Der erfolgreiche therapeutische Einsatz von CpG ODN hängt entscheidend davon ab, wie gut mit diesen eine virale Infektion imitiert und das Immunsystem gezielt in einen Alarmzustand versetzt werden kann. Während das jeweilige immunologische Aktivierungsprofil der drei CpG-Klassen A, B und C bereits weitgehend bekannt ist, sind die sequenzspezifischen und strukturellen Voraussetzungen für diese unterschiedlichen Wirkungen unzureichend verstanden. Eine experimentelle Einschränkung stellt die begrenzte Übertragbarkeit der Struktur-Analysen auf die tatsächlichen Vorgänge im physiologischen Milieu dar. Ohne Kenntnisse der für die differenziellen Wirkprofile maßgeblichen Faktoren kann darauf kein Einfluss genommen werden, um das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten für CpG-ODN zu erweitern und zu optimieren. Die therapeutische Anwendung von CpG ODN wird außerdem bislang durch deren geringe Halbwertszeit in vivo eingeschränkt. Eine galenische Hilfe, die systemische Stabilität zu erhöhen, stellt die Bindung der ODN an partikuläre Trägersysteme dar – eine Methode, deren Effektivität in unserer Abteilung bereits gezeigt werden konnte. Eine Weiterentwicklung dieses Prinzips wären partikuläre Strukturen, die aus immunstimulatorischen Nukleinsäuren aufgebaut sind und keiner weiteren Trägermaterialien bedürfen.
Ziele der vorliegenden Arbeit sind:
1)Die systematische Aufklärung der sequenzspezifischen und strukturbestimmenden Eigenschaften der bereits bekannten CpG Klassen A und C, um die maßgeblichen Struktur-Wirkungsbeziehungen darzulegen. Dabei soll die Entwicklung geeigneter Methoden zur strukturellen Analyse im physiologischen Milieu im Vordergrund stehen.
2)Die Entwicklung Nukleinsäure-basierter, immunstimulatorischer Partikel unter Einsatz der in Teil 1 ermittelten wirksamen Strukturelemente beider CpG Klassen.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Das humane Immunsystem
1.1.1 Die angeborene und die adaptive Immunität
1.1.2 Toll-like Rezeptoren - Erkennungssysteme der angeborenen Immunität
1.1.3 Typ-I Interferon - ein Effektor der angeborenen Immunität
1.1.4 Dendritische Zellen - Mittler zwischen der angeborenen und der adaptiven Immunität
1.1.5 B-Zellen - Effektorzellen der adaptiven Immunität
1.2 CpG-Oligodesoxynukleotide
1.2.1 Geschichtlicher Hintergrund: Von bakteriellen Lysaten zu synthetischer CpG-DNA
1.2.2 Wirkung und Wirkmechanismen von CpG-DNA
1.2.3 Definition von drei Klassen synthetischer CpG-ODN: CpG-A, CpG-B und CpG-C
1.2.4 Therapeutischer Einsatz von CpG-Oligodesoxynukleotiden
1.3 Ziele dieser Arbeit
2 MATERIAL UND METHODEN
2.1 Geräte, Chemikalien und Reagenzien
2.1.1 Geräte
2.1.2 Verbrauchsmaterialien
2.1.3 Chemikalien
2.1.4 Reagenziensätze
2.1.5 Materialien für die Zellkultur
2.1.6 Zytokine
2.1.7 Zellkulturmedien, Puffer und Lösungen
2.1.7.1 Medien und Puffer für die Zellkultur
2.1.7.2 Puffer und Lösungen für die Gelelektrophorese
2.1.8 Antikörper für die Durchflusszytometrische Analyse
2.2 Oligodesoxynukleotide
2.2.1 Zur Zellstimulation eingesetzte Sequenzen
2.2.2 Zur Gelelektrophorese eingesetzte Sequenzen
2.2.3 Temperatur-Präinkubation von ODN 2216
2.2.4 Temperatur-Präinkubation von ODN M362
2.3 Polyvalente Linker
2.3.1 Polyvalente Linker - CpG-DNA
2.3.2 Trivalente Linker - palindromische RNA
2.3.3 Poly-L-Arginine als Transfektionsreagenzien
2.3.3.1 Herstellung des ‚Master-Mixes‛ zur Transfektion
2.4 Zellulär – immunologische Methoden
2.4.1 Isolation der gewünschten Zellpopulation
2.4.1.1 Mononukleäre Zellen des peripheren Blutes
2.4.1.2 Plasmazytoide dendritische Zellen
2.4.1.3 Gesamt B-Zellen (CD19+)
2.4.2 Herstellung autologen Serums
2.4.3 Zellkultur
2.4.4 Durchflusszytometrie (FACS-Analyse)
2.4.4.1 Grundprinzip der FACS-Analyse
2.4.4.2 Durchflusszytometrische Bestimmung der Reinheit von plasmazytoiden dendritischen Zellen und B-Zellen
2.4.5 Enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA)
2.4.5.1 Zytokine
2.4.5.2 Proliferation (BrdU-ELISA)
2.5 Molekularbiologische Methoden
2.5.1 Gelelektrophorese
2.5.1.1 Prinzip der Gelelektrophorese
2.5.1.2 Prinzip der Detektion von Digoxigenin-markierten Oligodesoxynukleotiden
2.5.1.3 Prinzip der Detektion von DNA durch Ethidiumbromidfärbung
2.5.1.4 Durchführung der Gelelektrophorese
2.5.1.5 Blotting und Detektion Digoxigenin-markierter Oligodesoxynukleotide
2.5.1.6 Färbung mit Ethidiumbromid
2.5.1.7 Auswertung der Gelbilder
2.5.2 Partikelgrößenbestimmung durch Zetapotenzialmessung
2.5.2.1 Grundprinzip
2.5.2.2 Durchführung der Messung
2.6 Statistische Analyse
2.7 Software
3 ERGEBNISSE
3.1 Untersuchung der Struktur-Wirkungsbeziehungen von CpG-A und CpG-C
3.1.1 Untersuchung des Klasse A Oligodesoxynukleotids 2216
3.1.1.1 CpG-A bildet Nanopartikel im Größenbereich von Viren
3.1.1.2 Entwicklung der Temperatur-Präinkubationsmethode zur experimentellen Kontrolle der Multimerisierungen
3.1.1.3 Strukturelle Analyse: CpG-A multimerisiert im physiologischen Milieu
3.1.1.4 Identifizierung des zentralen Palindroms als notwendiges Element zum Aufbau größerer Partikel aus G-Tetraden
3.1.1.5 Identifizierung der Natriumionen als wichtiges stabilisierendes Element zum Aufbau der G-Tetraden
3.1.1.6 Große Partikel sind die Voraussetzung zur raschen Induktion hoher Mengen von Interferon-alpha in plasmazytoiden dendritischen Zellen
3.1.1.7 Die Präinkubation von PDCs mit Interferon-beta verstärkt die Induktion von Interferon-alpha durch Einzelstränge
3.1.1.8 B-Zellen werden von kleinen Partikeln und Einzelsträngen des ODN 2216 nicht aktiviert
3.1.1.9 Strukturelle Analyse: Die Multimere öffnen ihre Bindungen bei pH < 6
3.1.2 Untersuchung des Klasse C Oligodesoxynukleotids M362
3.1.2.1 Strukturelle Analyse bei 4 °C: Die Stabilität der Duplices hängt von den anwesenden Natrium- oder Magnesiumionen ab
3.1.2.2 Strukturelle Analyse bei 37°C: Weder Duplices noch Hairpins sind im physiologischen Milieu stabil
3.1.2.3 Übertragung der Ergebnisse der strukturellen Analyse auf den Zellversuch
3.2 Design immunstimulatorischer Partikel unter Einsatz wirksamer Strukturelemente von CpG-A und CpG-C
3.2.1 Polyvalente Linker - palindromische CpG-DNA
3.2.1.1 Strukturelle Analyse
3.2.1.2 Starke Induktion von Interferon-alpha in PBMCs nach Transfektion mit Poly-L-Arginin
3.2.1.3 Screening verschieden langer Poly-L-Arginine als Transfektionsreagenzien
3.2.1.4 Poly-L-Arginin verbessert die endozytotische Aufnahme der Polyvalenten Linker
3.2.1.5 Untersuchung der CpG-Abhängigkeit des immunstimulatorischen Effektes
3.2.1.6 Wirkung der transfizierten Polyvalenten Linker auf plasmazytoide dendritische Zellen und B-Zellen
3.2.2 Trivalente Linker - palindromische RNA
3.2.2.1 Strukturelle Analyse: PVL-RNA multimerisieren zu definiert aufgebauten, großen Strukturen
3.2.2.2 Induktion von Interferon-alpha in PBMCs nach Transfektion mit Poly-L-Arginin
4 DISKUSSION
4.1 Methodendiskussion
4.1.1 Möglichkeiten und Grenzen der Gelelektrophorese zur Simulation physiologischen Milieus
4.1.2 Wahrscheinlichkeit von strukturellen Veränderungen der PVL-Partikel durch die Inkubation mit Poly-L-Arginin
4.2 Struktur-Wirkungsbeziehungen von ODN 2216 (CpG-A)
4.2.1 Zusammenspiel aus Poly-Guanin-Sequenzen, Palindrom und monovalenten Kationen (Na+/K+) zur Strukturbildung im physiologischen Milieu
4.2.1.1 Bildung von G-Tetraden aus Poly-Guanin-Motiven
4.2.1.2 Multimerisierungen von G-Tetraden-Grundstrukturen zu größeren Partikeln mit Hilfe des zentralen Palindroms
4.2.1.3 Stabilisierung der G-Tetraden durch zentral eingelagerte monovalente Kationen (Na+/K+)
4.2.2 Definierter Partikelaufbau trotz konzentrationsabhängiger Umlagerungen
4.2.3 Die Multimerisierung zu höhermolekularen Strukturen ist die Voraussetzung für die hohe Induktion von Interferon-alpha in plasmazytoiden dendritischen Zellen
4.2.4 Erklärungsmodelle für die hohe Induktion von Interferon-alpha durch große 2216-Partikel
4.2.4.1 Aktivierung eines autokrinen feedback-loops für Interferon-alpha durch CpG-A
4.2.4.2 Clustering und Crosslinking von TLR 9
4.2.5 TLR 9-Bindung einzelsträngiger ODN 2216 während der endosomalen Azidifizierung
4.2.6 Interpretation der geringen B-Zell-Aktivierung durch CpG-A
4.3 Das Palindrom als zentrales Element in den Struktur-Wirkungsbeziehungen von ODN M362 (CpG-C)
4.3.1 Eigenschaften Palindrom-basierter Strukturen von ODN M362
4.3.2 Differenzielles Verhalten Palindrom-basierter Duplices im physiologischen Milieu: Aktivität trotz Strukturlabilität
4.3.3 Palindrom-basierte (Einzelstrang-) Effekte?
4.4 Design immunstimulatorischer Partikel unter Einsatz wirksamer Strukturelemente von CpG-A und CpG-C
4.4.1 Interpretation der strukturellen Analyse
4.4.2 Modelle der durch die palindromischen Nukleinsäuren ermöglichten Multimerisierungen trivalenter Linker
4.4.3 Differenzielles Aufnahmevermögen für große Partikel bei plasmazytoiden dendritischen Zellen und B-Zellen
4.4.4 Verbesserte Aufnahme oder wirkungssteigernde Umlagerungen durch Poly-L-Arginin?
4.4.5 Palindromische RNA als partikelaufbauendes Element
4.5 Ausblick
4.5.1 G-Tetraden-basierter Strukturaufbau immunstimulatorischer Partikel
4.5.2 Palindrom-basierter Strukturaufbau immunstimulatorischer Partikel
5 ZUSAMMENFASSUNG
6 LITERATURVERZEICHNIS
Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme
Veröffentlichungen
Danksagung
1 EINLEITUNG
1.1 Das humane Immunsystem
Das Immunsystem (lateinisch: immunis = frei, unberührt) ist ein komplexes System aus Zellen, Molekülen und Mechanismen, dessen Hauptaufgabe darin besteht, den Körper vor Infektionen durch fremde Substanzen und Organismen, aber auch vor entarteten eigenen Zellen z. B. Tumoren zu schützen. Dieser Unterscheidung zwischen ‚selbst‛ und ‚fremd‛, wie auch ‚harmlos‛ und ‚gefährlich‛, folgen die direkte Bekämpfung der Krankheitserreger und der Aufbau eines wirkungsvollen Schutzsystems gegen das erneute Eindringen des Pathogens.
1.1.1 Die angeborene und die adaptive Immunität
Der Ablauf dieser Immunantwort kann grundsätzlich über zwei unterschiedlich aufgebaute immunologische Effektorsysteme erfolgen: 1) die angeborene (unspezifische) und 2) die adaptive (spezifische) Immunität. Die angeborene Immunität ist bereits auf der Entwicklungsstufe der Eukaryoten entstanden und dient der initialen Abwehr von Krankheitserregern. Sie kann diese jedoch nicht spezifisch erkennen und daher auch keinen Schutz gegen eine erneute Infektion (ein immunologisches Gedächtnis) entwickeln. Der Erkennungsprozess der angeborenen Immunität erfolgt über Rezeptoren, die in der sog. Keimbahn kodiert sind, wodurch ihre Spezifität genetisch festgelegt ist. Dies ist von großem Vorteil, weil gerade diese Rezeptoren, deren Spezifität sich unter dem Selektionsdruck der Evolution herausgebildet hat, nun von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Sie werden pattern recognition receptors (PRRs) genannt und erkennen evolutiv hoch-konservierte Strukturen, die viele Mikroorganismen gemeinsam haben. Diese Strukturen werden als pathogen-associated molecular patterns (PAMPs) bezeichnet und sind nicht im Wirtsorganismus zu finden. Sie sind jedoch essentiell für das Überleben der Erreger oder manchmal deren Pathogenitätsdeterminanten.
Eine erste Barrierefunktion gegen extrazelluläre Erreger erfüllen die Epithelien, welche die inneren und äußeren Oberflächen des Körpers bedecken, die Opsonisierung durch Komplementaktivierung sowie die Erkennung und Beseitigung der Mikroorganismen durch Makrophagen. Bei intrazellulären Erregern gestaltet sich die Abwehr schwieriger. Eine wichtige Rolle spielen natürliche Killerzellen (NK-Zellen), die die befallenen Zellen erkennen und vernichten, und Interferone (IFN) - Zytokine, die den Körper in eine Art Alarmzustand versetzen und als Katalysatoren der Immunantwort die zelluläre Immunität initiieren.
Auch wenn das angeborene Abwehrsystem gerade für die frühe Immunantwort von entscheidender Bedeutung ist, gelingt es ihm jedoch häufig nicht alleine, den Erreger zu vernichten. Ein infektiöser Organismus, der diese ersten Abwehrlinien durchbricht, muss dann über die adaptive Immunantwort bekämpft werden. Diese unterscheidet sich von der angeborenen Immunität aufgrund der spezifischen Erkennung der Mikroben und der Ausbildung eines immunologischen Gedächtnisses, das einen stärkeren Schutz gegen eine erneute Infektion bietet. Hauptakteure der adaptiven Immunität sind Antigen-präsentierende Zellen (APCs), darunter fallen vor allem die dendritischen Zellen (DCs) und Makrophagen, aber auch B-Zellen.
Die wichtigste Funktion erfüllen jedoch T- und B-Lymphozyten mit Antigen-spezifischen Rezeptoren, welche durch klonale Selektion entstanden sind. Jeder dieser Lymphozyten ist mit einem strukturell einzigartigen Rezeptor ausgestattet. Da diese Rezeptoren nicht in der Keimbahn kodiert sind, sind sie nicht prädestiniert, ein bestimmtes Antigen zu erkennen. Vielmehr werden aus der Vielzahl zufällig generierter Rezeptoren im Laufe des Lebens durch positive und negative Selektionsmechanismen nur diejenigen ausgewählt und klonal expandiert, die ein Fremd-Antigen erkennen. Im Lymphknoten verursacht die Antigen-Präsentation der DCs die klonale Expansion der entsprechenden Lymphozytenklone und die adaptive Immunantwort, indem extrazelluläre Infektionserreger von den durch B-Zellen produzierten Antikörpern gebunden werden und T-Zellen infizierte Zellen töten und andere Immunzellen unterstützen. Ein Teil dieser proliferierenden Lymphozyten differenziert zu Gedächtniszellen. Die Aktivierung der T- und B-Zellen hängt neben den T- und B-Zell-Interaktionen auch von den kostimulatorischen Molekülen und Zytokinen der angeborenen Immunität ab, daher resultiert eine effektive Immunantwort immer aus wirkungsvollen Interaktionen zwischen angeborener und adaptiver Immunität.
1.1.2 Toll-like Rezeptoren - Erkennungssysteme der angeborenen Immunität
Zu den wichtigsten Vertretern der PRRs zählt die Familie der Toll-like Rezeptoren. Das Toll Protein wurde erstmalig in der Drosophila-Fliege als Molekül identifiziert, das die dorsoventrale Polarität in der Embryogenese bestimmt und eine Rolle in der antifungalen Abwehr des Organismus spielt [Lemaitre et al. 1996]. Eine dem Toll homologe Rezeptorfamilie, die Toll-like Rezeptoren (TLR), wurden schon bald bei Vertebraten identifiziert [Medzhitov et al. 1997]. Toll-like Rezeptoren zählen zu den evolutionär hoch konservierten Typ-I Transmembranproteinen [Anderson 2000]. Die extrazelluläre Domäne enthält leucine rich repeats (LRRs). Die intrazelluläre, zytoplasmatische Region ähnelt dem IL-1 Rezeptor, daher wird sie auch TIR (Toll/IL-1 Rezeptor) genannt, und enthält drei immunglobulinartige Domänen. Bis heute sind in Vertebraten 13 TLR, im humanen System 10 TLR identifiziert worden [Hornung et al. 2002; Takeda et al. 2003] und viele Liganden, zumeist mikrobiellen Ursprungs, beschrieben [Barton und Medzhitov 2003; Underhill 2003]. Zusätzlich werden auch endogene Liganden diskutiert, die während einer Entzündungsreaktion freigesetzt werden [Matzinger 1998]. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die humanen Toll-like Rezeptoren und ihre Liganden. Die TLR 1, 2 und 6 können ihr PAMP-Erkennungsspektrum erhöhen, indem sie in Rezeptorwechselwirkungen treten und heterodimerisieren [Ozinsky et al. 2000].
CpG-DNA viralen oder bakteriellen Ursprungs wird über den TLR 9 erkannt [Hemmi et al. 2000]. Dieser wird beim Menschen in plasmazytoiden dendritischen Zellen (PDCs) und B-Zellen exprimiert und befindet sich im Gegensatz zu den meisten anderen TLR nicht auf der Zelloberfläche sondern im endoplasmatischen Retikulum, wo die Nukleinsäuren nach der Internalisierung der Viren und Bakterien freigesetzt werden. Die Interaktion von CpG-DNA und TLR 9 erfolgt während der endosomalen Reifung. Dabei kommt es zu einem Anschwellen und Ansäuern des Endosoms und der Erzeugung von reaktiven Sauerstoff-Spezies [Yi et al. 1998]. Weitere an der Erkennung viraler und bakterieller Nukleinsäuren beteiligte TLR sind TLR 3 (Ligand: doppelsträngige RNA, dsRNA) und TLR 7 und 8 (Liganden: einzelsträngige RNA, ssRNA; Imidazoquinoline), welche ebenfalls in den endosomalen Kompartimenten der Zelle exprimiert werden (Tabelle 1).
Seit kurzem werden außerdem TLR-unabhängige zytosolische Wege zur Detektion viraler Nukleinsäuren in der Literatur diskutiert, die ebenfalls antivirale Mechanismen wie z.B. die Produktion von Typ-I Interferon auslösen [Hornung et al. 2004, Yoneyama et al. 2004, Ishii et al. 2006, Stetson und Medzhitov 2006].
Tabelle 1: Humane Toll-like Rezeptoren und ihre Liganden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach der Aktivierung der TLR kommt es zu der Rekrutierung von Adaptormolekülen und der Induktion von verschiedenen Transkriptionsfaktoren, was schließlich zur Produktion wichtiger Mediatoren der angeborenen Immunität, wie z.B. Zytokinen und Chemokinen, führt. Gleichzeitig werden kostimulatorische Moleküle für die Induktion der adaptiven Immunantwort freigesetzt. Die Signalwege der TLR 3, 7, 8 und 9 werden in Abbildung 1 schematisiert beschrieben (die Legende der Abkürzungen befindet sich unter Abbildung 1): Die Ligandenbindung von TLR 7, 8, 9 führt zu der Rekrutierung von MyD88 und dessen Komplexbildung mit IRAK und TRAF6, welches in die Aktivierung von NFκB, MAP-Kinasen und IRF-7 mündet. Eine TLR 3-vermittelte Zell-Aktivierung verläuft über TRIF-abhängige Signalwege, die über den TBK1/IKK Komplex zur Aktivierung von IRF-3 und IRF-7 führen, was letztendlich ebenfalls zur Expression kostimulatorischer Proteine und proinflammatorischer Zytokine führt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Signalwege von TLR 3, 7, 8 und 9
Die Ligandenbindung von TLR 7, 8 oder 9 führt zu der Assoziierung der zytoplasmatischen TIR-Domäne des Rezeptors mit MyD88 und zu der Rekrutierung von IRAK zum Rezeptorkomplex. IRAK aktiviert TRAF6, dies aktiviert einen IKK-Komplex, welcher die inhibitorischen-κB-Proteine phosphoryliert. Danach kann NFκB in den Nukleus transmigrieren und durch die Bindung an Targetsequenzen von Promotoren verschiedener Gene deren Transkription initiieren. Die Aktivierung mehrerer MAP-Kinase-Kaskaden durch den MyD88/IRAK/TRAF6 Rezeptorkomplex führt ebenfalls zur Induktion inflammatorischer Proteine. Die Rolle von IRF-7 in der Induktion von Typ-I Interferon wird darüber hinaus in 4.2.4.1 diskutiert.
In der Signaltransduktion von TLR 3 kommt es über die MyD88-unabhängige Aktivierung von TRIF über IKK und TBK-1 zu der Aktivierung von IRF-3 und IRF-7 und nach deren Translokation in den Nukleus zu der Induktion von IFN-abhängigen Genen.
(MyD88: myeloider Differenzierungsfaktor 88; IKK: IκB-Kinase; IκB: inhibitorische-κB-Proteine; IRAK: Interleukin-1-Rezeptor-assoziierte Kinase; IRF-3/7: IFN regulatory factor 3/7; MAPK: Mitogen-aktivierte Proteinkinase; NFκB: nuclear-factor -κB; TBK1: TANK-binding-kinase-1; TIR: TLR/IL-1Rezeptor; TRAF 6: Tumornekrosefaktor Rezeptor-assoziierter Faktor 6; TRIF: TIR domain-containing adapter inducing IFN-β)
1.1.3 Typ-I Interferon - ein Effektor der angeborenen Immunität
1967 entdeckten Isaacs und Lindemann, dass lebende Zellen nach Stimulation mit hitze-inaktivierten Influenzaviren ein Protein sezernierten. Wurde dieses zu virusinfizierten Zellen gegeben, interferierte es mit der viralen Replikation, indem es das Virus hinderte, auf uninfizierte Zellen überzugreifen. Aus diesem Grund gab man ihm den Namen ‚Interferon‛ (IFN) [Isaacs und Lindenmann 1987]. Bis heute konnte man eine ganze Familie von Interferon-Proteinen identifizieren, die grundsätzlich in zwei Subpopulationen, nämlich Typ-I und Typ-II, eingeteilt werden [Farrar und Schreiber 1993; Pestka 2000]. Als Typ-I Interferon (viral interferon) werden die antiviralen Zytokine IFN-α, IFN-β, IFN-ω bezeichnet. Diese Zusammenfassung von IFN-α und IFN-β als Typ-I beruht auf einer phylogenetischen Verwandtschaft mit ca. 300 Millionen (Mio.) Jahre alten gemeinsamen Vorgängern von Säugetieren, Reptilien und Fischen. Hauptproduzenten von endogenem IFN-α sind im menschlichen Organismus die PDCs; sie produzieren um den Faktor 103 mehr Interferon-α als andere Zellen nach viralem Stimulus. Es sind mindestens 14 verschiedene Subtypen von IFN-α bekannt, die jeweils von unterschiedlichen Genen kodiert werden. IFN-β, IFN-ω und IFN-τ werden hingegen durch ein einziges Gen kodiert. Diese Gene sitzen auf einem gemeinsamen Chromosom, dem Chromosom 9 (beim Menschen). Alle Interferone dieser Klasse besitzen einen gemeinsamen Typ-I Interferon Rezeptor, der sehr Spezies-spezifisch ist.
Typ-I Interferone werden rasch nach mikrobiellen Stimuli sezerniert. Ihre antiviralen Effekte beruhen vor allem auf zwei Mechanismen, die zur Hemmung der viralen Proteinsynthese und schließlich zum Zelltod führen: 1) der Induktion einer 2´,5´-Oligoadenylat-Synthetase, welche durch die virale dsRNA aktiviert wird und deren messenger RNA (mRNA) degradiert und 2) der Induktion der Phosphorylierung zellulärer Proteine, speziell des eucaryotic initiation factor 2α (eIF2α), welche sonst die virale Proteinsynthese initiieren [Isaacs und Lindenmann 1987; Katze et al. 2002]. IFN besitzt neben den antiviralen auch wichtige immunmodulierende Funktionen für die Aktivierung des spezifischen Immunsystems gegen die infizierte Zelle. Es kommt zu einer verstärkten Expression von MHC-I Molekülen auf der Zelloberfläche und dadurch zu einer erhöhten Präsentation viraler Antigene [Biron 1999; Biron 2001]. Darüber hinaus steigert Typ-I Interferon die Zytotoxizität von Makrophagen und NK-Zellen [Ortaldo et al. 1983] und fördert die Aktivierung und Proliferation von CD-8 Gedächtnis-T-Zellen durch Induktion von IL-15 [Zhang et al. 1998]. IFN-α führt zur Ausreifung myeloider DCs und zur Induktion von IL-10-produzierenden regulatorischen T-Zellen [Ito et al. 2001]. Es fördert das Überleben aktivierter T-Zellen [Marrack et al. 1999] und begünstigt die spezifische Antikörperproduktion von B-Zellen [Le Bon et al. 2001]. Dadurch ist es unabdingbar in der Induktion einer effektiven spezifischen Immunantwort gegen Viren [Muller et al. 1994] wie auch gegen Bakterien und Protozoen [Bogdan 2000]. Rekombinantes Typ-I IFN ist vor allem zur Therapie von Hepatitis B und C zugelassen, findet seinen Einsatz aber auch unter anderem in der Therapie von Multipler Sklerose, Melanom- und Sarkomarten. Möglicherweise wäre es jedoch eine elegantere, besser verträgliche wie auch kostengünstigere Methode, das Interferon köpereigen durch Aktivierung der PDCs mittels CpG-Oligodesoxynukleotiden (CpG-ODN) zu produzieren. Das Klasse-C ODN Actilon® (Firma Coley) befindet sich zurzeit in der Phase I/II klinischer Studien zur Therapie von Hepatitis C.
1.1.4 Dendritische Zellen - Mittler zwischen der angeborenen und der adaptiven Immunität
Dendritische Zellen (DCs) können als hochspezialisierte APCs Antigen-spezifische Immunantworten initiieren und regulieren. Sie wurden erstmalig 1973 von Steinman und Cohn in der Milz von Mäusen beschrieben und sind nach ihren charakteristischen bäumchenartigen Zytoplasma-Ausläufern im mikroskopischen Erscheinungsbild benannt (lateinisch: dendriticus = verzweigt; griechisch: dendros = Baum). DCs bilden in beinahe allen Geweben ein dichtes Netzwerk von Wächterzellen, die Rezeptor-vermittelt, durch Pino-, Endo- bzw. Phagozytose oder durch Infektion extrazelluläre Bestandteile aufnehmen und somit ihre Umgebung permanent analysieren. Aufgenommene Proteine werden intrazellulär zu Peptiden prozessiert und an Moleküle des major-histocompatibility-complex-II (MHC-II) gebunden auf der Zelloberfläche für T-Lymphozyten erkennbar gemacht.
Die Antigenaufnahme aktiviert Signalkaskaden der angeborenen Immunantwort (z. B. die TLR-Signalwege) und es kommt zu der Sekretion von Zytokinen (z. B. IFN-α), die NK-Zellen direkt aktivieren. Die DCs wandern nun durch die drainierende Lymphe in die regionalen Lymphknoten, wo sie im Zuge ihrer Reifung die Phagozytosefähigkeit verlieren und stattdessen vermehrt Oberflächenmoleküle, wie CD80, CD86 und CD40 exprimieren (CD = Cluster of differentiation, Zelloberflächenantigene). Im Lymphknoten kommt es zum Kontakt mit naiven T-Zellen. Die Erkennung des Antigen/MHC-II Komplexes auf den DCs durch deren T-Zell-Rezeptor, die kostimulatorischen Interaktionen der beiderseitigen Oberflächenmoleküle sowie das Zytokinmilieu führen letztendlich zur klonalen Expansion und Differenzierung dieser für das Antigen spezifischen T-Zellen. Sie können dann über die Lymphe und das Blut den Ort der Gewebsschädigung aufsuchen und ihre Funktion als Effektoren der adaptiven Immunantwort erfüllen. Aus intakten Geweben erreichen inaktivierte DCs den Lymphknoten und führen zur Toleranz oder Anergie der T-Zellen gegenüber dem präsentierten Antigen. So wird möglicherweise das Auftreten von pathologischen Autoimmunprozessen verhindert [Banchereau und Steinman 1998]. Humane DCs werden mehrheitlich in DCs myeloiden oder lymphoiden Ursprungs unterteilt und können nach Herkunft, Differenzierungsstadium und ihren unterschiedlichen Fähigkeiten charakterisiert werden. Im peripheren Blut werden zwei Subpopulationen unterschieden: die CD11c+ CD123 low myeloiden DCs (MDCs) und die CD11c- CD123 high plasmazytoiden DCs (PDCs) [O'Doherty et al. 1994; Olweus et al. 1997].
PDCs bilden eine kleine Population von 0,2-0,8 % der mononukleären Zellen des peripheren Blutes, welche vor allem in den sekundären lymphatischen Organen zu finden ist [Liu 2005]. Anhand ihres Phänotyps werden sie als CD4+, CD123+, CD11c-, CD45RA+, Lin- und MHC-II+ definiert [Svensson et al. 1996]. Erstmalig wurde 1958 durch Lennert und Remmele von einer Zelle berichtet, die morphologisch große Ähnlichkeit mit einer Plasmazelle hat und sich in den T-Zell-Regionen des Lymphknotens nahe der HEV (high endothelial venules, postkapilläre Venolen mit hohem Endothelanteil) befindet [Lennert und Remmele 1958]. Nachdem diese in den folgenden Jahren mühsam charakterisiert und mehrfach umbenannt wurde, konnte 1999 durch zwei Forschergruppen unabhängig voneinander nachgewiesen werden, dass die PDC identisch ist mit einer zuvor IPC (interferon producing cell) genannten Zellpopulation, die als Hauptproduzent von Typ-I Interferon galt [Cella et al. 1999; Siegal et al. 1999]. Der Mangel an spezifischen Oberflächenmolekülen, die die Charakterisierung und Identifizierung der PDC ermöglichen, erschwerte zunächst die Experimente mit diesem seltenen Zelltyp. Erst die Entdeckung von BDCA-2 und BDCA-4 (blood dendritic cell antigen) als PDC-spezifische Oberflächenantigene ermöglichte die Identifizierung und unkomplizierte Isolation dieser Zellen [Dzionek et al. 2000].
Die PDC exprimiert vor allem TLR 7 und 9 [Hornung et al. 2002]. Sie ist damit primär auf die Erkennung von Viren und Bakterien spezialisiert und in der Lage, daraufhin große Mengen Interferon-alpha (IFN-α) - bis zu 10 pg pro Zelle - zu produzieren [Siegal et al. 1999]. Weitere Zytokine und Chemokine, die von einer aktivierten PDC sezerniert werden, sind IL-6, TNF-α und IL-8.
Die Fähigkeit der PDC, Antigene aufzunehmen, zu prozessieren und über MHC-II zu präsentieren, ist verglichen mit einer ‚klassischen‛ DC relativ gering. Sie verfügt nur unzureichend über Prozesse wie Phagozytose und Makropinozytose [Grouard et al. 1997]. Daher ist die Bezeichnung ‚Antigen-präsentierende Zelle‛ für die PDC umstritten. Unreife PDCs exprimieren konstitutiv wenig MHC-II und nahezu nicht-detektierbare Mengen an kostimulatorischen Molekülen auf ihrer Oberfläche. Nach Aktivierung durch ein Pathogen, einem TLR 7- oder TLR 9-Liganden oder durch CD40-Ligand (CD40L) wird jedoch ihr Reifungsprozess ausgelöst, der die Expression an Oberflächenmolekülen und kostimulatorischen Molekülen steigert und der PDC die Fähigkeit gibt, mit T-Zellen zu interagieren und sie zu aktivieren. Dabei lenken Virus-infizierte PDCs durch die Ausschüttung von IFN-α die T-Zell-Entwicklung vorzugsweise in Richtung einer TH-1-Antwort. Reifen PDCs jedoch ohne pathogenen Stimulus in Gegenwart von IL-3, so können sie eine schwache TH-2-Antwort induzieren [Rissoan et al. 1999]. Durch die Ausschüttung von Zytokinen (allen voran IFN-α) und durch interzelluläre Interaktionen können PDCs eine Vielzahl anderer Effektorzellen des Immunsystems aktivieren, wie MDCs, Makrophagen, NK-Zellen, NKT-Zellen und T-Zellen [Ito et al. 2001; Rothenfusser et al. 2001; Kadowaki und Liu 2002]. PDCs erfüllen dadurch eine zentrale Funktion sowohl in der angeborenen als auch in der adaptiven Immunantwort
1.1.5 B-Zellen - Effektorzellen der adaptiven Immunität
B-Zellen gehören zu den Hauptakteuren der adaptiven Immunantwort und sind als einzige Zellpopulation fähig, lösliche Antigene im Extrazellulärraum zu erkennen. Die Bezeichnung B-Zelle stammt ursprünglich von ihrem Bildungsort in der bursa fabricii bei Vögeln. Bei Säugetieren entstehen sie im Knochenmark. Die Aktivierung naiver B-Zellen erfordert primär zwei Signale: 1) die Bindung des Antigens an den B-Zellrezeptor (BCR) und 2) eine T-Zell-abhängige oder -unabhängige Kostimulation. Nach Internalisierung durch BCR-vermittelte Endozytose wird das Antigen abgebaut und die Peptidfragmente an MHC-II Moleküle gebunden auf der Zelloberfläche den CD4+ T-Lymphozyten präsentiert [Lanzavecchia 1990]. Die für das Antigen spezifische T-Zelle erkennt mit ihrem TCR diesen Peptid-MHC-II Komplex und produziert CD40-Ligand, welcher an CD40 auf der B-Zelloberfläche bindet und diese gemeinsam mit dem BCR-Antigen-Signal aktiviert. Außerdem sezerniert die T-Zelle Effektormoleküle, wie die Zytokine IL-2, IL-4, IL-5 und IL-6, die modulierend wirken und die B-Zelle (als drittes Signal) zusätzlich aktivieren [Liu et al. 1992]. Eine T-Zell-unabhängige Kostimulation kann durch TLR-Signale vermittelt ablaufen, wobei vor allem TLR 7 und TLR 9 eine Rolle spielen. Bei humanen B-Zellen ist der TLR 9 ebenso wie TLR 1, 6 und 10 hoch exprimiert und die Aktivierung der Zellen durch den TLR 9-Liganden CpG-DNA ein gut etabliertes System. Darüber hinaus exprimieren humane B-Zellen mittlere Level an TLR 7 und nur geringe Mengen an TLR 2 und 4 [Hornung et al. 2002]. IFN-α führt jedoch zu einer selektiven Aufregulation des TLR 7, daher verstärken anwesende und durch TLR 7-Liganden zu IFN-Sekretion stimulierte PDCs eine entsprechende Aktivierung von B-Zellen. Die TLR 9-vermittelte Kostimulation der B-Zellen erfolgt dagegen unabhängig von anwesenden PDCs [Bekeredjian-Ding et al. 2005].
Die Aktivierung führt zur klonalen Expansion der Zellen. Nach ihrer Proliferation differenzieren sie zu kurzlebigen Antikörper-produzierenden Plasmazellen oder B-Gedächtniszellen. Der Plasmazellklon produziert zunächst vor allem Antikörper des Ig-M Isotyps (Ig = Immunglobulin), die zwar eine relativ geringe Affinität zu dem Antigen besitzen, jedoch vor allem durch Komplementaktivierung einen sofortigen Schutz vor dem Antigen bieten. Nach dem Isotypenwechsel während der Differenzierung werden Ig-G Antikörper gebildet und die Plasmazellen in Hinblick auf eine erhöhte Affinität zu ihrem Antigen selektiert. B-Gedächtniszellen können auch ohne das spezifische Antigen lange überleben und verlieren in dieser Zeit die Fähigkeit, Antikörper zu produzieren [Maruyama et al. 2000]. Erst auf den erneuten Kontakt folgt eine klonale Expansion, die 8-10x mehr Plasmazellen als bei der primären Immunantwort generiert [McHeyzer-Williams und Ahmed 1999]. B-Gedächtniszellen werden von TLR 7- oder TLR 9-Liganden auch ohne BCR-Antigen-Signal oder T-Zell-Hilfe aktiviert [Bekeredjian-Ding et al. 2005] - eine Eigenschaft, die man durch die Entwicklung potenter Liganden dieser TLR als Vakzine-Adjuvantien zu nutzen versucht.
1.2 CpG-Oligodesoxynukleotide
1.2.1 Geschichtlicher Hintergrund: Von bakteriellen Lysaten zu synthetischer CpG-DNA
Bis vor wenigen Jahren noch wurde die DNA in Lehrbüchern ausschließlich als biologischer Speicherort des Genoms betrachtet. Mittlerweile muss man die funktionelle Bedeutung jedoch weiter fassen. Man hatte erkannt, dass es Unterschiede im Aufbau von bakterieller oder viraler DNA (sog. CpG-Motive) im Vergleich zur Wirbeltier-DNA gibt, die es dem Immunsystem ermöglichen, diese als potenzielle Krankheitserreger zu erkennen. CpG-Motive sind unmethylierte Cytidin-Guanosin-Dinukleotide mit bestimmten flankierenden Basensequenzen. Synthetische Oligodesoxynukleotide (ODN), die solche unmethylierten CpG-Motive enthalten, imitieren die Anwesenheit von mikrobieller DNA und induzieren somit ein charakteristisches Aktivierungsmuster in Immunzellen. Erste klinische Studien mit diesen Sequenzen haben die günstigen Eigenschaften von CpG-ODN z. B. als Vakzine-Adjuvans beim Menschen bestätigt. Derzeit werden CpG-ODN zur Therapie von Tumorerkrankungen, Infektionserkrankungen, Allergien und Asthma bronchiale klinisch geprüft.
Berichte über den heilungsfördernden Einfluss bakterieller Infektionen auf den Verlauf maligner Erkrankungen reichen schon bis in das 17. Jahrhundert zurück. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es William Coley, der mehrere Sarkompatienten mit bakteriellen Lysaten behandelte, erstmalig, bei einem Teil der Patienten einen vorübergehenden Rückgang der Tumore zu erreichen [Nauts und McLaren 1990; Coley 1991]. Diese Arbeit war die Grundsteinlegung der heutigen Immuntherapie von Tumoren, geriet jedoch zu der damaligen Zeit in Vergessenheit, denn andere, besser standardisierbare und erfolgsverheißendere Therapieansätze, wie z. B. die Strahlentherapie, standen im Fokus des medizinischen Interesses [Coley 1991; Wiemann und Starnes 1994]. Erst die wachsenden Fortschritte und Erkenntnisse auf dem Gebiet des Immunsystems führten fast 100 Jahre später zu einem besseren Verständnis der Wirkmechanismen bakterieller Lysate. Es gelang Tokunaga et al. zu zeigen, dass der antitumorale Effekt des bakteriellen Lysates von Tuberkelbakterien auf der Stimulation des Immunsystems durch die bakterielle DNA beruht [Tokunaga et al. 1984]. Yamamoto wies im Folgenden nach, dass nicht die DNA von Wirbeltieren, jedoch die DNA von Bakterien diese immunstimulatorische Aktivität aufweist [Yamamoto et al. 1992b]. Ähnliche Effekte ließen sich auch mit kurzen einzelsträngigen (ss) DNA-Molekülen erzielen, die ein zentrales Cytidin-Guanosin (CG)-Dinukleotid enthielten, welches von anderen Basen palindromartig flankiert wurde [Yamamoto et al. 1992a]. Man folgerte, dass die palindromartige Anordnung der Basen eine Voraussetzung sei, um Sekundärstrukturen, wie z. B. ‚stem loops‛ auszubilden, welche dem Immunsystem des Wirbeltierorganismus als Erkennungsstrukturen dienen [Kuramoto et al. 1992]. Daneben zeigte die Gruppe um Messina, dass bakterielle DNA murine B-Zellen zur Proliferation und Immunglobulinsekretion anregte, wobei durch Methylierung des Cytosins ein Verlust der Wirkung zu beobachten war[Messina et al. 1991; Messina et al. 1993]. Eine Erklärungsmöglichkeit war in ihren Augen, dass die Methylierung des Cytosins eine Ausbildung höherer Strukturen hindere und daher diese Strukturen von Wichtigkeit für die immunstimulatorische Wirkung seien.
70 % der Cytosin Moleküle in CpG-Dinukleotiden der Vertebraten-DNA sind an der 5´-Position methyliert, wohingegen sie in bakterieller DNA vollständig unmethyliert vorkommen. Das CpG-Motiv tritt in bakterieller DNA mit einer Häufigkeit von 1:16 auf und damit deutlich häufiger als in Wirbeltier-DNA, wo sie mit 1:60 beschrieben wird. Unter anderem wird die gezielte Umwandlung von methyliertem Cytosin zu Thymin (z. B. bei der oxidativen Desaminierung oder durch Mutation) für die Supprimierung der CpG-Dinukleotide in Vertebraten verantwortlich gemacht, auch wenn der genaue Regulationsmechanismus bisher unbekannt ist. Aus evolutiver Sicht bedeutet dies eine hocheffiziente Abwehrstrategie, die dem humanen Immunsystem die Erkennung potenzieller Pathogene ermöglicht [Krieg 2002].
Durch die Antisense Technologie wurden schließlich Verfahren entwickelt, die die DNA Synthese auch in großem Maßstab ermöglichten. Man arbeitete mit synthetischen einzelsträngigen ODN von ca. 20 Basen Länge, die - wie synthetische DNA im Allgemeinen – unmethyliert waren. Arthur Krieg machte 1995 bei Antisense Experimenten die Beobachtung, dass bestimmte ODN immunstimulierende Eigenschaften hatten, weil sie murine B-Zellen zur Proliferation anregten. Dieser Effekt erwies sich als abhängig von mindestens einem zentralen CpG-Dinukleotid, denn sowohl GpC-Kontroll-ODN als auch am Cytosin methylierte ODN verloren diese Eigenschaft. Obwohl die flankierenden Basen einen Einfluss auf die Wirkung zu haben schienen, musste ihre Anordnung nicht zwingend palindromartig sein. Daher war hier im Gegensatz zu den Beobachtungen von Tokunaga, Yamamoto und Pisetsky die Ausbildung einer höhermolekularen Sekundärstruktur nicht zwingende Voraussetzung für die immunstimulierende Wirkung [Krieg et al. 1995]. Schnell zeigte sich, dass zwischen den Spezies unterschiedliche Motive besonders aktivierend wirken. So wurde im humanen System das für eine optimale Stimulation minimal erforderliche Motiv mit dem Hexamer 5´-GTCGTT-3´ ermittelt [Hartmann und Krieg 2000]; im murinen System wirkt dagegen das Motiv 5´-GACGTT-3´ optimal stimulierend [Bauer et al. 2001].
1.2.2 Wirkung und Wirkmechanismen von CpG-DNA
Im Tierversuch wurde ermittelt, dass die systemische CpG-Applikation ein starkes TH-1-Zytokinmilieu schafft, welches sich durch hohe IFN-γ und IL-12 Spiegel auszeichnet [Klinman et al. 1996]. Darüber hinaus wurde in zahlreichen Studien gezeigt, dass CpG-DNA in Hinblick auf humorale und zelluläre Antigen-spezifische Immunantworten ein potentes Adjuvans darstellt (Modell-Protein und Peptid-Antigene [Chu et al. 1997; Lipford et al. 1997], virale und bakterielle Proteine [Davis et al. 1998; Moldoveanu et al. 1998], Tumorantigene [Sun et al. 1996] und Polysaccharide [Chelvarajan et al. 1999]). Lange Zeit wurde über die molekularen Mechanismen der Aktivierung von Immunzellen durch CpG spekuliert. Schließlich konnte durch Untersuchungen an knock-out Mäusen gezeigt werden, dass die CpG-Erkennung über den TLR 9 abläuft [Hemmi et al. 2000]. Diese Beobachtung konnte im humanen System bestätigt werden [Bauer et al. 2001].
Durch die Arbeiten von Eicke Latz ist mittlerweile klar, dass CpG ODN durch einen Clathrin-abhängigen Weg endozytotisch aufgenommen und aus den frühen Endosomen zu einem tubulären lysosomalen Kompartiment transportiert werden. Zur gleichen Zeit bewegt sich TLR 9 zu den CpG-DNA-enthaltenden Kompartimenten, außerdem kommt es dort zu einer Anreicherung von MyD88. Es folgt eine direkte und sequenzunabhängige Bindung der CpG-DNA an TLR 9. Nicht-stimulative GpC-DNA kann zwar an den TLR 9 binden, löst jedoch keine Aktivierung aus. Durch Zugabe steigender Konzentrationen dieser inaktiven Sequenzen konnte die CpG-bedingte NFKB-Aktivierung – nicht jedoch die IL-1-Induktion – gesenkt werden. Beide Sequenzen konkurrierten konzentrationsabhängig um die TLR 9-Bindung. Diese Untersuchungen wurden mit CpG-B, ODN 2006, durchgeführt [Latz et al. 2004]. Einige Arbeitsgruppen diskutieren darüber hinaus einen CpG-unabhängigen, Phosphorothioat-abhängigen Effekt [Bartz et al. 2004; Roberts et al. 2005].
- PDCs tragen große Mengen TLR 9 und sind damit prädestiniert für die CpG-Erkennung [Hornung et al. 2002]. Neben einer verstärkten Expression kostimulatorischer Oberflächenmoleküle kommt es zur verstärkten Sekretion von IL-6 und TNF-α, sowie je nach CpG-Sequenz zu so großen Mengen IFN-α, wie sonst nur bei einer Virusinfektion. Außerdem fördert CpG-DNA das Überleben der PDCs in vitro und verstärkt die Expression des Reifungsmarkers CD83, der die PDC zu einem potenten Stimulus allogener T-Zellen macht [Krug et al. 2001].
- B-Zellen, die ebenfalls TLR 9 tragen, werden nach CpG-Stimulation zur Proliferation angeregt [Krieg et al. 1995]. Innerhalb weniger Stunden kommt es zur Produktion von IL-10 und IL-6, welche für die nachfolgende Differenzierung zu Antikörper-produzierenden Plasmazellen wichtig sind [Yi et al. 1996; Redford et al. 1998]. Daneben werden verstärkt die Oberflächenmoleküle MHC-II, CD80, CD86, CD40 und CD54 exprimiert [Krieg et al. 1995; Davis et al. 1998; Hartmann und Krieg 2000]. Außerdem kann CpG-DNA die Apoptose von primären B-Zellen in der in-vitro Kultur unterbinden [Yi et al. 1998].
- NK-Zellen werden indirekt durch die von Antigen-präsentierenden Zellen nach CpG-Aktivierung ausgeschütteten Zytokine IL-12, Typ-I Interferon und TNF-α stimuliert und reagieren mit der Produktion von IFN-γ und gesteigerter lytischer Aktivität [Ballas et al. 1996].
- Bei T-Zellen wurde eine CpG-Motiv-abhängige Aktivierung von TCR-stimulierten T-Zellen durch CpG-Sequenzen gezeigt [Iho et al. 1999]. Andere Arbeitsgruppen diskutieren einen Motiv-unabhängigen Effekt durch Poly-Guanin-Abschnitte im Rückgrat stimulierender ODN [Lipford et al. 2000].
1.2.3 Definition von drei Klassen synthetischer CpG-ODN: CpG-A, CpG-B und CpG-C
Durch Screening-Experimente gelang es, die optimal stimulierenden Sequenzen zu identifizieren. Hier spielen sowohl die Häufigkeit und Position der CpG-Motive wie auch das Vorhandensein eines Palindroms in den flankierenden Basen sowie deren generelle Abfolge eine entscheidende Rolle. Ein gewisser Einfluss kommt auch von der (modifizierten) Bindungsart der Nukleotide als Phosphorothioatbindung, die im Gegensatz zur (regulären) Phosphodiesterbindung eine höhere Nukleasestabilität und bessere Aufnahme in die Zelle aufweist [Kandimalla et al. 2002] (Phosphorothioat = PTO). Bislang wurden drei CpG-Klassen zunächst vor allem aufgrund ihres unterschiedlichen immunstimulatorischen Wirkprofils definiert:
- CpG-A (auch: CpG-D), Prototyp ODN 2216 [Krug et al. 2001]
Charakteristisch sind die größtenteils PTO-gebundenen Poly-Guanin-Sequenzen am 5´- und 3´-Ende, sog. Poly-G Motive. Das palindromische CpG-beinhaltende Zentrum ist dagegen phosphodiestergebunden. Dieser chimärische Aufbau gewährleistet eine hohe Aktivität hinsichtlich der Aktivierung von NK-Zellen und der Induktion von IFN-α [Ballas et al. 1996]. Die Poly-G Motive verbessern die zelluläre Aufnahme [Agrawal et al. 1996; Dalpke et al. 2002; Bartz et al. 2004] und zusätzlich die NK-Zell-Aktivierung. Darüber hinaus bilden sie spontan sehr stabile höhermolekulare, über G-Tetraden stabilisierte Strukturen aus [Kerkmann et al. 2005]. Durch selektive Verbesserung der CD8+ T-Zell-Antwort induziert ODN 2216 Zytotoxizität [Rothenfusser et al. 2004]. Die Fähigkeit, B-Zellen zu aktivieren, ist im Vergleich zu CpG-B und CpG-C jedoch sehr schwach ausgeprägt.
- CpG-B (auch: CpG-K), Prototyp: ODN 2006 [Krieg 2002]
Eine Sequenz dieser Klasse liegt einzelsträngig und komplett PTO-modifiziert vor. Sie enthält mindestens ein CpG-Motiv. Die Sequenz des Prototyps ODN 2006 enthält dreifach das im humanen System optimal immunstimulatorische Motiv (5´-GTCGTT-3´, [Hartmann und Krieg 2000]). CpG-B fördert das Überleben und die Aktivierung und Ausreifung der PDCs. Es ist ein starkes B-Zell-Stimulans, erzeugt jedoch eine schwache NK-Zell-Aktivierung und wenig IFN-α in der PDC. Durch diese Eigenschaften stellt es ein potentes Vakzine-Adjuvans dar, besonders, wenn eine Induktion der primären CTL-Immunantwort benötigt wird, wie z. B. in prophylaktischen Impfungen. In diesem Zusammenhang werden auch mehr Antigen-spezifische IFN-γ-produzierende T-Zellen induziert. Als ProMune® (Fa. Coley, Pfizer) befindet es sich bereits in Klinischen Studien der Phase III für die Behandlung von nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom.
- CpG-C, Prototyp: ODN M362
[Hartmann et al. 2003; Marshall et al. 2003; Vollmer et al. 2004]
Diese CpG-Klasse vereint die Effekte von Klasse A und B. Neben einer hohen Induktion von IFN-α in PDCs kommt es zu einer starken B-Zell-Aktivierung. Die Sequenz hat ein 5´-TCGTCG-Ende, ist komplett PTO-modifiziert und enthält ein CpG-reiches Palindrom im Zentrum. Als Actilon® (Fa. Coley) befindet sich ein ODN der Klasse C in Klinischen Studien der Phase I für die Behandlung von Hepatitis C.
1.2.4 Therapeutischer Einsatz von CpG-Oligodesoxynukleotiden
Die Immunantwort, die durch CpG-Motive ausgelöst wird, bietet bislang fünf interessante Ansatzpunkte für einen therapeutischen Einsatz:
- Die immunprotektive Aktivität von CpG wurde im Tierversuch gezeigt, als Mäuse, die zuvor bakterielle oder CpG-DNA injiziert bekommen hatten, resistent gegen Infektionen durch die ursächlichen Bakterien von Anthrax, Listeria oder Tularämia waren. Dieser Effekt gilt ebenfalls für Infektionen von Ebola-, Herpes- oder Zytomegalieviren. Gegen Parasiten wie Leishmanien oder den Malariaerreger wurde ebenfalls eine erhöhte Widerstandsfähigkeit erlangt [Krieg et al. 1998; Zimmermann et al. 1998; Elkins et al. 1999; Klinman et al. 1999; Walker et al. 1999; Ashkar et al. 2003]. Noch andauernde Studien belegen diese immunprotektive Aktivität auch in Bezug auf schwangere, immunsuppressierte und neugeborene Tiere. Einzeln eingesetzt können CpG-ODN durch ihren Wirkmechanismus für eine koordinierte Immunreaktion sorgen und sind damit der Gabe einzelner Zytokine wie IFN-α oder IL-1 überlegen.
- Durch die Induktion einer TH-1-Antwort mit Produktion von IFN-γ werden Infektionen mit intrazellulären Erregern abgewehrt und allergische Reaktionen verhindert. Diese beruhen auf einem switch von einer TH-1- zu einer TH-2-gerichteten Immunlage. Kombiniert man also CpG-DNA mit entsprechenden Allergenen, so stimulieren sie eine Antigen-spezifische TH-1-Antwort und unterdrücken die Entwicklung von TH-2-vermitteltem allergischen Asthma. Hier wird der größte Erfolg erreicht, wenn das CpG direkt an das Antigen gekoppelt ist. In einer Studie wurde die Wirkung von CpG zur Reduktion einer allergischen Rhinitis, ausgelöst durch Beifuss-Ambrosie (zählt zu den stärksten Allergenen), bereits belegt [Horner und Raz 2002].
- Die Kombination von CpG-DNA mit bestimmten Vakzine-Proteinen kann eine deutliche Verbesserung der adaptiven Immunantwort erreichen, da die Antigen-präsentierenden Zellen aktiviert werden und ein günstiges Zytokin-/Chemokinmilieu geschaffen wird. Indem man die ODN physikalisch an das Antigen bindet, dieses mit Aluminiumsalzen kombiniert oder in Lipidvesikeln oder andere Vehikel inkorporiert, wird eine lokale Verfügbarkeit gewährleistet. Dadurch wird im Tierversuch die spezifische Ig-G-Antwort gegenüber der alleinigen Gabe des Antigens um das 10-1000fache gesteigert [Brazolot Millan et al. 1998; McCluskie und Davis 1998; Moldoveanu et al. 1998; Eastcott et al. 2001; Klinman et al. 2004]. Hierbei wurden Toxoide (z. B. Tetanus), Viren (z. B. Hepatitis B), Bakterien (z. B. Anthrax) und Parasiten (z. B. Leishmanien) getestet. CpG-ODN induzieren neben dem TH-1-Milieu vorzugsweise die Produktion von IFN-γ durch T-Zellen und NK-Zellen, welche die Sekretion von Ig-G2α-Antikörpern und Entwicklung von Antigen-spezifischen zytotoxischen T-Lymphozyten (CTLs) ermöglicht. Diese Verbesserung der humoralen und zellulären Immunität wurde trotz verschiedenster Applikationsarten, wie intramuskulär, intranasal, oral oder subkutan, erreicht.
Die Ergebnisse aus den Tiermodellen waren in das humane System übertragbar. In einer Phase-I Doppelblindstudie entwickelten die Probanden nach kombinierter Verabreichung von CpG-ODN und Engerix B® (Hepatitis B Impfstoff) 13-45fach höhere Antikörpertiter sowohl nach erster als auch nach zweiter Immunisierung als bei dem Impfstoff alleine [Klinman et al. 2000b; Halperin et al. 2003]. In einer zweiten Studie wurde CpG-B mit Fluarix® (Influenza Vakzine) kombiniert. Zwar konnte hier die humorale Immunantwort erst bei Probanden mit bereits vorhandenen Influenza-spezifischen Antikörpern signifikant gesteigert werden, jedoch wurde eine erhöhte IFN-γ-Sekretion innerhalb der PBMCs gemessen. Somit wurde bei gleich bleibender Immunität eine Reduktion der Vakzinedosis ermöglicht [Klinman et al. 2000a]. In keinem Fall wurden unerwünschte Wirkungen beobachtet.
- Der antitumorale Effekt von Infektionen wird, wie bereits beschrieben, schon seit langem beobachtet. Die Immunkaskaden, die CpG-Motive anstoßen, münden in eine Aktivierung von NK-Zellen und CTLs, die bei der Immuntherapie von Tumoren zum Einsatz kommen. Neben der Art des Tumors ist vor allem die CpG-Klasse für einen Erfolg im prophylaktischen oder therapeutischen Einsatz ausschlaggebend. Im Mausmodell zeigten sich unter Therapie mit CpG-DNA eine Regression des Tumorwachstums und sogar eine komplette Remission bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Tieren [Carpentier et al. 1999]. Durch die Ausbildung eines immunologischen Gedächtnisses konnte ein erneutes Auftreten des Tumors verhindert werden [Carpentier et al. 2000]. Kombiniert man CpG-ODN mit Wirkstoffen, die den Tumor direkt aufspüren (wie z. B. Rituximab, Rituxan®), so wird deren antitumorale Aktivität noch effektiver, da ihre Wirkung auf einer durch Antikörper vermittelten zellgebundenen Zytotoxizität beruht. Diese wird durch gleichzeitige Verabreichung von CpG-DNA verstärkt [Wooldridge et al. 1997]. Die Entwicklung einer wirksamen Tumorvakzine steht vor der Herausforderung, die Immuntoleranz gegenüber einem Tumorantigen zu brechen und eine spezifische (auch zelluläre) Immunantwort zur Zerstörung der entarteten körpereigenen Zellen zu erreichen. CpG-ODN wären hier aufgrund ihres Wirkungsprofils als Adjuvans prädestiniert [Brunner et al. 2000; Heckelsmiller et al. 2002a; Heckelsmiller et al. 2002b]. Hierzu haben erste Klinische Studien auch in unserer Abteilung begonnen.
- Die Gabe von Interferon stellt einen wichtigen Therapieansatz bei Virusinfektionen dar, z. B. chronischer Hepatitis B und C. Auch malignes Melanom, AIDS-bedingtes Karposi-Sarkom und einige Myelom- und Lymphomarten gehören zu den Indikationsgebieten. Die Wirkstoffe sind rekombinant hergestellte IFN-α2a (RoferonA®), IFN-α2b (IntronA®) und IFN-alfacon-1 (Inferax®). Außerdem sind zwei pegylierte Interferone (Pegasys®, PegIntron®) zugelassen, welche durch Polyethylenketten an den IFN-Molekülen signifikant vor Abbau geschützt werden und somit eine deutlich höhere In-vivo- Halbwertszeit besitzen. Mit endogenen Induktoren von IFN-α können Therapeutika geschaffen werden, die ein breites Spektrum an körpereigenen Typ-I IFN Isotypen ohne die Gefahr einer Immunogenität erzeugen. Das Klasse-C ODN Actilon® befindet sich derzeit in Klinischen Studien (Phase II) zu Behandlung von chronischer Hepatitis C.
Auch wenn sich bisher im Tier- wie auch im Humanmodell kein Hinweis auf unerwünschte Wirkungen zeigte, sollten einige Sicherheitsbedenken immer bei dem therapeutischen Einsatz von CpG-ODN berücksichtigt werden. Neben der (erwünschten) Steigerung der Immunogenität von Fremd-Antigenen könnte auch die von Selbst-Antigenen gesteigert und dadurch eine organspezifische oder systemische Autoimmunerkrankung ausgelöst werden. Hohe Dosen bakterieller DNA können im Mausmodell Auto-Antikörper gegen (doppelsträngige) DNA bei ansonsten gesunden Tieren erzeugen [Gilkeson et al. 1995]. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit wurde gezeigt, dass Selbst-DNA/RNA Antikörper-Komplexe potente Liganden für TLR 7 und 9 sind und IFN-α induzieren. Dieser entartete Mechanismus der Selbst-Antigen-Erkennung scheint eine große Rolle bei systemischem Lupus Erythematosus zu spielen, welcher gerade auch mit erhöhten IFN-α-Werten im Serum einhergeht [Barrat et al. 2005]. Von der Induktion von IL-6 und der Förderung des Überlebens aktivierter Lymphozyten durch bakterielle DNA können auch selbst-reaktive Lymphozyten profitieren [Krieg et al. 1995]. Außerdem besteht bei der Applikation von CpG-DNA durch die Induktion hoher Mengen an TNF-α theoretisch die Gefahr eines toxischen Schocks. Jedoch konnten derartige Toxizitätsbedenken weder im Mausmodell noch in den humanen klinischen Studien untermauert werden [Klinman et al. 1997]. In einer kürzlich veröffentlichten Phase I Studie zum Einsatz von CpG-ODN bei Patienten mit rezidivierendem Glioblastom wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen festgestellt [Carpentier et al. 2006].
Ein wichtiger, den therapeutischen Einsatz von CpG-ODN limitierender Faktor ist die Stabilität und daraus resultierende Bioverfügbarkeit in vivo. Das einzige weltweit bisher zugelassene therapeutische ODN ist Formivirsen (Vitravene®). Es wird zur Behandlung der Zytomegalie-Retinitis bei AIDS-Patienten eingesetzt und muss lokal in den Glaskörper injiziert werden, da seine Halbwertszeit sonst zu kurz wäre. Die systemische Stabilität therapeutischer ODN zu erhöhen erweist sich als Herausforderung für die pharmazeutische Technologie.
1.3 Ziele dieser Arbeit
Der erfolgreiche therapeutische Einsatz von CpG-ODN hängt entscheidend davon ab, wie gut mit diesen eine virale Infektion imitiert und das Immunsystem gezielt in einen Alarmzustand versetzt werden kann. Während das jeweilige immunologische Aktivierungsprofil der drei CpG-Klassen A, B und C bereits weitgehend bekannt ist, sind die sequenzspezifischen und strukturellen Voraussetzungen für diese unterschiedlichen Wirkungen unzureichend verstanden. Eine experimentelle Einschränkung stellt die begrenzte Übertragbarkeit der Struktur-Analysen auf die tatsächlichen Vorgänge im physiologischen Milieu dar. Ohne Kenntnisse der für die differenziellen Wirkprofile maßgeblichen Faktoren kann darauf kein Einfluss genommen werden, um das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten für CpG-ODN zu erweitern und zu optimieren. Die therapeutische Anwendung von CpG-ODN wird außerdem bislang durch deren geringe Halbwertszeit in vivo eingeschränkt. Eine galenische Hilfe, die systemische Stabilität zu erhöhen, stellt die Bindung der ODN an partikuläre Trägersysteme dar – eine Methode, deren Effektivität in unserer Abteilung bereits gezeigt werden konnte. Eine Weiterentwicklung dieses Prinzips wären partikuläre Strukturen, die aus immunstimulatorischen Nukleinsäuren aufgebaut sind und keiner weiteren Trägermaterialien bedürfen.
Ziele der vorliegenden Arbeit sind:
1) Die systematische Aufklärung der sequenzspezifischen und strukturbestimmenden Eigenschaften der bereits bekannten CpG-Klassen A und C, um die maßgeblichen Struktur-Wirkungsbeziehungen darzulegen. Dabei soll die Entwicklung geeigneter Methoden zur strukturellen Analyse im physiologischen Milieu im Vordergrund stehen.
2) Die Entwicklung Nukleinsäure-basierter, immunstimulatorischer Partikel unter Einsatz der in Teil 1 ermittelten wirksamen Strukturelemente beider CpG-Klassen.
2 MATERIAL UND METHODEN
2.1 Geräte, Chemikalien und Reagenzien
2.1.1 Geräte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.2 Verbrauchsmaterialien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.3 Chemikalien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.4 Reagenziensätze
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.5 Materialien für die Zellkultur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.6 Zytokine
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.7 Zellkulturmedien, Puffer und Lösungen
2.1.7.1 Medien und Puffer für die Zellkultur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.7.2 Puffer und Lösungen für die Gelelektrophorese
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.8 Antikörper für die Durchflusszytometrische Analyse
Tabelle 2: Antikörper gegen humane Oberflächenmoleküle
Die Antikörper wurden wie in 2.4.4.2 beschrieben verwendet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2 Oligodesoxynukleotide
2.2.1 Zur Zellstimulation eingesetzte Sequenzen
Die in der Zellkultur eingesetzten komplett oder teilweise PTO-modifizierten ODN wurden freundlicherweise von der Firma Coley Pharmaceutical Group (Wellesley, USA) zur Verfügung gestellt. Es wurden hochkonzentrierte Stocklösungen (1000 µg/ml) in TE-Puffer hergestellt. Diese wurden dann weiter mit PBS auf eine Konzentration von 400 µg/ml verdünnt und die Aliquots bei -20 °C aufbewahrt. Für die Versuche wurden die ODN in einer Konzentration von 3,2 µg/ml verwendet, wenn es nicht ausdrücklich anders angegeben wird.
[...]
- Quote paper
- Dr. Christine Richter (Author), 2006, Aufklärung der Struktur-Wirkungsbeziehungen von CpG-A- und CpG-C-Oligodesoxynukleotiden als Grundlage für die Entwicklung immunstimulatorischer Nanopartikel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82264
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