Die vorliegende Arbeit entsteht im Rahmen des Hauptseminars „Französisch außerhalb Frankreichs“ und dient als einführende Lektüre zum Vorkommen der französischen Sprache auf dem afrikanischen Kontinent.
Der Schwerpunkt dieser Ausführungen liegt auf dem historisch-kulturellen Hintergrundwissen über die geschichtliche Entwicklung des Landes einerseits sowie den soziolinguistischen Erkenntnissen und Fragestellungen der ehemaligen und aktuellen Sprachsituation andererseits. Eine ausführliche Detailanalyse der linguistischen Teilbereiche wie Morphosyntax, Phonetik/Phonologie und Lexikologie kann und soll an dieser Stelle nicht geleistet werden.
Zur Forschungslage des gewählten Themas ist festzustellen, daß es auch nach wie vor nicht einfach ist, an aktuelles und vor allem ideologisch neutrales Informationsmaterial über Algerien zu gelangen. Aufgrund der politischen Brisanz angesichts islamistischer Terrorgefahren, die das Land momentan zeigt, scheinen linguistische Untersuchungen in den Hintergrund des Interesses zu rücken. Einerseits stammt die verwendete Sekundärliteratur noch aus den 1990er Jahren, andererseits kann man sich lediglich darum bemühen, aktuelleres Datenmaterial durch das Internet zu erhalten.
Zum Aufbau der Arbeit sei gesagt, daß ein Bogen von der rein historischen Landesgeschichte über die Sprachgeschichte im Detail bis hin zu spezifischen soziolinguistischen Aspekten der algerisch-französischen Verhältnisse geschlagen wird. Die Ausführungen sollen dem Leser einen Überblick vermitteln, welche Ursprünge und welche Auswirkungen die 132 Jahre dauernde Kolonialherrschaft Frankreichs über Algerien hat und mit welchen Erscheinungen die beteiligten Nationen auch noch heute konfrontiert werden.
Hintergrund der Untersuchung ist es im allgemeinen, den Status der französischen Sprache in den verschiedenen Regionen der Welt zu eruieren. Während in Europa das Französische einen Rang als gleichberechtigte Sprache führt, hat es in den afrikanischen Staaten stets den Beigeschmack ehemaliger Unterdrückung und oftmals gewaltsamer Kolonisation.
Da Algerien bis weit in das 20. Jahrhundert von Frankreich besetzt war, sind die Konsequenzen noch deutlich sicht- und spürbar und können so auf mannigfaltige Weise Gegenstand der Untersuchung sein. An dieser Stelle möchten wir uns ausführlich der Geschichte und den soziolinguistischen Aspekten widmen.
Inhaltsverzeichnis
1 Das Französische in Algerien
2 Algerien – historische Entwicklungen und soziolinguistisches Erscheinungsbild in Vergangenheit und Gegenwart
2.1 Geschichte Algeriens
2.1.1 Geschichte Algeriens bis zur französischen Kolonisation 1830
2.1.2 Geschichte Algeriens als französisches Kolonialgebiet 1830 bis 1962
2.1.3 Historisch-politische Entwicklungen seit 1962 und aktuelle soziokulturelle Situation in Algerien
2.2 Sprachgeschichte Algeriens
2.2.1 Die sprachliche Situation vor der französischen Kolonisation
2.2.2 Die Geschichte der französischen Sprache in Algerien: Etablierung, Sprachgesetzgebung und Auswirkungen
2.3 Aktuelle soziolinguistische Situation in Algerien
2.3.1 Domänenspezifischer Sprachgebrauch (Bildungswesen, Medien, Verwaltung)
2.3.2 Sprachpolitik, -bewertung und -prestige der Einzelsprachen in Algerien: Französisch, Arabisch, Berberisch
2.3.3 Die wechselseitige Migration zwischen Algerien und Frankreich und ihre soziokulturellen Auswirkungen
3 Zusammenfassung
4 Bibliographie
4.1 Sekundärliteratur
4.2 Internetadressen
1 Das Französische in Algerien
Die vorliegende Arbeit entsteht im Rahmen des Hauptseminars „Französisch außerhalb Frankreichs“ und dient als einführende Lektüre zum Vorkommen der französischen Sprache auf dem afrikanischen Kontinent.
Der Schwerpunkt dieser Ausführungen liegt auf dem historisch-kulturellen Hintergrundwissen über die geschichtliche Entwicklung des Landes einerseits sowie den soziolinguistischen Erkenntnissen und Fragestellungen der ehemaligen und aktuellen Sprachsituation andererseits. Eine ausführliche Detailanalyse der linguistischen Teilbereiche wie Morphosyntax, Phonetik/Phonologie und Lexikologie kann und soll an dieser Stelle nicht geleistet werden.
Zur Forschungslage des gewählten Themas ist festzustellen, daß es auch nach wie vor nicht einfach ist, an aktuelles und vor allem ideologisch neutrales Informationsmaterial über Algerien zu gelangen. Aufgrund der politischen Brisanz angesichts islamistischer Terrorgefahren, die das Land momentan zeigt, scheinen linguistische Untersuchungen in den Hintergrund des Interesses zu rücken. Einerseits stammt die verwendete Sekundärliteratur noch aus den 1990er Jahren, andererseits kann man sich lediglich darum bemühen, aktuelleres Datenmaterial durch das Internet zu erhalten.
Zum Aufbau der Arbeit sei gesagt, daß ein Bogen von der rein historischen Landesgeschichte über die Sprachgeschichte im Detail bis hin zu spezifischen soziolinguistischen Aspekten der algerisch-französischen Verhältnisse geschlagen wird. Die Ausführungen sollen dem Leser einen Überblick vermitteln, welche Ursprünge und welche Auswirkungen die 132 Jahre dauernde Kolonialherrschaft Frankreichs über Algerien hat und mit welchen Erscheinungen die beteiligten Nationen auch noch heute konfrontiert werden.
Hintergrund der Untersuchung ist es im allgemeinen, den Status der französischen Sprache in den verschiedenen Regionen der Welt zu eruieren. Während in Europa das Französische einen Rang als gleichberechtigte Sprache führt, hat es in den afrikanischen Staaten stets den Beigeschmack ehemaliger Unterdrückung und oftmals gewaltsamer Kolonisation.
Da Algerien bis weit in das 20. Jahrhundert von Frankreich besetzt war, sind die Konsequenzen noch deutlich sicht- und spürbar und können so auf mannigfaltige Weise Gegenstand der Untersuchung sein. An dieser Stelle möchten wir uns ausführlich der Geschichte und den soziolinguistischen Aspekten widmen.
2 Algerien – historische Entwicklungen und soziolinguistisches Erscheinungsbild in Vergangenheit und Gegenwart
2.1 Geschichte Algeriens
Die Geschichte des nordafrikanischen Landes ist seit Alters her geprägt von einer Vielzahl an Fremdherrschern, die sich im Laufe der Jahrhunderte in stetem Strom der Region bemächtigten. Algerien wurde zur Durchgangsstation sowohl für afrikanische Stammesherrschaften der vorchristlichen Jahrhunderte als auch für zahlreiche europäische und osmanische Expansionsbestrebungen bis weit in die Neuzeit hinein. Der folgende Abschnitt soll dazu dienen, einen groben Überblick über die wechselvolle Geschichte und die daraus resultierenden Beeinflussungen und Auswirkungen auf das heutige Algerien zu geben.
2.1.1 Geschichte Algeriens bis zur französischen Kolonisation 1830
Zum Beginn historischer Aufzeichnungen wurde das Gebiet Algeriens von zahlreichen Berberstämmen besiedelt. Allerdings entsprach die damalige Ausdehnung des Landes bei weitem noch nicht den Landesgrenzen des heutigen algerischen Staates. Im Westen bildete der Fluß Moulouya auf dem Gebiet des heutigen Marokko eine feste Grenze, im Osten richtete sich die variable Begrenzung eher nach der Ausdehnung der einstigen politischen Ausstrahlungszentren wie Karthago oder Tunis. Im Landesinneren siedelten überwiegend Viehzucht und Ackerbau betreibende Nomadenstämme, welche in einem oftmals konfliktbehafteten Verhältnis zu den Stadtbewohnern des Küstenraumes standen, da diese sich als Herrscher und Kontrolleure des Hinterlandes ansahen. Durch diese Bevölkerungssituation kann man eine Zweiteilung des Landes in einen „geschlossenen“ Maghreb, das eher unwirtliche und schwer zugängliche Hinterland und in einen „offenen“ Maghreb, das fruchtbare und durch den Mittelmeerzugang mediterran-europäisch orientierte Küstengebiet feststellen. (Herzog 1995: 16f.)
Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. entstand das Königreich Numidien im Osten und das Königreich Mauretanien, das sich aus Marokko und dem westlichen Algerien zusammensetzte. Die Phönizier als erste Eindringliche einer langen Reihe von Fremdherrschern errichteten ab etwa 1300 v. Chr. zahlreiche Hafenstädte und nutzen das Mittelmeer für rege Handelsbeziehungen. Doch den autochthonen Numidenstämmen gelang es, sich mit Hilfe Roms gegen die militärische Unterdrückung der Phönizier zu wehren, worauf der endgültige Sieg des römischen Heeres im Jahre 146 v. Chr. der phönizischen Fremdherrschaft ein Ende setzte. Von nun an etablierten sich die Römer an den Küstengebieten und dehnten sich zunehmend in das Landesinnere aus. Das Gebiet wurde in die beiden Provinzen Mauretanien und Caesarea eingeteilt, später kam noch Numidia hinzu. (Herzog 1995: 16-18) Die fruchtbaren Böden des algerischen Gebietes wurden zur Kornkammer des römischen Reiches. Ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. begann jedoch der Einfluß Roms zunehmend zu schwinden, auch durch die Zunahme von berberischen Revolten. Ein Teil der Macht konnte durch das Christentum als römische Staatsreligion aufrechterhalten werden, doch die Römer mußten dem Vandalensturm der Völkerwanderung im 5./6. Jahrhundert Tribut zollen und verloren das Land abschließend an Byzanz, unter dem es zu einer kurzen kulturellen Blüte fand. Die durch die Entfernung geschwächte byzantinische Widerstandskraft machten sich ab dem 7. Jahrhundert die Araber zunutze und begannen mit einer allumfassenden Landnahme und Islamisierung des Gebietes, dem auch der vereinte Widerstand von Berbern und Byzantinern auf Dauer nichts entgegensetzen konnte. Das Land wurde als Provinz Ifriqiya zum Kalifat erklärt, bei dessen Herrschaft sich mehrere Dynastien abwechselten: 776 bis 909 die Rustamiden, 908 bis 972 die Fatimiden, 972 bis 1148 die Ziriden, 1007 bis 1152 auch die Hammaditen sowie 1052 bis 1147 die Amoraviden, 1121 bis 1235 die Almohaden sowie schließlich 1235 bis 1556 die Zianiden (URL: Présidence de la République Algérie).
Im Zuge der Reconquista wollten die „Katholischen Könige“ Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Machtbereich Spaniens auf die nordafrikanischen Küstengebiete ausweiten. Wichtige algerische Hafenstädte wurden eine Zeit lang von der spanischen Armada belagert, doch die Einwohner Algiers unterstellten sich dem Schutz von Korsaren, welche durch ihre Freibeuterei auf christliche Schiffe die Anrainerstaaten des Mittelmeeres in Schrecken versetzten. Durch die Allianz der Seeräuber mit dem Osmanischen Reich stand Algerien ab diesem Zeitpunkt unter der Herrschaft zweier Herren, der Korsaren und der Osmanen. Da aber das Machtzentrum der Osmanen sehr weit entfernt lag, konnten diese nie tiefgreifend in die vorhandenen Macht- und Gesellschaftsstrukturen eingreifen. (Schmid 2006: 7f.)
Die europäischen Seefahrermächte wie England, Frankreich und die Niederlande gingen vermehrt dazu über, die Piratenstützpunkte an der algerischen Küste unter Beschuß zu nehmen und der Allianz zwischen Korsaren und dem Osmanischen Reich ein Ende zu setzen. Im ausgehenden 18. Jahrhundert bahnten sich engere Beziehungen zwischen Algerien und dem Frankreich unter Napoleon I. an, der seine Feldzüge durch Getreidelieferungen algerischer Anbaugebiete unterstützen ließ. Als es im Zuge der Warensendungen um die restlose Bezahlung dieser ging, kam es zwischen dem Dey von Algier (osmanischer Statthalter in Algerien) und dem französischen Konsul 1827 zu einem Eklat durch den despektierlichen Schlag mit einem Fliegenwedel in das Gesicht des Gesandten Frankreichs, was tiefgreifende kriegerische und gesellschaftsverändernde Einschnitte für beide Kontrahenten – Algerien wie Frankreich – mit sich bringen sollte. (Schmid 2006: 8f.)
2.1.2 Geschichte Algeriens als französisches Kolonialgebiet 1830 bis 1962
Zunächst begnügte sich Frankreich mit der Blockade des Hafens von Algier, doch 1829 hielt Frankreich eine Strafexpedition gegen das ungebührliche Verhalten für notwendig. Im Juni 1830 begann die Invasion Algeriens mit dem Einfall von 37.000 Soldaten, denen Algier keine nennenswerten Kräfte entgegenstellen konnten. Somit endeten nahezu widerstandslos 300 Jahre osmanischer Herrschaft in Algerien und das Land sah sich erneut einer Macht von außen ausgeliefert. Zunächst war sich die Regierung in Frankreich unsicher, wie weiter verfahren werden sollte, so einigte man sich einstweilen lediglich auf die Besetzung der Hafenstädte Oran, Arzew und Bougie. Ab 1839 verbündeten sich zahlreiche Berberstämme unter der Fahne des Islam unter dem Führer Abdelkader, um das Land vom französischen Joch zu befreien. Der nun folgende Eroberungsfeldzug der französischen Armee wurde mit aller Härte gegen Landstriche und die Bevölkerung geführt. Bis 1847 war Algerien zu weiten Teilen unterworfen. (Herzog 1995: 30-33) Ein Jahr später wurde Algerien zu französischem Territorium erklärt, also fortan als integraler Bestandteil des Mutterlandes betrachtet. Es wurden drei Départements errichtet (Alger, Oran, Constantine) und nach bereits tausenden von Toten während des Eroberungsfeldzuges wurde nun die arabisch-berberische Bevölkerung aus den Städten in das unwirtliche Hinterland vertrieben, und es kam zu massenhaften Enteignungen von Landbesitz und Gemeingut, so daß den Algeriern zusätzliches Elend durch Hungersnöte, Krankheiten und fehlende Existenzgrundlagen drohte. (Schmid 2006: 18-20) Ziel der französischen Kolonialpolitik war es, möglichst viele Siedler in das okkupierte Gebiet zu locken, denen kostenlos – zuvor enteigneter - Landbesitz zugesprochen wurde. Angezogen wurden von diesen Möglichkeiten aber nicht nur französische colons, sondern auch Emigranten aus anderen europäischen Ländern – vornehmlich Spanier, Italiener und Malteser – nutzen diese Gelegenheit. Verschiedene Erhebungen zur Siedlungsbevölkerung in Algerien präsentieren folgende Statistiken:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schmid 2006: 27
Im Verlauf der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg der Anteil der europäischen Siedler auf 13% an der gesamten Bevölkerung des Landes. Im Zuge der Enteignungen fielen eine halbe Million Hektar Land an die Siedler; nach erneuten Aufständen im Jahre 1870/71 hatte Algerien durch massive militärische Unterdrückungsmaßnahmen 25% an Einheimischen und nochmals 70% an Landbesitz verloren. Um das in den Augen der colons rückständige Land dem modernen Standard des europäischen Mutterlandes anzugleichen, wurden den autochthonen Ethnien zahlreiche Bestimmungen mit Eingriffen in Kultur, Wirtschaft, Industrie und Handel aufoktroyiert. Auch das Administrations- und Schulsystem wurde nach französischem Vorbild umgestaltet. Doch diese Maßnahmen brachten für die Algerier, insbesondere die berberisch-kabylische Bevölkerung des Landesinneren, nur weitere Verschlechterungen mit sich: Hungersnöte, Seuchen und Krankheiten sowie die militärischen Unterdrückungsaktionen der Besatzungsmacht verringerten die Einwohnerzahl Algeriens zwischen 1830 und 1890 von 4 Millionen auf nur noch 2,5 Millionen. „Die Siedler sahen in der autochthonen Bevölkerung eine minderwertige Unterklasse, die kontrolliert werden mußte.“ (URL Courdouen: Zwischen zwei Kolonialreichen: Algerien im 19. Jahrhundert)
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- Arbeit zitieren
- Daniela Scharnagl (Autor:in), 2007, Algerien - historische Entwicklungen und soziolinguistisches Erscheinungsbild in Vergangenheit und Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81399
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