Der oft als Schlagwort verwendete Begriff El Niño beschreibt eine Reihe von atmosphärisch- ozeanischen Abläufen, welche sich im Pazifikraum abspielen aber weltweite Auswirkungen haben. Nach der Definition des "Scientific Comittee on Oceanic Research" der Unesco spricht man von El Niño, wenn ungewöhnlich warmes Wasser an der Pazifikküste bis mindestens Lima (12°S) auftritt und die Wassertemperatur an der Meeresoberfläche an mindestens drei von fünf Küstenstationen zwischen Talara in Nordperu und Callao über wenigstens vier Monate die langjährige Durchschnittstemperatur um mehr als eine Standardabweichung überschreitet. Für ein schwaches Ereignis bedeutet das eine Temperaturdifferenz von etwa 1-2°C, für ein starkes bis zu 12°C. Diese räumlich begrenzte Definition wird heute allgemein in den größeren Rahmender ENSO (El Niño/Southern Oscillation) gestellt, seit erkannt wurde, dass El Niño vor Peru nur ein kleiner, wenn auch wichtiger, Teilaspekt eines weltumspannenden Vorgangs ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Ursachen und Definition
1.1- Einleitung
1.2- Strömungs- und Luftdruckveränderungen
1.3- Geschichtlicher Überblick
2. Gegenwärtiger Stand der Forschung
2.1- Wie oft, wie stark und seit wann tritt El Niño auf?
2.2- Auswirkungen auf das Klima und Wechselwirkung mit dem Anthropogenen Treibhauseffekt
2.3- Datengewinnung
2.4- Verschlimmert sich El Niño?
2.5- Aktuelle Entwicklung
3. Auswirkungen und Gegenmaßnahmen
3.1- Klimakatastrophen und gesundheitliche Folgen
3.2- Ökosystem
3.3- Wirtschaftliche Folgen und Präventionsmaßnahmen
3.5- Potential Economic Benefits von besseren Vorhersagen
4. Schlussbemerkung
5. Quellenangaben
1. Ursachen und Definition
1.1 Einleitung
Der oft als Schlagwort verwendete Begriff El Niño beschreibt eine Reihe von atmosphärischozeanischen Abläufen (siehe Abb.1.1 zum Vergleich), welche sich im Pazifikraum abspielen aber weltweite Auswirkungen haben. Nach der Definition des „Scientific Comittee on Oceanic Research“ der Unesco spricht man von El Niño, wenn ungewöhnlich warmes Wasser an der Pazifikküste bis mindestens Lima (12°S) auftritt und die Wassertemperatur an der Meeresoberfläche an mindestens drei von fünf Küstenstationen zwischen Talara in Nordperu und Callao über wenigstens vier Monate die langjährige Durchschnittstemperatur um mehr als eine Standardabweichung überschreitet. Für ein schwaches Ereignis bedeutet das eine Temperaturdifferenz von etwa 1-2°C, für ein starkes bis zu 12°C. Diese räumlich begrenzte Definition wird heute allgemein in den größeren Rahmender ENSO (El Niño/Southern Oscillation) gestellt, seit erkannt wurde, dass El Niño vor Peru nur ein kleiner, wenn auch wichtiger, Teilaspekt eines weltumspannenden Vorgangs ist [1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1.1[2]
Diese Erwärmung hat besonders fatale Folgen für das marine Ökosystem und dadurch für die Fischereiindustrie vor Südamerika aber auch Fernwirkungen, die in ihren Ausmaßen erst nach und nach deutlich werden.
Die peruanischen Fischer nannten dieses wiederkehrende Klimaphänomen “Corriente del Niño” (Christkind-Strömung). Die Fischer beobachteten, dass sich regelmäßig um die Weihnachtszeit herum die kühlem Gewässer des Humboldtstromes durch eine warme Strömung aus dem Golf von Guayaquil erwärmten, während sich gleichzeitig die Zusammensetzung ihrer Fänge veränderte. In der Literatur wurde dieser Einstrom tropischer Wassermassen das erste Mal von Carranza (1891) im Boletín de la Sociedad Geográfica de Lima erwähnt. Erst einige Jahrzehnte später wurde ein Zusammenhang zwischen den Regengüssen im Landesinneren und der Erwärmung des Wassers erkannt und der Begriff El Niño dafür benutzt. Seit dem Ereignis der Jahre 1957-58 ist der Begriff in diesem Sinne in der Ozeanographischen Literatur weltweit verankert.[3] Diese natürliche Klimaanomalie ist aber nicht von uns Menschen gemacht, denn El Niño hat seine Spuren auch in archäologischen Stätten hinterlassen.
Zum Beispiel fand man an der Mündung des Moche-Flusses in Peru Spuren von zwei großen Überschwemmungen. Eine um das Jahr 1100 und eine noch stärkere um das Jahr 700 herum. Aber erst seit 500 Jahren sind durch die Spanier El Niño-Ereignisse durch schriftliche Überlieferungen bekannt.
Die negativen Auswirkungen eines El Niño sind am einprägendsten: Flutkatastrophen, vermehrte Wirbelstürme, Trockenheit und Buschfeuer in Australien um nur einige zu nennen. El Niño hat aber nicht nur negative Auswirkungen, sondern bringt auch eine ganze Reihe positiver Entwicklungen mit sich. Bei dem El Niño von 1982-83 zum Beispiel erholten sich die Algenbestände vor der Küste Südamerikas sehr rasch, und gelangten zu nie beobachteter Dichte. Garnelen und wertvolle Speisefische wanderten aus tropischen Gebieten in das Auftriebsgebiet des Humboldtstroms ein und versorgten die Küstenbevölkerung mit Eiweiß zu Dumpingpreisen, lokale Pilgermuscheln, ansonsten eine teure Delikatesse, vervielfachten ihren Bestand und dehnten ihn bis ins Flachwasser aus.
1.2 Strömungs- und Luftdruckveränderungen
Unter normalen Bedingungen (oberes Bild in Abb.1.1) bestimmt ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet vor der Küste Südamerikas und ein beständig wehender Südostpassat das Klima dieser Region. Durch die Passatwinde, die im Bereich des Äquators von Osten nach Westen wehen, wird kühles Oberflächenwasser von der südamerikanischen Küste nach Westen getrieben. Das sich aufwärmende Oberflächenwasser „türmt“ sich im West Pazifik so dass die Meeresoberfläche bei Indonesien etwa 40 cm höher ist als an der Küste von Ecuador. Die Oberflächentemperatur ist im Westen auch ungefähr 8°C höher als im Osten. Durch die Verschiebung der Wassermassen entsteht ein Kreislauf. Dem in Südostasien ankommenden in- zwischen erwärmten Oberflächenwasser weicht kaltes Wasser in genau umgekehrter Richtung aus. So bewegt sich kaltes, nährstoffreiches Wasser, welches sich wegen seiner größeren Dichte in tieferen Regionen des Pazifiks befindet, von Westen nach Osten. Vor Südamerikas Westküste gelangt dieses kalte, nährstoffreiche Wasser in den Auftriebsgebieten an die Oberfläche (Humboldtstrom) und versorgt verschiedene marine Ökosysteme mit Nahrung, ermöglicht aber auch eine bedeutende Fischfangindustrie.
Diese Wasserzirkulation wird durch eine Luftzirkulation überlagert. Die Südostpassatwinde, die in Richtung Südostasien wehen, sind ein wichtiger Bestandteil davon. Die unterschiedlichen Oberflächentemperaturen im tropischen Pazifik sind der Grund dafür. In Normaljahren steigt die Luft über dem von starker Sonneneinstrahlung erwärmten Oberflächenwasser vor Indonesien auf und es entsteht ein Tiefdruckgebiet in dieser Region. In dieser Tiefdruckzone treffen Südost- und Nordostpassat zusammen (Konvergenz), wo die Luftmassen durch Erwärmung zum Aufsteigen gezwungen werden. Das führt zu starker Wolkenbildung und kräftigen Regenfällen und ist eine Voraussetzung für den Monsun und Wirbelstürme, die in diesen Gebieten recht häufig vorkommen. Vor Südamerika ist dagegen normalerweise ein relativ stabiles Hochdruckgebiet. Durch eine hohe Westwindströmung werden die Luftmassen aus dem Tief in die Richtung des Hochs getrieben, sinken dort ab und strömen am Boden wieder auseinander (Divergenz). Das Hoch entsteht, weil sich darunter kaltes Oberflächenwasser befindet, welches die Luft zum Absinken veranlasst.[4]
Bei diesen Vorgängen ist auch die Wirkung der Erdrotation (Corioliskraft) zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um eine Kraft, die auf der Nordhalbkugel alle sich bewegenden Luftmassen nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links ablenkt. Durch ihre Wirkung bewegen sich die Luftmassen nicht direkt vom hohen zum niedrigen Druck, sondern senkrecht zum Druckgefälle. Der großräumige meridionale Temperaturgradient führt so zu einer Zirkulation entlang den Breitenkreisen, die sich unter anderem in Form der Westwinddrift manifestiert. Ferner kommt es zur Ausbildung von Zellen mit einer vertikalen Achse, bekannt als Hoch- und Tiefdruckgebiete.[5]
Die Stärke der Corioliskraft ist bedingt durch die geographische Breite, sie erreicht ihr Maximum an den Polen und geht am Äquator gegen Null. Diese Abhängigkeit ist die Ursache des Wellencharakters der planetarischen Wellen. Sie treten im Ozean und in der Atmosphäre auf und können Bewegungsenergie über große Entfernungen übertragen. Damit liefern sie einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Fernwirkungen, auch Teleconnections genannt, im Laufe eines El Niño.[6]
Die Verringerung der Corioliskraft zum Äquator hin ermöglicht dort eine spezielle Luftbewegung, die Walkerzirkulation. Sie verläuft parallel zum Äquator vom hohen zum niedrigen Druck, ohne von der Corioliskraft abgelenkt zu werden. Dabei hängt die für die Walkerzirkulation notwendige Luftdruckverteilung im wesentlichen von den Wassertemperaturen ab und damit auch von den Auswirkungen der Corioliskraft auf die Wasserbewegung. Die Corioliskraft lenkt im Meer die Wasserbewegung auf der Nordhalbkugel nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links, was zu einer spiralförmigen Tiefenabhängigkeit der Wasserbewegung, der sogenannten „Ekmanspirale“ führt. An der Oberfläche liegt die Strömungsrichtung 45° zum Wind, während sich in der sogenannten Ekmanntiefe, die je nach Windstärke und geographischer Breite zwischen 40 und 100 m liegt, die Strömungsrichtung um 180° gedreht hat. Wenn der Wind an der peruanischen Küste beispielsweise nach Norden weht, dann wird das oberflächennahe Wasser nach Westen in den offenen Pazifik getrieben.[7]
Durch den ablandigen Ekmantransport entsteht vor der Küste eine Vertiefung der Meeresoberfläche und ein Druckgefälle zur Küste hin. Durch die gleichmäßig wehenden Passatwinde besteht dieses Druckgefälle über einen längeren Zeitraum und die Corioliskraft bewirkt die Ausbildung einer Strömung senkrecht zur Küste (z.B. der Humboldtstrom). Ändert sich der Wind, so reagiert der Ozean darauf in Form von großräumigen Wellen. Im äquatorialen Ozean wird die Oberflächenneigung dabei von den Kelvinwellen, einem besonderen Wellentyp, übertragen. Diese Wellen sind mit Meeresspiegelschwankungen verbunden. Um eine Veränderung der Höhe des Meeresspiegels zwischen Indonesien und Südamerika zu übertragen, benötigt eine Kelvinwelle ungefähr zwei Monate.[8]
Sir Gilbert Walker fand heraus, dass Luftdruckveränderungen in Südamerika und im IndoAustralischen Gebiet über mehrere Jahre hinweg gegenläufig verliefen und veröffentlichte dieses Phänomen „Southern Oscillation“ (SO) im Jahr 1924. Da er aber keine Erklärung für die Zusammenhänge geben konnte, wurde seinen Ideen damals nur wenig Beachtung geschenkt.
Der norwegische Meteorologe Bjerknes erkannte 1969 den Zusammenhang zwischen Fluktuationen in der Atmosphäre und im Ozean. Dadurch konnte er die SO nicht nur beschreiben, sondern auch erklären. Bjerknes formulierte eine Hypothese zur atmosphärischen Zirkulation in den Tropen, die auf der Beobachtung beruht, dass der östliche tropische Pazifik relativ kalt ist, da er durch den Küstenauftrieb mit kaltem Wasser versorgt wird. Dadurch ist auch die Luft dort relativ kalt und trocken. Durch eine vorherrschende Luftströmung in den Westen wird sie erwärmt, nimmt zunehmend Feuchtigkeit auf und steigt auf. Ein Teil davon strömt polwärts ab (Hadleyzelle). Der andere Teil strömt in der Höhe dem Äquator entlang nach Osten zurück und sinkt dort wieder ab („Walkerzirkulation“)
(Die Pfeile in der ersten Abbildung zeigen die normale Walkerzirkulation im pazifischen Ozean zwischen dem warmen Wasser im Westen und dem kalten Wasser im Osten im Januar 1997. In der zweiten Abbildung (März 1998) hat das Fehlen eines normalerweise vorhandenen Temperaturunterschiedes zwischen Westen und Osten zum Zusammenbruch der Walkerzirkulation geführt. Im Vergleich zu normalen Jahren führte das zu weniger Wolken im Westen und mehr Wolken im Osten (dadurch auch mehr Unwetter im Osten) während des El Niño von 1998.)[9]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1.2
Der Zusammenhang zwischen SO und El Niño besteht in folgendem Mechanismus: Ein kräftiges Hoch in den Subtropen ist verbunden mit starken Passaten. Diese wiederum verursachen durch kräftigen Auftrieb vor der südamerikanischen Küste und am Äquator niedrige Temperaturen an der Meeresoberfläche. Sind diese Bedingungen besonders ausgeprägt, so spricht man von La Niña. Kalte Oberflächentemperaturen im östlichen Teil des Pazifik verstärken die Walkerzirkulation, was zu weniger Niederschlägen und einem geringeren Luftdruck im westlichen Teil des Pazifik, zum Beispiel auf Polynesien führt. Gleichzeitig führt die Abschwächung der Hadleyzelle zu einer Luftdruckabnahme im subtropischen Hoch und damit zu einer Abschwächung der Passate, der Küstenauftrieb nimmt in der Folge ab und es kommt zu einer Temperaturerhöhung des Ozeans. Diese Temperaturerhöhung entspricht dem Anfang eines El Niño. Der Anstieg der Temperatur schwächt die Walkerzirkulation und sorgt auf diese Weise für einen fallenden Luftdruck im westlichen Teil des Pazifik. Gleichzeitig wird die Hadley- zirkulation intensiviert und das Subtropenhoch wird verstärkt. Der Zyklus ist geschlossen.
Ein „klassischer“ El Niño (also ein Ereignis mit nicht starkem oder sehr starkem Verlauf) hat einen relativ gleichmäßigen Verlauf mit einem klaren Bezug zur jahreszeitlichen Wassertemperatur und dem Wasserstand im Pazifik. Während eines El Niño treten normalerweise Abweichungen vom Temperaturverlauf von November bis Februar des Folgejahres um mehr als 2°C im östlichen Pazifik auf, die sich im Verlauf dieser Zeit nach Westen ausdehnen. Im Westen ist ein Minimum des Wassergangs mit 20 cm unter dem durchschnittlichen Jahreswert während der Monate Dezember und Januar zu beobachten. Im östlichen Teil des Pazifik bewirkt El Niño lediglich eine Verstärkung des jahreszeitlichen Ganges mit den gleichen Phasen wie in Jahren ohne einen El Niño.[10]
[...]
[1] Vgl. Arntz, Wolf E., Fahrbach, Eberhard: El Niño, Klimaexperiment der Natur, S. 7.
[2] N.N: Online Publikation der National Oceanic & Atmospheric Administration, Teil der El Niño Theme Page.
[3] Vgl. Enfield, D.B.: Is El Niño becomming more common?, S. 23-27.
[4] Vgl. Wolf E. Arntz, Eberhard Fahrbach: El Niño, Klimaexperiment der Natur, S. 12.
[5] Wolf E. Arntz, Eberhard Fahrbach: El Niño, Klimaexperiment der Natur, S. 12.
[6] Vgl. Henry F. Diaz u.a.: Enso Variability, Teleconnections And Climate Change, S.1845-1846.
[7] Vgl. Wolf E. Arntz, Eberhard Fahrbach: El Niño, Klimaexperiment der Natur, S. 15.
[8] Vgl. Kasang, Dieter: El Niño - In normalen Jahren.
[9] Chris Rink, Julia Cole: NASA Langley Research Center Press Release No. 01-122.
[10] Vgl. Wolf E. Arntz, Eberhard Fahrbach: El Niño, Klimaexperiment der Natur, S. 33.
- Arbeit zitieren
- Martin Wienand (Autor:in), 2002, El Niño. Ursachen, Auswirkungen und wirtschaftliche Folgen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8039
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