht mehr nur als „Vier Wände und ein Dach“ zu begreifen, sondern ihre volkswirtschaftliche Dimension und ihre forschungsrelevante Bedeutung herauszuarbeiten. Der Immobilienmarkt, der eine der wesentlichen Bestimmungsgrößen jeder Marktwirtschaft ist, ist sehr viel komplexer, als es auf den ersten Blick zu scheinen mag (Bulwien 2004, S.8). Zwar haben wir alle täglich Umgang mit Immobilien, sei es als Mieter oder Eigentümer, unabhängig ob unsere Beziehung zu ihnen privater oder geschäftlicher Natur ist. Dennoch ist das Verständnis über die Bestimmungsgrößen des Immobilienmarktes, seine inneren Differenzierungen und seine Entwicklungen erstaunlich rudimentär (ebd. 2004, S.8). Die Gründe für diesen unbefriedigenden Entwicklungszustand liegen darin, dass die Immobilienwirtschaft – wie auch andere Erfahrungsobjekte der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften – die verschiedensten Gebiete der Lebenswirklichkeit berührt (Schulte u. Schäfers 2005, S.50). Da immobilienökonomische Fragen in weitaus mehr Dimensionen hineinreichen, als die meisten anderen Erfahrungsobjekte, ist eine enge Verzahnung verschiedener Forschungsgebiete erforderlich (ebd. 2005, S.50f.). Dies erschwert jedoch ihre wissenschaftliche Durchdringung, denn „Wo sich die einzelnen Disziplinen überlappen, ist der Erkenntnisstand des Wissens meist geringer als in der einzelnen Fachdisziplin.“ (Pfarr 1984, S.16). So wurde in der Volkswirtschaft früh die Beschäftigung mit den Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital (Weber, Thünen) gesucht, die Betriebswirtschaftslehre entwickelte „(…) spezielle Betriebswirtschaftslehren der Industrie, des Handels, der Bankwirtschaft, der Versicherungswirtschaft und der Verkehrswirtschaft (…), nicht aber eine spezielle BWL „Immobilienbetriebslehre“.“ (Schulte u. Schäfers 2005, S.51). Das Bauingenieurwesen und die Architektur wenden ihre Aufmerksamkeit der konstruktiven Planung, Berechnung und baulichen Ausführung aber auch der konstruktiven Ästhetik von Bauwerken verschiedenster Art zu (Pfarr 1984, S.24), während in der Geographie und der Stadtplanung u.a. Stadt- und Standortforschung betrieben wird (de Lange 1989, S.16ff.).

Die vorliegende Arbeit befindet sich also im Spannungs- und Überlappungsfeld mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen und ist in etwa gleichen Teilen der geographischen Bürostandortforschung sowie der Immobilienökonomie zuzurechnen.

Primäres Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, ob mit Hilfe relativ weniger Informationen Aussagen über die Qualität von Büroimmobilien getroffen werden können, die insbesondere für Eigentümer und Mieter von Büroimmobilien von entscheidender Bedeutung sind. Zusätzlich gilt es zu überprüfen, wie die Wechselwirkungen zwischen den objektiven Qualitäten einer Büroimmobilie und den subjektiven Anforderungsprofilen typischer Mietergruppen ausgeprägt sind.

1.1. Forschungsfragen

Im Zentrum dieser Arbeit stehen die Wechselwirkungen zwischen objektiven Qualitäten von Büroimmobilien und den subjektiven Anforderungsprofilen bestimmter Mietergruppen (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Wechselwirkungen zwischen objektiven Qualitäten und subjektiven Anforderungsprofilen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Bevor Wechselwirkungen zwischen den beiden Ebenen analysiert werden können, müssen die Parameter beider Ebenen diskutiert werden. Unter objektiven Qualitäten soll die aus Eigentümersicht wichtige Information verstanden werden, wie gut die Immobilie mittelfristig vermietbar oder verkaufbar ist. Mit objektiven Büroimmobilienqualitäten misst man also die mittelfristige Vermietbarkeit oder Verkäuflichkeit einer Immobilie. „Da definitionsgemäß zwischen der Verkäuflichkeit einer Immobilie und ihrem zukünftigen Verwertungserlös eine enge gleich gerichtete Beziehung existiert, ist auch davon auszugehen, dass zwischen den (…) [Scoring]-Kennzahlen und den Erlösquoten eine hohe Rangkorrelation besteht.“ (Trotz 2004, S.29). Unter subjektiven Anforderungsprofilen von Mietergruppen an Büroimmobilien können je nach Sichtweise mehrere Aspekte subsumiert werden. Unternehmen suchen je nach Mitarbeiterzahl, Betriebsalter, Branchenzugehörigkeit, Kundenstruktur, organisatorischem Status, Technisierung etc. nach Büroflächen, die sich stark in ihrer Standortqualität, der Repräsentativität der Gebäudehülle, der Qualität, Exklusivität und Flexibilität der Ausstattung etc. unterscheiden. Die Bewertung der Markt-, Standort-, und Objekteigenschaften erfolgt insbesondere bei kleineren Unternehmen in hohem Maße subjektiv (Pred 1967, S.76ff.; de Lange 1989, S.52f.; Staudacher 2005, S.99ff.).

Wechselwirkungen sind in diesem Zusammenhang also als Ausdruck dessen zu verstehen, was an Büroimmobilien einerseits am Markt angeboten wird und zum anderen, wie dieses Angebot von Mietergruppen wahrgenommen wird.

Um herauszufinden, wie sich das Angebot an Büroimmobilien an einem Standort darstellt, bieten sich eine Reihe von Verfahren an. Die pragmatischste Lösung wäre wohl die Standortbegehung, um ein Gefühl für die Besonderheiten des Mikrostandortes zu bekommen. Resultat ist dann ein mehr oder weniger differenzierter Eindruck, wie modern, gepflegt, belebt, attraktiv und allgemein ansprechend dieser Standort auf den Betrachter wirkt. Allerdings ist damit noch weitgehend unbekannt, wie die Qualitäten dieses Standortes in Relation zu anderen Standorten derselben Stadt einzuschätzen sind oder wie gut sich das begutachtete Stadtzentrum im Vergleich zu anderen Stadtzentren positioniert. Darüber hinaus empfindet wohl jeder Betrachter einen Standort anders, je nachdem ob er bspw. als potentiell zukünftiger Mieter Wert auf die Nähe zum Kneipenviertel legt oder als Investor eine erstklassige Büroimmobilie als Anlagevehikel sucht. Der Besuch einer Vielzahl von Standorten lässt einen ersten Vergleich zwischen mehreren Standorten zwar eher anstellen, dennoch sind immer noch entscheidende Größen wie wirtschaftliche, soziodemographische und politische Gegebenheiten im Spiel, die unbekannt und unbeachtet bleiben. Mit einem umfangreichen Desk-Research ließen sich viele dieser Informationen sammeln, die entscheidende Frage, welchen Einfluss die Vielzahl an Daten und Informationen auf die Qualität einer Büroimmobilie hat, bleibt dennoch unbeantwortet. Es muss also nach Möglichkeiten gesucht werden, die Qualität von Büroimmobilien messbar zu machen.

Manche rein betriebswirtschaftlich orientierten Kritiker werden hier entgegnen, dass dafür ein Verfahren nach der Wertermittlungsverordnung ausreiche. Denn eine Immobilie mit hoher Qualität müsse schließlich auch einen hohen Verkehrswert haben. Dass dieser Annahme manchmal der Praxisbezug fehlt, zeigt die Vielzahl von Fehlinvestitionen, die bspw. den Fondsinitiator Falk Capital in die Insolvenz trieben (vgl. Knappmann 2005). Die Wertermittlungsverordnung betrachtet nämlich nur das zu bewertende Objekt. Im Vergleichswertverfahren wird zwar nach „ähnlichen“ Grundstücken gesucht und recherchiert, was diese kosten; allerdings ist diese Methode nicht uneingeschränkt auf bebaute Grundstücke anwendbar (Bauer 2005, S.33) Der Marktanpassungsfaktor wird beim Ertragswert- und Sachwertverfahren angewandt, um regionale Faktoren und sog. Ortsgrößenfaktoren einzuberechnen. Dieser ist jedoch in keiner Weise dazu in der Lage, u.a. die Auswirkungen eines hohen Leerstands am lokalen Büroimmobilienmarkt auf die zu begutachtende Immobilie zu berücksichtigen (ebd. 2005, S.74)

Im Fokus dieser Arbeit steht also nicht die Suche nach dem absoluten Wert einer Büroimmobilie, sondern nach ihrer relativen Position im Vergleich zu benachbarten Immobilien, zu Immobilien im gleichen Teilraum, in der gleichen Stadt oder zwischen ähnlichen Standorten in verschiedenen Städten. Daran anschließend wird nach Methoden gesucht, um Muster in der Standortwahl bestimmter Mieter zu eruieren um sie abschließend mit der „objektiven“ Qualität der Büroimmobilien zu verschneiden.

All diese Aspekte werden aus zwei Perspektiven betrachtet. Zum einen geschieht dies mit der Büroflächenbestandsaufnahme für die Stadt Stuttgart, welche im Sommer 2006 von dem Architekturbüro Baasner Möller & Langwald Büro für Architektur und Städtebau GmbH angefertigt wurde, mit umfangreichem Desk-Research, Objektbesichtigungen und GIS. Zum anderen wurden mit fünf in Stuttgart ansässigen Immobilienberatern und einem Projektentwickler qualitative Interviews geführt, um ein Gefühl für die Besonderheiten des lokalen Marktes zu bekommen.

Die zentrale Arbeitshypothese dieser Arbeit lautet also:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Weiter ausdifferenziert ergibt sich daraus eine Reihe von Teilfragestellungen, die im Folgenden stichpunktartig aufgezeigt wird:

- Wie können Qualitäten von Büroimmobilien gemessen werden? Welche Faktoren haben Einfluss auf die Qualität? Existieren bereits Instrumente, um die Qualität von Büroimmobilien zu ermitteln? Wie praktikabel sind diese Instrumente im Hinblick auf die Bewertung einer großen Zahl von Büroimmobilien?
- Muss ein eigenes System zur Messung der Qualität einer großen Zahl von Büroimmobilien entwickelt werden?
- Ist es ausreichend nur die Immobilie selbst zu betrachten oder ist ihr Kontext, also ihr Standort einzubeziehen? Welchen Einfluss haben die wirtschaftliche Situation und die soziodemographische Entwicklung eines Landes oder einer Stadt auf die Qualität ihrer Büroimmobilien?
- Wie wichtig sind die sog. „weichen“ Standortfaktoren, wie das Image von Bürostandorten oder die Wirkung einer Büroimmobilie für die Qualität einer Immobilie? Für wie wichtig erachten Mieter weiche Standortfaktoren?
- Welche Standort- und Objekteigenschaften sind ausschlaggebend für den Erfolg einer Investition?
- Gibt es am Mietmarkt typische Büroflächennachfrager, die sich gruppieren lassen? Welche Anforderungsprofile an den Standort und die Büroimmobilie charakterisieren diese typischen Mietergruppen? Welche Hintergründe (Zwänge / Wünsche) bestimmen bei den Mietergruppen die Auswahl bestimmter Standorte? Welche Probleme tauchen im Vermietungsprozess auf?
- Gibt es Bürostandorte, die von einer hohen Qualität ihrer Immobilien geprägt sind? Sind diese eher im Zentrum einer Stadt anzutreffen oder in den suburbanen neuen Bürozentren?
- Wo lassen sich erhebliche Defizite in Bezug auf Standortnachteile, überalterte Büroimmobilien oder am Boden liegende Immobilienmärkte feststellen?

1.2. Forschungsziele

Der Frage inwieweit Wechselwirkungen zwischen den objektiven Qualitäten von Büroimmobilien und subjektiven Anforderungsprofilen von Mietern existieren, muss die Suche nach Instrumenten vorgeschoben werden, wie Qualitäten von Büroimmobilien messbar gemacht werden können. Hier ist nach Instrumenten zu suchen, die auf einer qualitativ hochwertigen definitorischen Basis arbeiten, deren Vorgehensweise transparent und mit vertretbarem Aufwand reproduzierbar ist. Sollte sich herausstellen, dass keines der am Markt verwendeten Instrumente zur Bewertung einer großen Zahl von Büroimmobilien verwendbar ist, ist ein eigenes Instrument zu entwickeln. Wie in Kap. 2.4.3. dargelegt wird, ist keines der am Markt verwendeten Instrumente fähig, Qualitäten einer großen Zahl von Büroimmobilien zu messen. Daraufhin wird ein eigenes Instrument entwickelt, um mit vergleichsweise geringem Aufwand die Qualitäten jeder einzelnen Büroimmobilie einer deutschen Großstadt ermitteln zu können.

Um die subjektiven Anforderungsprofile der Mieter operationalisierbar zu machen, werden typische Mietergruppen modelliert, die auf Grund ihres großvolumigen Nachfrageverhaltens für Büromärkte von entscheidender Bedeutung sind. Dabei sind vor allem die Wünsche der Mietergruppen nach bestimmten Standorttypen, Objekttypen und Ausstattungsqualitäten zu differenzieren und mit den berechneten Objektqualitäten zu verschneiden.

Als Resultat sollen für jede Büroimmobilie in Stuttgart zwei Aussagen getroffen werden können:

1. Wie gut positioniert sich die Büroimmobilie im Wettbewerb und
2. wie geeignet ist sie für die modellierten Mietergruppen.

1.3. Arbeitshypothesen

Bevor die unter 1.1. formulierte zentrale Hypothese bearbeitet werden kann, muss sowohl auf Ebene der objektiven Qualitäten von Büroimmobilien als auch auf Ebene der subjektiven Anforderungsprofile die Prüfung wichtiger Hypothesen erfolgen. Dazu werden die Hypothesen je einer Ebene zugeordnet.

1.3.1. Hypothesen auf der Ebene der objektiven Qualitäten

1. Die häufig in Zeitungsmeldungen verwendeten Notationen A-Class-Office, A-Objekte etc. beruhen auf zu dünner definitorischer Basis, um fundiert die Qualitäten von Büroimmobilien wiedergeben zu können.
2. Es existieren bislang am Markt keine Instrumente, womit die Qualitäten aller Büroimmobilien in Stuttgart gleichzeitig bewertet werden können.
3. Sowohl Deutschland, als auch Stuttgart bieten für Büroimmobilien einen hervorragenden Markt.
4. Je weiter eine Büroimmobilie vom Stadtzentrum entfernt ist, desto schlechter ist die Verkehrsanbindung.
5. Je weiter eine Büroimmobilie vom Stadtzentrum entfernt ist, desto schlechter ist die Infrastruktur.
6. Je weiter eine Büroimmobilie vom Stadtzentrum entfernt ist, desto geringer ist die durchschnittliche Miete ihres Teilraums.
7. Die Bewertung der Qualität aller Büroimmobilien in Stuttgart kann auf Grund des Umfangs vorliegender Arbeit nicht dadurch erreicht werden, dass alle Büroimmobilien „von innen“ besichtigt werden. Objektbegehungen erfolgen nur in begrenztem Umfang. Dabei wird die Qualität des jeweiligen Ausstattungszustandes sowie der Grad der flexiblen Raumaufteilung erhoben. Die aufgestellten Hypothesen sollen Zusammenhänge zwischen Parametern, wie Baujahr und Instandhaltungszustand sowie Ausstattungsqualität und Flexibilität prüfen. Im Falle einer Verifizierung können die Ergebnisse auf die nicht besuchten Büroimmobilien übertragen werden.

a. Je neuer die Büroimmobilie, desto hochwertiger ist ihre Ausstattung.
b. Je älter die Büroimmobilie, desto geringer ist ihre Flexibilität.
c. Je neuer eine Büroimmobilie ist, desto besser ist ihr baulicher Zustand.
d. Sanierte Altbauten sind von der Ausstattungsqualität mit Neubauten zu vergleichen, ihre Flexibilität jedoch nicht.
8. Es existieren in Stuttgart Bürostandorte, die auf Grund der schlechten Qualität ihrer Büroimmobilien nicht zukunftsfähig sind.

1.3.2. Hypothesen auf der Ebene der subjektiven Anforderungsprofile

9. Aus der Beobachtung, dass in den teuren Innenstädten mit Rechtsanwaltskanzleien, Unternehmensberatungen, Banken und Versicherungen immer die gleichen Branchen anzutreffen sind, ergibt sich die Hypothese, dass für hochwertige Dienstleister weiche Standortfaktoren wichtiger sind als der reine Mietpreis.
10. Unabhängig von der Branche des Unternehmens ist die verkehrliche Anbindung als sehr wichtig einzustufen.
11. Je hochwertiger die Anforderungen eines Mieters an die Büroimmobilie sind, desto geringer ist die Differenz zwischen der objektiven Qualität einer Büroimmobilie und dem subjektiven Anforderungsprofil des Mieters.

1.4. Definitorische Grundlagen

1.4.1. Büro – Büroimmobilie

Gad hat sich als erster in Deutschland explizit mit dem tertiären Sektor beschäftigt und den Begriff Büro[1] als Fachterminus in die deutschsprachige Geographie eingeführt (De Lange 1989, S.33). Er definiert Büros als „(…) Betriebsstätten, in denen Transaktionen, Beratungen und Ähnliches mittels verschiedener Kommunikationsweisen (z.B. mündlich, telefonisch, schriftlich) durchgeführt werden.“ (Gad 1968, S.60). Aus dem englischen Sprachraum kommt die Konkretisierung der Büroaktivitäten: „The minimum function of an office is to direct and coordinate the activities of an enterprise.“ (Daniels 1975, S.4). Als office activities sieht Daniels: receiving information, recording information, arranging information, giving information, safeguarding assets (ebd. 1975, S.4). Kritisch ist hier jedoch anzumerken, dass damit zwar sämtliche Verwaltungsaufgaben von Unternehmen erfasst werden, gerade kleinere Unternehmen jedoch, die über die reine Verwaltung weitere Aufgaben ausführen, nicht voll abgedeckt werden (de Lange 1989, S.33). De Lange beschreibt Bürobetriebe als Wirtschaftseinheiten, die hauptsächlich in Form von Schreibtischtätigkeiten der Informationsverarbeitung (d.h. Gewinnung, Speicherung, Ordnung und Weitergabe von Informationen) dienen, und für die Kommunikationsprozesse und Transaktionen konstituierend sind (ebd. 1989, S.33). Um die physische Einrichtung (das Büro) von den in ihm ausgeführten Tätigkeiten (Büroaktivitäten) zu unterscheiden, definiert Staudacher das Büro als das materielle Objekt und die Büroaktivitäten als Einsetzen, Verarbeiten, Speicherung und Absetzung von Informationen, wobei materielle Güter nur als Hilfs- und Trägermedien eingesetzt werden (ebd. 1992, S.34). Die reine Schreibtischtätigkeit als definitorische Grundlage ist jedoch für immobilienwirtschaftliche Fragestellungen nicht ausreichend (Ertle-Straub 2002, S.13). Ertle-Straub erweitert diese um den Raumbezug und den Gebäudebezug. Unter dem Raumbezug sei in erster Linie zu verstehen, dass „Büroarbeit (…) vor allem durch den Ort der Tätigkeit – das Büro – charakterisiert wird.“ (ebd. 2002, S.14). Der Gebäudebezug bezieht sich auf die physische Hülle für die Unterbringung der Büroflächen, in der Bürobeschäftigte ihre Arbeit verrichten (ebd. 2002, S.14).

Der rechtliche Büroimmobilienbegriff umfasst eine physisch-rechtliche Einheit, bestehend aus Grund und Boden, Gebäuden, Gegenständen und Rechten (Schäfers 1997, S.14). Bei einer betriebswirtschaftlichen Perspektive ist der ökonomische Büroimmobilienbegriff entscheidend und beinhaltet sowohl eine investitions- als auch eine produktionstheoretische Sichtweise (Ertle-Straub 2002, S.16). Die Immobilienökonomie definiert „Immobilien als Wirtschaftsgüter, die aus unbebauten Grundstücken oder bebauten Grundstücken mit dazugehörigen Gebäuden und Außenanlagen bestehen. Sie werden von Menschen im Rahmen physisch-technischer, rechtlicher, wirtschaftlicher und zeitlicher Grenzen für Produktions-, Handels-, Dienstleistungs- und Konsumzwecke genutzt.“ (Bone-Winkel et al. 2005, S.16).

1.4.2. Bürofläche

Im Gegensatz zur DIN 277 und der 2. Berechnungsverordnung, die beide für Wohnimmobilien erstellt wurden, existieren für Büroimmobilien und deren Büroflächen keine einheitlich angewandten Berechnungsdefinitonen. Die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) hat eine Richtlinie zu Berechnung der Mietfläche für Büroflächen entwickelt, die sich an der DIN 277 orientiert Nach dieser Richtlinie setzt sich die Mietfläche aus der Hauptnutzfläche (HNF), der Nebennutzfläche (NNF) und der Verkehrsfläche (VF) zusammen. Addiert man zu der Mietfläche die Funktionsfläche (FF) und die Konstruktionsfläche (KF) erhält man die Brutto-Grundfläche (BGF). Da die Berechnung in verschiedenen Ländern unterschiedlich wahrgenommen wird, ist darauf zu achten, dass bei einer vergleichenden Betrachtung die Erfassung der Mietflächenbezeichnung mit aufzunehmen und gegebenenfalls über Faustformeln die Flächenangaben anzugleichen (Väth u. Hoberg 2005, S.378).

1.4.3. Immobilie als Wirtschaftsgut

Immobilien unterscheiden sich wesentlich von anderen Wirtschaftsgütern (Bone-Winkel et al. 2005, S.16). Ihre hervorstechenden Charakteristika sind ihre Immobilität, ihre Heterogenität, die Dauer ihres Entwicklungsprozesses, die Höhe ihres Investitionsvolumens, die Höhe ihrer Transaktionskosten, die Länge ihres Lebenszyklus und ihre begrenzte Verfügbarkeit. Abgesehen von sog. mobil-homes und rein temporär errichteten Bauten sind Immobilien standortgebunden und bilden mit dem Grundstück eine wirtschaftliche Einheit. Heterogen sind Immobilien nicht nur auf Grund unterschiedlicher Bauweise, sondern auch weil jeder Standort einzigartig ist. Die Dauer des Entwicklungsprozesses erstreckt sich bei größeren Projektentwicklungen üblicherweise über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren. Auf Grund des hohen Investitionsvolumens ist nur ein begrenzter Teil von potenziellen Investoren dazu in der Lage, Immobilien zu erwerben. Eigentumsübertragungen lösen immer ein gewisses Volumen an Transaktionskosten (Grunderwerbssteuer, Grundbuch- und Notargebühren) aus. Immobilien zählen sowohl in ökonomischer als auch in physisch-technischer Hinsicht zu den langlebigsten Wirtschaftsgütern. Das Verfügungsrecht über Büro- oder Produktionsraum ist eine Grundvoraussetzung für die unternehmerische Existenz (ebd. 2005, S.216ff.).

1.4.4. Immobilienmarkt

Der Markt ist im ökonomischen Sinn der Ort des Tausches, an dem sich durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage als Resultat der Preis bildet. Der gewerbliche Immobilienmarkt soll hier als „(...) Markt der Standorte (…)“ (Murfeld 2002, S.45) verstanden werden und „(…) ist eine der wesentlichen Bestimmungsgrößen jeder Volkswirtschaft.“ (Bulwien 2004, S.8). Wie bereits erwähnt, sind seine Bestimmungsgrößen jedoch weitgehend unbekannt; dies beginnt bereits bei seiner Größe und regionalen Differenzierung (ebd. 2004, S.8). Aus diesem Grunde ist der Immobilienmarkt mit keinem anderen Markt vergleichbar und unterscheidet sich in erheblichem Maße von dem Idealbild eines vollkommenen Marktes (Schulte u. Schäfers 2005, S.51). Aus seiner Standortgebundenheit resultiert eine hochgradige Segmentierung; diese Segmentierung ließ Teilmärkte entstehen, die als Summe den Immobilienmarkt bilden. Die Teilmärkte lassen sich durch verschiedene Nutzungsformen, sowie nach räumlichen, zeitlichen und sachlichen Kriterien unterscheiden (Falk 2004, S.466). Die von Bulwien thematisierte fehlende Transparenz des Immobilienmarkts hat zur Folge, dass sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite Standortentscheidungen häufig mit einem hohen Unsicherheitsfaktor getroffen werden (Murfeld 2002, S.48). Die fehlende Elastizität des Immobilienmarktes ist durch die lange Entwicklungsdauer bedingt und führt dazu, dass auf Marktschwankungen nur mit mehrjähriger Verzögerung reagiert werden kann. Daraus entstehen Marktzyklen, die in ihren Extremausprägungen Phänomene wie hohe Leerstandsquoten, Knappheitsmieten und wachstumshemmende Flächenknappheit hervorbringen (Murfeld 2002, S.48).

1.5. Der Büromarkt Stuttgart als beispielhaftes Anwendungsgebiet

Der Büromarkt Stuttgart dient als beispielhaftes Anwendungsgebiet zur Messung der Qualitäten eines großen Büroimmobilienbestandes. Dabei bietet sich Stuttgart aus zweierlei Hinsicht an. Das wohl gewichtigste Argument ist, dass mit der Büroflächenbestandsaufnahme vom Architekturbüro Baasner Möller & Langwald Büro für Architektur und Städtebau GmbH aus dem Jahr 2006 eine fundierte und aktuelle Datenquelle zur Verfügung steht. In der Büroflächenbestandsaufnahme sind alle Büroimmobilien im Stadtgebiet Stuttgart mit Adressdaten, Informationen zu Objektgrößen, Leerständen, qualitativen Einschätzungen des baulichen Zustandes, des Baualters etc. erhoben. Zum anderen bietet sich der Büromarkt Stuttgart aber aufgrund seiner Übersichtlichkeit, seiner Transparenz und seiner geringen Volatilität als „verlässliches“ Untersuchungsgebiet an.

2. Stand der Forschung

Sowohl in der Markt- und Standortforschung als auch deutlich später auf Ebene der Messung von Immobilienqualitäten sind bedeutende Anstrengungen unternommen worden, um die von Bulwien eingangs zitierte Aussage, dass das Verständnis über die Bestimmungsgrößen des Immobilienmarktes, seine inneren Differenzierungen und seine Entwicklungen erstaunlich rudimentär sei, in seiner Aussagekraft abzumildern.

Bevor eigene empirische Untersuchungen durchgeführt werden, die sich mit der Standortwahl von Bürobetrieben beschäftigen, sind vorhandene theoretische Konzepte und empirische Untersuchungen zur geographischen Forschung, zur Bürostandortforschung sowie zu den theoretischen Grundlagen quantitativer Standortbewertungsmethoden zu würdigen.

2.1. Handlungstheorie

2.1.1. Grundzüge der Handlungstheorie

Die Grundlagen der Handlungstheorie wurden 1937 von dem amerikanischen Soziologen Parson in seinem Buch „The Structure of Social Action“ gelegt. Im deutschsprachigen Raum hat sich die Handlungstheorie von Werlen durchgesetzt, wobei sich unter der Bezeichnung Handlungstheorie eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze verbergen, die sich grob in zweckrationale, normorientierte und verständigungsorientierte Handlungstheorien unterscheiden lassen (Brunotte 2001, S.90).

Die Handlungstheorie beschäftigt sich mit der Frage nach dem Verhältnis von Gesellschaft, Handlung und Raum und sucht nach Erklärungsmustern, wie aufgrund von Handlungen soziale und räumliche Muster entstehen. Gegenstand einer nach den Forderungen Werlens ausgerichteten sozialgeographischen Forschung sind menschliche Tätigkeiten unter der Berücksichtigung der sozial-kulturellen und physisch-materiellen Bedingungen. Im Zentrum des Interesses steht hierbei nicht der Raum selbst, sondern das Handeln der Individuen im Raum. Es ist dabei zu erforschen, welche Bedeutung jeweils den räumlichen Aspekten, dem sozial-kulturellen Kontext sowie den subjektiven Perspektiven für die Verwirklichung der Handlungen zugewiesen wird (ebd. 2000, S.309f).

Zentrale Untersuchungseinheiten sind nicht mehr der Raum, gesellschaftliche Gruppen oder die Gesellschaft, vielmehr steht das soziale Handeln des einzelnen Menschen, das zu bestimmten Anordnungsmustern geführt hat, im Zentrum des Interesses. Aus den Handlungen der Menschen formt sich die Gesellschaft in ihrer Form und Ausprägung. „Der einzelne Mensch produziert und reproduziert also durch seine Handlungen gesellschaftliche Strukturen unter bestimmten raum-zeitlichen Bedingungen und mit bestimmten räumlichen und sozialen Folgen.“ (Odermatt 1997, S.13).

Die Handlungstheorie geht von einem bewusst denkenden und handelnden Menschen aus, da menschliche Tätigkeiten von einem Ziel geleitet sind. Ausgangspunkt der Handlungen sind Intentionen, die dem Verhältnis von Ermöglichung und Zwang unterliegen (Sedlacek 1998, S.88). Den physischen und sozialen Elementen werden je nach Handlungsziel spezifische Bedeutungen zugewiesen (ebd. 1998, S.93). Handlungen können nur von Individuen durchgeführt werden, wobei zu beachten ist, dass jeder Handelnde das gesellschaftlich und kulturell vorbereitete Orientierungsraster (Werte, Normen und Postulate) anders interpretiert. Die Fähigkeit des Handelns setzt bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten auf der Seite des handelnden Subjekts voraus, wobei die wichtigste die Reflexivität ist (Werlen 2000, S.313f).

Im Sinne der Handlungstheorie sind Handlungen intentionale Tätigkeiten, die von einem Ziel geleitet sind. Mit dem Modell des Handelns (vgl. Abb. 2) beschreibt Werlen die einzelnen Prozesselemente des Handlungsablaufs. Der Mensch interpretiert dabei je nach Handlungsziel die physischen und sozialen Elemente der Situation und weist ihnen entsprechende Bedeutung zu. Diesen Handlungsentwurf beschreibt Werlen als die erste Phase. Dabei werden einzelne Situationselemente als Mittel der Zielerreichung identifiziert, „(…) nicht verfügbare zielrelevante Elemente bilden die Zwänge des Handelns.“ (ebd. 2000, S.318). In der Phase der Handlungsverwirklichung hängt der Erfolg oder Misserfolg der Zielerreichung von der Wahl der getroffenen Mittel ab. Aus jeder Handlung ergeben sich Folgen, die beabsichtigt oder unbeabsichtigt sein können. Diese Folgen werden für den Handelnden selbst oder für andere wieder zu Bedingungen und Mitteln neuer Handlungsabläufe (ebd. 2000, S.318).

Abb. 2: Modell des Handelns

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Werlen 2000, S.316

In der Handlungstheorie versucht man durch das Verstehen und Erklären der Handlungen, sowie ihrer beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen, gesellschaftliche Prozesse und Gegebenheiten zu beschreiben. In derselben Weise müssen aber auch gesellschaftliche Prozesse, die aus vorangegangenen Handlungen entstanden sind, berücksichtigt werden, um die Handlungsweisen der Subjekte nachvollziehen zu können. Jede Handlung findet somit immer vor dem Hintergrund ihrer subjektiven, sozial-kulturellen und schließlich auch physisch-materiellen Komponente statt. Werlen formuliert dies wie folgt: „Nur Individuen können Akteure sein. Aber es gibt keine Handlungen, die ausschließlich individuell sind.“ (ebd. 2000, S.321).

2.1.2. Der Büromarkt aus handlungstheoretischer Sicht

Wenn auch Odermatt seine handlungstheoretischen Überlegungen nur auf den Wohnungsmarkt bezieht, so lässt sich das Verhalten der Akteure auch auf den Büromarkt übertragen. Demzufolge wird der Büromarkt durch das Handeln der darin involvierten Akteure bestimmt, die durch ihre Überlegungen und Entscheidungen neue Strukturen schaffen und durch die vorhandenen Strukturen geprägt werden. Vorhandene Strukturen bilden auf Grundlage des vorhandenen Büromarktes den Rahmen für Investitions- und Produktionsentscheidungen der handelnden Akteure (ebd. 1997, S.6).

Ähnlich dem Wohnungsmarkt weist das Handeln der Akteure im Büromarkt wirtschaftlichen Charakter auf. Folgt man Odermatt gibt es im Wohnungsmarkt zusätzlich ein soziales Handeln, denn dort beziehen sich die Handlungen der beteiligten Personen aufeinander, wodurch soziale Beziehungen entstehen. Obwohl die Akteure im Prinzip über die gleichen Zugangsvoraussetzungen zum Markt verfügen, gelten aufgrund von sozialen Regeln unterschiedliche Handlungspotenziale, die in gesellschaftlich anerkannten Regeln und Normen eingebettet sind und den sozialen Prinzipien gehorchen. Inwieweit dies auch auf den Büromarkt zutrifft, ist noch nicht abschließend geklärt. Jedoch besitzen auch am Büromarkt die Akteure unterschiedliche Ressourcen, wie Informationen über Handlungsmöglichkeiten, Kapital etc. und verfügen somit über unterschiedliche Handlungsreichweiten. Der persistente Charakter von Wohnraum trifft auch auf Büroflächen zu, was zu einer Dauerhaftigkeit von räumlichen Strukturen führt (ebd. 1997, S.33ff.).

Der wirtschaftliche Interaktionsprozess der beteiligten Akteure, der sich in dem Bau sowie der An- und Vermietung von Büroflächen manifestiert, ist als zweckrationales Handeln zu begreifen. Die alltäglichen Geographien der Produktion und Konsumtion äußern sich am offensichtlichsten bei Standortentscheidungen. Wenn auch Werlen dies zunächst nur auf Produktionseinrichtungen bezieht, so gilt dies im gleichen Maße für Standortentscheidungen von Bürobetrieben, da sie den Bezugsrahmen für eine Büroimmobilie setzen und die Aktionsräume der Büroflächennutzer festlegen (ebd. 2000, S.336.).

Die Qualität des Angebotes, die Miet- und Kaufpreise, die Verteilung von Büroflächen im Stadtgebiet sowie die Leerstandssituation am Büromarkt können folglich als Ursache von Handlungen gesehen werden. Diese haben ihren Ursprung in der Anbieterseite bzw. im Verhalten der Büroflächennachfrager, die wiederum durch das bestehende Angebot sowie die Nachfrage zu einem früheren Zeitpunkt beeinflusst werden.

2.1.3. Anwendung der Handlungstheorie im Rahmen der Arbeit

Die Handlungstheorie Werlens sieht sich in der geographischen Lehre Kritik ausgesetzt. Diese richtet sich hauptsächlich auf die zu subjektive Sichtweise der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Dabei wird den Akteuren ein Handlungsspielraum eingeräumt, den sie de facto gar nicht besäßen, zudem sei der verwendete Subjektbegriff zu wenig erklärt (Werlen 2000, S.352).

Dennoch liefert die Handlungstheorie für die vorliegende Untersuchung wertvolle Ansätze, da die Akteure auf dem Stuttgarter Büromarkt durch ihre Entscheidungen räumliche Strukturen gestalten, die die Nachfrage und das Angebot an Bürofläche beeinflussen. Dabei bilden tradierte Strukturen, wie Angebot und Verteilung von Büroflächen, Überangebot oder Leerstand sowie die Existenz von Teilmärkten den Ausgangspunkt für die Intentionen der Akteure, deren individuelle Handlungen in einem sozial-kulturellen und physisch-materiellen Rahmen stattfinden. „Für die meisten Menschen gilt dabei, dass sie ihre alltägliche Geographie in räumlichen Strukturen, deren Herstellung außerhalb der Reichweite ihres Handelns liegt, machen.“ (Odermatt 1997, S.1). Da anders als beim Wohnungsmarkt die Akteure des Büromarktes sich nahezu ausschließlich aus Unternehmen und Institutionen zusammensetzen, können diese als „(…) die großen Wirtschaftsführer [bezeichnet werden], die tagtäglich nichts anderes tun als geography-making, frontier-making usw. zu betreiben, indem sie Kapital (…) investieren.“ (Hartke 1962, zit. n. Werlen 2000, S.151). Diese Akteure versorgen sich durch ihre Einschätzung der Situation auf dem Büromarkt, dem Vergleich von Bürostandorten innerhalb eines Stadtraumes und der Erstellung subjektiver Anforderungsprofile mit wertvollen Informationen und vergrößern ihren Handlungsspielraum. Die eigentliche Handlung ist dann der Bau, die Ver- und Anmietung, der An- und Verkauf, der Abriss etc. von Büroimmobilien. Dies hat entscheidende Auswirkungen auf das Objekt selbst, die Situation eines Standortes sowie eines Büromarktes und nicht zuletzt auf die Akteure.

In vorliegender Arbeit wird mit Entwicklung des Scoring-Systems und dessen beispielhafter Anwendung am Stuttgarter Büromarkt der Handlungsspielraum der Akteure am Büromarkt vergrößert und transparent gemacht. Die Modellierung typischer Mietergruppen und ihres speziellen Nachfrageverhaltens soll helfen, subjektive Handlungen von Büronachfragern besser verstehen zu können.

2.2. Bürostandortforschung in der Geographie und verwandten Disziplinen

Eine erste umfassende Auseinandersetzung mit Büros lieferte Haig im Jahr 1926 im Rahmen der Erstellung des ersten Regionalplans für New York City (Ahn 1998, S.11). In dieser Tradition stehen auch die Arbeiten von Murphy u. Vance (1954), die bei Bürobetrieben Konzentrationsneigungen zum Stadtzentrum feststellten. Die stadtstrukturellen Modelle (z.B. Burgess 1925; Hoyt 1939) und die neoklassischen Theorien (z.B. von Hurd 1903 bis Alonso 1964) weisen Bürofunktionen als wichtigste Aktivitäten von CBDs aus (vgl. Ahn 1998, S.11). Einen Höhepunkt erreichte die Bürostandortforschung auf Grund von überproportionalen Konzentrationen der Bürofunktionen in Städten, wie London, Dublin, Stockholm, die allesamt als überragende Capital City gelten (de Lange 1989, S.21). Dabei wurden Verlagerungsmöglichkeiten und die Dezentralisierung von Bürobetrieben diskutiert. Insbesondere in Großbritannien wurde dies durch die Einleitung der staatlichen Dezentralisierungspolitik, die das Eindämmen der Flächenexpansion im Großraum London zu Gunsten peripherer und wirtschaftsschwacher Regionen zum Ziel hatte, begünstigt (de Lange 1989, S.20). So veröffentlichte Morgan im Jahr 1961 eine erste Untersuchung über die Standortverteilung von Büros im CBD von London. Spätere Arbeiten, wie von Cowan (1969), Wärneryd (1968) und Hall (1972) behandelten die Büroentwicklung in London, die Dezentralisierung von Bürobetrieben und die regionale Verteilung von Büros und erstellten erste modellhafte Ansätze (ebd. 1989, S.20).

In den USA entwickelte sich ebenfalls sehr früh eine eigenständige Bürostandortforschung, wobei hier der Fokus lange Zeit auf der Analyse der interregionalen Veränderung von Konzernhauptverwaltungen lag (ebd. 1989, S.20). Auch die Städtesystemforschung und die Analyse regionaler Wirtschaftssysteme sind hier zu nennen, wenn sie auch nicht ursächlich der Bürostandortforschung zuzurechnen sind (ebd. 1989, S.20). Des Weiteren konnten mit der Entwicklung ökonometrischer Modelle, u.a. Zusammenhänge zwischen dem Büroflächenbestand, dem Nachfragevolumen und der Einwohnerentwicklung bewiesen werden (Seldin u. Hysom 1990, S.33).

Abgesehen von dem frühen Beitrag von Gad (1968) über die Büros im Stadtzentrum von Nürnberg gab es bis in die frühen 1980er Jahre keine deutschsprachigen Beiträge zur Bürostandortforschung (De Lange 1989, S.17). Erstellt wurden einige Arbeiten, die sich damals allerdings hauptsächlich der Anfertigung von Standortanalysen für Dienstleistungsfunktionen widmeten, was auch dem zentralen Anliegen der deutschen Stadtgeographie seit der Zwischenkriegzeit entsprach, „(…) funktionale Raumeinheiten [herauszuarbeiten] und [die] innere Differenzierung von Städten.“ (Heineberg 1977, S.17) zu analysieren. de Lange bemängelt, dass „(…) bis zu Beginn der achtziger Jahre in den deutschsprachigen geographischen Zentrenuntersuchungen die Analyse von Bürostrukturen eindeutig (…) [im] Hintergrund.“ (De Lange 1989, S.17) blieb. Im Unterschied zur Industriestandortforschung oder der geographischen Handelsforschung hat sich die systematische Untersuchung des Standortverhaltens von Bürobetrieben erst relativ spät etabliert (Ahn 1998, S.11). In der Folgezeit stieg die Beachtung der Bürofunktionen in der deutschsprachigen Geographie. Es wurden Arbeiten über die Bedeutung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien für den Standort von Bürobetrieben[2], über das Standortverhalten von quartären Funktionen in Mittelzentren[3] und den Themenkomplex Suburbanisierung von Bürobetrieben veröffentlicht (de Lange 1989, S.17). Mit den Veröffentlichungen von Hartwieg (1983), Heineberg und de Lange (1983), de Lange (1989), von Einem (1991), Acker (1995) und Hartung (1998) konnte sich die Bürostandortforschung auch in Deutschland etablieren. Eine der wichtigsten Arbeiten ist hier zweifelsohne die von de Lange (1989) über die Standortpersistenz und Standortdynamik von Bürobetrieben in westdeutschen Regionalmetropolen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und die Analyse des Standortverhaltens von Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfern in Hannover, Düsseldorf und München.

In jüngerer Zeit wurde eine Reihe von Untersuchungen über Standortentwicklungen einzelner Städte und Regionen publiziert, wobei der Schwerpunkt meist auf geographischen oder raumplanerischen Fragestellungen liegt (vgl. Fassmann 1995, Ahn 1998, Pütz 2001, Staudacher 2005). Sehr populär sind auch Beiträge zu höherwertigen, unternehmensorientierten Dienstleistungen (vgl. Enxing 1999; Neuhoff 1998; Schmitt 1984), wobei auch die Begriffe „produzentenorientierte Dienstleistungen“ (vgl. Scharff 1993) „Wirtschaftsdienste“ (vgl. Staudacher 1992) oder „Informationssektor“ (vgl. Ellger, 1998) publiziert werden (Enxing 1999, S.8). In regelmäßigen Abständen lässt die Immobilienakademie der European Business School (ebs) managementorientierte Beiträge erscheinen. So veröffentlichte im Jahr 2002 Ertle-Straub eine Weiterentwicklung der Conjont-Analyse zur Standort- und Mietpreisplanung und beschritt dabei neue Wege, Entscheidungen über Anmietungen unter verhaltenswissenschaftlichen Gesichtspunkten zu untersuchen und empirisch zu testen. Beidatsch beschäftigte sich im Jahr 2006 mit der geographischen Auswahl von Zielmärkten im Portfoliomanagement.

2.2.1. Erklärungsmodelle der Standortwahl von Bürobetrieben

Hartwieg merkt an, dass bis heute im deutschsprachigen Raum keine in sich konsistente Theorie des Bürostandortverhaltens existiert. Der gesamte Sektor der Bürobetriebe sei zu heterogen, zu unterschiedlich die Fragestellungen, so dass eine empirisch abgesicherte Theorie der Bürostandortwahl kaum erreichbar scheine (ebd. 1983, S.103). Ellger begründet dieses Fehlen damit, dass die Suche nach Standortanforderungen bis heute nicht systematisch erfolgte und insgesamt die Ausrichtung auf quantitative Faktoren bei der Analyse von Dienstleistungsfunktionen zu einseitig sei (ebd. 1988, S.62f.). Der Innovations-Diffusions-Ansatz, der Bodenpreis-Bodenrenten-Ansatz, der Agglomerations- und externalitätentheoretische Ansatz, der Hierarchieansatz und der Ansatz des Marktbezugs begründen „(…) das Standortverhalten von Bürobetrieben als städtische Funktion (…) und zwar im Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen Standortanforderungen und Raumgegebenheiten“ (Ahn 1998, S.32). Da trotz Weiterentwicklungen in den letzten Jahren keine befriedigenden und differenzierten Modelle von Standortstrukturen abgeleitet werden können, erfolgt keine tiefer gehende Beschreibung (ebd. 1998, S.32). Gesondert behandelt werden dagegen Erklärungsmodelle der Bürostandortwahl, die einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der theoretischen Bürostandortforschung haben oder einen direkten theoretischen Bezug zu vorliegender Arbeit haben.

2.2.1.1. Der funktionale Ansatz

Morgan ging schon 1961 in seinen Analysen zum Bürostandortverhalten von unterschiedlichen Bürotypen[4] am Beispiel der City von London aus, „(…) wobei er einen Zusammenhang zwischen der Funktion eines Büros und seinem Standortverhalten (…)“ (De Lange 1989, S.22) annahm und damit den funktionalen Ansatz begründete. Morgan unternahm den Versuch, mittels funktionaler Kategorisierung die Bürobetriebe zu differenzieren und durch die Erstellung von Standortverteilungskarten aus eben diesen Verteilungen Standortbedingungen abzuleiten (ebd. 1961, S.207). Daraus folgerte er, dass die räumliche Nähe der Bürobetriebe auf funktionale Wechselbeziehungen zurückgehe und gleichzeitig das Ergebnis des Prestigewertes des Gebietes und der Branche sei (de Lange 1989, S.22; Holz 1994, S.45). Gemäß dem funktionalen Ansatz hängt das Standortverhalten von der Funktion des einzelnen Betriebes ab. Besondere Bedeutung kommt hier der Interaktion zwischen Unternehmen zu. Martinelli u. Moulaert (1993) stellen hierzu fest, dass räumliche Nähe nur bei hoher Kontakt-Frequenz und -Tiefe sinnvoll ist. Bei nur gelegentlicher Interaktion ist räumliche Nähe hingegen weniger bedeutend (ebd. 1993, S.12). Das deduktive Vorgehen des funktionalen Ansatzes sieht de Lange jedoch kritisch, da es „(…) nicht immer zulässig ist, aus der räumlichen Nähe von Bürobetrieben auf funktionale Wechselbeziehungen zu schließen (…)“ (ebd. 1989, S.22; vgl. Holz 1994, S.45; vgl. Ahn 1998, S.20). Im Zentrum des funktionalen Ansatzes steht die Branchenzugehörigkeit der Bürobetriebe. Aus der unterschiedlichen Branchenzugehörigkeit lassen sich differenzierte Standortstrukturen und –forderungen ableiten (Ahn 1998, S.19). Das weite Spektrum des Standortwahlverhaltens, welches mit der Funktionsvielfalt innerhalb einzelner Branchen zu begründen wäre, bleibt jedoch unberücksichtigt (ebd. 1998, S.20). Entscheidende Bedeutung erfährt dieser Ansatz bei der Analyse von „(…) historischen Standortverteilungen und (…) Standortpersistenzen (…)“ (De Lange 1989, S.22). Der funktionale Ansatz war zudem der erste Versuch, die Bürostandortwahl theoretisch zu unterfüttern.

2.2.1.2. Der organisatorische Ansatz

Die organisationstheoretische Diskussion stellt sich der Suche nach charakteristischen Zusammenhängen zwischen der Unternehmensorganisation (organisatorischer Status) und dem Zentrum-Peripherie-Muster (Staudacher 1992, S.172). In dem von Wärneryd im Jahr 1968 für die Industriegeographie entwickelten Ansatz geht es um die Frage, warum Unternehmen im Rahmen einer funktionalen räumlichen Arbeitsteilung bestimmte Funktionen (Beschaffung, Absatz, Management und Forschung) im Stadtraum konzentrieren oder räumlich streuen und bestimmte Funktionen mit verschiedenen Bereichen innerhalb des Stadtraumes verbunden sind (Kriwan 2006, S.12). Die Formen des Standortverhaltens sind durch verschiedene organisatorische Strukturtypen der Betriebe weiter differenziert (Ahn 1998, S.20). Daniels erkennt einen Zusammenhang zwischen der Betriebsgrößenstruktur und dem Standortverhalten bei bürotypischen Dienstleistungsbetrieben. Aus einer seiner früheren Arbeiten geht hervor, dass kleinere Betriebe potenziell mobiler sind als große komplexe Organisationen (Daniels 1975, S.188). Allerdings ist die Betriebsgröße „(…) nicht die eigentliche Ursache für Standortveränderungen, sondern lediglich ein Indikator für andere Strukturvariablen wie Betriebskomplexität und interne Organisationsvielfalt.“ (Ahn 1998, S.20). Es liege zwar auf der Hand, dass die Wahrscheinlichkeit einer Standortverlagerung bei steigender Betriebsgröße wahrscheinlich wird, dennoch existieren ab einem bestimmten Schwellenwert in der internen Struktur des Bürobetriebes bedingte Beschränkungen, die einer Verlagerungsentscheidung entgegenwirken (ebd. 1998, S.20). Aus diesem Grund sieht Ahn im Hinblick auf die Standortorientierung von Bürobetrieben eine Unterteilung in unselbstständige Teilbetriebe und selbstständige Betriebseinheiten als bedeutsam (ebd. 1998, S.20). Von Einem konnte am Beispiel der Großbanken im Frankfurter Bankenviertel Standortspaltungen in Front-Offices und Back-Offices nachweisen. Die Back-Offices, die keinen bis wenig Publikumsverkehr aufweisen, meist als abgeschottete Rechnerverwaltungen fungieren und überwiegend Routinetätigkeiten ausführen, die der Zentrale als Entscheidungsgrundlage dienen, benötigen keinen repräsentativen Standort und keine anspruchsvolle Architektur. Front-Offices werden hingegen meist deutlich aufwändiger gestaltet und sind auch häufig an prestigeträchtigen Standorten (von Einem 1991, S.85; vgl. Neuhoff 1998, S.5).

2.2.1.3. Der historisch-genetische Ansatz

Der historisch-genetische Ansatz, welcher aus dem angelsächsischen Raum stammt, hat nur wenig Literatur hervorgebracht (de Lange 1989, S.23). Dieser Ansatz geht von der Leitthese aus, „(…) dass sich Standortstrukturen einzelner Bürobetriebe wesentlich mit Hilfe historischer Standortursachen erklären lassen.“ (ebd. 1989, S.23). Zur Begründung gegenwärtiger Standortstrukturen werden einerseits historisch bedingte Lagefaktoren (z.B. tradierte Viertelsbildungen und Bewertung einzelner Standorträume) sowie spezifische Stadtentwicklungsprozesse (u.a. Urbanisierungsprozesse) berücksichtigt. Entscheidend ist andererseits aber auch das zeitspezifische Standortverhalten einzelner Branchen (ebd. 1989, S.23). Hierbei wird der Tatsache Rechnung getragen, „(…) dass einzelne Bürobetriebe gegenüber jeweils aktuellen zeitlichen Veränderungen standortträge sein können (…)“ (ebd. 1989, S.23) und am angestammten Standort so lange verharren, wie es vertretbar scheint (von Einem 1991, S.78). Acker sieht einen Erkenntnisgewinn aus diesem Ansatz bei dem Einbinden historischer Vorbedingungen für die Erklärung von Standortmustern und der generellen Betonung der Rahmenbedingungen als Standortfaktor (ebd. 1995, S.28). Zu dieser Forschungsrichtung sind neben der ersten deutschen Arbeit in der Bürostandortforschung von Gad (1968) auch die Beiträge von Heineberg u. de Lange (1983) und de Lange (1989) zu zählen.

2.2.1.4. Der Lebenszyklus-Ansatz

Der Lebenszyklus-Ansatz wurde 1969 von Cowan begründet und 1975 von Pritchard weiterentwickelt (de Lange 1989, S.22) und lehnt sich an den Produktlebenszyklus von Vernon (1966) an (Kriwan 2005, S.15). „Basisthese ist, dass jeder Bürobetrieb unterschiedliche Standortansprüche in verschiedenen Phasen seines Lebenszyklus besitzt.“ (de Lange 1989, S.23). Laut Cowan beschränkt sich der sog. „birth-grow-death-process“ eines Büros nicht nur auf Entscheidungen am Gründungsstandort, sondern ist während der Wachstumsphase mit Standortveränderungen verbunden (Cowan 1969, S.18). Abhängig von Flächenbedarf, Mietkosten, Raumbedürfnissen, Alter und Rahmenbedingungen der gemieteten Büroräume werden bei Verlagerungsentscheidungen gegenwärtige und zukünftige Bedürfnisse abgewogen und je nach Phase im Lebenszyklus spezifische Entscheidungen getroffen (Ertle-Straub 2000, S.100). Ein neuer Standort wird immer dann gesucht, wenn die Anforderungen am alten Standort nicht mehr erfüllt werden und daraus ein Verlagerungsdruck entsteht (Holz 1994, S.46). De Lange sieht bei diesem Ansatz das Bürowachstum als unabhängige Variable, so dass der entscheidende Einfluss bei der Standortentscheidung der Bürogröße zukommt (de Lange 1989, S.23). Aus Abb. 3 ist ersichtlich, dass das Bürowachstum die zentrale Einflussgröße auf die Standortwahl ist. Die Betriebsgröße, die aus dem Betriebswachstum resultiert, bestimmt die Verlagerungsentscheidung (ebd. 1989, S.23).

Ferner sieht Cowan einen Zusammenhang zwischen dem Bürowachstum und der Verlagerungshäufigkeit sowie den Verlagerungsdistanzen (Hartwieg 1983, S.104). Ergänzend führt Pritchard die Variable „Distanz vom geographischen Zentrum“ am Beispiel der Stadt Cardiff und anhand sog. „professional offices“ (u.a. Wirtschaftsprüfer, Architekten, Rechtsanwälte, Immobilienmakler) ein und konnte damit beobachten, dass Bürogründungen tendenziell in der Nähe vom geographischen Zentrum einer Stadt stattfinden (de Lange 1989, S.23; Ahn 1998, S.23).

De Lange sieht den Verdienst dieses Ansatzes in der Berücksichtigung der Dimension Zeit (ebd. 1989, S.23). Diese Betonung des dynamischen Charakters des Büro-Umwelt-Systems macht deutlich, dass sich Standortentscheidungen von Büroinhabern nicht in der Wahl des Gründungsstandortes erschöpfen, sondern durch laufende Neubewertung der Standortansprüche zeitlich veränderlich sind (Hartwieg 1983, S.104). Darin begründet ist aber auch die Kritik, zeitliche Veränderungen eines Bürobetriebes zu sehr mit seinem räumlichen Wachstum gleichzusetzen, worin gemäß dem Lebenszyklus-Ansatzes zwingend eine Standortverlagerung zu sehen ist (de Lange 1989, S.23).

Abb. 3: Innerstädtische Bürostandortverlagerung nach dem Lebenszyklus-Ansatz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Pritchard 1975, S.101, verändert von Ertle-Straub 2002, S.106

2.2.1.5. Entscheidungstheoretischer oder behavioristischer Ansatz

Die bisher vorgestellten Modelle vernachlässigen das individuelle, subjektive Entscheidungsverhalten bei der Standortwahl (Ertle-Straub 2000, S.107). Die mangelnde Integration verhaltens- und entscheidungstheoretischer Erkenntnisse griff Edwards auf und entwickelte das „office-sector-process-model“, bei dem Entscheidungsprozesse als Reiz-Reaktions-Modell aufgefasst werden (ebd. 1983 S.1327). Den Ausgangspunkt des Modells bildet ein Stimulus auf den momentanen Standort, der sich in Form einer Unzufriedenheit mit den Bedingungen des Betriebes und den Beziehungen zum Umfeld äußert (ebd. 1983, S.1327). Dieser Stimulus kann sowohl externer Natur (veränderte Standortbedingungen, erhöhter Konkurrenzdruck) sein, als auch durch die interne Struktur des Betriebes (veraltete Unternehmenspolitik, nicht zeitgemäßes Marketing) bedingt werden (ebd. 1983, S.1327). Die Bewertung des Stimulus geschieht im internen System des Betriebes und differenziert nach Organisationsform und Formalisierungsgrad der Standortwahl (ebd. 1983, S.1327). In der Folge werden mögliche Verhaltensvarianten festgelegt und für die am brauchbarsten erscheinende entschieden. Dabei gibt es mit den Varianten keine Veränderung, Anpassung am Standort und Standortwechsel drei Alternativen (ebd. 1983, S.1327). Wird beim Abgleich mit den Stresstoleranzen eine kritische Grenze überschritten, besteht Handlungsbedarf und es wird die zweite Phase eingeläutet (ebd. 1983, S.1327). Dabei wird die vorher getroffene Entscheidung operationalisiert, wobei „(…) the search for a satisfactory solution (…)“ (ebd. 1983, S.1327) im Zentrum des Handelns steht. Je hierarchischer hier ein Betrieb aufgebaut ist, desto eher treten subjektive Verhaltensmuster in den Vordergrund der Entscheidung (Kriwan 2005, S.18). Aber auch bei einer weitgehend objektiven Entscheidung hängt der Suchraum stark vom Verhaltensmuster der Entscheidungspersonen ab und wird somit durch die Art und Qualität der Informationsquellen, die den Entscheidern bei der Suche zur Verfügung stehen, determiniert (ebd. 2005, S.18). Der Standortsuchraum ist von dem Umfang und der Validität der bei der Standortsuche verwendeten Ressourcen und Informationsquellen abhängig (ebd. 2005, S.18). Folglich ist maximal eine Annäherung an eine umfassende Analyse möglich. Pred erstellt hierfür eine Verhaltensmatrix, die den aus zeitlichen und finanziellen Gründen eingeschränkten Standortsuchraum, den unvollständigen Informationsstand und die persönlichen Präferenzen der Entscheidungsträger erklärt (ebd. 1967, S.92). Staudacher sieht Erfahrungen aus ähnlichen Fragestellungen der Standortentscheidungen in der Vergangenheit als Ausgangspunkt für das Entscheidungsverhalten. Bei einer Routinierung der Standortentscheidungsprozesse entstünden so Lernprozesse (ebd. 1992, S.160). Dieser theoretischen Überlegung wird jedoch durch jüngere empirische Studien widersprochen, da hier bewiesen wird, dass nur wenige Bürobetriebe standardisierte Verfahren zur Standortplanung einsetzen (Grabow et al. 1995, S.136f.). Es erfolgt nach der Bewertung der verschiedenen Standortalternativen eine Auswahl der Alternativen, die den größten individuellen Nutzen stiften. Da diese Prozesse äußerst zeit-, personal- und kostenintensiv sind, geht es dabei nicht um die Suche nach einer optimalen Lösung, sondern um das Finden einer „(…) satisfactory solution as rapidly as possible.“ (Edwards 1983, S.1333).

Hervorzuheben ist die Prozessorientierung beim entscheidungstheoretischen oder behavioristischen Ansatz. Diese erlaubt der Komplexität der Standortentscheidung besser gerecht zu werden und ergründet gleichzeitig die Einflussfaktoren und ihre subjektive Bewertungsmöglichkeit. Hayter hebt hervor, dass „(…) the behavioural location theory assumes that location choice is part of a strategic or long-term investment decision, which is complex, uncertain, inherently subjective, and conducted by individuals or groups of decision makers, who do not have the capabilities of the ‚Homo economicus’.“ (ebd. 2000, S.137). Worüber der entscheidungstheoretische oder behavioristische Ansatz jedoch keinen Aufschluss gibt, „(…) ist die Gewichtung der Einflussvariablen auf die Standortentscheidung.“ (Ertle-Straub 2000, S.109).

2.2.1.6. Aktionsräumlicher Ansatz

Die Wechselbeziehung zwischen einem einzelnen Büro und dessen räumlicher Umwelt in einem Zeit-Raum-System ist Gegenstand des aktionsräumlichen Ansatzes, welcher auf Forschungen schwedischer Geographen zurückgeht (Ertle-Straub 2000, S.103). Interne Struktur- und Prozessvariablen werden hier ähnlich wie im Lebenszyklus-Ansatz der Erklärung des Standortverhaltens zu Grunde gelegt (Staudacher 1991, S.179). Thorngren untersuchte 1970 15.000 Kontaktereignisse in 100 schwedischen Firmen und entwickelte dabei das sog. „development-space“ Modell (de Lange 1989, S.24). de Lange merkt hier allerdings an, dass der Bezug dieses abstrakten Modells zur Bürostandortforschung zunächst nicht deutlich wird (ebd. 1989, S.24). Erst die Definition des zentralen Begriffes „organisation“ macht deutlich, dass damit Bürobetriebe gemeint sind (ebd. 1989, S.24). Olander (1979) und Persson (1979) erweitern Thorngrens Arbeit und stellen die Aktivitäten eines Büros innerhalb der Dimensionen Zeit und Raum in den Mittelpunkt. Dabei werden individuelle Wege zurückgelegt, die innerhalb der beiden Dimensionen variieren (Olander 1979, S.25f.; Persson 1979, S.43) und eine ganz bestimmte Position in einem „Zeit-Raum-System“ einnehmen (Hartwieg, 1983, S.105). Schon Thorngren unterschied mit „orientation processes“, „planning processes“ und „programme processes“ drei wesentliche Typen von Aktivitäten, die in dieser Reihenfolge „(…) durch eine abnehmende zeitliche Dauer, räumliche Reichweite und inhaltliche Komplexität gekennzeichnet sind.“ (Hartwieg 1983, S.105).

Für Untersuchungen über das Standortverhalten von Großunternehmen, die durch die Auslagerung von Teilfunktionen ihre Standortansprüche besser verwirklichen können, als in einer Konzentration aller Aktivitäten an einem Standort, sei laut Hartwieg eine solche Differenzierung angebracht. Kleinere Unternehmen, bei denen anstehende Aufgaben ganz oder überwiegend durch den Inhaber durchgeführt werden, benötigen jedoch keine Auslagerungen, so dass der „(…) Ansatz für sich genommen kaum zur Erklärung des Standortverhaltens (…)“ (ebd. 1983, S.105) beiträgt.

2.2.1.7. Kommunikationstheoretischer Ansatz

Größere Bedeutung zur Erklärung des Standortverhaltens hat der aus dem aktionsräumlichen Ansatz hervorgegangene kommunikationstheoretische Ansatz erfahren (Ertle-Straub 2000, S.104). Die Dezentralisierungspolitik der britischen Regierung in den 1960er Jahren leistete Vorschub für die Entwicklung des kommunikationstheoretischen Ansatzes und so entstammen bedeutende Aufsätze insbesondere dem angelsächsischen Raum.[5] Daniels geht als Vertreter dieses bedeutenden Forschungszweiges von der These aus, dass der Bedarf und die Verfügbarkeit von Informationen für Bürobetriebe entscheidende Standortkriterien sind (Acker 1995, S.28). Die Bürobetriebe sind ihrerseits in besonderem Maße von einem schnellen, effizienten und zuverlässigen Austausch an Informationen, Ideen, Wissen oder Dokumenten abhängig (Daniels 1979, S.229). Vor allem den Kommunikationsformen wird neben den Kommunikationsbedürfnissen und Kontaktstrukturen eine hohe Bedeutung beigemessen (Hartwieg 1983, S.105). Als Kommunikationsformen werden face-to-face Kontakte, telephonische Gespräche und Kontakte mittels andersartiger Telekommunikationsmittel unterschieden (Hartwieg 1983, S.105). Als Kontaktstrukturen werden programmierte Kontakte, Planungskontakte und Orientierungskontakte mit jeweils spezifischen Anforderungen an die räumliche Nähe der Kommunikationspartner kategorisiert. Es hängt nun von der vorherrschenden Art der Kontakte in einem Betrieb ab, ob ein zentraler Standort notwendig ist oder ob eine periphere Lage genügt (Ahn 1998, S.25f.). Ahn identifiziert die persönlichen Kontaktbedürfnisse als wichtigen Standortfaktor. Gerade der Image prägende Eindruck von Vertraulichkeit und Prestige scheint am einfachsten dort erreichbar, wo sich Kunden und Konkurrenten sehen können. Der Ort mit den maximalen Kontaktpotenzialen ist also das Stadtzentrum, dessen Substituierbarkeit durch dezentrale Standorte von der Möglichkeit des Einsatzes von Telekommunikationsmitteln abhängt (ebd. 1998, S.26). Goddard fasst ein Ergebnis seiner empirischen Analyse im Zentrum Londons folgendermaßen zusammen: „Although financial activities have traditionally been regarded as having a special need for a central location because of their heavy involvement in face-to-face contacts, the preceding analysis has indicated that many of these contacts are of high routine nature and could easily be substituted by telecommunications.“ (ebd. 1973, S.210). Es wird also festgestellt, dass die zentralisierenden Wirkungen, die von der Notwendigkeit persönlicher Kontakte ausgehen, durch Einsatz von Telekommunikation egalisiert werden können. Bürobetriebe, die nicht auf intensiven Publikumsverkehr angewiesen sind, könnten sich also durchaus an einem cityfernen Standort ansiedeln, was insbesondere durch einen oftmals niedrigeren Mietzins positive Auswirkungen hätte (Ahn 1998, S.26).

Der direkte Planungsbezug bzw. die Frage nach der Dezentralisierung von Bürobetrieben begründen die herausragende Stellung des kommunikationstheoretischen Ansatzes gegenüber anderen Konzeptionen der Bürostandortforschung (De Lange 1989, S.24). In der Literatur hervorgehoben wird auch die insbesondere heute intensiv diskutierte Kontaktform „face-to-face“ und die Tatsache, dass es den Vertretern des kommunikationstheoretischen Ansatzes zu verdanken ist, dass „face-to-face“ Kontakte als Standortfaktor in die Bürostandortforschung eingeführt und etabliert wurden (ebd. 1989, S.24). Kritisch merkt Holz jedoch die mangelnde Transparenz des Gewichtes der Kontakte bzw. der Kontaktbedürfnisse für den einzelnen (oder branchenbezogenen) Bürobetrieb an (ebd. 1994, S.47). Heinritz u. Heineberg bemängeln das Fehlen von Erkenntnissen, welche Veränderungen der Kommunikationsbeziehungen sich durch eine Standortverlagerung ergeben (ebd. 1983, S.19).

2.2.2. Fazit aus der Betrachtung der theoretischen Erklärungsmodelle

Bisher konnten keine Ansätze vorgelegt werden, die branchenübergreifend mehrere geograpisch-räumliche Ebenen integrieren (Hartwieg 1983, S.103f.). Je nach Forschungsansatz liegt der Fokus auf beschränkten räumlichen Einheiten, oder setzt sich nur mit Teilbereichen auseinander (Kriwan 2005, S.21). Es ist also eine deutliche thematische Einseitigkeit vorherrschend, wenn auch bisher schon beachtliche Fortschritte erzielt werden konnten. Dieses Defizit spiegelt sich auch im Vergleich mit den Forschungen der Industriegeographie und der geographischen Handelsforschung wider (Ellger 1988, S.63). Heinritz u. Heineberg fordern eine verstärkte Beschäftigung mit diesem unterentwickelten Forschungszweig und bemängelten die vernachlässigte Integration behavioristischer Ansätze aus der Sozialgeographie (ebd. 1983, S.14ff.). Edwards (1983) kam noch im gleichen Jahr dieser Aufforderung nach, konnte aber die Frage von Heineberg u. Heinritz, ob „(…) angesichts der Vielgestaltigkeit des Bürosektors (…) eine Standorttheorie für den Bürosektor schlechthin ohne Berücksichtigung der für einzelne Branchengruppen oder Branchen bestehenden Besonderheiten des Standortverhaltens [überhaupt] aussichtsreich sein (…)“ (ebd. 1983, S.14) könne, nicht beantworten. Teilforschungen stehen häufig unkoordiniert nebeneinander, systematische Recherchen nach Standortanforderungen existieren kaum und in Folge dessen konnte bisher eine konsistente Bürostandorttheorie nicht entwickelt werden (Ellger 1988, S.68f.). De Lange sieht als Hauptgrund für diese Defizite die außerordentlich große Spannweite möglicher Standortfaktoren und die Heterogenität des Bürosektors. Zusätzlich hingen Standortentscheidungen sehr viel stärker als im sekundären Sektor von subjektiven Komponenten ab, so dass auch er eine verstärkte Hinwendung zu verhaltensorientierten Ansätzen fordert (ebd. 1989, S.14). Acker merkt an, dass in vielen Fällen die reine Verfügbarkeit von Daten die Art der Untersuchung bestimmt (ebd. 1995, S.25). Neuere Ansätze postulieren eine neue Dynamik in der Standortverteilung durch die flächenhafte Verteilung leistungsfähiger Telekommunikation. Damit konnte der ehemals reduzierte Raumbegriff des physikalisch-relationalen oder gar des Behälter-Raumes überwunden werden. Der Raum erhält „(…) durch die Telekommunikation und den nationalen und internationalen Schnellverkehr Elemente des cyber-space. Der Anschluss an das Informationsnetz bzw. der Zugang zu Verkehrsknoten nehmen eine Schlüsselstellung ein.“ (Neuhoff 1998, S.49). Dabei erzwingen die modernen Formen der Kommunikation nicht eine starke Standortdifferenzierung von Bürostandorten, sondern ermöglichen sie lediglich (Kriwan 2005, S.21).

2.2.3. Anwendung der Bürostandorttheorien im Rahmen der Arbeit

Die vorgestellten Ansätze fließen insbesondere bei der Modellierung der Mietergruppen mit unterschiedlicher Intensität in vorliegende Arbeit ein. Der funktionale Ansatz erlangt hierbei entscheidende Bedeutung, da die Mietergruppen, verschiedenen Branchen zugeordnet, ein differentes Standortwahlverhalten aufweisen. Die vom organisatorischen Ansatz propagierte Abhängigkeit der Standortwahl von der Betriebsgröße und dem Grad der Selbstständigkeit eines Unternehmens, sowie die Position im Lebenszyklus gemäß dem Lebenszyklus-Ansatzes werden genutzt, um die Mietergruppen weiter auszudifferenzieren und zu charakterisieren. Die Bedeutung von Kommunikationsformen kann im Rahmen vorliegender Arbeit bei der Modellierung der Mietergruppen allenfalls angerissen werden, dennoch soll ihre Bedeutung bei der Erklärung des Standortverhaltens nicht unbeachtet bleiben. Aus der Erkenntnis von Hartwieg, wonach die Bedeutung des aktionsräumlichen Ansatzes für die Bürostandortforschung gering ist, sind auch die Schnittpunkte mit vorliegender Arbeit eher vage. Besondere Bedeutung hingegen erlangt der entscheidungstheoretische oder behavioristische Ansatz. Das subjektive Entscheidungsverhalten findet sein Äquivalent in den subjektiven Anforderungsprofilen aus Sicht der Mietergruppen. Dabei kann jedoch nicht angestrebt werden, innerbetriebliche Vorgänge, wie dominante persönliche Präferenzen eines Entscheidungsträgers abzubilden, vielmehr soll gezeigt werden, dass Unternehmen ähnlichen Typs (ähnliche Branche, Betriebsgröße etc.) bei der Standortwahl vergleichbare Suchkriterien formulieren und deshalb zu Mietergruppen zusammengefasst werden können. Zusätzlich wird hier versucht, die von Ertle-Straub formulierte Kritik an der Nicht-Berücksichtigung der Gewichtung der Einflussvariablen zu überwinden. Auch die Aussage von Acker, wonach Bürostandortverteilungen oft analysiert werden, ohne die sozio-ökonomischen, politischen, aber auch räumlichen Kontexte zu berücksichtigen (Acker 1995, S.25f.), wird durch die Integration des Scoring-Merkmals „Markt“ überwunden.

Durch die Implementierung weicher Indikatoren in das Scoring-System, wie der Wirkung einer Büroimmobilie wird zumindest in Ansätzen versucht, das subjektive Entscheidungsverhalten von sich auf der Suche nach Büroflächen befindlichen Entscheidungsträgern zu modellieren, wodurch sich ein Schnittpunkt mit dem entscheidungstheoretischen oder behavioristischen Ansatz ergibt. Ebenfalls auf der Ebene des Scoring-Modells findet der historisch-genetische Ansatz durch die Einbindung historischer Vorbedingungen, wie Stadtentwicklungsprozessen für die Erklärung von Standortmustern Anwendung.

2.3. Einflussfaktoren für Bürostandortentscheidungen

Der Begriff des Standortfaktors wurde 1909 von Weber eingeführt (De Lange 1989, S.37). Er versteht unter einem Standortfaktor „(…) einen seiner Art nach scharf abgegrenzten Vorteil, der für eine wirtschaftliche Tätigkeit dann eintritt, wenn sie sich an einem bestimmten Ort oder auch generell an Plätzen bestimmter Art vollzieht.“ (Weber 1909, S.10). Diese Standortlehre befasst sich mit der optimalen Standortwahl industrieller Einzelbetriebe, wobei die Annahme zu Grunde gelegt wird, dass sich der optimale Produktionsstandort durch reine Kostenminimierung ergibt (Bathelt 1992, S.204). Diederich verwendet zur Definition des Begriffes Standortfaktors eine allgemeinere Sichtweise: „Als Standortfaktoren werden alle diejenigen Faktoren bezeichnet, die von Ort zu Ort unterschiedlich die Kosten- und Erlössituation beeinflussen und deshalb für die Standortwahl relevant sind.“ (ebd. 1979, S.137). De Lange bezeichnet Standortfaktoren als jene Faktoren, die für eine Standortwahl relevant sind. Dabei wird ein konkreter Standortfindungsprozess vorausgesetzt, bei dem eine Vielzahl von potenziell möglichen Standorten mit ihren jeweiligen Standortbedingungen subjektiv (bspw. durch den Betriebsgründer) bewertet wird (ebd. 1989, S.38f.). Ertle-Straub sieht Standortfaktoren als Zusammenspiel zweier Ausprägungen (vgl. Abb. 4). Dabei gibt es einerseits Standortbedingungen, die als IST-Ausprägungen von Standortfaktoren bezeichnet werden und andererseits Standortanforderungen als SOLL-Ausprägungen, die aus Sicht bspw. eines Mieters Standortanforderungen beschreiben. Aus der Beschreibung der gewünschten Standortsituation werden so Standortfaktoren zu Zielkriterien der Standortwahl, „(…) die sich aus den übergeordneten unternehmerischen Zielen ableiten.“ (ebd. 2002, S.32).

[...]


[1] Das Wort Büro geht auf das altfranzösische „bure“ (heute: bureau) zurück, das einen groben Wollstoff bezeichnete, mit dem Schreibtische –pulte bespannt werden. Im Laufe der Zeit übertrug sich die Bezeichnung auf das Möbel und schließlich auf den Raum (Wikipedia, 2005).

[2] Vgl. die Literaturauswertung bei de Lange (1989): Jäger, C. (1987): Telearbeit – von der Fiktion zur Innovation. In: Arbeitswelt 4. Zürich.

[3] Vgl. die Literaturauswertung bei de Lange (1989): Steltemeier, F. (1985): Standortentwicklung von Einzelhandel und Dienstleistungen in Mittelstädten seit der Zwischenkriegzeit. Diplomarbeit am Institut für Geographie Münster.

[4] Morgan differenzierte dabei fünf Bürogruppen („commerce“, „finance“, „government“, „professionals“ und „societies“)

[5] Vgl. bspw. die Literaturauswertung bei Hartwieg (1983, S.105) und de Lange (1989, S.24): Goddard, Morris, Thorngren, Törnqvist.

Excerpt out of 146 pages

Details

Title
Scoring für große Büroimmobilienbestände aus Sicht der Eigentümer und Mieter im Büromarkt Stuttgart
Subtitle
Unter Einsatz von Geoinformationstechnologie
College
LMU Munich  (Seminar für Sozialwissenschaftliche Geographie)
Grade
1,0
Author
Year
2007
Pages
146
Catalog Number
V84211
ISBN (eBook)
9783638884389
File size
4281 KB
Language
German
Notes
1. Preis bei dem von der RREEF (Deutsche Bank Group) und gif (Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V.) gesponsorten Immobilien-Forschungspreis im Bereich Diplomarbeiten im Jahr 2007
Keywords
Scoring, Büroimmobilienbestände, Sicht, Eigentümer, Mieter, Einsatz, Geoinformationstechnologie, Beispiel, Büromarktes, Stuttgart
Quote paper
Diplom-Geograph Felix Embacher (Author), 2007, Scoring für große Büroimmobilienbestände aus Sicht der Eigentümer und Mieter im Büromarkt Stuttgart, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84211

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