„Vor dem Hunger ist keine Gesellschaft moralisch geschützt, denn die Not kann die Menschen dazu treiben, schlechthin alles zu essen, was ihnen unter die Finger kommt.“
Wie das Einstiegszitat bereits vermuten lässt, ist dieses Kapitel jener Form der Anthropophagie gewidmet, die das Verzehren anderer Menschen aufgrund einer extremen Nahrungsmittelknappheit zum Thema hat. In solchen Notlagen schien das Leben der Menschen offenbar so sehr gefährdet, dass der einzige „Ausweg“, nicht Hungers sterben zu müssen, der Abstieg zu barbarischen Kannibalismusakten war.
Bei der Beschäftigung mit diesem Thema soll weniger die Frage nach der Authentizität der Berichte zu Kannibalismusfällen im Vordergrund stehen als vielmehr die Analyse der Reaktionen zu einigen Vorfällen. Hierzu stützt sich die Arbeit auf einschlägige Beispiele, die eine breite Palette an möglichen Reaktionen verzeichnen. Die Beispiele werden unter anderem den Umgang mit der Sünde, Schuldabwendungen und -zuweisungen, sowie Rechtfertigungsversuche beziehungsweise Verurteilungen von Moralisten, Theologen und Juristen behandeln.
Ein Großteil der Forschungsliteratur zum Thema Kannibalismus widmet sich dem so genannten „rituellen“ Kannibalismus: Darunter fallen unter anderem Werke von Ewald Volhard, William Arens oder Heidi Peter-Röcher. Gute Einblicke zum Themengebiet des Kannibalismus, die sowohl auf profane wie auch rituelle Kannibalismusformen eingehen, bieten die Werke von Hedwig Röckelein, Daniel Fulda und Piero Camporesi.
Informationen zu einzelnen Kannibalismusvorfällen zu finden, gestaltet sich teilweise schwer. Im Fall des belagerten Dijon, in dem es im Jahre 1513 zu einem Kannibalismusfall kam, konnte der Sachverhalt erst einige Jahre später in den Gerichtsakten zu Mühlhausen nachgewiesen werden – und in diesem Fall ist der Historiker gezwungen, einzig und allein auf das wahrheitsgemäße Geständnis des Verurteilten zu vertrauen. Zu der Belagerung der Stadt Sancerre im Jahre 1573 erweisen sich die Aufzeichnungen des Augenzeugen und Leidensgenossens Jean de Léry als sehr hilfreich. Nicht nur in seinem Werk „Histoire memorable de la ville de Sancerre“, in dem der Autor direkt auf die grausamen Geschehnisse während der Belagerung eingeht, erfährt man von kannibalischen Handlungen. Die traumatisch erlebte Belagerung wird von de Léry auch in einem anderen Werk, in „Histoire d’un voyage“, verarbeitet.
Inhaltsverzeichnis
Hungerkannibalismus
Die Belagerung von Dijon
Die Belagerung von Sancerre
Der Dreißigjährige Krieg
Die Zweifelsfrage im 17. Jahrhundert
Der Untergang der Mignonette
Der Flugzeugabsturz in den Anden
Schlussbetrachtung
Literatur
Quellen
Weblinks
Hungerkannibalismus
„Vor dem Hunger ist keine Gesellschaft moralisch geschützt, denn die Not kann die Menschen dazu treiben, schlechthin alles zu essen, was ihnen unter die Finger kommt.“[1]
Wie das Einstiegszitat bereits vermuten lässt, ist dieses Kapitel jener Form der Anthropophagie gewidmet, die das Verzehren anderer Menschen aufgrund einer extremen Nahrungsmittelknappheit zum Thema hat. In solchen Notlagen schien das Leben der Menschen offenbar so sehr gefährdet, dass der einzige „Ausweg“, nicht Hungers sterben zu müssen, der Abstieg zu barbarischen Kannibalismusakten war.
Bei der Beschäftigung mit diesem Thema soll weniger die Frage nach der Authentizität der Berichte zu Kannibalismusfällen im Vordergrund stehen als vielmehr die Analyse der Reaktionen zu einigen Vorfällen[2]. Hierzu stützt sich die Arbeit auf einschlägige Beispiele, die eine breite Palette an möglichen Reaktionen verzeichnen. Die Beispiele werden unter anderem den Umgang mit der Sünde, Schuldabwendungen und -zuweisungen, sowie Rechtfertigungsversuche beziehungsweise Verurteilungen von Moralisten, Theologen und Juristen behandeln.
Ein Großteil der Forschungsliteratur zum Thema Kannibalismus widmet sich dem so genannten „rituellen“[3] Kannibalismus: Darunter fallen unter anderem Werke von Ewald Volhard[4], William Arens[5] oder Heidi Peter-Röcher[6]. Gute Einblicke zum Themengebiet des Kannibalismus, die sowohl auf profane wie auch rituelle Kannibalismusformen eingehen, bieten die Werke von Hedwig Röckelein[7], Daniel Fulda[8] und Piero Camporesi[9].
Informationen zu einzelnen Kannibalismusvorfällen zu finden, gestaltet sich teilweise schwer. Im Fall des belagerten Dijon, in dem es im Jahre 1513 zu einem Kannibalismusfall kam, konnte der Sachverhalt erst einige Jahre später in den Gerichtsakten zu Mühlhausen nachgewiesen werden – und in diesem Fall ist der Historiker gezwungen, einzig und allein auf das wahrheitsgemäße Geständnis des Verurteilten zu vertrauen. Zu der Belagerung der Stadt Sancerre im Jahre 1573 erweisen sich die Aufzeichnungen des Augenzeugen und Leidensgenossens Jean de Léry[10] als sehr hilfreich. Nicht nur in seinem Werk „Histoire memorable de la ville de Sancerre“, in dem der Autor direkt auf die grausamen Geschehnisse während der Belagerung eingeht, erfährt man von kannibalischen Handlungen. Die traumatisch erlebte Belagerung wird von de Léry auch in einem anderen Werk, in „Histoire d’un voyage“, verarbeitet. Während man bei den ersten beiden Ausführungen auf die Darstellungen einzelner Autoren angewiesen ist, häufen sich die Belege für Kannibalismusvorfälle zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Mit besonderem Augenmerk auf der Stadt Augsburg widmet sich Bernd Roeck[11] in mehreren Monographien dem Geschehen, das bedauerlicherweise auch das Verzehren von Leichenfleisch beinhaltet. Des Weiteren erschien 1996 eine Edition des Tagebuchs aus dem Dreißigjährigen Krieg von Maurus Friesenegger[12], das ergänzend zu anderen Darstellungen, etwa denen von Georg Greflinger[13] oder Johann Peter Kayser[14], Aufschluss und Bestätigung der geschilderten Vorfälle gewährt. Zur dubitatio treffen die Meinungen eines Athenagoras[15] mit deren eines Menochio[16], Azpilcueta[17] oder Sa[18] aufeinander. Während Athenagoras Kannibalismus unter allen Umständen für unzulässig erachtet, wägen die anderen genannten Theologen die Vorfälle unter der Berücksichtung eines Notfalles ab. Diese Diskussion um die Definition eines Notfalles ereignet sich wiederum im Jahre 1884 beim Seeunglück der Mignonette. Informationen angefangen vom Untergang über die Reaktionen der Öffentlichkeit bis hin zum Gerichtsurteil bietet die Monographie A. W. Brian Simpsons[19], auf die sich viele spätere Publikationen berufen. Selbst von scharfen Kritikern wird Simpsons allseitige Nachforschung anerkannt[20]. Der Flugzeugabsturz in den Anden im Jahre 1972 dient als neuestes Beispiel zum Notkannibalismus; die Zeitschrift „Der Spiegel“ leistet unter anderem einen Beitrag dazu, das schreckliche Ereignis einer breiten Leserschaft publik zu machen und beeinflusst somit teilweise die Reaktion auf diese Kannibalismusvorfälle. Als Ausblick wird am Ende der Arbeit auf den heutigen Notstandsartikel im Strafgesetzbuch verwiesen.
Die Belagerung von Dijon 1513
Als Einstieg zu den Kannibalismusdiskursen setzt diese Arbeit im Jahre 1513 an, in dem Dijon, die alte Hauptstadt der Herzöge von Burgund, belagert wurde. Die Schweizer hatten das Ziel der Wiedereroberung Burgunds und damit der Plünderung seiner Hauptstadt im Visier. Zusammen mit ihren Verbündeten, darunter der Herzog Ulrich von Württemberg, kreisten die Schweizer am 8. September 1513 die Stadt von allen vier Seiten ein.
Obwohl der Angriff der Schweizer vorausgesehen wurde und Dijon dementsprechend knapp einen Monat davor eine Massenversorgung hatte organisieren können, war die Stadt letztendlich doch nur für einen Handstreich, weniger aber für eine längerfristig andauernde Belagerung gerüstet[21].
Dank der Verhandlungskunst des Statthalters Louis de la Trémoille, dem die Unzufriedenheit auf Seiten der Soldaten, die im ausstehenden Sold begründet lag, zu Ohren gekommen war und der diese Informationen geschickt ausnutzte[22], schwächte er die Belagerung so weit, dass ein Einnehmen der Stadt nicht mehr möglich war. Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages am 13. September 1513 endete die Belagerung.
Durch die Belagerung der Stadt verursachten die Schweizer „ein grossen hunger darinnen“[23]. Dieser Hunger trieb Nicola Schante angeblich dazu, unter Beihilfe seines Bruders seine eigene Mutter umzubringen. Anschließend habe er ihr „fleisch an den waden und sonst wo es fleischechttig gewesen heraußgeschnitten“[24] und sie „rho, wie die hundt auf dem wasen gefressen“[25]. Die Leiche der Mutter hätten die Geschwister in Leintücher gewickelt und ihr nach der Belagerung ein Begräbnis zukommen lassen, allerdings unter Vortäuschung falscher Tatsachen, dass sie eines natürlichen Todes gestorben sei[26].
Über Reaktionen auf das Verbrechen ist nichts bekannt – zumal die Tat damals von den Brüdern „vertuscht“ wurde. Hinweise zum Umgang mit der Schuld findet man erst zwölf Jahre später, als der 24-jährige Nicola in Mühlhausen verhört wurde. Darauf, dass es sich bei dem jungen Mann aber keineswegs um einen unbescholtenen Bürger handelte, der lediglich einmal ein Verbrechen aus Not begangen hatte, weisen die gerichtlichen Mordbrennerakten hin, in denen Nicola neben dem Verbrechen des Kannibalismus Delikte unter anderem der Brandstiftung, des Diebstahls und des Raubmordes zu verschulden hatte[27]. Allerdings muss man bei solchen Akten skeptisch sein, wenn der Angeklagte wie in diesem Fall eine so große Zahl von schweren Verbrechen bekannte: Folterungen waren keineswegs eine seltene Methode um Geständnisse zu erzwingen[28]. Da allerdings der Kannibalismus – wie anhand der üblicherweise verzeichneten Strafen zu sehen ist - ein eher ungewöhnliches Verbrechen war,[29] kann angenommen werden, dass sich die von Nicola gestandene Tat wirklich auf diese Weise zugetragen haben könnte. Warum er allerdings trotz der nur kurzen Belagerung solch gravierende Schritte wie die Tötung und das Verspeisen der eigenen Mutter unternommen hatte, bleibt unklar. Vielleicht trieb der Hunger, gepaart mit der Unsicherheit über die Dauer der Belagerung, den jungen Mann zu diesem Verbrechen.
Trotz seines kriminellen Charakters hatte Nicola das Verbrechen an seiner Mutter drei Jahre vor Beginn der Gerichtsverhandlungen gebüßt, indem er drei „Winter ohn ein hembt“[30] verbrachte und sein Verbrechen somit offenkundig bereute.
Das Vergehen des Kannibalismus war zu jener Zeit auch in äußerster Not eine Tabuverletzung. Nicola Schante konnte sich von dem Makel der Schuld durch die entsprechende Bußleistung lösen; oftmals fehlten jedoch solche Reinigungsrituale, die den geläuterten und vor allem durch die Buße geheilten Sündern die Wiederaufnahme in die Gesellschaft hätten ermöglichen können[31]. Somit konnten die in Sünde gefallenen Menschen „ohne gesellschaftlich akzeptiertes Sühneritual ihre Schuld nicht büßen“[32]. „Das verletzte Tabu rächt sich [dabei] selbst“[33]: wer demnach ein Tabu verletzt hatte, somit selbst tabu geworden ist, wird durch die Gesellschaft bestraft. Von der Sünde loslösen kann sich der Mensch erst durch Bußhandlungen und Reinigungszeremonien[34]. Weshalb jedoch Bußleistungen im Fall der Anthropophagie selten „angeboten wurden“[35], ist unklar.
Die Belagerung von Sancerre 1573
Während die Belagerung von Dijon nur wenige Tage angedauert hatte[36], fand in Frankreich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine sehr viel tiefer greifende Bedrohung durch die Glaubens- beziehungsweise die Hugenottenkriege statt. Im Folgenden wird, entgegen der Fokussierung der Forschungsliteratur auf die Geschehnisse der Bartholomäusnacht, das Schicksal der kleinen Stadt Sancerre an der Loire in den Blickpunkt gerückt.
Bekannt ist, dass die Protestanten, die sich auf der Flucht vor den Katholiken befanden und sich in Sancerre zurückgezogen hatten, im Jahre 1573 systematisch von ihren Glaubensgegnern ausgehungert wurden[37]. Der Zustand der Eingeschlossenheit in der Stadt Sancerre zwang die Menschen in ihrer Verzweiflung zum Verzehr von Exkrementen[38] und, falls der Begriff einer Steigerung hier gerechtfertigt ist, sogar dazu, dass „durant le siege il fera que les meres mangeront leurs enfans“[39]. So weiß Jean de Léry, ein Zeuge der Belagerung von Sancerre, in seiner Anklageschrift von 1574 zu berichten, dass ein kleines Mädchen im Sommer 1573 von seinen Eltern durch „male rage de faim“[40] zerfleischt und verschlungen wurde[41].
Zu Recht kann man bei de Lérys Werk von einer Anklageschrift sprechen, denn der Autor schiebt ganz offensichtlich den Katholiken die Schuld für die Sündenfälle zu. Schließlich seien es die Katholiken gewesen, die sie, in diesem Fall die Protestanten, in jene abscheuliche Lage manövriert hätten. Astrid Wendt vergleicht die von Jean de Léry beschriebenen Verhältnisse in Brasilien mit der Lage im eigenen Land und folgert, dass „das, was die Katholiken im Laufe der Religionskriege den Protestanten angetan hätten, [...] bei weitem das [übertreffe], was die Tupinamba ihren Feinden zufügten“[42]. Das heißt, dass die Katholiken durch den Vergleich mit „den Wilden“ eine durchweg negative Stigmatisierung erfahren.
Deutlich weisen die Protestanten die begangenen Verbrechen, wie die Kannibalismusfälle, und damit auch die Schuld von sich. Aus Hass, vielleicht auch aufgrund von Gerüchten oder Tatsachen, ging man so weit, den Katholiken ebenfalls den Vorwurf der Menschenfresserei nachzusagen. Dem Papst wurde nachgesagt, er ernähre sich von umgebrachten Protestanten; Priester brieten anscheinend Hugenotten und verkauften deren Leiber meistbietend an die Bevölkerung[43]. Solche Darstellungen sind offensichtlich höchst polemisch und an deren Wahrheitsgehalt darf wohl berechtigterweise gezweifelt werden.
Eine andere Form der Diffamierung findet man im Angriff auf die von den Katholiken praktizierte und geglaubte Transsubstantiation, der Umwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Ab Innozenz III. (1198–1216) wurde festgelegt, dass bei der Messe das Brot wirklich der Leib Christi sei und die Verwandlung nicht nur symbolischen Gehalt besäße[44]. Das heiligste Ritual, wonach die Hostie definitiv Sein Leib wird, stellt, so Davies, einen Akt „selbstverkündeten Kannibalismus“[45] dar. „In the eucharist God’s body was said to be eaten, blood, flesh and all […] just as Christians had once accused pagans of cannibalistic ecxesses”[46] ; die tabuisierten Handlungen, die einst den Heiden zugeschrieben wurden, sind ein charakteristisches Ritual der Christen selbst geworden, in dem sie beim Empfang der Hostie als dem Leib Christi einen, drastisch ausgedrückt, kannibalischen Akt vollziehen. „Schließlich war diese göttliche Speise der einzige lebendige Menschenleib, den man ungestraft und ohne Abscheu zu sich nehmen konnte“[47].
Jean de Léry spielt auf die„kannibalischen Neigungen der ‚Papisten’“[48] an, wenn er meint, dass die Katholiken „vouloyent neantmoins [...] manger la chair de Iesus-Christ, [...] ils vouloyent mascher & avaler toute cruë“[49]. Neben dem Vorwurf des rituellen Kannibalismus trifft man auf eine zusätzliche Einteilung der Anthropophagie. Die Katholiken werden durch die Bemerkung, dass sie eben das Fleisch roh verschlingen würden, als noch verabscheuungswürdiger empfunden. In der rohen Form der Menschenfresserei zeige sich der „schlechte“ beziehungsweise barbarische Kannibalismus der Katholiken[50].
Selbst wenn die eingeschlossenen Protestanten versuchten, die Schuld am Elend den Katholiken zuzuschieben, so gab es auch Interpretationen, die besagten, dass die Menschheit den Zorn Gottes auf sich gezogen hätte[51]. De Léry schreibt vom „jugement de Dieu“[52], vermutlich die Antwort und Züchtigung auf den „mespris des graces de Dieu“[53], als Strafe also für die angebliche Verachtung Gottes.
Der Dreißigjährige Krieg
Wie in Frankreich die Hugenottenkriege, so sorgte auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation der als Religionskrieg angefangene Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert für Elend und Zerstörung. Anhand der Stadt Augsburg sollen im weiteren Verlauf der Arbeit exemplarisch einige Kannibalismusfälle aufgezeigt werden. Dass Kannibalismus auch in anderen Städten und Dörfern, die durch den Krieg in Mitleidenschaft und Not geraten waren, existierte, kann leicht durch glaubhafte Quellenberichte verifiziert werden[54].
[...]
[1] Lévi-Strauss, Claude: Traurige Tropen, Frankfurt/M. 1955, S. 355.
[2] Vgl. Fulda, Daniel: „Wann wir die Menschfresser nicht in Afrika oder sonsten/sondern vor unser Hausthür suchen müssen“. Hungeranthropophagie im Dreißigjährigen Krieg und der europäische Kannibalismusdiskurs, in: Röckelein, Hedwig (Hrsg.): Kannibalismus und europäische Kultur (Forum Psychohistorie, 6), Tübingen 1996, S. 145–150. Der Autor bietet einen Überblick über die Mediennetze, in denen man auf Andeutungen und Beschreibungen von Kannibalismusfällen stoßen kann. Allerdings wird zur Vorsicht geraten, Kannibalismusdarstellungen in den Quellen vorbehaltlos zu übernehmen. Neben durchaus glaubwürdigen Schilderungen, die etwa mit Erschrecken und Trauer über die Verbrechen im eigenen Land schreiben und in denen teilweise um Hilfe und Beistand gebeten wird, gibt es auch Berichte, die gewisse Tendenzen verfolgen. Bei Feindesdarstellungen in Kriegen beispielsweise muss vorsichtig mit angeblichen wahren gräulichen Taten „der Anderen“ umgegangen werden.
[3] Der Begriff des rituellen Kannibalismus dient lediglich als Unterscheidungsmerkmal zum Hungerkannibalismus. Nach Ewald Volhard ist der rituelle Kannibalismus neben dem gerichtlichen, dem profanen und dem magischen nur eine Form von Anthropophagie. Wie die Unterscheidungen zwischen den Unterarten im Speziellen zu treffen sind, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Um allerdings Missverständnissen im Hinblick auf den profanen Kannibalismus vorzubeugen, sei vermerkt, dass Volhard darunter versteht, dass in einer solchen Kategorie „zwischen Menschenfleisch und irgendeinem anderen Nahrungsmittel kein erkennbarer Unterschied“ bestünde. Volhard, Ewald: Kannibalismus (Studien zur Kulturkunde, Bd. 5), Stuttgart 1939, S. 374.
[4] Volhard: Kannibalismus.
[5] Arens, William: The Man-Eating Myth. Anthropology & Anthropophagy, New York 1979.
[6] Peter-Röcher, Heidi: Kannibalismus in der prähistorischen Forschung. Studien zu einer paradigmatischen Deutung und ihren Grundlagen (Universitätsforschung zur prähistorischen Archäologie, 20), Bonn 1994: Heidi Peter-Röcher betreibt insofern „rituelle Kannibalismusforschungen“, weil sie unter anderem der Frage auf den Grund geht, ob es tatsächlich Kannibalismusfälle gab oder ob es sich bei den Behauptungen nicht um reine Projektionen handele, die der Vorstellung des „bösen Wilden“ gerecht würden. Hungerkannibalismus hingegen ist als Fakt in der Geschichte nachweisbar und fällt nicht in das spezielle Arbeitsgebiet der Autorin.
[7] Röckelein, Hedwig: Einleitung – Kannibalismus und europäische Kultur, in: Röckelein, Hedwig (Hrsg.): Kannibalismus und europäische Kultur, Tübingen 1996.
[8] Fulda, Daniel: „Wann wir die Menschfresser nicht in Afrika oder sonsten/sondern vor unser Hausthür suchen müssen“. Hungeranthropophagie im Dreißigjährigen Krieg und der europäische Kannibalismusdiskurs, in: Röckelein, Hedwig (Hrsg.): Kannibalismus und europäische Kultur, Tübingen 1996.
[9] Camporesi, Piero: Das Brot der Träume. Hunger und Halluzination im vorindustriellen Europa, aus d. Ital. von Karl F. Hauber, Frankfurt/Main 1990.
[10] Léry, Jean de: Histoire mémorable de la ville de Sancerre, [o. O.], 1574 sowie Histoire d’un voyage fait en la Terre du Bresil, autrement dite Amerique, [o.O.] 41600.
[11] Roeck, Bernd: Als wollt die Welt schier brechen. Eine Stadt im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. München 1991 sowie Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität. Teilbd. 1 (Schriftenr. d. Hist. Komm. bei d. Bayer. Akad. d. Wiss., Bd. 37) Göttingen 1989.
[12] Friesenegger, Maurus: Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg, hrsg. von P. Willibald Mathäser, München 1996.
[13] Greflinger, Georg alias Celadon: Der Deutschen Dreyßig-Jähriger Krieg, [o.O.] 1657.
[14] Kayser, Johann Peter: Historischer Schau=Platz der Alten berühmten Stadt Heydelberg, Frankfurt am Mayn 1733.
[15] Athenagoras von Athen: Bittschrift an die Christen, übersetzt von P. Anselm Eberhard, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, Bd. 1 (Bibliothek der Kirchenväter, hrsg. von O. Bardenhewer, Th. Schermann, K. Weymann, Bd. 12), Kempten, München 1913, S. 259-375.
[16] Menochio, Joanne Stephano: Nutzliche und sehr gelehrte Zeitvertreibung, Augsburg 1699.
[17] Azpilcueta, Martin: Enchiridion sive manuale confessariorum ac poenitentium, Antwerpen 1589.
[18] Sa, Emanuela: Aphorismi confessariorum ex doctorum sententijs collecti, Köln 1612.
[19] Simpson, A. W. Brian: Cannibalism and the Common Law. The Story of t Tragic Last Voyage of the Mignonette and the Strange Legal Proceedings to Which It Gave Rise, Chicago/London 1984.
[20] Vgl. Rasor, Eugene L.: Kommentar zu Cannibalismus and the Common Law von Simpson, in: The American Historical Review, Vol. 90, No. 2 (Apr. 1985), S. 417 unter: http://www.jstor.org, letzter Aufruf am 30.10.2006.
[21] Vgl. http://philippe.houndry.free.fr/Eprints/SiegeDijon1513_DEU.pdf; letzter Aufruf am 28. März 2006.
[22] Vgl. Gras, Pierre: Histoire de Dijon, Toulouse 1987, S. 106.
[23] [Mb 72] AMMUL, VIII O, Bd. 3 (18.3. u. 3.4. ohne Jahr, nach Repertoriumseintrag 1565), zitiert nach Spicker-Beck, Monika: Räuber, Mordbrenner, umschweifendes Gesind. Zur Kriminalität im 16. Jahrhundert (Rombach Wissenschaft, Reihe Historiae, 8), Freiburg 1995, S. 48, Anm. 127.
[24] Siehe Anm. 23.
[25] Siehe Anm. 23.
[26] Siehe Anm. 23.
[27] Siehe Spicker-Beck, Monika: Räuber, Mordbrenner, umschweifendes Gesind. Zur Kriminalität im 16. Jahrhundert (Rombach Wissenschaft, Reihe Historiae, 8), Freiburg 1995, S. 359.
[28] Siehe Spicker-Beck, Monika: Mordbrennerakten. Möglichkeiten und Grenzen der Analyse von Folterprozessen des 16. Jahrhunderts, in: Häberlein, Mark (Hrsg.): Devianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne. Studien zu Konflikten im südwestdeutschen Raum (15.–18. Jahrhundert) (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 2), Konstanz 1999, S. 57-58.
[29] Siehe Spicker-Beck, 1995, S. 47-48 und S. 333-361, im Speziellen unter Berücksichtigung des vierten Punktes, der die Art der Delikte auflistet.
[30] Siehe Anm. 23.
[31] Vgl. Röckelein: Einleitung, S. 12.
[32] Röckelein: Einleitung, S. 12.
[33] Freud, Sigmund: Totem und Tabu (Gesammelte Werke, Bd. 9), London 1940, S. 28.
[34] Vgl. Freud: Totem und Tabu, S. 29.
[35] Röckelein: Einleitung, S. 12.
[36] Vgl. http://www.lexhist.ch/externe/protect/textes/d/D8895.html; letzter Aufruf am 4. April 2006.
[37] Vgl. Wendt, Astrid: Kannibalismus in Brasilien. Eine Analyse europäischer Reiseberichte und Amerika-Darstellungen für die Zeit zwischen 1500 und 1654 (Europäische Hochschulschriften, XIX, Volkskunde, Ethnologie, Bd. 15), Frankfurt am Main [u. a.] 1989, S. 108.
[38] Vgl. Wendt: Kannibalismus, S. 108.
[39] Léry, Jean de: Histoire mémorable de la ville de Sancerre, [o. O.], 1574, S. 146.
[40] Lestringant, Frank: Catholique et cannibales. Le thème du cannibalisme dans le discours protestant au temps des guerres de religion, in: Pratiques et discours alimentaires à la Renaissance (Actes du colloque de Tours de mars 1979. Centre d’études supérieures de la Renaissance), Paris 1982, S. 233.
[41] Vgl. Lestringant, Frank: Jean de Léry ou L’invention du sauvage. Essai sur l’Histoire d’ un voyage faict en la terre du Bresil (Études et Essais sur la Renaissance, 62), Paris 2005, S. 115.
[42] Wendt: Kannibalismus, 1989, S. 108. Zum Vergleich der Verhältnisse in Sancerre mit denen in Brasilien siehe auch Lestringant, Frank: Le Huguenot et le Sauvage. L’Amérique et la controverse coloniale, en France, au temps des guerres de Religion (1555-1589), Genf 32004, S. 86.
[43] Vgl. Wendt: Kannibalismus, S. 108.
[44] Vgl. Davies, Nigel: Opfertod und Menschenopfer. Glaube, Liebe und Verzweiflung in der Geschichte der Menschheit, Düsseldorf/Wien 1981, S. 192.
[45] Davies: Opfertod und Menschenopfer, 1981, S. 192, vgl. dazu auch Vorwürfe zur Hostienschändung im zweiten Teil der Arbeit.
[46] Rubin, Miri: Corpus Christi. The Eucharist in Late Medieval Culture, Cambridge 1991, S. 360.
[47] Rubin, Miri: Der Körper der Eucharistie im Mittelalter, in: Schreiner, Klaus/Schnitzler, Norbert: Gepeinigt, begehrt, vergessen: Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, hrsg. von Klaus Schreiner und Norbert Schnitzler, München 1992, S. 34.
[48] Wendt: Kannibalismus, S. 108.
[49] Léry, Jean de: Histoire d’un voyage fait en la Terre du Bresil, autrement dite Amerique, [o. O.] 41600, S. 78.
[50] Vgl. www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/489/pdf/kannibalen.pdf; letzter Aufruf am 3. April 2006.
[51] Vgl. www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/489/pdf/kannibalen.pdf; letzter Aufruf am 3. April 2006.
[52] Léry, Histoire memorable, S. 146.
[53] Zitiert nach Lestringant: Catholique et cannibales, S. 234.
[54] Siehe hierzu Delumeau, Jean: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 1, übersetzt aus dem Französischen von Monika Hübner, Gabriela Konder und Martina Roters-Burck, Reinbeck bei Hamburg 1985, S. 231.
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.