„Gedanken an Freud natürlich“ schrieb Franz Kafka am 23. 9. 1912 in seinem Tagebuch nach der Nacht nieder, in der er seine Erzählung Das Urteil „in einem Zug geschrieben“ hatte.
Gedanken an Freud natürlich muss, seitdem die Psychoanalyse das Licht der Welt erblickt hat, auch jede Literaturinterpretation (die sich nicht einer anderen speziellen Literaturtheorie verpflichtet sieht) berücksichtigen, egal ob sie sich innerhalb eines Textes bewegt oder Bezug nimmt auf äußere Umstände, etwa die Biographie des Autors. Literaturwissenschaft nach Freud ist demzufolge eine andere als die davor.
Gerade das Beispiel Kafka zeigt jedoch dabei, dass kein Versuch psychoanalytischer Literaturinterpretation dem anderen gleicht und macht damit zwei Dinge deutlich: Das Kafka, obwohl „das Opfer einer Massenvergewaltigung durch eine Armee von Interpreten“ , wohl immer noch für die ein oder andere Interpretation dienen wird, und das die Verbindung von Literaturwissenschaft und Psychoanalyse einiger maßgeblicher Schwierigkeiten unterliegt.
Wenn man wie in dieser Hausarbeit versuchen möchte, den Nutzen der freudschen Erkenntnisse für die Literaturinterpretation zu erkennen, ist es also zuallererst ratsam, dies nicht an einem einzelnen Werk festzumachen, um der Menge von Interpretationen nicht lediglich eine weitere hinzuzufügen. Dies ist insofern ungewöhnlich, da gerade einzelne Beispiele aus der Literatur, bekanntestes ist wohl Sophokles Schicksalstragödie König Ödipus, Freud immer wieder zur Veranschaulichung und Erklärung seiner Erkenntnisse dienten. Deshalb wird auch keine Arbeit vermeiden können, auf selbige Einzelbeispiele zu verweisen. Wenn dies unvermeidlich ist, weil König Ödipus Freud zur Erklärung des Ödipuskomplexes diente, so soll hier seine Erklärung des Ödipuskomplexes anhand des Dramas dazu dienen, Erkenntnisse über den Nutzen der Psychoanalyse für die Literaturwissenschaft zu gewinnen. Ähnlich sollen auch andere Beispiele, letztlich auch literaturtheoretische Diskurse wie etwa Freuds Erläuterungen über die Person des Dichters bearbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Perspektiven psychoanalytischer Literaturinterpretation (nach Thomas Anz)
- Literarische Adaption psychoanalytischen Wissens
- Der historische Vergleich zwischen Literatur und Psychoanalyse
- Das Therapiemodell
- Die Rezeptions- und Gegenübertragungsanalyse
- Kooperationsmodell psychoanalytischer Interpretation
- Drei psychische Instanzen als Ansatzpunkt der Betrachtung
- Relevanz der Traumlehre
- Erkenntnisse der Traumdeutung für die Literatur
- König Ödipus / bzw. der sog. Ödipus-Komplex
- Hamlet
- Freuds Verständnis vom Zusammenhang zwischen Literatur und Psychoanalyse
- Der Dichter (und das Phantasieren) sowie der Leser
- Problematiken der Literatur- (und Kunst-) Theorie mit der Psychoanalyse
- Würdigung der psychoanalytischen Literaturinterpretation
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Anwendung psychoanalytischer Erkenntnisse auf die Literaturinterpretation. Ziel ist es, den Nutzen der freudschen Theorien für die Literaturwissenschaft aufzuzeigen und dabei die verschiedenen Perspektiven psychoanalytischer Interpretation zu beleuchten.
- Methoden psychoanalytischer Interpretation
- Der Ödipus-Komplex und seine Bedeutung für die Literatur
- Die Rolle des Autors und des Lesers im psychoanalytischen Kontext
- Beziehungen zwischen Psychoanalyse und Literaturtheorie
- Wert und Bedeutung der psychoanalytischen Literaturinterpretation
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Bedeutung der Psychoanalyse für die Literaturinterpretation im Allgemeinen und speziell für das Werk von Franz Kafka hervorhebt.
Im Anschluss werden verschiedene Perspektiven psychoanalytischer Literaturinterpretation nach Thomas Anz vorgestellt, darunter die literarische Adaption psychoanalytischen Wissens, der historische Vergleich zwischen Literatur und Psychoanalyse, das Therapiemodell und die Rezeptions- und Gegenübertragungsanalyse.
Die Arbeit analysiert anschließend die drei psychischen Instanzen als Ansatzpunkt für die Literaturinterpretation und beleuchtet die Relevanz der Traumlehre für die literarische Analyse.
Im Weiteren untersucht die Arbeit Erkenntnisse der Traumdeutung anhand des Ödipuskomplexes in Sophokles´ "König Ödipus" und analysiert die Bedeutung dieses Themas für die Literatur.
Des Weiteren behandelt die Arbeit Freuds Verständnis vom Zusammenhang zwischen Literatur und Psychoanalyse, sowie die Rolle des Dichters und des Lesers im psychoanalytischen Kontext.
Zum Schluss werden die Problematiken der Literatur- und Kunsttheorie im Zusammenspiel mit der Psychoanalyse diskutiert und die Würdigung der psychoanalytischen Literaturinterpretation dargelegt.
Schlüsselwörter
Psychoanalytische Literaturinterpretation, Sigmund Freud, Thomas Anz, Franz Kafka, König Ödipus, Ödipus-Komplex, Traumdeutung, Literaturwissenschaft, Kunsttheorie, historische Analyse, Therapiemodell, Rezeption, Gegenübertragung.
- Quote paper
- Norman Hanisch (Author), 2007, Ansätze psychoanalytischer Interpretation in der Literaturwissenschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82601