Um Jeanne d'Arc haben sich im Laufe der Jahrhunderte viele mythische, esoterische und phantastische Theorien gebildet . Die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit ihr ist daher auch immer eine Entlarvung von Mythen und Legenden oder sollte es zumindest sein. Dabei ist es nicht leicht, Erdichtetes von historischer Wahrheit zu trennen, da sie schon zu Lebzeiten und unmittelbar nach ihrem Tod Opfer falscher Darstellungen wurde. Der Propagandakrieg zwischen Engländern und Franzosen war ab 1429 zu großen Teilen eine Schlacht um das Bild Jeannes. Während die Engländer aus ihr eine Hexe und Hure machten, die mit dem Teufel im Bunde stehe, haben die Franzosen sie zur Heiligen idealisiert. Neben Chroniken und wenigen Briefen können wir uns nur auf die Protokolle des Verdammungsprozesses von 1431 und auf die Mitschriften der Zeugenvernehmungen aus dem Rehabilitierungsprozess 1450 bis 1456 stützen. Der erste Prozess stand unter Kontrolle der Engländer, der zweite unter Kontrolle der Franzosen. So ergibt sich zwar eine vergleichbar mit anderen mittelalterlichen Personen enorm umfangreiche Quellenlage. Diese zeichnet sich aber durch starke ideologische Tendenzen aus. Nur wenn man Interessenslagen und Rollen der Protagonisten dieser Zeit kennt, kann man hoffen, den Kern der Wahrheit aus den Quellen herauslesen zu können.
1. Inhaltsverzeichnis
2. Einleitung
3. Der Hundertjährige Krieg und Jeannes Sozialisation
4. Jeannes materielle Ausstattung und formale Stellung
5. Jeanne in Orléans
5.1 Lage Orléans bei Jeannes Ankunft
5.2 Die Eroberung der St. Loup-Bastei am 4. Mai
5.3 Die Eroberung der Augustiner-Bastei am 6. Mai
5.4 Die Eroberung der Tournelles-Bastei am 7. Mai - Tag der Entscheidung
5.5 Der Abzug der Engländer und die Folgen
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
7.1 Quellen
7.2 Literatur
2. Einleitung
Um Jeanne d'Arc haben sich im Laufe der Jahrhunderte viele mythische, esoterische und phantastische Theorien gebildet[1]. Die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit ihr ist daher auch immer eine Entlarvung von Mythen und Legenden oder sollte es zumindest sein. Dabei ist es nicht leicht, Erdichtetes von historischer Wahrheit zu trennen, da sie schon zu Lebzeiten und unmittelbar nach ihrem Tod Opfer falscher Darstellungen wurde. Der Propagandakrieg zwischen Engländern und Franzosen war ab 1429 zu großen Teilen eine Schlacht um das Bild Jeannes. Während die Engländer aus ihr eine Hexe und Hure machten, die mit dem Teufel im Bunde stehe, haben die Franzosen sie zur Heiligen idealisiert. Neben Chroniken und wenigen Briefen können wir uns nur auf die Protokolle des Verdammungsprozesses von 1431 und auf die Mitschriften der Zeugenvernehmungen aus dem Rehabilitierungsprozess 1450 bis 1456 stützen. Der erste Prozess stand unter Kontrolle der Engländer, der zweite unter Kontrolle der Franzosen. So ergibt sich zwar eine vergleichbar mit anderen mittelalterlichen Personen enorm umfangreiche Quellenlage. Diese zeichnet sich aber durch starke ideologische Tendenzen aus. Nur wenn man Interessenslagen und Rollen der Protagonisten dieser Zeit kennt, kann man hoffen, den Kern der Wahrheit aus den Quellen herauslesen zu können[2].
Diese Hausarbeit ist der Versuch, dem Kern der Wahrheit für zumindest ein Ereignis im Hundertjährigen Krieg und in Jeannes Leben nahe zu kommen: für die Entsetzung Orléans im Frühjahr 1429. Dazu werde ich vorab die Lage Frankreichs und der französischen Krone im Hundertjährigen Krieg erläutern und den Hintergrund der Sozialisation Jeannes herausarbeiten. Dem folgt ein Abschnitt über Jeannes formale und materielle Stellung im Heer. Der Hauptteil der Arbeit wird im Hinblick auf Jeannes Rolle die Ereignisse in und um Orléans zwischen der Ankunft Jeannes in der Stadt und dem Abziehen der Engländer nachzeichnen. Abschließend wird Jeannes Bedeutung für die Entsetzung der Stadt ausführlich vor dem Hintergrund des Hundertjährigen Krieges beurteilt.
3. Der Hundertjährige Krieg und Jeannes Sozialisation
Frankreich war im Jahr 1428 von den Wirren des Hundertjährigen Krieges gezeichnet. Der Begriff Hundertjähriger Krieg bezeichnet den Zeitraum von 1337 bis 1453, in dem eine Folge militärischer Auseinandersetzungen zwischen der englischen und französischen Krone, sowie zahlreiche Plünderungswellen und ein französischer „Bürgerkrieg“ fallen[3]. Diese Konflikte finden fast ausnahmslos auf französischem Territorium statt. Der Kampf zwischen der französischen und englischen Krone entzündete sich aufgrund dynastischer, territorialer und ökonomischer Konflikte stetig von Neuem. In den Phasen des Friedens zogen „arbeitslos“ gewordene Söldnerverbände ohne Einkommen plündernd durch Frankreich, so dass sich selbst in diesen „Friedenszeiten“ Bevölkerung und Wirtschaft kaum regenerieren konnten.
Am Ende des 14. Jahrhunderts geriet die französische Krone zunehmend in die Defensive. Die lokalen Fürstentümer in Frankreich gewannen ein Übergewicht gegenüber der Krone. Insbesondere das Haus Burgund betrieb eine eigenständige Außenpolitik und expandierte über Frankreich hinaus, auch gegen die Interessen des französischen Königs und anderer französischer Adelshäuser. Diese Konflikte führten schließlich in einen „Bürgerkrieg“[4].
Der englische König nutzte diesen innerfranzösischen Konflikt und setzte 1415 mit einem Heer über den Kanal. Am 25. Oktober 1415 kam es bei Azincourt zu einer für die Franzosen katastrophalen Schlacht. Tausende Soldaten und ca. 1600 Adlige fielen oder wurden gefangen genommen[5]. Frankreich hatte damit auf einen Schlag einen großen Teil seiner politischen Führung verloren. In den Folgejahren gewannen die Engländer zunehmend Territorien und Verbündete in Frankreich. In dieser Lage wurde 1420 der Vertrag von Troyes unterschrieben, in dem Philipp der Gute von Burgund, Königin Isabeau, die Frau des wahnsinnig gewordenen Karl VI., und Vertreter des englischen Königs beschlossen, dass die französische Krone auf Heinrich V. übergehen sollte[6].
[...]
[1] Vgl. beispielsweise zur Theorie, Jeanne sei ein Bastard der Königin Isabeau: Heinz Thomas, Jeanne d'Arc. Jungfrau und Tochter Gottes. Berlin 2000. S. 45. Überblicke zur Bastardtheorie und anderen Jeanne-Legenden finden sich bei Herbert Nette, Jeanne d'Arc. Hamburg 2002. S. 116 - 127. und bei Sabine Tanz, Jeanne d'Arc. Spätmittelalterliche Mentalität im Spiegel eines Weltbildes. Weimar 1991. S. 229 f.
[2] Im Folgenden werden zwei Quelleneditionen benutzt: Pierre Tisset, Yvonne Lankers (Hrsg.), Procès de condamnation de Jeanne d'Arc, I – III, Paris 1960 - 1971. und Jules Quicherat (Hrsg.), Procès de condamnation et de réhabilitation de Jeanne d'Arc dite la pucelle, I - V, Paris 1840 – 1849, ND New York 1965. Bei Zitaten werden beide Editionen kurz zitiert: Quicherat, Bn. x, S. xy und Tisset, Lankers, Bn. x, S. xy. Auf die Forschungsliteratur wird im Folgenden ebenfalls mit Kurzzitierweise hingewiesen.
[3] Überblicksdarstellungen zum Hundertjährigen Krieg finden sich bei Ehlers, 1987. S. 201 - 343. und Favier, S 282 - 428.
[4] Zur burgundischen Politik während des Hundertjährigen Krieges vgl. Awerbuch, 1970.
[5] Zur militärischen Ursache der Niederlage des traditionellen französischen Ritterheeres gegen die fortschrittliche englische Kriegsführung mit Langbögen vgl. Ehlers, 1987. S. 300 f.
[6] Der schon vor Beginn des Hundertjährigen Krieges ausgebrochene Streit um die französische Krone fand im Vertrag von Troyes eine scheinbare Lösung zu Gunsten der Lancaster. Die englische Königsfamilie erhob seit dem Aussterben der Kapetinger Anfang des 14. Jahrhunderts Anspruch auf Frankreichs Thron. Sie konnten ihre Ansprüche auf eine direkte weibliche Linie zu Philipp IV. gründen, der 1314 starb. Doch der französische Adel sprach sich gegen eine Personalunion der englischen und französischen Krone aus, weil er bei einer solchen Konstellation um seinen Einfluss fürchtete. So wurde juristisch sehr umstritten die weibliche Thronfolge auf dem französischen Thron ausgeschlossen. Ein gutes Jahrhundert später setzten die Lancaster, auf dem Höhepunkt ihrer Macht in Frankreich, ihren Anspruch in Troyes durch, allerdings mit einer Vertragskonstruktion, die ebenfalls sehr unsicher war: Karl VII. wurde in seiner Abwesenheit entgegen seines ausdrücklichen Willens enterbt. Die Legitimation dieses Aktes wurde schon von Zeitgenossen angezweifelt. Zur dynastischen Dimension des Hundertjährigen Krieges vgl. Ehlers, 1987. S. 197 ff. und S. 303 f. Außerdem interessant zur Motivation des französischen Adels und der Diskussion um ein mögliches, im Entstehen begriffenes Nationalbewusstseins hinter der Ablehnung eines englischen Königs auf dem französischen Thron: Thomas, S. 15 ff.
- Arbeit zitieren
- Andreas Wiedermann (Autor:in), 2007, Jeanne d’Arc und ihre Rolle bei der Entsetzung von Orléans, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83925
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