Jeder Mensch wird durch Werte beeinflusst. Sie werden stark durch seine Sozialisation geprägt und begleiten ihn ein ganzes Leben lang. Überall trifft er auf moralisch relevante Idealvorstellungen, die ihn auf die eine oder andere Weise leiten. Auch das Fachgebiet der Pflege ist nicht wertfrei. Pflegeleitbilder, -theorien, -klassifikationen, -ziele, -standards oder auch Pflegeprobleme sind durch sie beeinflusst oder entstehen gar auf ihrer Grundlage (vgl. Bobbert, in Wiesemann et al., 2003, S. 89).
Da aber nicht alle Menschen in gleichem Maße sozialisiert werden und immer auch Faktoren wie beispielsweise kulturelle, soziale oder religiöse Aspekte eine Rolle spielen, versteht sich von selbst, dass Werte nie für jeden gleich bedeutsam sein können.
Für die Pflege ergeben sich hier recht brisante Fragestellungen: Inwieweit können zum Beispiel unterschiedliche Ansätze zwischen Patient und Pflegenden berücksichtigt werden und ist das überhaupt Aufgabe der professionellen Pflege? Ist es legitim, dass Pflegende dem Patienten unter Umständen ihre Wertvorstellungen auferlegen (nach dem Motto: „Ich weiß besser, was für sie gut ist“)? Hat der Patient das Recht, sich aktiv in seine Behandlung einzubringen und nur Leistungen einzufordern, die mit seinen Werten konform sind?
Diesen und ähnlichen Fragen unter dem Aspekt professioneller Pflege nachzugehen und speziell in Verbindung mit dem Pflegeprozess zu betrachten, ist Inhalt dieser Hausarbeit. Dabei wird verstärkt die Informationssammlung sowie die konkrete Umsetzung geplanter pflegerischer Maßnahmen als Bestandteile des Pflegeprozesses beleuchtet. Zu Beginn wird dargestellt, was professionelle Pflege ausmacht und welche Bedeutung der Pflegeprozess dabei hat. Es werden verschiedene Prozessmodelle aus Sicht der Patientenorientierung miteinander verglichen und dabei eine geeignete Alternative herausgearbeitet. Anschließend wird darauf eingegangen, was Patientenorientierung, Autonomierecht und Privatheit des Pflegeempfängers beinhalten und versucht diese theoretischen Grundlagen auf konkrete praktische Bestandteile des Pflegeprozesses zu übertragen.
Ziel dieser Ausarbeitung ist darzustellen, wie Pflegende eine patientenorientierte Arbeitsweise im Rahmen der Informationssammlung und der Durchführung von Pflegemaßnahmen konkret umsetzen können und welche Grenzen der Patientenorientierung es gibt.
Inhaltsverzeichnis
Themenfindung
Themenwahl und Begründung
Zielsetzung
Anmerkungen zur Literaturrecherche
1. Grundlagen der professionellen Pflege
1.1. Trägerleitbild
1.2. Pflegeleitbild
1.3. Pflegetheorie
2. Der Pflegeprozess als Teil der professionellen Pflege
2.1. Definition des Pflegeprozesses
2.2. Vor- und Nachteile des Pflegeprozesses
2.3. Pflegeprozessmodelle
2.4. Pflegediagnose als Teil des Pflegeprozesses
2.5. Pflegevisite und Pflegeprozess
3. Definition der Patientenorientierung
4. Das Autonomierecht und die Privatsphäre des Patienten
4.1. Das Autonomierecht nach Bobbert
4.2. Die Privatsphäre des Patienten
5. Informationssammlung und Patientenorientierung
5.1. Zeitpunkt
5.2. Rämlichkeiten
5.3. Kommunikationsregeln für ein gelungenes Gespräch
5.4. Informationsnahme durch Pflegende
5.5. Informationsgabe an den Patienten
5.6. Weitere Informationsquellen
5.7. Kommunikationsschwierigkeiten
6. Durchführung von pflegerischer Maßnahmen und Patientenorientierung
6.1. Zeitpunkt
6.2. Ort
6.3. Durchführung
6.4. Recht auf Festlegung des Eigenwohls
6.5. Entziehen der Zustimmung
Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Themenfindung
Jeder Mensch wird durch Werte beeinflusst. Sie werden stark durch seine Sozialisation geprägt und begleiten ihn ein ganzes Leben lang. Überall trifft er auf moralisch relevante Idealvorstellungen, die ihn auf die eine oder andere Weise leiten. Auch das Fachgebiet der Pflege ist nicht wertfrei. Pflegeleitbilder, -theorien, -klassifikationen, -ziele, -standards oder auch Pflegeprobleme sind durch sie beeinflusst oder entstehen gar auf ihrer Grundlage (vgl. Bobbert, in Wiesemann et al., 2003, S. 89).
Da aber nicht alle Menschen in gleichem Maße sozialisiert werden und immer auch Faktoren wie beispielsweise kulturelle, soziale oder religiöse Aspekte eine Rolle spielen, versteht sich von selbst, dass Werte nie für jeden gleich bedeutsam sein können. Für die Pflege ergeben sich hier recht brisante Fragestellungen: Inwieweit können zum Beispiel unterschiedliche Ansätze zwischen Patient und Pflegenden berücksichtigt werden und ist das überhaupt Aufgabe der professionellen Pflege? Ist es legitim, dass Pflegende dem Patienten unter Umständen ihre Wertvorstellungen auferlegen (nach dem Motto: „Ich weiß besser, was für sie gut ist“)? Hat der Patient das Recht, sich aktiv in seine Behandlung einzubringen und nur Leistungen einzufordern, die mit seinen Werten konform sind?
Diesen und ähnlichen Fragen unter dem Aspekt professioneller Pflege nachzugehen und speziell in Verbindung mit dem Pflegeprozess zu betrachten, ist Inhalt dieser Hausarbeit. Dabei wird verstärkt die Informationssammlung sowie die konkrete Umsetzung geplanter pflegerischer Maßnahmen als Bestandteile des Pflegeprozesses beleuchtet. Zu Beginn wird dargestellt, was professionelle Pflege ausmacht und welche Bedeutung der Pflegeprozess dabei hat. Es werden verschiedene Prozessmodelle aus Sicht der Patientenorientierung miteinander verglichen und dabei eine geeignete Alternative herausgearbeitet. Anschließend wird darauf eingegangen, was Patientenorientierung, Autonomierecht und Privatheit des Pflegeempfängers beinhalten und versucht diese theoretischen Grundlagen auf konkrete praktische Bestandteile des Pflegeprozesses zu übertragen.
Ziel dieser Ausarbeitung ist darzustellen, wie Pflegende eine patientenorientierte Arbeitsweise im Rahmen der Informationssammlung und der Durchführung von Pflegemaßnahmen konkret umsetzen können und welche Grenzen der Patientenorientierung es gibt.
Ein Beitrag Monika Bobberts in „Pflege und Ethik“, sowie ihr Buch „ Patientenautonomie und Pflege - Begründung und Anwendung eines moralischen Rechts“ gaben bei der Auseinandersetzung mit dem Thema eine gute Orientierung und beeinflussten diese Arbeit maßgeblich. Des Weiteren liegen dieser Arbeit verschiedene Werke zu den Themen Kommunikation, Gesprächsführung und Pflegeprozess (siehe Literaturliste) zu Grunde.
In dieser Ausarbeitung werden aus Einfachheitsgründen ausschließlich Bezeichnungen wie Patient und Pflegender verwendet; sie schließen jedoch die weibliche Form mit ein und sollen keinen diskriminierenden Charakter haben.
1. Grundlagen der professionellen Pflege
Das Bild des Patienten befindet sich im Wandel. Von einem Ja-sagenden und passiven Pflegeempfänger entwickelt er sich zunehmend zu einem, der sich auch aktiv in seine Behandlungen einbringt und Maßnahmen hinterfragt. Er scheut sich auch immer weniger davor, Handlungen seitens der Ärzte und der Pflegenden in Frage zu stellen und unter Umständen auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Dennoch schreiben 89,2 % der Bundesbürger Ärzten und dem Pflegepersonal eine hohe Verantwortung zu; 64,8 % würden sich selbst nicht zutrauen einen nahen Angehörigen zu pflegen (vgl. Dorschner, S. 3 f, 2006). Auch die Pflege selbst befindet sich in einer Art Emanzipationsprozess. Pflegende wollen nicht mehr länger lediglich Assistenztätigkeiten der Ärzte übernehmen, sondern sehen sich in einer eigenen selbständigen Profession.
Spätestens hier wird deutlich, dass sich die Pflege weiterentwickeln muss. Es reicht nicht mehr aus, eine ungeplante Pflege aus Überlieferungen und aus dem Gefühl heraus zu betreiben. Es ist notwendig eine qualifizierte und auch wissenschaftlich fundierte Grundlage für den Berufsstand der Pflege zu schaffen, die den Pflegenden Orientierung und Sicherheit geben kann. Dies setzt allerdings „…voraus, dass die Pflege ihre Tätigkeit klar definiert und beschreibt, dass sie den Pflegebedarf darlegt und begründet, und dass sie ihre Arbeit transparent und den Erfolg überprüfbar macht.“(Reimer, S. 79, 1998)
Der deutsche Pflegerat (DPR) versuchte dies in Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedsverbänden umzusetzen und beschreibt die „ Professionelle Pflege“ in der Rahmenberufsordnung. Danach haben professionell Pflegende unter anderem die Pflicht:
- Ihren Beruf entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse auszuüben
- Neutral zu sein
- Leistungsempfänger und deren Bezugspersonen zu beraten, anzuleiten und zu unterstützen
- Den Pflegebedarf festzustellen, die Pflege zu planen, zu organisieren, durchzuführen und zu dokumentieren
- Die Pflege zu evaluieren und die Qualität der Pflege zu sichern bzw. zu entwickeln
Was es im konkreten Fall bedeutet, nach pflegewissenschaftlichem Stand und bezugswissenschaftlichen Erkenntnissen zu arbeiten wird im Folgenden überblicksweise beschrieben.
1.1. Trägerleitbild
Um professionelle Pflege auszuführen, bedarf es zunächst einiger Rahmenbedingungen. So zum Beispiel muss die entsprechende Einrichtung über ein Trägerleitbild bzw. eine Unternehmensphilosophie verfügen. Hier werden grundlegende Aussagen über die Werte und Grundsätze eines Unternehmens getroffen. Sie sollen eine Handlungsorientierung für alle Mitarbeiter geben. Ziele, die sich aus gesetzlichen Grundlagen ergeben, sind ebenso Inhalt wie die zugrunde liegende Weltanschauung. Durch übergreifende Konzepte wird das Trägerleitbild in die Praxis implementiert.
1.2. Pflegeleitbild
Einen Teil des Trägerleitbildes stellt das Pflegeleitbild dar. Es beinhaltet relevante Grundaussagen für den Bereich der Pflege. „Das Pflegeleitbild enthält Aussagen über das zugrundeliegende Menschenbild, das Pflegeverständnis, das Selbstverständnis der Pflegeeinrichtung, die Sichtweise auf Bedürfnisse der Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen, die Gestaltung der Pflege, die Pflegequalität und Notwendigkeit zur ständigen Verbesserung.“(Landespflegeausschuss Brandenburg, 2003, S.6)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Bausteine professioneller Pflege
Ein Pflegeleitbild bildet sozusagen einen groben Rahmen um die Pflege, der eine erste Orientierung ermöglicht, jedoch noch mit weiteren Strukturierungshilfen und Inhalten gefüllt werden muss (s. Abb. 1).
1.3. Pflegetheorie
Einen Inhalt stellt in dem Zusammenhang die Pflegetheorie dar. Bekel sagte 1999, dass die Pflegetheorien notwendig sind „um systematische und strukturierte Aussagen über den Gegenstandsbereich der Pflege und die daraus resultierende Phänomene zu treffen.“ Alle Pflegetheorien sind ganzheitlich orientiert, unterscheiden sich aber in ihren Erklärungsansätzen von Pflege. Zusammengefasst könnte man die Pflegetheorie also auch als einen Blickwinkel bezeichnen, von dem aus man die Pflege bzw. den Pflegeprozess betrachtet und sie unter diesen Aspekten in der Praxis auskleidet. Aus Sicht der Patientenorientierung erscheinen Interaktionsmodelle wie z. B. von Orlando oder Neumann sinnvoll. Im Zentrum der Interaktionsmodelle steht der Prozess der Pflege und die Kommunikation zwischen Klient und Pflegendem. Allerdings sind auch Bedürfnistheorien wie zum Beispiel die von Orem und Krohwinkel denkbar. Krohwinkel legt besonderen Wert auf die Mitbestimmung des Patienten. Sie betont durchgehend: „(…) Pflege ist ausgerichtet auf die Förderung von Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person (…) in den für sie wesentlichen AEDL- Bereichen“(Krohwinkel 1998, S. 152, in Pflege und Ethik, Bobbert 2003, S. 99). Der Vorteil der Bedürfnismodelle besteht häufig darin, dass nach ihrem Vorbild verfasste Erhebungsbögen nach einer Art Checkliste aufgebaut sind und somit gerade für Berufseinsteiger eine sinnvolle Unterstützung sein können. Eine weitere Vertiefung zum Thema Pflegetheorien erscheint an dieser Stelle nicht angebracht, da es sich in diesem Rahmen lediglich um einen kurzen Überblick handeln soll.
2.Der Pflegeprozess als Teil der professionellen Pflege
2.1 Definition des Pflegeprozesses
Ein weiterer Baustein professioneller Pflege und Kernbestandteil dieser Arbeit ist der Pflegeprozess. Er bezeichnet ein Instrument, mit dem es möglich ist, Pflege in systematischer Art und Weise zu planen und auch durchzuführen. Der Pflegeprozess dient zur Problemlösung, stellt aber zugleich oft auch einen Beziehungsprozess dar. Er ist dynamisch. Zum einen passt er sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen an. Zum anderen unterliegt er immer wieder Veränderungen, die durch die Ergebnisse des Prozessschrittes Evaluation bzw. Wirkung begründet sind. Maßnahmen, die geplant und am Patienten durchgeführt wurden, werden auf ihr Ergebnis hin überprüft. Stellt sich der erwünschte Erfolg nicht ein, so wird der gesamte Prozess nochmals evaluiert und ggf. andere Maßnahmen ergriffen. Das in Deutschland weit verbreitete Pflegeprozessmodell der Schweizerinnen Fiechter und Meier aus dem Jahre 1981 besagt, dass:
„ Der Pflegeprozess zum Ziel (hat), auf systematische Art und Weise dem Bedürfnis des Patienten nach pflegerischer Betreuung zu entsprechen. Der Pflegeprozess (...) aus einer Reihe von logischen, voneinander abhängigenüberlegungs-, Entscheidungs- und Handlungsschritten, die auf eine Problemlösung, also auf ein Ziel hin ausgerichtet sind und im Sinne eines Regelkreises einen Rückkoppelungseffekt (Feedback) in Form von Beurteilung und Neuanpassung enthalten. “
(Fiechter und Meier, 1998, S.19)
Fiechter und Meier erwähnen hier zwar, dass die einzelnen Prozessschritte in Abhängigkeit stehen, gehen jedoch nicht explizit auf jeden einzelnen ein. Die Dynamik des Modells wird durch das Wort Neuanpassung verdeutlicht. Die Beziehung zwischen Patient und Pflegendem wird nicht explizit erwähnt. Ebenso wird nicht verdeutlicht, inwieweit der Patient in die Pflege miteinbezogen wird. Der Pflegeprozess wird hier eher als Problemlösungsprozess betrachtet, wenngleich die beiden Expertinnen an anderer Stelle (Fiechter und Meier, 1981, S.31) sagen, dass der Pflegeprozess immer aus einem Problemlösungsprozess (siehe Zitat oben) und einem Beziehungsprozess besteht.
"Pflege ist ein zwischenmenschlicher Beziehungsprozess, bei dem zwei Personen (Pflegender und Gepflegter) zueinander in Kontakt treten, um ein gemeinsames Ziel, das Pflegeziel, zu erreichen". Obwohl noch eine Vielzahl weiterer Definitionen zum Prozess der Pflege existieren, wird hier nicht näher darauf eingegangen. Vielmehr erscheinen an dieser Stelle Überlegungen zu den Vor- und Nachteilen des Pflegeprozesses sinnvoll.
2.2. Vor- und Nachteile des Pflegeprozesses
In der pflegerischen Praxis ergeben sich häufig Fragen nach dem Sinn und Zweck theoriegeleiteten Arbeitens oder der Anwendung des Pflegeprozesses. Gerade in Zeiten der Einsparungen, die oft durch massiven Pflegekräftemängel gekennzeichnet sind, ist hier allzu oft nur schwer nachvollziehbar, warum die wenige noch für die Pflege des Patienten verbleibende Zeit für die umfassende Planung oder auch Dokumentation von Maßnahmen verwendet werden soll. In der folgenden Tabelle können die Vor- und Nachteile des Pflegeprozesses zur Verdeutlichung dienen (Abb. 2.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Vor- und Nachteile des Pflegeprozesses
Leider wird Pflegenden die Arbeit mit dem Pflegeprozess in ihren Einrichtungen oft nicht als Baustein „professioneller Pflege“ näher gebracht, sondern häufig durch Druckmittel „aufgezwungen“. Dies passiert z. B., wenn die Anwendung des Prozesses lediglich durch gesetzliche Vorschriften begründet oder als Nachweis für die einzelnen Kostenträger angesehen wird. Es liegt auf der Hand, dass solche Versuche, den Pflegeprozess in das pflegerische Handeln zu integrieren, zum Scheitern verurteilt sind.
Hier wird ersichtlich, dass umfangreiche Schulungen für Pflegende unerlässlich sind, um ein grundlegendes Verständnis für die „professionelle Pflege“ und deren Bausteine (s. Abb. 1) zu gewinnen und die Motivation Pflegender zu fördern.
Trotz des engen Finanzierungsplanes ist an dieser Stelle die Geschicklichkeit der Institutionen gefragt, um im Sinne einer qualifizierten und „professionellen Pflege“ auch mehr Planstellen zu schaffen und somit die Umsetzung des Pflegeprozesses zu erleichtern. Denn:
„ Die Abschaffung des Pflegeprozesses schafft mehr Probleme, weil damit der Pflege jegliche Begründungsebene und im weitesten Sinne auch die Eigenständigkeit entzogen wäre “ . (Schrems 2006, S. 50)
2.3. Pflegeprozessmodelle
Basis des vierstufigen Modells „nursing process“ von Yura und Walsh 1967 war die Bedürfnistheorie Maslows. Es diente der WHO als Grundlage, als sie im Jahre 1987 ihr Pflegeprozessmodell einführte. Es ist bis heute das wohl international bekannteste und am weitesten verbreitete Modell und besteht aus den 4 Prozessschritten Datensammlung (Feststellung des Pflegebedarfs des Patienten/ Klienten), Pflegeplanung, Durchführung des Pflegeplanes und der Erfolgskontrolle/ Feedback
Datensammlung Pflegeplanung Durchführung Erfolgskontrolle
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Pflegeprozessmodell nach WHO
In Deutschland wurde der Pflegeprozess erstmals 1976 als „ ProblemerkennenProblemlösen-Methode“ von Liane Juchli angewandt. Zwischenzeitlich entwickelten sich eine Vielzahl von Pflegeprozessmodellen, die sich inhaltlich ähneln, aber in der Anzahl der Prozessschritte variieren. Es existieren vier-, fünf- und sechsstufige Modelle. Das in Deutschland wohl bekannteste ist das Prozessmodell von Verena Fiechter und Martha Meier (1981). Es setzt sich aus sechs Prozessschritten zusammen und wird in der folgenden Abbildung als Regelkreis dargestellt.
Wie eingangs erwähnt (S. 5), sehen Fiechter und Meier den Pflegeprozess zum einen als einen 6-schrittigen Problemlösungsprozess, zugleich aber auch als einen Beziehungsprozess an. Sie sagen:
„ Der Problemlösungsprozess wird erst wirksam durch die Qualität der Beziehung, die zwischen Schwester und Patient zustande kommt “ . (Fiechter und Meier 1998, S. 21)
Eine qualitativ gute Beziehung führt zu einer vertrauensvollen Atmosphäre und fördert so das Wohlbefinden des Patienten. Weniger Unsicherheit und Stress wirken sich auch förderlich auf die Genesung aus. Der Patient fühlt sich ernst genommen und akzeptiert und wird nach Möglichkeit in die Planung seiner Pflege einbezogen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Pflegeprozessmodell nach Fiechter und Meier (1998, S.19)
Er erhält Informationen, die ihn in die Lage versetzen, an seiner Pflege aktiv teilzuhaben, einer Behandlung zuzustimmen oder sie abzulehnen. Die Pflegeperson bekommt wiederum Informationen vom Pflegempfänger, die für die Erstellung eines geeigneten Pflegeplans nötig sind. Auch sie fühlt sich respektiert. Diese positive Basis ermöglicht eine effektive und für beide Seiten äußerst befriedigende Zusammenarbeit (vgl. Fiechter und Meier, 1998, S. 21).
Die Beziehung zwischen Klient und Pflegendem hat demnach einen herausragenden Charakter. Allgemein gelten die beiden Pflegeexpertinnen als bedeutende Verfechter der Patientenorientierung, was gerade in dieser Ausarbeitung von besonderer Bedeutung ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Der Beziehungsprozess von Fiechter und Meier (1998, S.21)
Ihr Pflegeprozessmodell orientiert sich am Pflegemodell Roper, Logan und Tierneys, was auch begriffliche Übereinstimmungen erklärt.
Fiechter und Meier lehnen jedoch das Erstellen von Pflegediagnosen mit Hilfe von Klassifikationssystemen im Rahmen des Pflegeprozesses ab, da es nach ihrer Meinung die Kreativität der Pflegenden einschränkt und einer individuellen und ganzheitlichen Sichtweise widerspricht. Als Pflegediagnose bezeichnen sie vielmehr das Resultat aus der Bestimmung von Ressourcen und Problemen. Die einzelnen Planungs- und Handlungsschritte sollen nach ihrer Meinung ausschließlich induktiv erstellt werden, d.h. auf Erfahrungen und theoretischem Hintergrundwissen der Pflegepersonen basieren.
Dabei ist fraglich, ob diese Erwartungen die Fähigkeiten Pflegender übersteigen. Eine Studie des Institutes für angewandte Pflegeforschung (iap) ergab, dass Pflegepersonen zwar häufig über umfangreiches Wissen verfügen, sie aber „Schwierigkeiten bei der Formulierung von Problemfeldern der Patienten“ und „insbesondere bei der Formulierung der erwarteten Pflegeergebnisse“ haben (Güttler et al., 2003, S. 157). Des Weiteren wird offensichtlich, dass weit mehr pflegerische Handlungen durchgeführt als geplant und dokumentiert werden. An diesem Punkt schließen sich Überlegungen an, ob die Anwendung des Pflegeprozesses nach Fiechter und Meier für Berufsanfänger, die nur über einen sehr begrenzten Erfahrungsschatz verfügen, überhaupt umsetzbar ist.
Ein weiteres anerkanntes Pflegeprozessmodell, welches die Pflegediagnose bereits beinhaltet, wurde 2007 von Brobst entwickelt. Es setzt sich aus fünf Prozessschritten zusammen. Die erste Phase ist das Pflegeassessment. Hier findet eine systematische Einschätzung des Gesundheitszustandes unter Einbeziehung verschiedener Assessmentinstumente (z.B. RAI oder MMSE) statt und führt in logischer Konsequenz zum zweiten Prozessschritt - der Pflegediagnose (wird in 2.4. noch genauer erläutert). Er wird gefolgt von der Pflegeplanung, der Pflegeimplementierung und der Pflegeevaluierung. Leider sieht Brobst ihr Pflegeprozessmodell lediglich als Problemlösungsprozess an. Die Beziehung zum Patienten scheint dabei zweitrangig zu sein. Deshalb empfiehlt es sich, aus Sicht der Patientenorientierung, eher nicht nach diesem Modell zu arbeiten.
Da die Pflegediagnose insgesamt sehr widersprüchlich diskutiert wird, befasst sich der folgende Abschnitt mit einer kurzen Erläuterung zu diesem Thema.
2.4.Pflegediagnose als Teil des Pflegeprozesses
Pflegediagnosen haben das Ziel in einer einheitlichen Fachsprache den Zustand des Patienten, aber auch sein Verhalten und seine Reaktionsmuster, die im Zusammenhang mit seiner Erkrankung stehen und ein Einschreiten der Pflegenden nötig machen, zu beschreiben.
Abderhalden beschrieb 1995 die Pflegediagnose als „ ( … )eine möglichst kurze, prägnant formulierte, fachlich fundierte, auf systematisch erhobenen, subjektiven und objektiven Daten abgestützte Charakterisierung und Beurteilung der pflegerelevanten Probleme/Ressourcen von Pflegeempfängern/-innen, welche so differenziert ist, das sie Fachpersonen aus der Pflege wesentliche Anhaltspunkteüber Art und Ausmaßdes Pflegebedarfs liefert und eventuell als grobe Handlungsorientierung dienen kann “ .
Um Pflegediagnosen einheitlich erstellen zu können, bedarf es jedoch Klassifikationssysteme. Sie unterteilen sich in jene für pflegediagnostische Prozesse (z. B. NANDA, ICNP), für Pflegeinterventionen (z. B. NIC, ICNP) und für die Pflegeergebnisse (z. B. NOC, ICNP).
[...]
- Arbeit zitieren
- Mandy Lüders (Autor:in), 2007, Patientenorientierung und Pflegeprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82822
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