Die Entwicklung von Sprache und Literatur muß stets von ihren geschichtlichen Voraussetzungen her verstanden werden. Ihr gesellschaftlicher Rang und Platz zu den verschiedenen Zeiten muß sichtbar gemacht werden. Für die Entwicklung der Volkssprachen des christlichen Abendlandes in der frühen Phase ist der Benediktinerorden von grundlegender Bedeutung.
Man bediente sich der Klöster um Territorien zu erschließen, um die Agrarwirtschaft zu strukturieren, zur Verwaltung und zur Friedenssicherung usw. und als Orte des gelehrten Wissens. Dieses politische und administrative Gewicht, welches ihnen zukam, nutzten sie um ihren religiösen und moralischen Vorstellungen Geltung zu verschaffen. Die Klöster waren, gerade durch die Regel des heiligen Benedikt, in der Lage die Grundlagen zur Entwicklung eines Bildungssystems zu schaffen. Sie bauten Dieses auf, und schufen einen Bedarf an volkssprachlicher Literatur, den sie auch selber deckten.
Um dieser gewaltigen Aufgabe gerecht zu werden, war die devote Haltung der Benediktiner, die die Demut bis zur Selbstaufgabe forderte, ihre Verpflichtung zur körperlichen und auch geistigen Arbeit und ihr geregelter Tagesablauf, der die notwendigen Energien zur Bewältigung dieser Arbeitsleistung freisetzte von großer, wenn nicht entscheidender Bedeutung.
Die Grundlagen für eine volkssprachliche Literatur bis zum Ende der Salierzeit sind fast ausschließlich durch die Abteien des Benediktinerordens geschaffen worden. Sie sind erfüllt von den Idealen dieser Gemeinschaft. Alle folgenden Entwicklungen bauen auf diesen Voraussetzungen auf. Auch die Rezeption neuer Texte, beispielsweise Französischer und Arabischer geschieht vor dem Hintergrund dieser Vorprägung. Daher ist der Zeitraum von den ersten Verschriftlichungen im 8. Jh. bis etwa 1125 nicht einfach als christlich sondern als benediktinisch dominiert zu verstehen. In darauf folgenden Zeit schwindet diese Dominanz in dem Maße, wie der Orden an Gewicht verliert und andere geistige und literarische Strömungen aufkommen. Da diese jedoch nicht isoliert von der Vorarbeit entstehen, läßt sich der benediktinische Einfluß auch dort mit schwindender Tendenz nachweisen.
Inhaltsverzeichnis
1. Thesen
2. Gesellschaftliche Voraussetzungen
3. Verschriftlichung der Volkssprache
4. Energetische Grundlagen
5. Einfluß auf höfische Vorstellungen
6. Fragen
Literatur
1. Thesen
Die Entwicklung von Sprache und Literatur muß stets von ihren geschichtlichen Voraussetzungen her verstanden werden. Ihr gesellschaftlicher Rang und Platz zu den verschiedenen Zeiten muß sichtbar gemacht werden. Für die Entwicklung der Volkssprachen des christlichen Abendlandes in der frühen Phase ist der Benediktinerorden von grundlegender Bedeutung.
Man bediente sich der Klöster um Territorien zu erschließen, um die Agrarwirtschaft zu strukturieren, zur Verwaltung und zur Friedenssicherung usw. und als Orte des gelehrten Wissens. Dieses politische und administrative Gewicht, welches ihnen zukam, nutzten sie um ihren religiösen und moralischen Vorstellungen Geltung zu verschaffen. Die Klöster waren, gerade durch die Regel des heiligen Benedikt, in der Lage die Grundlagen zur Entwicklung eines Bildungssystems zu schaffen. Sie bauten Dieses auf, und schufen einen Bedarf an volkssprachlicher Literatur, den sie auch selber deckten.
These a):
Um dieser gewaltigen Aufgabe gerecht zu werden, war die devote Haltung der Benediktiner, die die Demut bis zur Selbstaufgabe forderte, ihre Verpflichtung zur körperlichen und auch geistigen Arbeit und ihr geregelter Tagesablauf, der die notwendigen Energien zur Bewältigung dieser Arbeitsleistung freisetzte von großer, wenn nicht entscheidender Bedeutung.
These b):
Die Grundlagen für eine volkssprachliche Literatur bis zum Ende der Salierzeit sind fast ausschließlich durch die Abteien des Benediktinerordens geschaffen worden. Sie sind erfüllt von den Idealen dieser Gemeinschaft. Alle folgenden Entwicklungen bauen auf diesen Voraussetzungen auf. Auch die Rezeption neuer Texte, beispielsweise Französischer und Arabischer geschieht vor dem Hintergrund dieser Vorprägung. Daher ist der Zeitraum von den ersten Verschriftlichungen im 8. Jh. bis etwa 1125 nicht einfach als christlich sondern als benediktinisch dominiert zu verstehen. In darauf folgenden Zeit schwindet diese Dominanz in dem Maße, wie der Orden an Gewicht verliert und andere geistige und literarische Strömungen aufkommen. Da diese jedoch nicht isoliert von der Vorarbeit entstehen, läßt sich der benediktinische Einfluß auch dort mit schwindender Tendenz nachweisen.
2. Gesellschaftliche Voraussetzungen
Den Rang, den die Literatur in der mittelalterlichen Gesellschaft einnahm, kann man sich anhand des Gewichtes vor Augen führen, welches die Produzenten dieser Literatur, die Klöster, zu dieser Zeit besaßen. Zwar galt in der laikalen Adelsgesellschaft die Illiterazität nicht als Nachteil, schließlich war sie die Regel, und man rühmte sich durchaus damit nicht lesen und schreiben zu können. Auch blickte man gelegentlich verächtlich auf die Vertreter der gelehrten Bildung. Doch muß es unter dieser plaktiven Oberfläche der Selbstabgrenzung adliger Bildungsideale eine große Billigung der Klöster und ihrer geistigen Grundlagen gegeben haben, da eine Herrschaft ohne diese nicht auszuüben war. Der Ausbau einer Landesherrschaft geschah durch Klöster. Fürsten und Bischöfe hatten zur Festigung ihrer Macht und Aufbau ihrer Administration zahlreiche Klöster gestiftet und ausgestattet. Sie betrachteten Diese als ihr Eigentum, setzten die Äbte nach belieben ein und ab und griffen wesentlich in das Klostergeschehen ein. Die Erträge des Klosters nutzten sie für sich. Dem Kloster fielen Agrarverwaltung und Rechtsprechung zu, es stellte auch selber Truppen zum eigenen Schutz und zum Militärdienst für die Landesherrschaft auf.
Auch für Karl den Große stellten die Reichsabteien ein wichtige Konstante bei der Organisation seines schwer regierbaren Reiches dar, zu deren Reformation und Vereinheitlichung er die benediktinische Regel von Montecassino kommen und übersetzen ließ. Mit dieser Reform versuchte Karl das allgemeine Bildungsniveau der Priester zu heben und somit die Unterweisung der Laien zu verbessern, die monastische Lebensweise von fremden und schädlichen Einflüssen zu säubern, alles Fehlerhafte zu korrigieren und alles Richtige zu stärken, damit richtig gesprochen, geschrieben und gelebt werde. Auch versuchte er eine Standardisierung der Schriftsprache des patrius sermo (vermutlich sein eigener fränkischer Dialekt) in Orthographie und Grammatik durchzusetzen, was ihm allerdings durch die dialektalen Unterschiede nicht gelang. Ziel dieser „Bildungsreform“, die eine Fortsetzung der karolingischen Kirchenreform war, war eine stärkere Einigung des Reiches. Anhand der Rolle, die den Klöstern hierbei zukam, kann man erkennen, welches Gewicht sie in der damaligen Politik spielten. Entsprechend kann man den geistigen Einfluß der Benediktinerregel ermessen, mit deren Hilfe alle Neuerungen auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens zur Geltung gebracht werden sollten, was in einigen Bereichen sogar erfüllt wurde.
Darüber hinaus dienten die Klöster als Orte der hohen Wissenschaft, um so mehr, als man sich nach Karls Willen mit antiken Schriften befaßte. Dies diente in erster Linie dazu, das inzwischen verwilderte Latein, welche als ein der drei heiligen Sprachen galt, wieder der alten Form anzunähern. Zudem wurden dort Urkunden verfaßt, auch gefälscht und aufbewahrt, die in dem Legitimationsdruck der noch nicht verfestigten Feudalgesellschaft eine große Rolle spielten, ebenso wie die Sippenliteratur, die von manchem Hauskloster verfaßt wurde, und die das alter und die Verdienste des betreffenden Geschlechts verbürgen sollte.
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- Arbeit zitieren
- M.A. Sven Stemmer (Autor:in), 1999, Die Bedeutung des Benediktinerordens für die Entwicklung der deutschen Volkssprache und Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82485
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