Die Ansprüche an Medienjournalisten als Kritiker der eigenen Zunft sind hoch. Sie sollen den Rezipienten zum Beispiel eine Übersicht über den komplexen Medienmarkt bieten, über politische, rechtliche und strukturelle Entscheidungen im Mediensektor berichten oder die Arbeit von Verlagen und Kollegen kontrollieren und wenn nötig kritisieren. „Die Außenkontrolle der Medien findet durch die Gesetze statt. Weitergehende Aufsicht verbietet sich wegen der Pressefreiheit. Umso wichtiger ist die Binnenkontrolle“, fasst Cornelia Bolesch (1997) zusammen. Doch in der redaktionellen Praxis kämpfen Medienjournalisten mit vielen Problemen, die sich aus der Selbstbeobachtung ergeben. Nicht zuletzt dem Problem der Vermittlung komplexer Medienthemen an die breite Masse, dem Publikum der Massenmedien. Während das Thema Medien in der wissenschaftlichen und/oder professionellen Fachpublizistik seit Jahrzehnten behandelt wird, wird die Leserschaft des klassischen Massenmediums Zeitung nur in geringem Umfang mit einer Medienberichterstattung und in noch geringerem Umfang mit einer Medienkritik versorgt. Es ist also fraglich, ob der Medienjournalismus als Kritikinstanz überhaupt eine Zukunft in den Zeitungen hat, oder ob sich die Kritik am Mediensystem zukünftig auf andere Bereiche verlagern wird. Als Plattform, zu der die breite Masse Zugang hat, bieten sich heute vor allem so genannte Watchblogs an. Diese Watchblogs sind eine Unterform von Weblogs (kurz: Blogs). Auf Watchblogs beobachten sowohl professionelle Journalisten als auch Laien ein einzelnes oder mehrere journalistische Medien kritisch. Sind die Blogs also die Zukunft der Medienkritik? Dieser Frage geht diese Arbeit nach.
Der Triumph der Freiheit: Medienkritik online
Der Medienjournalismus hat als Kritikinstanz des Journalismus keine Zukunft in den Massenmedien – aber in den Watchblogs.
Ein Essay zur Zukunft der Medienkritik von Carina Reichert und Christian Selz
Die Ansprüche an Medienjournalisten als Kritiker der eigenen Zunft sind hoch. Sie sollen den Rezipienten zum Beispiel eine Übersicht über den komplexen Medienmarkt bieten, über politische, rechtliche und strukturelle Entscheidungen im Mediensektor berichten oder die Arbeit von Verlagen und Kollegen kontrollieren und wenn nötig kritisieren. „Die Außenkontrolle der Medien findet durch die Gesetze statt. Weitergehende Aufsicht verbietet sich wegen der Pressefreiheit. Umso wichtiger ist die Binnenkontrolle“, fasst Cornelia Bolesch (1997) zusammen. Doch in der redaktionellen Praxis kämpfen Medienjournalisten mit vielen Problemen, die sich aus der Selbstbeobachtung ergeben. Nicht zuletzt dem Problem der Vermittlung komplexer Medienthemen an die breite Masse, dem Publikum der Massenmedien. Während das Thema Medien in der wissenschaftlichen und/oder professionellen Fachpublizistik seit Jahrzehnten behandelt wird, wird die Leserschaft des klassischen Massenmediums Zeitung nur in geringem Umfang mit einer Medienberichterstattung und in noch geringerem Umfang mit einer Medienkritik versorgt. Es ist also fraglich, ob der Medienjournalismus als Kritikinstanz überhaupt eine Zukunft in den Zeitungen hat, oder ob sich die Kritik am Mediensystem zukünftig auf andere Bereiche verlagern wird. Als Plattform, zu der die breite Masse Zugang hat, bieten sich heute vor allem so genannte Watchblogs an. Diese Watchblogs sind eine Unterform von Weblogs (kurz: Blogs). Auf Watchblogs beobachten sowohl professionelle Journalisten als auch Laien ein einzelnes oder mehrere journalistische Medien kritisch. Technisch gesehen sind Blogs nichts als einfach aufgebaute Internetn, auf denen neue Nachrichten fortwährend eingefügt werden können. Die Struktur von Blogs ist sehr einfach und ermöglicht es Nutzern und Betreibern, auch ohne Programmier-Kenntnisse Inhalte zu veröffentlichen.
Was ist Medienjournalismus?
Wissenschaftler beschäftigen sich seit Ende der 1980er-Jahre mit dem Medienjournalismus im Massenmedium Zeitung als eigenständige Form des Journalismus beziehungsweise als Fachjournalismus (vgl. Beuthner/Weichert 2005, S. 27). Als Differenzierungsmerkmale werden unter anderem Themen, Ausbildung und Funktionen herangezogen.
Die Themen des Medienjournalismus stammen aus dem Rollen-, Funktions-, Struktur- und Normenkontext des Journalismus und betreffen Medienakteure, -aussagen, -institutionen und das Mediensystem (vgl. Beuthner 2005, S. 84). Medienjournalisten beziehen Informationen von Nachrichtenagenturen, aus Fachpresse, -zeitschriften und -diensten sowie aus den Medienwissenschaften. Eine vierte, sehr wichtige Quelle ist das PR-Material der Fernsehanstalten und Medienkonzerne. Die Heirat des Schauspielers Tom Cruise mit Kollegin Katie Holmes ist also ebenso eine Nachricht wert wie die Übernahme des Fernsehsenders VIVA durch MTV oder eine rechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Presserecht. Ob über Themen neutral berichtet wird oder ob sie kritisch kommentiert werden, bleibt dem einzelnen Medienjournalisten überlassen. Deshalb sind seine Ausbildung und sein Selbstverständnis wichtige Faktoren, um seine Kompetenzen als Kritiker zu beurteilen.
Beim Blick auf die Ausbildung von Medienjournalisten ist zunächst festzustellen, dass es keine einheitliche Ausbildung gibt. Bei einer Umfrage unter 23 Redakteuren von Tageszeitungen fand Maja Malik (2004) heraus, dass die Mehrzahl der Redakteure im Medienjournalismus über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügt. Ein Großteil der Befragten hat zuvor in anderen Ressorts gearbeitet, doch nur rund ein Viertel von ihnen hat eine Fachausbildung im Themenfeld Medien absolviert (vgl. S. 294ff).
Im Idealfall hat ein ausgebildeter Medienjournalist Entscheidungsprogramme und Handlungsschemata einer Redaktion verinnerlicht und kann sein Handeln danach ausrichten. Zu seiner Fachkompetenzen zählen beispielsweise Tätigkeiten wie Recherchieren, Selektieren, Schreiben und Redigieren. Sie gehören zum Basiswissen, über das auch Journalisten aus anderen Ressorts verfügen. Zusätzlich sollten Medienjournalisten eine Vermittlungskompetenz mitbringen, die sowohl das grundsätzliche Wissen um Artikulations- und Präsentationstechniken umfasst als auch ein Spezialwissen für die Ansprache ihrer Zielgruppe, der Medienschaffenden (Fachpublizistik), der Medienkonsumenten (Programmpresse) oder eben der breiten Masse (Massenmedien).
Die Sachkompetenz der Medienjournalisten bezieht sich in besonderem Maße auf ihr Wissen um die Medien, deren Ökonomie, Politik, Recht, Geschichte und Technik. Daneben bringen sie im Idealfall ein Basiswissen in gesellschaftlichen Grundlagenfächern wie Soziologie oder Politik mit. Dies ermächtigt sie dazu, ihren Rezipienten eine soziale Orientierung zu bieten, indem sie über gesellschaftliche Funktionen des Journalismus, die Berufsrolle an sich und Arbeitsbedingungen berichten.
Auf Grund der uneinheitlichen Ausbildungen zum Medienjournalisten ist es falsch, anzunehmen, dass in Zeitungen speziell ausgebildete Medienkritiker beschäftigt sind. Zudem gibt es in keine Tradition eines Medienressorts, wie sich in der nachfolgend ausgeführten Entwicklungsgeschichte zeigen wird. Aus diesem Grund dürfte kaum ein junger Journalist von einem erfahrenen Medienjournalisten ausgebildet worden sein. Umso mehr sind Medienjournalisten bei der Berichterstattung also auf eigenes Erfahrungswissen und persönliche Kritikfähigkeit angewiesen. Diese beiden Kompetenzen kann sich der Autor eines Watchblogs ebenso erschließen wie ein Medienjournalist eines Massenmediums. Bei der Ausbildung bei einer Zeitung kommt erschwerend hinzu, dass Medienjournalisten während ihrer praktischen Ausbildung Normen der Redaktion und der Profession verinnerlichen. Die Selbstthematisierung gilt somit als Tabuthema und wird gemieden (vgl. Malik 2004, S. 59ff).
Die gesellschaftlichen Funktionen des Medienjournalismus sind vielfältig. An erster Stelle steht die Servicefunktion in Form von redaktionellen Leistungen wie Programmtipps, Vorberichten und Rezensionen. Daneben steht die Verbreitung des Fernseh- und Radioprogramms, welches Reinhart Bünger (1997) als „das Fundament der Medienberichterstattung“ (S. 151) ansieht. Außerdem dient der Medienjournalismus der Wissensvermittlung. Die Inhalte sollen einen unübersichtlichen, stark konzentrierten Markt übersichtlicher machen, dem Publikum Medienkompetenz vermitteln, die technischen Innovationen der Medien vorstellen und ihre Folgen beschreiben. Zudem dient Medienjournalismus der Aufklärung und soll dem Publikum Zusammenhänge vermitteln, inwieweit die Medien sich auf Gesellschaft und Politik auswirken. In diesem Rahmen haben sich bereits Schlagworte wie „Mediengesellschaft“ oder „Mediakratie“ herausgebildet. Eine weitere Funktion ist die Selbstkontrolle, die der Qualitätssicherung dient. Medienjournalismus gilt in diesem Zusammenhang als Beobachtungs- und Kritikinstanz, welche Ansprüche thematisiert, die Gesellschaft und die Medienbranche an die Medien stellen.
Theorie und Praxis - Konflikte eines Medienjournalisten
Wie sich gezeigt hat, sind die Ansprüche an den Medienjournalismus in der Wissenschaft klar definiert. Viele seiner Funktionen können aber nur dann erfüllt werden, wenn neben einer neutralen Berichterstattung eine kritische Betrachtung der Themen und Akteure steht. Und genau diese Kritik an den Medien ist im journalistischen Alltag mit Problemen behaftet. Zunächst widerspricht die Aktualitätsorientierung, der auch Medienjournalisten unterliegen, einigen der genannten Funktionen. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass der Medienakteur Michel Friedmann ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde, als sein Drogenmissbrauch bekannt wurde. Über seine Interviewtechnik hingegen war in den Jahren zuvor weit weniger berichtet worden. Ebenso bleibt etwa die Arbeit des innenpolitischen Ressorts einer Tageszeitung weitgehend unbeobachtet, solange kein gravierender Fehler unterläuft, der dem Aktualitätsanspruch genügen würde. Bei Watchblogs wird dieser Anspruch insofern umgangen, als dass die Beobachtung und Beurteilung eines journalistischen Mediums der einzige Inhalt der Berichterstattung ist. Schlampereien oder gute journalistische Leistungen werden unabhängig von ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung thematisiert.
Außerdem geraten Medienjournalisten in so genannte Selbstbeobachtungsfallen (vgl. Beuthner/Weichert 2005), „sämtlich jene Probleme, die einer möglichst fairen, ausgewogenen, unabhängigen, zuverlässigen und glaubwürdigen Beobachtung der Medien entgegenstehen.“ (ebd., S. 17). Zum Beispiel kämpft ein Journalist mit der „Rollenkontextfalle“, sobald er kritisch über Kollegen schreibt. Denn er kann schnell in den Ruf eines „Nestbeschmutzers“ geraten. Diese Falle können Autoren von Watchblogs umgehen, indem sie ihre Identität anonymisieren, was im Internet problemlos möglich ist. Bei dem so genannten Pendlerblog (http://pendlerblog.blogspot.com), der das schweizerische Boulevardmagazin „20 Minuten“ kritisierte, nannten sich die Autoren beispielsweise „der unmündige Leser“ und „Hund Basil“.
Medienjournalisten können auch in die Selbstverständnisfalle tappen. In diesem Fall verstehen sie sich selbst als neutrale Berichterstatter anstelle von investigativen Medienwächtern. Diese Haltung ist unter den Medienjournalisten bei Zeitungen gang und gäbe: Medienkritik wird „von den Redakteuren nicht als Hauptaufgabe, mehrheitlich nicht einmal als Bestandteil der Medienberichterstattung angesehen.“ (Kreitling 1997, S. 129)
Daneben besteht für Medienjournalisten eine „Unabhängigkeitsfalle“ – der einzelne Journalist orientiert sich in mehr oder weniger großem Maße an den Interessen und Beteiligungen seines Arbeitgebers, dem Verlag. Die Kunst eines kritischen Medienjournalisten besteht also darin, die Aufklärungsfunktion mit den Vorgaben seines Hauses in Einklang zu bringen. Dadurch entsteht jedoch eine Art „blinder Fleck“ in der Beobachtung der Medien. Orientiert sich der Journalist zu stark an den Interessen des Arbeitgebers, kann er sogar in den Verdacht der Eigenwerbung geraten.
Ein weiteres Problem ist die bereits eingangs erwähnte Vermittlungsfalle. Komplexe Themen sind der breiten Masse schwer zu vermitteln, obwohl dieses Wissen für eine Medien-kompetenz der Rezipienten unverzichtbar ist. Die Techniken des Internets könnten dieses Problem verringern. Denn Massenmedien bieten dem Publikum prinzipiell kaum Möglichkeiten, auf empfangene Inhalte zu reagieren. Dagegen ist im Internet dank Kommentarfunktionen und Diskussionsforen eine wechselseitige, zeitnahe Kommunikation möglich.
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