In der vorliegenden Arbeit sollen die unterschiedlichen Rollen der Zofe Lunete genauer betrachtet werden. Nach einem kurzen Steckbrief dieser weiblichen Figur werden ihre Funktionen als Retterin, Ratgeberin, Vermittlerin, Anklägerin und Angeklagte untersucht. Prägnante Unterschiede zu der altfranzösischen Vorlage Yvain von Chrétien de Troyes werden an den entsprechenden Stellen dargelegt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Charakterisierung Lunete
2.1 Lunete als Retterin
2.2 Lunete als Ratgeberin
2.3 Lunete als Vermittlerin
2.4 Lunete als Anklägerin
2.5 Lunete als Angeklagte
3. Schlussbetrachtung
Bibliographie
1. Einleitung
Der höfische Roman Iwein[1] von Hartmann von Aue entstand circa 1192-1204 und basiert auf der Vorlage von Chrétien de Troyes, der seinen Roman Yvain oder Le chevalier au lion circa 1177-1181 schuf.
Die Werke des Mittelalters beschäftigen sich hauptsächlich mit den männlichen Helden ihrer Geschichte. Ihr oft von Umwegen gekennzeichneter Weg zu einem vorbildlichen Ritter, der alle höfischen Tugenden erfüllt, bildet das Zentrum des höfischen Romans.
[…] Gegenstand des höfischen Romans ist die als Vorbild und Legitimation der Feudalgesellschaft gedachte Darstellung eines idealen Rittertums, Hauptfigur ist der nicht so sehr kriegerische als sentimentale höfische Ritter, der sich meist im Dienste seiner Minnedame auf Turnieren und in Zweikämpfen mit Rittern und Fabelwesen auszeichnet […], gesellschaftliches Ansehen erringt und seinen Platz in der höfischen Welt und vor Gott zu bestimmen lernt. […][2]
Die weibliche Protagonistin eines höfischen Romans ist eigentlich die Minnedame des Helden. Sie gilt es zu beeindrucken und schließlich zu erobern. Doch auf diesem beschwerlichen Weg benötigt der Held Hilfe und Unterstützung. Im Iwein erhält er diese in erster Linie von der Zofe der Minnedame, Lunete. Ihre Wege kreuzen sich regelmäßig und Lunete schlüpft dabei in verschiedene Rollen.
In der vorliegenden Arbeit sollen die unterschiedlichen Rollen der Zofe Lunete genauer betrachtet werden. Nach einem kurzen Steckbrief dieser weiblichen Figur werden ihre Funktionen als Retterin, Ratgeberin, Vermittlerin, Anklägerin und Angeklagte untersucht. Prägnante Unterschiede zu der altfranzösischen Vorlage Yvain von Chrétien de Troyes[3] werden an den entsprechenden Stellen dargelegt.
Alle Zitate aus dem Iwein beziehen sich auf die oben genannten Ausgabe, wobei die jeweilige Übersetzung von mir stammt. Am Ende eines jeden Zitates steht in Klammern die entsprechende Verszahl.
2. Charakterisierung Lunete
Lunete wird zum ersten mal in Vers 2717 namentlich erwähnt: Diu maget hiez Lûnete (Das Mädchen hieß Lunete). Sie bleibt keine namenlose Botin wie bei Chrétien. Schon ab Vers 1150 nimmt sie nicht nur an der Handlung teil, sondern beeinflusst diese auch erheblich. Iwein hat im Kampf Askalon, der Mann Laudines, erschlagen und Lunete kommt tränenüberströmt zu ihm. Obwohl sie durch das Weinen entstellt ist, fällt ihm ihre Schönheit auf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Über die soziale Stellung Lunetes erfährt der Rezipient nichts konkretes. Die Tatsache jedoch, dass sie die Zofe der Königin Laudine ist, lässt auf eine Abstammung höheren Standes schließen. Sie fungiert als Bindeglied zwischen Herrscherin und Untertanen, was sie vom restlichen Gesinde abhebt. Außerdem bezeichnet Laudine ihre Zofe als trûtgeselle (2146, 2159)[4], was von einer engen Beziehung zwischen Herrin und Untergebene zeugt.
Im Mittelalter hatte man die Vorstellung, dass das Äußere eines Menschen seinen inneren Werten entspricht. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Lunete im Verlauf des Romans positive Tugenden zugeschrieben werden. Sie wird vom Erzähler als guot (1303, 1739, 2024), hövesch (1417, 2744) und wîse (1758) beschrieben. Außerdem werden ihre triuwe (1979, 2019, 5556) und ihre vrümekheit (4349) betont. Das Mädchen begegnet dem Rezipienten aber auch als listige und humorvolle junge Frau, die jedoch nie böswillig agiert.
Lunete vereinigt all jene positiven Eigenschaften, die sonst der Minnedame des Helden zugeschrieben werden. In den folgenden Kapiteln werden die verschiedenen Funktionen der Luntete genauer untersucht, um sich schließlich ihrer Rolle im gesamten Roman bewusst zu werden.
2.1 Lunete als Retterin
Nachdem Iwein Askalon bezwungen hat flüchtet dieser auf seinen Hof, um seinem Gegner zu entkommen. Er erliegt jedoch seinen schweren Wunden und Iwein wird in eine Falle gelockt. Zwei Falltore schneiden ihm den Weg ab und er kann weder vor noch zurück. In dem Moment größter Verzweiflung tauch plötzlich Lunete auf. Sie kommt durch eine vorher scheinbar unsichtbare Tür und verdeutlicht Iwein den Ernst der Lage.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Sie prophezeit Iwein, dass er sein Leben verlieren wird. Sie betont außerdem, dass nur Gott ihn beschützen könne. Gleichzeitig greift sie jedoch aktiv in das Geschehen ein und bietet Iwein nicht nur ihre Hilfe an, sondern drängt sich regelrecht auf obwohl dieser zuvor betont hatte, dass er nicht kampflos sterben will.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Art und Weise jedoch, wie Iwein aus seiner misslichen Lage befreit wird, ist alles andere als rühmlich. Ohne die Hilfe einer Frau wäre er verloren. Lunete erinnert sich daran, dass Iwein sie als einziger Ritter gegrüßt hatte, als sie im Auftrag ihrer Herrin bei Artus in Britannien war. Dies ist auch der Grund dafür, wieso sie Iwein helfen will.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Lunete wird an dieser Stelle als eine stolze, aber auch reflektierte Frau dargestellt, die sich ihrer Fehler, aber auch der Fehler anderer bewusst ist. Sie weiß es im Übermaß zu schatzen, dass Iwein sie damals nicht ignoriert hat und möchte sich heute revanchieren. Bei Chrétien dankt sie sogar Gott dafür, dass sie endlich die Gelegenheit bekommt, ihm zuliebe etwas zu tun, denn dies war immer ihr Wunsch[5]. Bei Chrétien und auch Hartmann gibt sie Iwein einen Zauberring, der ihn unsichtbar macht.
Dieser Ring, der Iwein das Leben rettet, kann als Symbol für verantwortliche, zwischenmenschliche Bindung und Beziehung gedeutet werden: der Held ist fortan Lunete verpflichtet und freudig bereit, sein Leben für sie einzusetzen.[6]
Der Ring gilt als Symbol für Ewigkeit, Treue und Verbundenheit. Dies ist ein Vorgriff darauf, dass Lunete und Iwein bis zum Ende des Romans in Beziehung zueinander stehen und in bestimmten Situationen voneinander abhängig sind.
Lunete geht sogar noch einen Schritt weiter und setzt ihre Seele zum Pfand, dass Iwein kein Leid wiederfahren wird. (des sî mîn sêle iuwer pfant / daz iu niht leides geschiht, 1236f.)
Lunete verlässt Iwein alleine und kehrt zurück zu der Trauergesellschaft. Was nun geschieht, hat das Mädchen prophezeit. Iwein wird gesucht aber durch den Zauber nicht gefunden und er kann beobachten, wie der Burgherr aufgebahrt vorbeigetragen wird. Die Frau, die dem Leichnam folgt, lässt Iweins Herz höher schlagen. Er verliebt sich sofort in Laudine und erkennt die große Trauer um ihren Mann. Inzwischen kehrt Lunete wieder zu Iwein zurück und muss ihn prompt ein zweites Mal retten. Iwein will hinaus zu Laudine eilen aber Lunete kann ihn im letzten Moment davon abbringen. Noch einmal macht sie Iwein seine Situation klar und schließt dann eine lehrhafte Sentenz an.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hier wird ganz klar ihre Einstellung gegenüber übermütigen und unüberlegten Taten deutlich. Sie scheint viel reifer und reflektierter zu handeln als Iwein. Sie kennt die Gefahren und weiß sie richtig einzuschätzen. Auch um ihre eigene Sicherheit ist sie besorgt und geht kein unnötiges Risiko ein und doch kümmert sich Lunete fürsorglich und hingebungsvoll um den Ritter in Gefahr.
Lunete erfüllt ihre Rolle als Retterin voll und ganz. Ungefragt eilt sie Iwein zu Hilfe wobei unklar bleibt, wieso nur und auch gerade sie weiß, dass Iwein zwischen den zwei Falltoren festsitzt. Wenn alle anderen erstarrt sind vor Trauer um ihren Burgherren, wieso nicht auch sie? Ihr enges Verhältnis zu Laudine verpflichtet sie doch eigentlich dazu, ihrer Herrin in dieser schweren Stunde beizustehen und nicht den Mörder deren Mannes zu retten. Sie scheint jedoch Iweins gute Fee der Geschichte zu sein, die ihn auf den richtigen Weg bringen will. Auch das Besitzen eines Zauberringes erinnert an ein fabelhaftes Wesen.
Lunete hat nicht nur ein besonderes Verhältnis zu Iwein, sondern auch zu ihrer Herrin Lunete. Sie fungiert als deren Ratgeberin, was im folgenden Kapitel erörtert wird.
2.2 Lunete als Ratgeberin
Lunete und ihre Herrin Laudine stehen in einem engen Vertrauensverhältnis zueinander. Dies wird schon durch den Erzählerkommentar bei der ersten Begegnung der zwei Frauen deutlich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Lunete ist zwar Laudines Untergebene, diese legt aber viel Wert auf deren Rat.
Die Sprachhandlung >Rat< hat zur Voraussetzung, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen zwei Personen besteht und dass der Ratgeber auf Grund seiner Erfahrung und seiner Kenntnis das Leben der beratenen Person günstig beeinflussen kann; Ratschläge können sich auf vergangene Fehler und auf eine künftige Besserung der Situation beziehen; sie können sich an materiellen Vorteilen orientieren.[7]
Da der Rezipient nichts konkretes über Lunetes Privatleben erfährt ist es schwer zu beurteilen, ob sie tatsächlich über eine so große Lebenserfahrung verfügt, um der Königin qualifizierte Ratschläge zu erteilen. Vielmehr steht hier das innige Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Frauen im Vordergrund was Lunete bemächtigt, ihrer Herrin den richtigen Weg zu weisen. Laudine ist auf Lunetes Ratschläge angewiesen. Ohne sie scheint die Königin hilflos und nicht in der Lage zu sein, Entscheidungen zu treffen. Lunete wiederum ist abhängig von der Gunst ihrer Herrin und ist so nicht nur für deren Glück, sondern auch für ihr eigenes Überleben verantwortlich. Was ein falscher Ratschlag für Folgen haben kann, wird in Kapitel 2.4.1 Lunete als Angeklagte untersucht.
[...]
[1] Hartmann von Aue: Iwein. G. F. Benecke / K. Lachmann / L. Wolff (Herausgeber), T. Cramer (Übersetzer), Berlin: de Gruyter Texte, 4. überarbeitete Auflage, 2001. (Im Folgenden werde ich diese Angabe nicht mehr machen, da sich jede Erwähnung und jedes Zitat auf diese Ausgabe bezieht. Nach Zitaten steht in Klammern lediglich die Verszahl.)
[2] Schweickle, Günther u. Irmgard (Hrsg.): Metzler Literaturlexikon, s.v. „Höfischer Roman“, Stuttgart: J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Ernst Poeschel Verlag GmbH, 1990.
[3] Der vorliegenden Hausarbeit liegt an den entsprechenden Stellen folgende Ausgabe zugrunde:
Chrétien de Troyes: Yvain. Herausgegeben von H. R. Jauss / E. Köhler. Übersetzt von I. Nolting-Hauff. München: Eidos Verlag, 1962.
[4] Die folgenden Versnennungen zu hövesch, wîse, triuwe und vrümekheit erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind exemplarisch zu sehen.
[5] Chrétien: 1962, S. 67.
[6] Carne, Eva Maria: Die Frauengestalten bei Hartmann von Aue. Ihre Bedeutung im Aufbau und Gehalt der Epen. Marburg: N. G. Elwert Verlag Marburg, 1970, S. 38.
[7] Zutt, Herta: König Artus – Iwein – Der Löwe. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1979, S. 39f..
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