Die Abgabenordnung AO 1977 der Bundesrepublik Deutschland ist ein grundlegendes Gesetz für das deutsche Steuerrecht. Im Vordergrund stehen hierbei nicht wie bei den Einzelsteuergesetzen (z.B. EStG, KStG) materielle Vorschriften zur konkreten Bestimmung und Berechnung der Steuer, sondern vielmehr Vorschriften zur Erhebung und Festsetzung einer Steuer, zur Vollstreckung, für außergerichtliche Rechtsbehelfs-verfahren, Straf- und Bußgeldvorschriften sowie –verfahren.
Dieses Gesetz bildet die verfahrenstechnische Grundlage für die Beziehung zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen, wobei hier die Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten vorgeschrieben sind. So ist bspw. der Steuerpflichtige verpflichtet, „...Angaben in den Steuererklärungen (...) wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen [gegenüber der Finanzbehörde] zu machen.“ (§ 150 II AO)
Nach der Erklärung aller steuerlich relevanten Sachverhalte und Tatsachen aus dem betreffenden Besteuerungszeitraum durch den Steuerpflichtigen sowie einer Prüfung und Würdigung (oder zumindest Kenntnisnahme) dieser durch die Finanzbehörde, wird ein für beide Seiten bindender Steuerbescheid durch die Finanzbehörde erlassen. Ist die durch den Steuerbescheid festgesetzte Steuerlast nach Meinung des Steuerpflichtigen auf Grund von Fehlern in den Besteuerungsgrundlagen (bspw. Nichtanerkennung von erklärten Betriebsausgaben/Werbungskosten) oder durch eine abweichende rechtliche Würdigung eines Sachverhalts durch die Finanzbehörde zu hoch angesetzt worden, kann er im Wege des Rechtsbehelfsverfahrens Einspruch (§ 347 AO) gegen den Bescheid einlegen. Die Frist hierzu beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Steuerbescheids. Nach Ablauf dieser Frist tritt die Bestandskraft ein, mit dem Ziel, Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen zu schaffen. „Der formalrechtsstaatliche Vertrauensschutzgrundsatz begründet die Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten [(u. a. Steuerbescheide)], nach der wirksame Verwaltungsakte nur noch unter besonderen Voraussetzungen [(Hervorhebung durch d. Autor)] zum Nachteil des Bürgers aufgehoben oder geändert werden dürfen...“ „Indessen garantiert das behördliche Verfahren, insb. das Massenverfahren in Steuersachen, nicht in gleicher Weise wie etwa ein Gerichtsverfahren Rechtsrichtigkeit.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. „Grobes Verschulden“ im Sinne von § 173 AO
- 2.1 „Grobes Verschulden“ des Steuerpflichtigen – Entscheidungen durch die Rechtssprechung
- 2.1.1 Nichtbeantwortung ausdrücklich gestellter Fragen
- 2.1.2 Rechtsirrtum – fehlerhafte rechtliche Würdigung
- 2.1.3 Einspruchsversäumnis in der Rechtsbehelfsfrist
- 2.2 „Grobes Verschulden“ des Vertreters - Entscheidungen der Rechtssprechung
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Begriff des „groben Verschuldens“ im Kontext von § 173 I Nr. 2 AO. Ziel ist die Klärung und Definition dieses Begriffs anhand von Gerichtsentscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit. Die Arbeit analysiert dabei verschiedene Fallkonstellationen und versucht, eine Systematik zu entwickeln.
- Definition und Abgrenzung des „groben Verschuldens“ nach § 173 AO
- Analyse von Gerichtsentscheidungen zur Frage des „groben Verschuldens“ des Steuerpflichtigen
- Untersuchung der Verantwortlichkeit von Vertretern für ein „grobes Verschulden“
- Entwicklung einer Systematik der Fallkonstellationen
- Zusammenfassende Bewertung der Rechtsprechung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Abgabenordnung (AO) 1977 ein und erläutert deren Bedeutung für das deutsche Steuerrecht. Sie beschreibt den Ablauf eines Steuerverfahrens, von der Steuererklärung bis zum Steuerbescheid, und beleuchtet das Rechtsbehelfsverfahren, insbesondere den Einspruch (§ 347 AO). Die Einleitung betont die Bedeutung der Bestandskraft von Steuerbescheiden und die Notwendigkeit von Korrekturvorschriften wie § 173 AO, der die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden unter bestimmten Bedingungen erlaubt, insbesondere bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen. Der Fokus liegt auf der Bedeutung des „groben Verschuldens“ als Hürde für die Anerkennung nachträglich bekannt gewordener Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führen.
2. „Grobes Verschulden“ im Sinne von § 173 AO: Dieses Kapitel definiert den Begriff des „groben Verschuldens“ gemäß § 173 I Nr. 2 AO, der sowohl Vorsatz als auch grobe Fahrlässigkeit umfasst. Es wird erläutert, dass die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit eine Einzelfallentscheidung ist, die die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Steuerpflichtigen berücksichtigt. Das Kapitel diskutiert die Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten des Steuerpflichtigen nach §§ 90, 149, 150 AO und deren Bedeutung für die Feststellung eines groben Verschuldens. Es wird darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörde den Nachweis des groben Verschuldens führen muss und dass im Streitfall eine Klage vor dem Finanzgericht möglich ist. Das Kapitel deutet an, dass sich viele Streitfälle auf eine begrenzte Anzahl von Gründen und Ursachen beschränken.
Schlüsselwörter
§ 173 AO, Grobes Verschulden, Steuerrecht, Abgabenordnung, Finanzgerichtsbarkeit, Steuerbescheid, Rechtsbehelfsverfahren, Einspruch, Mitwirkungspflichten, Sorgfaltspflichten, Vorsatz, Grobe Fahrlässigkeit, Rechtsirrtum, Nachträgliche Tatsachen, Beweismittel.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Grobes Verschulden" im Sinne von § 173 AO
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert den Begriff des „groben Verschuldens“ im Kontext von § 173 I Nr. 2 AO anhand von Gerichtsentscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit. Ziel ist die Klärung und Definition dieses Begriffs und die Entwicklung einer Systematik verschiedener Fallkonstellationen.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Definition und Abgrenzung des „groben Verschuldens“, die Analyse von Gerichtsentscheidungen zum „groben Verschulden“ des Steuerpflichtigen, die Untersuchung der Verantwortlichkeit von Vertretern, die Entwicklung einer Systematik der Fallkonstellationen und eine zusammenfassende Bewertung der Rechtsprechung. Konkrete Beispiele beinhalten die Nichtbeantwortung gestellter Fragen, Rechtsirrtümer und das Versäumnis, Einspruch einzulegen.
Wie wird der Begriff „grobes Verschulden“ definiert?
Der Begriff „grobes Verschulden“ gemäß § 173 I Nr. 2 AO umfasst sowohl Vorsatz als auch grobe Fahrlässigkeit. Die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit erfolgt im Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Steuerpflichtigen. Die Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten des Steuerpflichtigen nach §§ 90, 149, 150 AO spielen eine entscheidende Rolle.
Welche Rolle spielen die Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten des Steuerpflichtigen?
Die Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten des Steuerpflichtigen nach §§ 90, 149, 150 AO sind entscheidend für die Feststellung eines groben Verschuldens. Die Verletzung dieser Pflichten kann als Indiz für grobe Fahrlässigkeit gewertet werden.
Wer muss das grobe Verschulden nachweisen?
Die Finanzbehörde muss den Nachweis des groben Verschuldens führen. Im Streitfall kann Klage vor dem Finanzgericht erhoben werden.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit umfasst eine Einleitung, ein Kapitel zum „Groben Verschulden“ im Sinne von § 173 AO (unterteilt in das Verschulden des Steuerpflichtigen und des Vertreters) und ein Fazit. Die Einleitung führt in die Abgabenordnung (AO) 1977 und das Steuerverfahrensrecht ein, während das Hauptkapitel verschiedene Fallkonstellationen und Gerichtsentscheidungen analysiert.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Relevante Schlüsselwörter sind: § 173 AO, Grobes Verschulden, Steuerrecht, Abgabenordnung, Finanzgerichtsbarkeit, Steuerbescheid, Rechtsbehelfsverfahren, Einspruch, Mitwirkungspflichten, Sorgfaltspflichten, Vorsatz, Grobe Fahrlässigkeit, Rechtsirrtum, Nachträgliche Tatsachen, Beweismittel.
Welche Bedeutung hat § 173 AO?
§ 173 AO regelt die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden unter bestimmten Bedingungen, insbesondere bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen. Das „grobe Verschulden“ stellt dabei eine wesentliche Hürde dar.
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- Georg Kranewitz (Author), 2007, "Grobes Verschulden" im Sinne von § 173 AO, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82048