„System“ ist ein Begriff, der oft verwendet wird, ohne genau zu hinterfragen, was ein System eigentlich ist, wie es definiert ist oder anders herum, was kein System ist. Frederic Vester beschreibt in seinem Buch „Unsere Welt – ein vernetztes System“ sehr anschaulich genau diese Sachverhalte bzw. Fragen. Er zeigt anhand von praktischen Beispielen auf, dass sich in unserer Welt eine Vielzahl von Systemen finden lassen und dass das, was wir als „Welt“ erfahren, eine komplexe Vernetzung unzähliger Systeme und Subsysteme mit den vielfältigsten Verbindungen, Rückkoppelungen und Wechselwirkungen ist.
Jeder kommt aus einer, einige haben selbst schon eine gegründet, andere beabsichtigen eine zu gründen – die Familie spielt eine zentrale Rolle im Leben eines jeden. In der westlichen Welt wird unter „Familie“ meist die „Kernfamilie“ verstanden – Vater, Mutter und deren Kind(er), während die Soziologie unter Familie im Allgemeinen eine engere Verwandtschaftsgruppe versteht. In dieser Seminararbeit wird unter „Familie“ die „Kernfamilie“ verstanden.
Diese Seminararbeit hat das Ziel, folgende These auf ihre Richtigkeit zu untersuchen:
„Eine Familie ist ein komplexes System – eine Nichtbeachtung von Wechselwirkungen und Rückkoppelungen bringt das System in eine Schieflage.“
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGEN
TABELLEN
1 EINLEITUNG
2 DIE FAMILIE: EIN KOMPLEXES SYSTEM?
2.1 DEFINITION EINES SYSTEMS
2.2 CHARAKTERISTIKA EINES SYSTEMS
2.3 STRUKTUR UND VERHALTEN
2.4 STATISCHE VS DYNAMISCHE SYSTEME
2.5 OFFENE VS GESCHLOSSENE SYSTEME
2.6 VERSCHACHTELTE SYSTEME
2.7 DER „FALSCHE FISCH“
3 WIE WIRKEN DINGE AUFEINANDER?
3.1 BEZIEHUNGEN
3.2 EXPONENTIELLES WACHSTUM
3.3 GRENZ- UND SCHWELLENWERTE
4 WIE WIRKEN DINGE AUF SICH SELBST ZURÜCK?
4.1 POSITIVE RÜCKKOPPELUNG
4.2 NEGATIVE RÜCKKOPPELUNG
4.3 QUANTITATIVES WACHSTUM
4.4 QUALITATIVES WACHSTUM
5 MISSACHTUNG VON ZUSAMMENHÄNGEN
5.1 TEUFELSKREISE UND ENGELSKREISE
6 CONCLUSIO
BIBLIOGRAPHIE
Abbildungen
Abbildung 1: Die Familie als offenes dynamisches System
Abbildung 2: Die Verschachtelung des Systems Familie
Abbildung 3: Nicht-lineare Beziehung – Kosten pro Kind
Abbildung 4: Schwellen- und Grenzwert
Abbildung 5: Positive aufschaukelnde Rückkoppelung (Benehmen – Lob)
Abbildung 6: Positive abschaukelnde Rückkoppelung (Kochen – Essen)
Abbildung 7: Negative Rückkoppelung Gesangsunterricht
Abbildung 8: Negative Rückkoppelung - Problemlösungsprozess
Abbildung 9: Beispiel für einen Teufelskreis
Abbildung 10: Beispiel für einen Engelskreis
Tabellen
Tabelle 1: Lineare Beziehung Kinder – Schwangerschaftswochen
1 Einleitung
„System“ ist ein Begriff, der oft verwendet wird, ohne genau zu hinterfragen, was ein System eigentlich ist, wie es definiert ist oder anders herum, was kein System ist. Frederic Vester beschreibt in seinem Buch „Unsere Welt – ein vernetztes System“ sehr anschaulich genau diese Sachverhalte bzw. Fragen. Er zeigt anhand von praktischen Beispielen auf, dass sich in unserer Welt eine Vielzahl von Systemen finden lassen und dass das, was wir als „Welt“ erfahren, eine komplexe Vernetzung unzähliger Systeme und Subsysteme mit den vielfältigsten Verbindungen, Rückkoppelungen und Wechselwirkungen ist.
Komplexe Systeme sind eine besondere Form von Systemen, die sich vor allem durch viele Teilsysteme, nicht-lineare Beziehungen und zahlreiche Rück-koppelungen kennzeichnen. Systeme, vor allem komplexe Systeme, reagieren oft sehr sensibel auf Eingriffe. Werden diese Eingriffe ohne Abwägen der herr-schenden Beziehungen und Rückkoppelungen vorgenommen, kann dies zu unerwünschten Effekten, einem Kippen des Systems oder in weitester Folge zum Zusammenbruch des Systems führen. Eingehendes Betrachten und Verstehen der Zusammenhänge in einem System sind also Präventivmaßnahmen gegen Fehler im Umgang mit Systemen.
Da unsere Welt ein komplexes System von interagierenden Teilsystemen geworden ist, müssen Personen in Entscheidungsfunktionen in interagierenden Teilsystemen und in globalen Zusammenhängen denken, um Erfolg zu haben.
Jeder kommt aus einer, einige haben selbst schon eine gegründet, andere beabsichtigen eine zu gründen – die Familie spielt eine zentrale Rolle im Leben eines jeden. In der westlichen Welt wird unter „Familie“ meist die „Kernfamilie“ verstanden – Vater, Mutter und deren Kind(er), während die Soziologie unter Familie im Allgemeinen eine engere Verwandtschaftsgruppe versteht. In dieser Seminararbeit wird unter „Familie“ die „Kernfamilie“ verstanden.
Diese Seminararbeit hat das Ziel, folgende These auf ihre Richtigkeit zu untersuchen:
„Eine Familie ist ein komplexes System – eine Nichtbeachtung von Wechselwirkungen und Rückkoppelungen bringt das System in eine Schieflage.“
Dazu soll als Erstes geklärt werden, ob eine Familie überhaupt ein komplexes System ist. Dazu wird in Kapitel 2 die Systemdefinition von Vester herangezogen, auf die Familie angewendet und es werden auch verschiedene Einteilungsmöglich-keiten von Systemen gezeigt.
Im 3. Kapitel werden Beziehungen, exponentielles Wachstum sowie Grenz- und Schwellenwerte in Systemen und im Speziellen im System „Familie“ behandelt.
Das 4. Kapitel behandelt anschließend die Frage „Wie wirken Dinge auf sich selbst zurück?“ und zeigt positive und negative Rückkoppelungen sowie quanti-tatives und qualitatives Wachstum.
Was geschehen kann, wenn Zusammenhänge missachtet werden, ist Inhalt des abschließenden 5. Kapitels, wo ein Teufelskreis die Auswirkungen der Missachtung von Zusammenhängen illustrieren soll. Auch das Gegenstück – der Engelskreis – wird anhand eines Beispiels gezeigt.
Eine Zusammenfassung der behandelten Themen sowie eine Bestätigung oder Verwerfung der eingangs aufgestellten These beschließt diese Seminararbeit in Kapitel 6.
2 Die Familie: ein komplexes System?
In weiterer Folge soll die Familie als System näher betrachtet werden – wie aber ist ein System definiert und ist die Familie überhaupt per defintionem ein komplexes System?
2.1 Definition eines Systems
Vester definiert als wichtigste Eigenschaft eines Systems das Vorhandensein verschiedener Teile. Weiters ist es notwendig, dass diese Teile in Beziehung zueinander stehen und zu einem bestimmten Aufbau vernetzt sind – das System verhält sich anders als seine Teile und wird zu einem neuen Ganzen. Die Teile eines Systems stehen in einer bestimmten Ordnung zueinander und bilden ein komplexes Wirkungsgefüge. Ulrich/Probst verwenden folgende Definition des Begriffes „System“: „Ein System ist ein dynamisches Ganzes, das als solches bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen besitzt. Es besteht aus Teilen, die so miteinander verknüpft sind, dass kein Teil unabhängig ist von andern Teilen und das Verhalten des Ganzen beeinflusst wird vom Zusammenwirken aller Teile.“ Ossimitz/Lapp definieren Systeme folgendermaßen: „Systeme bestehen aus Elementen, die zu einander in Beziehung stehen.“
Umgelegt auf die Familie können Vater, Mutter und Kind(er) als die drei Teile/Elemente des Systems Familie gesehen werden. Natürlich könnten weitere Elemente hinzugenommen werden: Großeltern, Tanten, Onkeln, Nichten, Neffen, usw. In der gegenständlichen Arbeit soll aber als Familie die Kernfamilie (vgl. Seite 1) gesehen werden. Die Verknüpfung bzw. Beziehung der einzelnen Teile einer Familie kann bei den Eltern zB rechtlich durch eine Ehe oder durch eine nicht-eheliche Partnerschaft bestehen; die Kinder stehen bis zur Volljährigkeit unter der Obsorge der Eltern – darüber hinaus gibt es noch die Pflicht zur Unterhaltsleistung. Die Kinder untereinander (sofern es mehrere gibt) sind ebenfalls vernetzt – durch Altersunterschiede kommt es zB zu autoritären Beziehungen. Grundsätzlich beginnt die Vernetzung bereits dadurch, dass eine Familie eine gemeinsame Kultur (gemeinsame Sitten, Bräuche, Erfahrungen) hat, die sie von anderen Einzelpersonen oder anderen Familien unterscheidet.
Laut den oben genannten Definitionen beinhaltet eine Familie alle notwendigen Bestandteile eines Systems und kann daher als solches bezeichnet werden.
2.2 Charakteristika eines Systems
Richter/Rost meinen, dass in einem komplexen (vielschichtigen) System gerade die Vernetzung von Einzelteilen wesentliche Eigenschaften des Gesamtsystems prägt, welche ohne die Vernetzung entweder nicht erfasst oder gar nicht existieren würden. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von
Emergenz . Auch Ulrich/Probst sehen Eigenschaften in Systemen, die seine Einzelteile nicht aufweisen, aber mehr sind, als die bloße Addition der Eigen-schaften der Teile. Dieses „Mehr“, das ein System ausmacht, ist die Struktur, die Organisation, das Netz der Wechselwirkungen.
Bezogen auf die Familie wird diese sich als Ganzes anders verhalten, als die Einzelakteure alleine – der „Mehrwert“ ergibt sich zB aus den Erziehungsmaßnahmen der Eltern, aus den Dingen, die die Kinder von den Eltern lernen oder daraus, dass der Zusammenhalt in schwierigen Situationen Kraft gibt und die Familie stärker ist als die Summe der Einzelpersonen. Ein Kleinkind könnte zB ohne seine Eltern nicht alleine überleben – durch das System der Familie mit ihrer Organisation und den Vernetzungen ist dies möglich. Struktur in Form von Hierarchie ist in einer Familie ebenfalls vorhanden: Diese Hierarchie ist kulturell verschieden und kann von patriarchalisch bis hin zu matriarchalisch reichen, wobei ein Familienmitglied das „Oberhaupt“ darstellt und die Kinder eine in der Hierarchie untergeordnete Rolle einnehmen.
Ein System besitzt eine eigene Identität, die aus dem System selbst und den Systemgrenzen besteht. Als die Grenzen eines Systems (was gehört dazu und was nicht?) gegenüber der Umwelt werden oft die physischen Grenzen (zB Grenzen des Unternehmensgebäudes als Grenze des Unternehmens) angesehen – diese sind allerdings nicht immer sinnvoll bzw. korrekt und müssen gedanklich konstruiert werden.
Die Identität einer Familie lässt sich durch einen gemeinsamen Namen, Wohnsitz oder eine gemeinsame Kultur teilweise bestimmen. Auch könnte das gemeinsame Erbgut als die spezifische Identität gesehen werden – allerdings wür-den dann zB Adoptivkinder nicht berücksichtigt werden. Bei der Definition des gemeinsamen Namens oder Wohnsitzes als Systemgrenze treten ebenfalls Prob-leme auf – wohnt ein Kind an einem anderen Ort oder haben die Eltern unterschiedliche Namen, gehören sie trotzdem alle zum System „Familie“. Die Systemgrenze könnte demnach als eine enge emotionale Beziehung bzw. Verbindung zwischen den Familienmitgliedern – gewissermaßen eine psychologische Systemgrenze – definiert werden.
Aus der Systemdefinition von Ulrich/Probst kann weiters extrahiert werden, dass ein System dynamisch ist, sich über die Zeit weiterentwickelt. Daraus kann gefolgt werden, dass ein System ein Ziel hat und die dynamische Entwicklung zielgerichtet und Zweck erfüllend erfolgt.
Die Dynamik einer Familie ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass alle Beteiligten älter werden und somit die Anforderungen und Bedürfnisse sich laufend ändern. Alltäglich bewirken Einflüsse von außen Lerneffekte und Veränderungen im System, dadurch Adaptierungen und somit Dynamik. Das Überleben und die Fortpflanzung als Grundtriebe des Menschen können simultan als Ziele für die Familie angesehen werden.
Vester beschreibt als eine Eigenschaft von Systemen auch die Tatsache, dass eine Veränderung eintritt, wenn Teile entfernt oder hinzugefügt werden – die Beziehung aller Teile zu allen, der Gesamtcharakter verändert sich. Sys-temelemente sind demnach nicht beliebig austauschbar, ohne das Wirkungsgefüge des Systems zu verändern.
Auf die Familie umgelegt, kommt es ebenfalls zu Veränderungen innerhalb des Systems bzw. des Charakters des Systems, wenn zB ein Kind geboren wird oder ein Familienmitglied auch nur temporär den engsten Familienverbund verlässt (Auslandssemester, Internat, Urlaub). Fehlt aufgrund verschiedenster Umstände (Krankheit, Krieg) ein Elternteil für einen längeren Zeitraum, kann diese Veränderung zu einer Beeinträchtigung oder sogar zu einem Zusammenbruch des Systems führen.
2.3 Struktur und Verhalten
Aufgrund der Struktur (statisch; einfach oder komplex) und des Verhaltens (dynamisch; einfach oder komplex) können Systeme unterteilt werden in:
- System mit einfacher Struktur, einfachem Verhalten (zB Pendel)
- System mit einfacher Struktur, komplexem Verhalten (zB nicht triviale Maschine)
- System mit komplexer Struktur, einfachem Verhalten (zB Auto)
- System mit komplexer Struktur, komplexem Verhalten (zB ökologische Systeme, natürliche Systeme wie das Gehirn)
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- Quote paper
- MMag. Bernhard Höfler (Author), 2007, Familie: Ein komplexes System?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83873
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