Die Arbeit untersucht, welche Mechanismen der Beeinflussung auf der Seite von Politik und Militär angewandt werden, wie sich die Medien im Spannungsfeld zwischen politischen, öffentlichen und selbst gesteckten Erwartungen verhalten und wie sich beides auf die Kriegsberichterstattung als journalistisches Endprodukt auswirkt. Bei den Betrachtungen liegt, aufgrund der Bedeutung von Golfkrieg 1990/91 und Irak-Krieg 2003, die ihnen von den Medien eingeräumt wurde, der Fokus zumeist bei diesen neueren amerikanischen Kriegen im Nahen Osten sowie bei den politischen und militärischen Strategien der amerikanischen Regierung. Insbesondere das, zum Teil daraus resultierende, Verhalten und die Berichterstattung der Medien erscheinen jedoch durchaus als verallgemeinerbar.
Inhalt
1. Einleitung
2. Anfänge der Kriegsberichterstattung
3. Kriegsvorbereitung in den Medien
3.1. Techniken zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung
3.1.1. Feindbild erschaffen
3.1.2. Inszenierte Ereignisse und Fakten
3.1.3. Mögliche Folgen verharmlosen
3.1.4. Unausweichlichkeit des Krieges betonen
3.1.5. Umfragen und Statistiken
3.1.6. (Vor-)Kriegsrhetorik
3.2. PR-Initiativen
3.3. Militarisierung der Unterhaltungskultur
4. Medien als Kriegswaffe
4.1. Systeme staatlicher Beeinflussung der Kriegsberichterstattung
4.2. Mediale Erzählweise
4.2.1. Thematisierung
4.2.2. Darstellung
5. Fazit
6. Literaturliste
1. Einleitung
„Alles, was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“[1]
Zu dieser Erkenntnis gelangte der deutsche Soziologe und Medienwissenschaftler Niklas Luhmann (1927-1998) und gab zu bedenken, dass die Medien nicht dazu in der Lage seien, die Realität abzubilden, sondern sich stattdessen eine eigene Version dieser konstruieren (Vergleich auch: Theorie des Konstruktivismus). Die Öffentlichkeit erfährt somit niemals die volle und unverfälschte Wahrheit über Ereignisse. Für Kriege trifft dies in besonderem Maße zu, denn sie entziehen sich meist völlig der Erfahrungswelt des Rezipienten. Daher dient das Kriegsbild in den Medien entscheidend zur Legitimation oder Entlegitimation organisierter, staatlicher Gewalt. Im Hinblick auf die Abhängigkeit zwischen Öffentlichkeit und politischer Führung in demokratischen Systemen werden die Massenmedien somit zu einer kriegsentscheidenden Größe. Ihre gezielte Beeinflussung gehört zu den elementaren Strategien moderner Kriegsführung.
Bereits bei der Vorbereitung von Kriegen wird die Kommunikation mit der Öffentlichkeit von der Politik instrumentalisiert, um reale oder erfundene Konflikte in ihr Bewusstsein zu rücken und Gewalt als letztes Mittel zu deren Lösung anzupreisen. Ist der Krieg begonnen, setzt sich dies gar verstärkt fort.
Den Fragen, welche Mechanismen der Beeinflussung auf der Seite von Politik und Militär angewandt werden, wie sich die Medien im Spannungsfeld zwischen politischen, öffentlichen und selbst gesteckten Erwartungen verhalten und wie sich beides auf die Kriegsberichterstattung als journalistisches Endprodukt auswirkt, werde ich in dieser Arbeit nachgehen.
Bei meinen Betrachtungen liegt, aufgrund der Bedeutung von Golfkrieg 1990/91 und Irak-Krieg 2003, die ihnen von den Medien eingeräumt wurde, der Fokus zumeist bei diesen neueren amerikanischen Kriegen im Nahen Osten sowie bei den politischen und militärischen Strategien der amerikanischen Regierung. Insbesondere das, zum Teil daraus resultierende, Verhalten und die Berichterstattung der Medien halte ich jedoch durchaus für verallgemeinerbar.
2. Anfänge der Kriegsberichterstattung
Der Krieg ist die „fruchtbare Mutter der Zeitungen“[2]. Diese Feststellung wurde bereits im 18. Jahrhundert in einem Lehrbuch für Zeitungsleser getroffen und veranschaulicht den Stellenwert des Themas Krieg für die Presse. Tatsächlich hat sich seit den Wurzeln der Massenmedien im 16. Jahrhundert bis in die heutige Zeit kaum etwas an der Dominanz dieses Themas in den Medien geändert. Kriegerische Auseinandersetzungen dominierten die Berichterstattung in den anfangs noch unregelmäßig erscheinenden „Neuen Zeitungen“[3] und blieben fortan ein medialer Dauerbrenner. Auch wenn Inhaltsanalysen von Zeitungen aus unterschiedlichen Epochen einen allmählichen Rückgang des relativen Anteils der Kriegsberichterstattung (prozentual) seit 1622 konstatieren, blieb der Umfang absolut betrachtet (in Seiten) beinahe gleich.[4] Krieg hat in den Medien niemals an Interesse eingebüßt, vielmehr rückten auch noch andere Themenbereiche in den Fokus der Berichterstattung.
Kriege weckten stets das Interesse der Menschen, die diese als Bedrohung und deren Erzählungen sie gleichzeitig als spannend empfanden. Seit jeher wollten sie außerdem erfahren, welche Konsequenzen Kriege für ihr eigenes Leben haben. So gingen bewaffnete Auseinandersetzungen auch meist mit einer steigenden Nachfrage nach Informationen und somit einer Zunahme von Publikationen und der Beschäftigung mit ihnen einher.[5]
Die Art, wie Kriege medial vermittelt und präsentiert werden, hat sich mit der Art der Kriegsführung, der Militärtechnik, der Fortentwicklung der Transportmittel und Massenmedien sowie der Veränderung des journalistischen Rollenverständnisses im Zeitverlauf gewandelt. In der Anfangsphase der Kriegsberichterstattung wurde noch, mitunter detailliert, meist aber eher protokollartig kurz, über das bekannte Faktenwissen zu Truppenbewegungen, Verlusten usw. berichtet. Die Informationen hierzu stammten zumeist von Augenzeugen, aus offiziellen Quellen oder aus Zeitungen die bereits andernorts erschienen waren und es vergingen mitunter mehrere Wochen bis diese in den Publikationen abgedruckt wurden. Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert floss immer mehr Subjektivität in die Artikel ein. Aus den Berichterstattern des 16. Jahrhunderts wurden investigative Journalisten, die sich nun auch verstärkt selbst ein Bild von der Lage an der Front machten und über die neuen Transportwege Eisenbahn, Brieftaube und Telegraph in emotional aufgeladenen Artikeln davon berichteten. Als Prototyp der modernen Kriegsberichterstatter gilt der Engländer William Howard Russel, der im Auftrag der Londoner „The Times“ über den Krimkrieg (1853-1856) informierte und dessen Berichte über den desolaten Zustand der britischen Armee zu einer aufgebrachten Öffentlichkeit und 1855 zum Rücktritt der britischen Regierung führten.[6] [7] Russels Berichterstattung sowie seine darauffolgende Verbannung von der Front offenbarte die gegenseitige Abhängigkeit von Militär und Presse. „Die Zeitungen brauchten ausführliche und zuverlässige Informationen, die Armee war erpicht auf eine ‚gute’ Presse, die nur dann die Wahrheit schreiben sollte, wenn es der Sache dienlich war.“[8]
Die Macht der Medien, Öffentlichkeit, für oder gegen einen Krieg, zu mobilisieren und diese entsprechend zu beeinflussen, wurde von Seiten der Politik ebenso erkannt, wie die Notwendigkeit hierauf in geeigneter Weise zu reagieren. Von der systematischen Zensur und dem Ausschluss vom Kriegsgeschehen im Falle Russels, über militärische Propaganda bis zur Einbindung von Journalisten in eine perfekt vorausgeplante Kriegsdramaturgie wurden bis heute zahlreiche Instrumente hierfür geschaffen und weiterentwickelt.
3. Kriegsvorbereitung in den Medien
Der englische Schriftsteller Rudyard Kipling prägte die viel zitierte, jedoch wenig reflektierte Aussage: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“ Diese Ansicht setzt jedoch implizit voraus, dass vor dem Kriege Wahrheit herrscht, eine Annahme, die sich mit zahlreichen Beispielen leicht widerlegen lässt. Ohne Lügen und einseitige Informationen und deren Weiterverbreitung über die Medien würde es oftmals gar nicht zum Kriege kommen.[9]
Entscheidungen über Krieg und Frieden sind in demokratischen Gesellschaften auch stets Entscheidungen, die im Hinblick auf das Denken und Fühlen der Staatsbürger getroffen werden müssen. Das Volk als eigentlicher Souverän muss die materiellen und menschlichen Opfer für einen Krieg erbringen und mit seiner Entscheidung auch einen großen Teil der Verantwortung dafür tragen. Bereits Immanuel Kant schlussfolgerte, dass daraus eine natürliche Sehnsucht der Menschen nach Frieden resultiert.[10] Die Menschen müssen somit vor Kriegsbeginn von dessen Legitimität und Nützlichkeit überzeugt werden. Doch nicht nur das eigene Volk, sondern auch die internationale Öffentlichkeit muss ein Adressat derartiger Anstrengungen sein. Alle Länder sind heute Teil eines globalen Beziehungsgeflechts aus politischer, wirtschaftlicher, militärischer, wissenschaftlicher oder kultureller Zusammenarbeit, weshalb eine kriegsförderliche Argumentation auch den Einfluss hierauf beachten muss. Es lässt sich schlussfolgern:
„Die kriegstaugliche Beherrschung der öffentlichen Meinung wird zur letztlich entscheidenden Voraussetzung der Kriegsführung.“[11]
Die Öffentlichkeit, als Empfänger, und die Massenmedien, als Überbringungsinstanz der politischen Botschaften, geraten somit ins Visier der politischen Öffentlichkeitsarbeit.
Die Massenmedien erweisen sich, mitunter auch aus Mangel an anderen Nachrichtenquellen, meist als sehr empfänglich für Informationen aus den offiziellen Quellen. Der Konkurrenzdruck zwischen den Medien (der Zwang zur möglichst frühzeitigen Meldung) ist hauptverantwortlich dafür, dass Nachrichten, die bestimmte funktionale Kriterien erfüllen (z.B. Nachrichtenwert)[12], beinahe automatisch aufgegriffen und unkritisch weiterverbreitet werden. Um Leser bzw. Zuschauer nicht an Konkurrenten zu verlieren, stellt sich ein „Mainstreamjournalismus“ ein, der von politischer PR dominiert und nicht mehr kritisch hinterfragt wird.[13] In einem stetigen Spannungsfeld befindlich, zwischen der Verpflichtung zu möglichst objektiver Berichterstattung und ihrer Bindung an die eigene Nation und die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, tendieren Medien und Journalisten außerdem zu einseitiger und parteiergreifender Berichterstattung.
3.1 Techniken zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung
Bewaffnete Konflikte haben ihren Ursprung meist auf der diplomatischen Ebene, welche dem Normalbürger nicht zugänglich ist und dessen Gesetzmäßigkeiten ihm nicht bekannt sind. Sie haben in der Regel eine lange und komplizierte Vorgeschichte, die für die Menschen kaum überschaubar ist. Weiterhin wirken zahlreiche Einflussfaktoren und Interessen Dritter darauf ein, die für Außenstehende ebenfalls meist verborgen bleiben. Der Öffentlichkeit muss daher mit möglichst einfachen, plausiblen und unwiderlegbaren Argumenten die Notwendigkeit eines Krieges vor Augen geführt werden. Im Vorfeld des Krieges finden daher eine Vielzahl von Mechanismen Anwendung, von denen im Folgenden einige wesentliche erläutert werden.
3.1.1 Feindbild erschaffen
Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Öffentlichkeit für einen Krieg gewonnen werden kann, ist das Vorhandensein eines Gegners und dessen öffentliche Identifizierung als Feind. Dazu werden im Vorfeld des Krieges eine Vielzahl von negativen Informationen über ihn gestreut, die sich im Wesentlichen den folgenden Kategorisierungen zuordnen lassen:
Dramatisierung der Bedrohung: Es wird behauptet, vom Gegner ginge ein hohes Risiko für die eigene Sicherheit oder die Sicherheit befreundeter Staaten aus.[14] So wurde vor dem Irak-Krieg 2003 von der US-Regierung behauptet, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen und scheue nicht davor zurück, diese einzusetzen. Auch die unterschwellige Behauptung, Saddam Hussein unterstütze das Terrornetzwerk Al Kaida und sei mitverantwortlich für die Terroranschläge des 11. September 2001, diente diesem Zweck.
Dämonisierung: Hierbei soll die Brutalität und Unmenschlichkeit des Gegners herausgestellt werden. Die immer wiederkehrende Botschaft lautet: Der Feind schreckt vor keinen unmenschlichen Gewalttaten zurück und ist zu allem fähig.[15] So wurde im 1. Weltkrieg von alliierter Seite die Behauptung aufgestellt und über die Presse verbreitet, die Deutschen destillierten aus den Leichen der Gefallenen Glycerin[16] und im Golfkrieg 1990 wurde behauptet, Saddam Hussein löse missliebige politische Gegner in Säurebädern auf.[17]
Historische Analogien: Sowohl Situationen als auch Menschen werden bei dieser Strategie mit negativ besetzten historischen Vorläufern gleichgesetzt.[18] Im 1. Weltkrieg wurden die Deutschen als „wilde Horden des Dschingis Khan“[19] betitelt. Auch vor dem Golfkrieg 1990 und vor dem Irak-Krieg 2003 verglichen US-Politiker den Irak mehrfach mit dem faschistischen Deutschland und Saddam Hussein mit Adolf Hitler.[20]
Diffamierung: Hierbei wird der Gegner durch unüberprüfbare Behauptungen über dessen Eigenschaften und seine Persönlichkeit herabgewürdigt.[21] Ähnlich der Dämonisierung geht es hierbei ebenfalls darum ihm negative Eigenschaften zu- oder positive Eigenschaften abzusprechen. So wurde der irakische Diktator im Vorfeld des Golf-Krieges 1990/91 als „Irrer von Bagdad“ bezeichnet.
[...]
[1] Luhmann 1996, S.219
[2] aus Wilke 1995, S.22
[3] vgl. ebd.
[4] vgl. ebd., S.23 f.
[5] vgl. ebd., S.22
[6] vgl. ebd., S.30-32
[7] vgl. Beham 1996, S.13 f.
[8] ebd., S.15
[9] vgl. Loquai 2003
[10] vgl. Kant 1979, S.424 ff.
[11] Woit 2004
[12] vgl. Schulz, Winfried 2000, S.330 und Wilke, Jürgen 1995, S.27
[13] vgl. Baerns 1991, S.1 ff.
[14] vgl. Loquai 2003
[15] vgl. Schicha 1999 und Loquai 2003
[16] vgl. Beham 1996, S.30
[17] vgl. ebd., S.108
[18] vgl. Schicha 1999
[19] vgl. Beham 1996, S.28
[20] vgl. ebd., S.107
[21] vgl. Schicha 1999
- Arbeit zitieren
- Carsten Werner (Autor:in), 2005, Kriegswaffe Medien - Kriegsvorbereitung und Kriegsberichterstattung in den Massenmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83279
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