Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Bedeutung des Factoring in Deutschland werden in der Arbeit dessen unterschiedliche Arten, Formen und Funktionen dargestellt sowie die Wesenszüge und Inhalte des Factoringvertrags erläutert. Darüber hinaus erfolgt neben einer zivil- und KWG-rechtlichen Einordnung eine Darstellung der bedeutendsten rechtlichen Konflikte im Zusammenhang mit dem Finanzierungsinstrument sowie der diesbezüglich aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung hervorgegangenen Lösungswege.
Die Forfaitierung stellt im Zuge der Globalisierung und der damit einhergehenden Ausweitung des internationalen Handels ein an Bedeutung gewinnendes Finanzierungsinstrument für Unternehmen dar. Die Arbeit beleuchtet Inhalt, Zweck, Anwendungsfälle und -gebiete, Formen sowie Vorteile der Forfaitierung Weiterhin bietet sie neben einer zivil- und KWG-rechtlichen Einordnung einen Überblick über die Kernpunkte der technischen Abwicklung.
Gliederung
1 Factoring
1.1 Begriffsbestimmung
1.2 Funktionen und Arten des Factoring
1.2.1 Finanzierungsfunktion
1.2.2 Delkrederefunktion
1.2.3 Dienstleistungsfunktion
1.3 Formen des Factoring
1.3.1 Offenes/Halb offenes/Stilles Factoring
1.3.2 Internationales Factoring
1.4 Der Factoringvertrag
1.5 Rechtliche Einordnung in das Bürgerliche Gesetzbuch
1.6 Rechtliche Einordnung in das Kreditwesengesetz
1.7 Rechtliche Konflikte beim Factoring
1.7.1 Kollision mit dem Abtretungsverbot
1.7.2 Kollision mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt
2 Forfaitierung
2.1 Grundlagen der Forfaitierung
2.1.1 Begriffsbestimmung
2.1.2 Inhalt der Forfaitierung
2.1.3 Abgrenzung der Forfaitierung zum Export-Factoring
2.1.4 Anwendungsfälle für die Forfaitierung
2.2 Formen der Forfaitierung
2.2.1 Forfaitierung von Buchforderungen
2.2.2 Forfaitierung von Wechselforderungen
2.2.3 Forfaitierung von Akkreditivforderungen
2.3 Technische Abwicklung einer Forfaitierung
2.3.1 Form des Forfaitierungsangebots
2.3.2 Ablauf einer Forfaitierung auf Wechselbasis
2.3.3 Kosten der Forfaitierung
2.3.4 Modellrechnung
2.4 Rechtliche Einordnung der Forfaitierung
2.5 Vorteile der Forfaitierung für den Exporteur
2.6 Weitere Anwendungsgebiete für die Forfaitierung
1 Factoring
Zusammenfassung
Das Factoringgeschäft gewinnt in Deutschland – vor allem für mittelständische Unternehmen – als Kreditsubstitut zunehmend an Bedeutung. Es beinhaltet den fortlaufenden Verkauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen eines Unternehmens an eine Factoringgesellschaft, die ihrem Klienten gegenüber eine Finanzierungs-, eine Delkredere- und eine Dienstleistungsfunktion übernimmt. Nach der im Factoringvertrag festgelegten Ausgestaltung der Funktionen lassen sich verschiedene Factoringarten unterscheiden. Diese sind mit unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden. Weiterhin kann das Factoring nach dem Grad der Offenlegung der Forderungsübertragung sowie nach geografischen Gesichtspunkten differenziert werden.
Wichtige Teilgebiete des Factoring sind:
- Funktionen und Arten des Factoring
- Rechtliche Einordnung in das Bürgerliche Gesetzbuch
- Rechtliche Konflikte beim Factoring
Lernziele
Der Studierende soll
- die Funktionen und Arten des Factoring sowie ihre Auswirkungen beschreiben können.
- die Wesenszüge und wichtige Inhalte des Factoringvertrags erläutern können.
- das Factoring BGB- und KWG-rechtlich einordnen können.
- die bedeutendsten Konflikte im Zusammenhang mit dem Factoring erläutern, sowie die aus der Gesetzgebung und der Rechtsprechung hervorgegangenen Lösungswege darstellen können.
Literaturhinweise
Bette, Klaus: Factoring: Finanzdienstleistung für mittelständische Unternehmen, Köln 2001
Deutscher Factoring-Verband e.V.: Factoring in Deutschland, Mainz 2004
Larek, Emil; Steins, Ulrich: Leasing, Factoring und Forfaitierung als Finanzierungssurrogate, Köln 1999, S. 81-102
Olfert, Klaus (Hrsg.): Finanzierung, 11. Auflage, Ludwigshafen (Rhein) 2001, S. 334-338
Reischauer, Friedrich; Kleinhans, Joachim: Kreditwesengesetz: Loseblatt-Kommentar für die Praxis nebst sonstigen bank- und sparkassenrechtlichen Aufsichtsgesetzen sowie ergänzenden Vorschriften, Berlin 1963, 1. Band, § 1 KWG, S. 102-105 (Stand 02/2004)
Schwarz, Werner: Factoring, 4. Auflage, Stuttgart 2002
1.1 Begriffsbestimmung
Für den Begriff des Factoring gibt es keine rechtliche Legaldefinition. Es wird jedoch zutreffend beschrieben als der fortlaufende Ankauf von kurzfristigen Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen gegen gewerbliche Mehrfachabnehmer eines Unternehmens (Klient) durch eine Factoringgesellschaft (Factor). Vorwiegend dient es mittelständischen Unternehmen des Industrie-, Handels- und Dienstleistungssektors zum Abbau ihrer kapitalbindenden Außenstände. Die Laufzeit der Forderungen beträgt in der Regel 90-120 Tage. Das Factoring wird zum Teil von Kreditinstituten, vor allem jedoch von Tochtergesellschaften von Kreditinstituten angeboten. Die Grundlage für die Geschäftsbeziehung bildet ein mittelfristiger Vertrag, in dem die Modalitäten für die Abtretung der Forderungen an den Factor sowie eventuelle Zusatzleistungen festgelegt werden. Voraussetzungen für die Nutzung sind in erster Linie ein möglichst konstanter, fester Kreis von Dauerabnehmern und das Vorhandensein bestimmter Mindestjahresumsätze (z.B. 2 Mio. EUR p.a.), die von den Factoringgesellschaften vorgegeben werden. Nicht für das Factoring geeignet sind hingegen Forderungen, die mit hohen Gewährleistungsrisiken behaftet sind oder in Form mehrerer Abschlagszahlungen bestehen (z.B. Baugewerbe, Maschinenbauindustrie).
Seine Bedeutung erhält das Factoring unter anderem durch die internationale Entwicklung an den Kreditmärkten, die insbesondere durch Bestrebungen zur Minimierung von Kreditrisiken gekennzeichnet ist. Die Gewährung von Finanzierungsmitteln durch Kreditinstitute wird zunehmend an strengere Bonitätsanforderungen und die Stellung werthaltiger Sicherheiten geknüpft. Gleichzeitig entstehen in Unternehmen immer häufiger Liquiditätsengpässe durch Überschreitungen der eingeräumten Debitorenziele. Diese Entwicklungen veranlassen viele Unternehmen, alternative Möglichkeiten zur Finanzierung und Liquiditätsverbesserung zu erschließen. Das Factoring dient dabei als Kreditsubstitut und ermöglicht eine umsatzkongruente Finanzierung. Nachdem in der Vergangenheit wesentliche rechtliche Konflikte in seinem Zusammenhang gelöst wurden, gewinnt es auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung. So haben die zum Deutschen Factoring-Verband gehörenden führenden Factoringanbieter in Deutschland im Jahr 2003 ihren Umsatz um 16,3% gegenüber dem Vorjahr auf zusammen 35,08 Mrd. EUR gesteigert (vgl. Deutscher Factoring-Verband e.V., 2004, S. 5).
1.2 Funktionen und Arten des Factoring
Grundsätzlich übernimmt der Factor gegenüber dem Klienten eine Finanzierungs-, eine Delkredere- und eine Dienstleistungsfunktion. Abweichend von diesem sogenannten Standard-Factoring (Full-Service-Factoring) gibt es zahlreiche Ausprägungsformen, die jeweils den speziellen Bedürfnissen des Klienten Rechnung tragen sollen. Zu beachten ist jedoch, dass unter dem Begriff Factoring nur solche Vertragsverhältnisse subsummiert werden, welche die Übernahme von mindestens zwei der drei Funktionen durch den Factor beinhalten. Die folgenden Abschnitte beschreiben die Inhalte der Funktionen und die wichtigsten vom Standard-Factoring abweichenden Arten.
1.2.1 Finanzierungsfunktion
Die Finanzierungsfunktion des Factoring besteht darin, dass der Factor 80% bis 90% der an ihn abgetretenen Forderungen vor ihrem durchschnittlichen Fälligkeitstag – meist unmittelbar nach Einreichung der Rechnungskopien – an seinen Klienten überweist. Dadurch erfolgt eine Bevorschussung der Rechnungsbeträge bis zu ihrer durchschnittlichen Fälligkeit, also eine Finanzierung der den Abnehmern eingeräumten Zahlungsziele. Für die Finanzierungsfunktion erhebt der Factor Zinsen, die in ihrer Höhe in etwa den Zinsen für Kontokorrentkredite entsprechen. Die Berechnung erfolgt für die Zeit der tatsächlichen Inanspruchnahme, d.h. für den Zeitraum zwischen der Auszahlung durch den Factor und dem Geldeingang bei Bezahlung durch den Abnehmer bzw. dem Eintritt des Delkrederefalls.
Der Klient erhält durch die Freisetzung der in den Außenständen gebundenen Mittel sofortige Liquidität (Aktivtausch). Diese ermöglicht ihm auch die Annahme von Aufträgen, für die bei größeren Umsatzausweitungen keine Finanzierungsmittel zur Verfügung gestanden hätten. Werden die Factoringerlöse zur Rückführung eigener Verbindlichkeiten eingesetzt, erfolgt eine Bilanzverkürzung und damit eine Verbesserung der bilanziellen Relationen. Eine hieraus hervorgehende Erhöhung der Eigenkapitalquote und der Liquiditätskennzahlen wirkt sich positiv auf eventuelle Ratings des Unternehmens durch Kreditinstitute aus. Bei der Begleichung von Lieferantenverbindlichkeiten aus den Factoringerlösen kann der Klient Rentabilitätsvorteile durch die Ausnutzung von Skontierungsmöglichkeiten erzielen. Setzt er die freigewordenen Mittel zur Ablösung oder Reduzierung von Verbindlichkeiten mit Dauerschuldcharakter ein, deren Zinszahlungen dem Gewerbeertrag zugerechnet werden, mindert er seinen Gewerbesteueraufwand. Dieser Effekt kommt ebenfalls zum Tragen, wenn ein Unternehmen seine wachsenden Außenstände ohne das Factoring über Bankkredite finanzieren müsste, die weitere Dauerschulden begründen würden. Zudem werden im Rahmen des Factoring keine Sicherheiten des Klienten gebunden, so dass er diese ggf. anderen Kreditgebern anbieten kann. In jedem Fall gibt die zuverlässige Zahlung der Factoringerlöse dem Klienten eine erhöhte Planungssicherheit und verbessert seine Marktstellung gegenüber Lieferanten.
Eine abweichende Form der Finanzierungsfunktion besteht im sogenannten Fälligkeits- oder Maturity-Factoring. Hierbei wird im Factoringvertrag die Auszahlung des Factoringerlöses zum durchschnittlichen Fälligkeitstag der Rechnungsbeträge vereinbart. Die eigentliche Finanzierungsfunktion besteht in dem Fall lediglich in einer besseren Planungssicherheit für den Factorkunden hinsichtlich seines Cash-Managements.
Die zunächst einbehaltenen 10% bis 20% der Rechungsbeträge werden einem Sperrkonto gutgeschrieben und dienen der Absicherung des Factors gegen Mängelrügen, Warenrückgaben und mögliche Skontoziehungen durch die Abnehmer. Sie werden dem Klienten unter Verrechnung eventueller Skonti oder Preisnachlässe sowie der anfallenden Factoringkosten zur Verfügung gestellt, sobald die Abnehmer ihre Rechnungen vollständig bezahlt haben oder der Delkrederefall als eingetreten gilt.
1.2.2 Delkrederefunktion
Die Delkrederefunktion beinhaltet die regressfreie Übernahme des Ausfallrisikos für die angekauften Forderungen durch den Factor. Vor dem Abschluss des Factoringvertrags führt der Factor eine Bonitätsprüfung der entsprechenden Abnehmer durch und setzt zu jedem positiv beurteilten Abnehmer ein individuelles Limit fest. Bei Forderungsankäufen, die innerhalb dieser Limite liegen, übernimmt er das Delkredererisiko und etwaige Rechtsverfolgungskosten in vollem Umfang.
Der Vorteil der Delkrederefunktion für den Klienten liegt darin, dass sie das Zahlungsunfähigkeitsrisiko und das Kostenrisiko aus der Rechtsverfolgung für limitbezogene Forderungen vollständig abdeckt. Er selbst trägt – abgesehen von in der Delkrederefunktion nicht eingeschlossenen politischen Risiken – lediglich das Gewährleistungsrisiko. Ein bei Kreditversicherungen häufig auftretender Selbstbehalt sowie bisweilen anzutreffende Höchstjahresleistungen sind beim Factoring nicht üblich. Zudem muss der Klient den Ausfall nicht nachweisen, da der Delkrederefall kraft vertraglicher Fiktion nach Ablauf einer im Factoringvertrag festgelegten Frist (in der Regel 90-120 Tage nach Fälligkeit) als eingetreten gilt, sofern der Schuldner keine schlüssigen Einwendungen gegen seine Zahlungspflicht erhoben hat.
Im Zusammenhang mit der Delkrederefunktion wird zwischen echtem und unechtem Factoring unterschieden. Man spricht vom echten Factoring (Factoring without recourse), wenn der Factor das Delkredererisiko hinsichtlich der an ihn abgetretenen Forderungen übernimmt. Im Rahmen des unechten Factoring (Factoring with recourse) verbleibt das Ausfallrisiko hingegen beim Klienten. In diesem Fall werden die bevorschussten Außenstände unter dem Bilanzstrich als Eventualverbindlichkeiten gegenüber dem Factor ausgewiesen, während sie beim echten Factoring vollständig aus der Bilanz ausscheiden.
In Deutschland wird überwiegend (zu mehr als 90%) das echte Factoring genutzt (vgl. Bette, 2001, S. 121). Dabei spielen nicht nur wirtschaftliche Gegebenheiten, sondern auch Besonderheiten des deutschen Rechts eine Rolle. Vor allem die Konfliktlage des unechten Factoring mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt (s. Abschn. 1.7.2) haben zu dem deutlichen Übergewicht des echten Factoring geführt.
1.2.3 Dienstleistungsfunktion
Mit dem Verkauf gehen die Forderungen in das Vermögen des Factors über. Dieser ist handels- und steuerrechtlich dazu verpflichtet, die Forderungen als eigene Vermögenswerte in seiner Bilanz zu erfassen. Er übernimmt daher neben der Debitorenbuchhaltung in der Regel auch das Mahnwesen, das Inkasso, die Bonitätsprüfung und -überwachung der Abnehmer sowie die Rechtsverfolgung. Zwar erbringt er diese Leistungen bereits aufgrund gesetzlicher Verpflichtung und aus Eigeninteresse, für den Klienten hat die Ausgliederung der Tätigkeiten jedoch einen Dienstleistungscharakter. Regelmäßig werden, um einen größtmöglichen Rationalisierungseffekt herbeizuführen, die Verwaltungstätigkeiten auch für nicht angekaufte Forderungen des Klienten übernommen und um weitreichende Beratungsdienste ergänzt.
Für den Klienten birgt die Inanspruchnahme der Dienstleistungsfunktion ein Potenzial zur Personal- und Sachkosteneinsparung, da entsprechende Abteilungen teilweise oder ganz ersetzt werden können (Outsourcing). An die Stelle fixer Kosten treten umsatzabhängige Kosten. Die Tätigkeiten können durch den Factor im Vergleich zum Klienten meist besser und kostengünstiger ausgeführt werden, da er Spezialisten mit hoher Sachkenntnis einsetzt sowie über EDV-Anlagen mit spezieller Software zur rationellen Abwicklung der Tätigkeiten verfügt. Weiterhin verkürzt sich in der Regel die Debitorenlaufzeit, wodurch die Kosten der Finanzierungsfunktion sinken. Dem Klienten werden alle für den Geschäftsbetrieb benötigten Informationen zur Verfügung gestellt. Gegenüber den genannten Vorteilen beinhaltet die Übertragung der Verwaltungstätigkeiten jedoch die Gefahr, dass sich der Klient in eine gewisse Abhängigkeit begibt, da er sich personell und materiell darauf einstellt, die vom Factor bereitgestellten Leistungen selbst nicht mehr erbringen zu müssen. Zudem vermindert sich durch das Ausscheiden der Außenstände das Potenzial zur Bildung steuerunschädlicher stiller Reserven aus Wertberichtigungen.
Verzichtet der Klient auf die Dienstleistungsübernahme durch den Factor, wird das sogenannte Eigenservice-Factoring (auch: Bulk-Factoring, Inhouse-Factoring) vereinbart. Bei dieser Form führt der Klient die Debitorenbuchhaltung - treuhänderisch für den Factor - selbst und wird verpflichtet, der Factoringgesellschaft alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Der Vertrag, durch den dem Klienten die Debitorenbuchhaltung zurückübertragen wird, sieht in der Regel zum Schutz des Factors die Möglichkeit vor, dass dieser die Buchhaltung umgehend wieder übernehmen kann.
1.3 Formen des Factoring
Im Hinblick auf die Information des Abnehmers über den Forderungsverkauf sowie die daraus folgenden Zahlungswege sind die Formen des offenen Factoring, des halb offenen Factoring und des stillen Factoring zu unterscheiden. Eine besondere Form im Gegensatz zum inländischen Factoring stellt das internationale Factoringgeschäft dar.
1.3.1 Offenes/Halb offenes/Stilles Factoring
Beim offenen Factoring, das auch als notifiziertes Verfahren bezeichnet wird, informiert der Klient seinen Abnehmer über den Forderungsverkauf an den Factor. Eine schuldbefreiende Zahlung des Abnehmers ist damit, sofern kein Abtretungsverbot vorliegt (s. Abschn. 1.7.1), gemäß § 407 BGB mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den Factor möglich.
Im Wege des halb offenen Factoring weist der Klient seinen Abnehmer auf die Zusammenarbeit mit dem Factor hin, er erklärt jedoch keine Forderungsabtretung. Der Abnehmer kann daher mit schuldbefreiender Wirkung entweder an den Factor oder den Klienten Zahlung leisten.
Das stille Factoring (nichtnotifiziertes Verfahren) erfolgt ohne Bekanntgabe des Forderungsverkaufs an den Abnehmer der Ware oder Dienstleistung. Die Zahlung wird direkt an den Verkäufer geleistet und von diesem an den Factor weitergeleitet. Aufgrund der Vorteile des offenen Verfahrens, die insbesondere in der Entlastung des Klienten vom Debitorenmanagement sowie in der stärkeren Kontrollmöglichkeit des Factors durch größere Nähe zu den Debitoren bestehen, spielt das stille Verfahren in Deutschland eine untergeordnete Rolle (vgl. Bette, 2001, S. 121).
1.3.2 Internationales Factoring
Das internationale Factoring betrifft den laufenden Ankauf von kurzfristigen Forderungen aus grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsgeschäften. Die Forderungslaufzeiten sind häufig länger als im Inlands-Factoring und betragen bis zu 180 Tage. Je nachdem, ob der Factorkunde seinen Sitz im Inland oder Ausland hat, spricht man vom Export- bzw. Import-Factoring. In beiden Fällen werden die Leistungen eines Factors in Deutschland in Anspruch genommen, und zwar beim Export-Factoring durch einen inländischen Exporteur und beim Import-Factoring durch ein ausländisches Unternehmen, das seine Waren oder Dienstleistungen nach Deutschland exportiert. Das grenzüberschreitende Factoringgeschäft wird entweder direkt (One-Factor-System) oder unter Einschaltung eines Korrespondenzpartners in dem jeweiligen Land abgewickelt (Two-Factor-System).
Problematisch ist das internationale Factoring dadurch, dass jeweils geklärt werden muss, welches Recht auf die Forderung selbst und damit auch auf die Forderungsabtretung anzuwenden ist. Zudem sehen ausländische Rechtsordnungen für die Wirksamkeit von Forderungsabtretungen sehr unterschiedliche Voraussetzungen vor. Aus derartigen Gründen schuf das Internationale Institut zur Harmonisierung des Privatrechts (Unidroit) in langjähriger Zusammenarbeit mit 59 Industriestaaten der Welt die sogenannte Ottawa-Konvention. Es handelt sich dabei um ein Regelwerk zur Vereinfachung der Abtretung von Forderungen im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr. Die Konvention wurde 1988 fertig gestellt, in der Bundesrepublik Deutschland 1998 ratifiziert und gilt seit dem 1.12.1998 als integraler Bestandteil des deutschen Rechts. Neben Deutschland haben bislang jedoch nur wenige Staaten (Italien, Frankreich, Ungarn, Nigeria, Lettland) die Ottawa-Konvention in ihr nationales Recht umgesetzt.
1.4 Der Factoringvertrag
Der Factoringvertrag bildet die Grundlage für die Geschäftsbeziehung zwischen dem Factor und seinem Klienten. In ihm werden die Rechtsbeziehungen sowie Rechte und Pflichten beider Parteien geregelt. Da die Geschäftsverbindung auf eine gewisse Dauer angelegt ist, beträgt die Vertragslaufzeit meist ein bis vier Jahre. Inhaltlich unterscheiden sich Factoringverträge vielfach dadurch, dass in jedem Einzelfall besondere Vorstellungen des Kunden sowie branchen- und betriebsspezifische Gegebenheiten berücksichtigt werden können und der Umfang der in Anspruch genommenen Funktionen differiert. In den folgenden Ausführungen wird daher grundsätzlich vom Standard-Factoring ausgegangen, welches alle drei Funktionen beinhaltet.
Der Klient verpflichtet sich vertraglich, dem Factor sämtliche Forderungen aus Lieferungen und Leistungen bzw. vorab definierte, geschlossene Forderungsgesamtheiten (z.B. alle Forderungen gegen die Abnehmer des Buchstabenbereichs A-G) fortlaufend zum Kauf anzubieten. Die derart ausgestaltete Andienungspflicht dient der Risikostreuung des Factors, da der Klient keine negative Vorauswahl seiner Forderungen treffen kann. Häufig darf der Klient das Kaufangebot – durch Übersendung der Rechnungskopien an den Factor – jedoch erst nach vollständiger Erbringung der Leistungen unterbreiten, um die Einrede des nicht erfüllten Liefervertrags zu vermeiden. Die Frist, innerhalb derer der Klient an sein Kaufangebot im Sinne des § 145 BGB gebunden ist, wird im Vertrag üblicherweise konkretisiert.
Der Factor übernimmt gegenüber seinem Klienten die Verpflichtung, die angebotenen Forderungen laufend bis zu den festgesetzten Debitorenlimiten zu erwerben und gemäß den vereinbarten Bedingungen zu bezahlen. Die Gutschrift des Gegenwerts auf dem Abrechnungskonto des Klienten stellt gleichzeitig die Annahme des Kaufangebots dar, so dass gemäß § 151 Satz 1 BGB eine ausdrückliche Annahmeerklärung nicht notwendig ist. Vertraglich kann es vorgesehen sein, dass zunächst wegen Überschreitung des Limits nicht angekaufte Forderungen im Nachrückverfahren zu einem späteren Zeitpunkt erworben werden, sobald der Debitor ausreichend ältere Forderungen beglichen hat. Üblich ist zudem eine Vereinbarung, mit der sich der Factor zur Begrenzung seines Ausfallrisikos alle in Bezug auf die anzukaufenden Forderungen bestehenden Sicherungsrechte übertragen lässt, sofern diese nicht bereits kraft Gesetzes auf ihn übergehen. Vor allem betrifft dies Ansprüche aus vorbehaltenem Eigentum.
Die Erfüllung des Kaufvertrags erfolgt durch die Abtretung der Forderungen gemäß § 398 BGB und kann auf zweierlei Arten vorgesehen sein. Entweder tritt der Klient bereits im Factoringvertrag alle dem Factoringverhältnis unterliegenden Forderungen im Voraus unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung ab (globale Vorausabtretung), oder das Abtretungsangebot wird erst mit Zusendung der Rechnungskopien unterbreitet (Einzelabtretung). Die globale Vorausabtretung beinhaltet aus Sicht des Factors den Vorteil, dass Zwischenverfügungen des Klienten über die entsprechenden Forderungen gemäß § 161 Abs. 1 BGB unwirksam sind, sofern sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würden. Bei der Einzelabtretung hingegen besteht die Gefahr, dass derartige Verfügungen gegenüber der Abtretung an den Factor Vorrang haben.
Der Factor lässt sich in der Regel vertraglich Einblicke in die wirtschaftlichen Verhältnisse und vertragsbezogenen Buchungsunterlagen des Klienten zusichern und übernimmt die Verpflichtung, den Klienten fortlaufend über alle Buchungsvorgänge und Geschäftsvorfälle schriftlich zu informieren. Die Kündigungsregelungen umfassen meist eine Kündigungsfrist von drei oder sechs Monaten, mindestens jedoch einem Monat. Zudem werden die Entgelte für die Übernahme des Ausfallrisikos und des Debitorenmanagements, die in Deutschland je nach Aufwand und Risiko zur Zeit zwischen 0,5% und 2,5% der Rechungsbeträge liegen (vgl. Deutscher Factoring-Verband e.V., 2004, S. 2), sowie der Zinssatz für die Bevorschussungen festgelegt. Eine Kostenbeteiligung für die laufende Bonitätsprüfung ist entweder im Factoringentgelt enthalten oder wird getrennt in Rechnung gestellt. Als Besonderheit gegenüber einer klassischen Warenkreditversicherung legen die Vertragsparteien beim Factoring fest, dass der Delkrederefall mit Ablauf einer bestimmten Frist – in der Regel 90 bis 120 Tage nach Fälligkeit – als eingetreten gilt, sofern der Debitor keine Einwendungen erhoben hat. Mit Ablauf dieser Frist endet regelmäßig auch die Zinspflicht des Kunden.
Der Factoringvertrag begründet, sofern das Delkredererisiko vom Factor übernommen wird, kein Dauerschuldverhältnis im Sinne der gewerbesteuerrechtlichen Vorschriften. Die vom Klienten zu entrichtenden Zinsen erhöhen nicht den Gewerbeertrag, da sie kein Entgelt für die Überlassung von Kapital darstellen, sondern als sonstige Aufwendungen auszuweisen sind. Ob hingegen das unechte Factoring den Charakter eines Dauerschuldverhältnisses hat, ist nicht endgültig geklärt. Die Finanzämter vertreten hier unterschiedliche Meinungen (vgl. Schwarz, 2002, S. 128/129).
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- Arbeit zitieren
- Silke Theilen (Autor:in), 2004, Factoring und Forfaitierung - ein Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80801
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