Abstract
Jeder kennt die suggestive und evokative Kraft, die Metaphern in einem Dialog oder Text haben können. Verwendet jemand gute bildhafte Vergleiche, ist man leichter geneigt, sich von etwas überzeugen zu lassen oder seine Zustimmung zu bekunden. Metaphern genießen somit einen Ruf als sprachliches Stilmittel. Was aber ist, wenn Metaphern nicht als rhetorisches Werkzeug betrachtet werden, sondern als organisierendes Prinzip menschlichen Denkens und Verstehens? Genau mit dieser Fragestellung, welche die Psychologie und die Kognitionsforschung berührt, beschäftigen sich Lakoff und Johnson (1998: 7):
„Wer auch immer denkt, strukturiert den Kosmos seines Bedeutungsuniversums durch Metaphern; er denkt über etwas nach, schiebt andere Gedanken beiseite, gibt seinen Ideen eine Form oder hängt sie an einem Punkte auf oder verwendet eine Perspektive. Manchmal sehen wir klar und blicken durch, dann aber tappen wir wieder im Nebel. Ideen sprudeln oder versiegen. Selbst in den harten Wissenschaften spricht man mit Bildgebungen aus körperlicher und sinnlicher Erfahrung von den Schenkeln eines Dreiecks oder vom Zellkern oder vom Atomkern.“1
„Philosophy in the flesh“ ist Titel des dritten Kapitels und gleichzeitig Titel des Buches von Lakoff und Johnson (1999), das nach einem ideengeschichtlichen Rückblick den Hauptbezugspunkt meiner Arbeit bildet. Deshalb werde ich in diesem Kapitel die in dem genannten Buch vorgestellte kognitive Metaphertheorie nicht nur zusammenfassen, sondern auch die neurobiologischen Grundlagen miteinbeziehen, auf die sich ihre Theorie stützt.
Im Kapitel „Anthropology in the flesh“ wird die Metaphertheorie auf bereits bestehende ethnologische Theorien angewendet. Darüber hinaus steht die Frage im Vordergrund, welche Konsequenzen eine Epistemologie, die Körper und Geist als Einheit denkt, für die Ethnologie hat. Das ist deshalb so wichtig, weil sich aus einer Erkenntnistheorie das eigene Selbst- und Weltbild ableitet, das wiederum als Verstehensgrundlage fremder Lebenswelten dient. Clifford Geertz fasst unser westliches Selbstbild treffend zusammen:
„Die abendländische Vorstellung von der Person(…) erweist sich(…) im Kontext der anderen Weltkulturen als eine recht sonderbare Idee“ (Geertz 1987: 294).
Mit dem Schlußkapitel „Rock ’n’ Roll“ möchte ich selbst eine Metapher vorschlagen, welche die Ergebnisse dieser Arbeit illustriert und die als Verständnisgrundlage für ein weniger sonderbares Selbst- und Weltbild dienen könnte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschichtlicher Überblick
- Kognition/Kognitionswissenschaft
- Metapher
- „Philosophy in the flesh”
- ,,Anthropology in the flesh”
- Methodische Vorgehensweise
- Ethnologische Theorien im Licht der kognitiven Metaphertheorie
- Evolutionismus
- Funktionalismus/Strukturfunktionalismus
- Exkurs: Entwicklungspsychologie/Jean-Piaget
- Hermeneutische Ansätze/Clifford Geertz und Hans-Georg Gadamer
- Ein poststrukturalistischer Ansatz/Pierre Bourdieu
- Implikationen bezüglich Methode, Praxis und Selbstverständnis der Ethnologie
- ,,Rock 'n' Roll“ – Eine Schlussmetapher
- Quellennachweise
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit den Implikationen der kognitiven Metaphertheorie von George Lakoff und Mark Johnson für die Ethnologie. Sie analysiert, wie die Theorie, die Körper und Geist als Einheit betrachtet, die Grundlagen der Ethnologie und ihre Methoden beeinflussen kann.
- Der Einfluss der kognitiven Metaphertheorie auf das Verständnis von Kognition und Metapher
- Die Bedeutung der Körper/Geist-Dualität in der Ethnologie
- Die Kritik an der klassischen Erkenntnistheorie der Aufklärung
- Die Anwendung der kognitiven Metaphertheorie auf verschiedene ethnologische Theorien
- Die Konsequenzen der kognitiven Metaphertheorie für die ethnologische Methode, Praxis und das Selbstverständnis
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in das Thema ein und stellt die Problematik der klassischen Erkenntnistheorie der Aufklärung sowie die Rolle der Metapher in der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung dar. Im zweiten Kapitel wird ein geschichtlicher und philosophischer Überblick über die Entwicklung der Kognitionswissenschaft gegeben, wobei der Fokus auf der Stellung der Metapher in der Wissenschaftsgeschichte und in der Ethnologie liegt. Das dritte Kapitel widmet sich der kognitiven Metaphertheorie von Lakoff und Johnson, deren neurobiologischen Grundlagen und deren Bedeutung für die Überwindung der Körper/Geist-Dualität. Der vierte Abschnitt untersucht die Implikationen der kognitiven Metaphertheorie für die Ethnologie, analysiert verschiedene ethnologische Theorien im Licht der Theorie und beleuchtet die Konsequenzen für die Methode, Praxis und das Selbstverständnis der Ethnologie.
Schlüsselwörter
Kognitive Metaphertheorie, Ethnologie, Körper/Geist-Dualität, Erkenntnistheorie, Evolutionismus, Funktionalismus, Strukturfunktionalismus, Hermeneutik, Poststrukturalismus, Methode, Praxis, Selbstverständnis.
- Quote paper
- Magister Artium Martin Schneider (Author), 2003, Anthropology in the flesh - Implikationen der kognitiven Metaphertheorie von George Lakoff und Mark Johnson für die Ethnologie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80305