„Die demographische Zeitenwende“ , wie sie Birg in seiner gleichnamigen Bestandaufnahme und Erörterung zum Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa diskutiert, hat bereits seit den vergangenen Jahrzehnten in nahezu allen entwickelten Ländern eingesetzt. Im westeuropäischen Vergleich wird jedoch deutlich, dass die Fertilitätsziffer in Deutschland, neben Italien, Spanien und Griechenland, am stärksten gesunken ist. Während in den geburtsstärksten Jahrgängen der 1960er Jahre noch ein Spitzenwert von durch-schnittlich 2,5 Kindern pro Frau geboren wurde, sank die Geburtenziffer in den letzten Jahrzehnten auf durchschnittlich 1,37 Kinder pro Frau.
Die Konsequenzen des demographischen Wandels in Deutschland, so belegen zahlreiche Studien, wurden bereits für beinahe alle gesellschaftlichen Bereiche, wie zum Beispiel für die Sozialversicherungen, das Bildungssystem und für den Arbeitsmarkt, sichtbar. Im Zuge dessen geriet die Notwendigkeit der Einflussnahme einer bevölkerungspolitisch sowie sozialpolitisch motivierten Familienpolitik immer stärker ins öffentliche Bewusstsein und in den politischen Diskurs. Als zentrale familienpolitische Herausforderung wird hierbei die Schaffung institutioneller Rahmenbedingungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt. Hauptgründe hierfür sind einerseits der hohe Anteil von rund einem Drittel zeitlebens kinderlos bleibender Frauen und andererseits der deutliche Einbruch der Erwerbsbeteiligung von Müttern mit betreuungsbedürftigen Kindern gegenüber einer relativ hohen Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne Kinder. Ein europäischer Vergleich macht jedoch deutlich, dass eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen und Müttern durchaus mit einer hohen Fertilitätsziffer einhergehen kann, so zum Beispiel in Schweden und Frankreich. Beide Länder gelten europaweit als “Vorzeigestaaten“ mit dem stärksten familienpolitischen Engagement zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Ausgehend von der Annahme, dass es in Schweden und Frankreich gegenüber Deutschland gelingt, mit einer vereinbarkeitsfördernden Familienpolitik die Erwerbsquote von Müttern als auch die Fertilität auf einem hohen Niveau zu halten, ist es Ziel der vorliegenden Arbeit, die Frage zu beantworten, mit welchen familienpolitischen Maßnahmen in Frankreich und Schweden im Vergleich zu Deutschland eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht wird, um somit das generative Verhalten der Bevölkerung positiv zu beeinflussen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Fertilität und Erwerbstätigkeit im Vergleich zwischen Frankreich, Schweden und Deutschland
2.1 Fertilitätsziffern
2.2 Erwerbstätigenquote von Frauen und Männern ohne betreuungsbedürftige Kinder
2.3 Erwerbstätigenquoten von Frauen und Männern mit einem betreuungs- bedürftigen Kind
2.4 Erwerbtätigenquote von Frauen und Männern mit zwei oder mehr betreuungsbedürftigen Kindern
2.5 Reale und gewünschte Erwerbsmuster in Frankreich und Deutschland
2.6 Zusammenfassende Bewertung
3. Familienpolitische Maßnahmen zur Geburtenförderung in Frankreich, Schweden und Deutschland
3.1 Einkommenssteuerberechnung
3.2 Erziehungsfreistellung und Einkommensersatzleistungen im Vergleich
3.2.1 Elternzeit
3.2.2 Einkommensersatzleistungen während der Elternzeit
3.2.3 Zusammenfassende Bewertung der Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld im Ländervergleich
3.3 Struktur und Dichte außerfamiliärer Kinderbetreuungseinrichtungen
3.3.1 Betreuung von Kindern im Alter zwischen null und drei Jahren
3.3.2 Betreuung von Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren
3.3.3 Zusammenfassende Bewertung der außerfamiliären Kinderbetreu- ungseinrichtungen im Ländervergleich
4. Bewertung der familienpolitischen Maßnahmen hinsichtlich ihres Einflusses auf das generative Verhalten im Kontext der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
5. Fazit
6. Anhang
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Die demographische Zeitenwende“[1], wie sie Birg in seiner gleichnamigen Bestands-aufnahme und Erörterung zum Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa diskutiert, hat bereits seit den vergangenen Jahrzehnten in nahezu allen entwickelten Ländern eingesetzt.[2] Im westeuropäischen Vergleich wird jedoch deutlich, dass die Fertilitätsziffer[3] in Deutschland, neben Italien, Spanien und Griechenland, am stärksten gesunken ist. Während in den geburtsstärksten Jahrgängen der 1960er Jahre noch ein Spitzenwert von durchschnittlich 2,5 Kindern pro Frau geboren wurde, sank die Geburtenziffer in den letzten Jahrzehnten auf durchschnittlich 1,37 Kinder pro Frau.[4] Unter Berücksichtigung der steigenden Anzahl der Sterbefälle bei einer kontinuierlich niedrigen Fertilität prognostiziert die elfte koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden einen Bevölkerungsrückgang von 82,4 Millionen auf 69 bis 74 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050.[5]
Die Konsequenzen des demographischen Wandels in Deutschland, so belegen zahlreiche Studien, wurden bereits für beinahe alle gesellschaftlichen Bereiche, wie zum Beispiel für die Sozialversicherungen, das Bildungssystem und für den Arbeitsmarkt, sichtbar.[6] Im Zuge dessen geriet die Notwendigkeit der Einflussnahme einer bevölkerungspolitisch sowie sozialpolitisch motivierten Familienpolitik immer stärker ins öffentliche Bewusstsein und in den politischen Diskurs. Als zentrale familienpolitische Herausforderung wird hierbei die Schaffung institutioneller Rahmenbedingungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt.[7] Hauptgründe hierfür sind einerseits der hohe Anteil von rund einem Drittel zeitlebens kinderlos bleibender Frauen[8] und andererseits der deutliche Einbruch der Erwerbsbeteiligung von Müttern mit betreuungsbedürftigen Kindern gegenüber einer relativ hohen Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne Kinder.[9] Diese negative Korrelation zwischen der Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern sowie dem generativen Verhalten verleitet zu der Annahme, dass der „biographische Freiheitszuwachs“[10] der Frau hinsichtlich Familie und Beruf durch eine “Entweder-Oder-Entscheidung“ begrenzt zu sein scheint. So wird in diesem Zusammenhang auch häufig argumentiert, […] dass die Fruchtbarkeit zurückgeht, [wenn] der Zeitaufwand für die Betreuung des Kindes vor allem zu Lasten der Mutter geht und diese es [daraufhin] oft vorzieht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.“[11] Ein europäischer Vergleich macht jedoch deutlich, dass eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen und Müttern durchaus mit einer hohen Fertilitätsziffer einhergehen kann, so zum Beispiel in Schweden und Frankreich. Beide Länder gelten europaweit als “Vorzeigestaaten“ mit dem stärksten familienpolitischen Engagement zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit.[12] Eine vereinbarkeitsfördernde Familienpolitik, so wird häufig argumentiert, zeichne sich insbesondere dadurch aus, dass sie einerseits Familien - im Speziellen Mütter – zur eigenen zeitlich begrenzten Übernahme der Betreuung des Kindes befähigt und dass sie andererseits mittels der Schaffung außerfamiliärer Betreuungsmöglichkeiten die Mutter von ihren Betreuungsaufgaben entlastet.[13] Ausgehend von der Annahme, dass es in Schweden und Frankreich gegenüber Deutschland gelingt, mit einer vereinbarkeitsfördernden Familienpolitik die Erwerbsquote von Müttern als auch die Fertilität auf einem hohen Niveau zu halten, ist es Ziel der vorliegenden Arbeit, die Frage zu beantworten, mit welchen familienpolitischen Maßnahmen in Frankreich und Schweden im Vergleich zu Deutschland eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht wird, um somit das generative Verhalten der Bevölkerung positiv zu beeinflussen.
Die folgende Analyse der Familienpolitik Frankreichs, Schwedens und Deutschlands ist in drei Abschnitte gegliedert: Zu Beginn wird ein Vergleich der weiblichen Erwerbsintegration und der Fertilität der drei Länder vorgenommen, um das Erwerbsverhalten von Müttern mit einem betreuungsbedürftigen Kind oder mehreren mit dem Erwerbsverhalten von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder in Abhängigkeit mit der länderspezifischen Fertilitätsziffer in Relation zueinander setzen zu können, mit dem Ziel, die Faktoren “Kind“ und “Erwerbstätigkeit“ in ihrer wechselseitigen Wirkungsweise auf nationaler Ebene beschreiben zu können. Zeigt sich, dass die wechselseitige Einflussnahme beider Faktoren besonders hoch zu sein scheint, wie beispielsweise bei einer sinkenden Erwerbsbeteiligung von Müttern bei steigender Anzahl von Kindern in einem Haushalt, kann von einer geringen Institutionalisierung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in dem entsprechenden Land ausgegangen werden. Spiegelbildlich verhält es sich, wenn sich die genannten Faktoren nur geringfügig wechselseitig beeinflussen.
Anschließend wird im zweiten Abschnitt zunächst eine Auswahl jener familienpolitischen Maßnahmen getroffen, die sowohl einen beschäftigungs- als auch bevölkerungspolitisch wirksamen Einfluss haben könnten. In den Focus der Betrachtung rücken dabei die geldwerten Leistungen, also direkte und indirekte Transferzahlungen, die zeitwerten Anrechte mit geldwerten Ersatzleistungen sowie die sachwerten Leistungen in Frankreich, Schweden und Deutschland. Inwiefern diese Einflussnahmen hinsichtlich des generativen Verhaltens und der Erwerbstätigkeit von Müttern als positiv oder negativ zu bewerten sind, zeigt sich anschließend unter Betrachtung der Ausgestaltung der länderspezifischen familienpolitischen Maßnahmen.
In der dritten Phase erfolgt eine zusammenfassende Auswertung der nationalen familienpolitischen Regelungen hinsichtlich ihres Einflusses auf das generative Verhalten im Kontext der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um begründen zu können, warum es Frankreich und Schweden gegenüber Deutschland gelingt, sowohl die Fertilitätsziffer als auch die weibliche Erwerbsbeteiligung auf einem deutlich höheren Niveau zu halten. Die Arbeit endet mit einem Fazit.
Sowohl die grafischen Darstellungen der Fruchtbarkeitsziffern und der verschiedenen Erwerbsquoten von Frauen und Müttern als auch die Tabellen hinsichtlich der Gegenüberstellungen der unterschiedlichen familienpolitischen Regelungen in den drei Ländern befinden sich im Anhang am Ende der vorliegenden Arbeit.
2. Fertilität und Erwerbstätigkeit im Vergleich zwischen Frankreich, Schweden und Deutschland
Im vorliegenden Kapitel werden sowohl die länderspezifischen Fertilitätsziffern als auch die Erwerbstätigenquoten von Frauen ohne Kinder, von Müttern mit einem betreuungsbedürftigen Kind und von Müttern mit zwei oder mehr betreuungsbedürftigen Kindern näher beleuchtet, um aufzeigen zu können, ob und inwiefern sich die Faktoren “Kind“ bzw. “Kinder“ und “Erwerbstätigkeit“ in den einzelnen Ländern einander wechselseitig beeinflussen.
2.1 Fertilitätsziffern
Die Fertilitätsziffern sowie deren Entwicklungstendenzen vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2005 in Frankreich, Schweden und Deutschland finden sich in Abbildung 1. Es wird deutlich, dass die Fertilität in Frankreich mit durchschnittlich 1,94 Kindern pro Frau am höchsten und die in Deutschland mit durchschnittlich 1,34 Kindern pro Frau am geringsten ist. Der Hauptgrund für die niedrige durchschnittlich Geburtenzahl pro Frau in Deutschland liegt, so Birg, in der Tatsache begründet, dass rund ein drittel aller Frauen zeitlebens kinderlos bleiben. Demgegenüber ist die lebenslange Kinderlosigkeit in Frankreich deutlich geringer.[14] Die Fertilitätsziffer Schwedens bildet hierbei jedoch keinen Mittelwert, sondern liegt mit durchschnittlich 1,77 Kindern pro Frau noch weit über jener Deutschlands. Des Weiteren belegen die dargestellten Zahlen, dass die Fertilität sowohl in Frankreich als auch in Schweden in den Jahren zwischen 2000 und 2005 gestiegen sind, während diese in Deutschland, wenn auch nur geringfügig, sank.
Ungeachtet dieser Tatsachen lässt sich für alle drei Staaten feststellen, dass die jeweiligen Fertilitätsziffern unter dem, laut Birg, erforderlichen Niveau von durchschnittlich 2,1 Kindern pro Frau für die Reproduktion und den Erhalt der Gesellschaft liegen.[15]
Der Wandel des generativen Verhaltens in westlichen Industriestaaten und der Rückgang der Fertilität, wie beispielsweise in Deutschland, werden in Politik und Wissenschaft vielfältig interpretiert. So seien laut Birg die Gründe hierfür unter anderem auf die „Expansion des biographischen Entscheidungsraumes“[16] zurückzuführen sowie auf die wachsenden Anforderungen an die Flexibilität und Mobilität des Individuums in einer modernen Wirtschaftsgesellschaft, die die Bereitschaft zur Übernahme einer langfristigen Verantwortung hemmen.[17] Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Lewis, indem sie den Wandel des generativen Verhaltens als Ausdruck fortschreitender Individualisierung konstatiert und argumentiert, dass die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und die wohlfahrtsstaatliche Absicherung eine weibliche finanzielle Unabhängigkeit zur Folge hat, wodurch die Entscheidung zur Gründung einer Familie weniger als ökonomische Notwendigkeit sondern vielmehr als eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung gesehen wird.[18] Zudem führen langfristige Erwerbsunterbrechungen aufgrund der Fürsorge- und Betreuungspflichten gegenüber Kindern zur Reduktion der Anrechte an Ersatzeinkommen aus der Sozialversicherung.[19] Andererseits, so betont Althammer, gehen mit langen Erwerbspausen eine Entwertung der betriebsspezifischen Qualifikation und des erworbenen Wissens einher, wodurch die Wiedereingliederung von Müttern auf dem Arbeitsmarkt erschwert wird.[20]
Ausgehend von den Argumenten Birgs und Lewis´, dass sich die wachsende Erwerbs-tätigkeit der Frauen ohne Kinder negativ auf die Fertilität auswirke, ließe sich für die zu untersuchenden Länder unter Berücksichtigung der jeweiligen Fertilitätsziffern also vermuten, dass die weibliche Erwerbsbeteiligung in Deutschland gegenüber jener in Frankreich und Schweden am höchsten ist, da Deutschland die geringste Fertilität aufweist. Demgegenüber müsste die Erwerbsquote der Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder in Frankreich am niedrigsten ausfallen und in Schweden zwar geringer als jene in Frankreich, jedoch deutlich höher als in Deutschland. Ob diese Annahmen den tatsächlichen weiblichen Erwerbsmustern in den drei Ländern entsprechen, wird im Folgenden untersucht. Mit Hilfe der Darstellungen der Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder, der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit einem betreuungsbedürftigen Kind sowie jener von Frauen mit zwei oder mehr betreuungsbedürftigen Kindern soll aufgezeigt werden, welchen Einfluss Kinder im Allgemeinen und die Anzahl von Kindern in Paarhaushalten im Speziellen auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen und Mütter in Frankreich, Schweden und Deutschland haben.
2.2 Erwerbstätigenquote von Frauen und Männern ohne betreuungsbedürftige Kinder
Um klären zu können, ob und inwiefern die weibliche Erwerbsbeteiligung einen Einfluss auf die Fertilität in Frankreich, Schweden und Deutschland hat, werden zunächst die länderspezifischen Erwerbsquoten von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder untersucht. Diese sind Abbildung 2 zu entnehmen.[21]
Der Vergleich der Erwerbstätigenquoten der Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder in den drei Ländern zeigt, dass in Schweden die Erwerbsbeteiligung von Frauen mit 82% und ohne geschlechtsspezifischen Unterschied am höchsten ausfällt. Demgegenüber weist Frankreich mit 74% die geringste Erwerbstätigenquote von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder auf. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder in Deutschland liegt mit 5 Prozentpunkten unter Schweden und mit 3 Prozentpunkten über Frankreich. Sowohl für Deutschland als auch für Frankreich belegen die dargestellten Zahlen eine verhältnismäßig hohe geschlechtsspezifische Diskrepanz in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern.
Vor diesem Hintergrund kann also festgehalten werden, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder in Deutschland, nicht wie in Kapitel 2.1 vermutet wurde, im Vergleich zu den beiden anderen Ländern am höchsten ausfällt. Folglich lässt sich zunächst auch kein positiver Zusammenhang zwischen einer geringen Fertilität und einer sehr hohen Erwerbsquote von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder für Deutschland feststellen. Demgegenüber entspricht jedoch die Annahme, die Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder in Frankreich fällt im Vergleich zu Deutschland und Schweden am geringsten aus, der Tatsache. Im Vergleich zu Deutschland wirkt dieser positive Zusammenhang zwischen hoher Fertilität und geringer weiblicher Erwerbsbeteiligung in Frankreich jedoch sehr schwach, da die Fertilitätsziffer in Frankreich gegenüber Deutschland sehr hoch ist, während die weibliche Erwerbsquote mit lediglich 3 Prozentpunkten unter jener in Deutschland liegt. Überraschend ist die Feststellung, dass Schweden die vergleichsweise höchste weibliche Erwerbsbeteiligung hat. Auf den ersten Blick scheint es, als stünden die hohe Fertilität und die hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne Kinder in keinerlei Wechselbeziehung zueinander.
2.3 Erwerbstätigenquoten von Frauen und Männern mit einem betreuungs-bedürftigen Kind
Die Darstellung der Erwerbstätigenquote von Frauen und Männern mit einem betreu-ungsbedürftigen Kind in Abbildung 3 zeigt, welchen Einfluss bereits ein Kind in Paarhaushalten auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Frankreich, Schweden und Deutschland hat. Auf den ersten Blick wird deutlich, dass in Frankreich die Erwerbsquote der Frauen mit einem betreuungsbedürftigen Kind jener der Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder entspricht und dass die Erwerbsbeteiligung von Müttern eines betreuungsbedürftigen Kindes in Schweden lediglich mit einem Prozentpunkt unter der von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder liegt. In Deutschland ist die Erwerbsquote von Frauen mit einem betreuungsbedürftigen Kind mit 70% die verhältnismäßig geringste im Drei-Länder-Vergleich. Darüber hinaus zeigt sich, dass der Unterschied zwischen der Erwerbsquote von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder und jener der Frauen mit einem betreuungsbedürftigen Kind in Deutschland mit sieben Prozentpunkten gegenüber Frankreich und Schweden am größten ist.[22]
Eine geschlechtsspezifische Diskrepanz in den Erwerbsquoten von Frauen und Männern mit einem betreuungsbedürftigen Kind lässt sich in allen drei Ländern feststellen. Die verhältnismäßig geringste geschlechtesspezifische Diskrepanz in Schweden lässt sich auf die steigende Erwerbsbeteiligung von Männern mit einem betreuungsbedürftigen Kind zurückführen.[23] Hingegen stieg in Deutschland die geschlechtsspezifische Differenz zwischen den Erwerbsquoten von Frauen und Männern mit einem betreuungsbedürftigen Kind gegenüber jenen von Frauen und Männern ohne betreuungsbedürftige Kinder von 8 auf 22 Prozentpunkte, sodass das Vorhandensein eines Kindes scheinbar dazu führt, dass sich weitaus mehr Paarhaushalte für eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung entscheiden als Paarhaushalte ohne Kinder. Der Blick nach Frankreich zeigt, dass sich die Höhe der geschlechtsspezifischen Diskrepanz zwischen den bislang betrachteten Erwerbsquoten nicht veränderte, so dass nicht das Vorhandensein eines Kindes als Ursache hierfür angegeben werden kann.
Folglich scheint es, dass in Deutschland bereits ein Kind Paarhaushalte dazu veranlasst, das Modell der männlichen Versorgerehe, wenn gegebenenfalls auch nur temporär, zu leben.[24] Demgegenüber zeigen die Kennziffern Schwedens und Frankreichs, dass sich das Vorhandensein eines Kindes in einem Paarhaushalt nicht negativ auf die Erwerbstätigkeit der Mutter und auf eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung auswirkt, sondern, dass sich Paarhaushalte auch weiterhin für das Modell der „Zwei-Erwerbstätigen-Familie“[25] entscheiden, in dem beide Partner einer Erwerbsarbeit nachgehen.
2.4 Erwerbtätigenquote von Frauen und Männern mit zwei oder mehr betreuungsbedürftigen Kindern
Abbildung 4 macht deutlich, wie stark sich die Anzahl betreuungsbedürftiger Kinder auf die Erwerbstätigkeit der Mütter im Vergleich zu den Vätern in Frankreich, Schweden und Deutschland auswirkt.[26]
Während sich die Anzahl der betreuungsbedürftigen Kinder beinahe gar nicht auf die Erwerbsquote der Männer in allen drei Ländern auswirkt, zeigen sich demgegenüber deutliche Unterschiede in der Müttererwerbstätigkeit. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland liegen die Erwerbsquoten von Müttern mit zwei oder mehr betreuungsbedürftigen Kindern mit mehr als 20 Prozentpunkten unter jenen der Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder sowie mit 14 Prozentpunkten (Deutschland) und mit 15 Prozentpunkten (Frankreich) unter jenen der Mütter mit einem betreuungsbedürftigen Kind.
Schweden weist hingegen eine stabile Erwerbsquote aller Mütter, unabhängig von der Anzahl der im Haushalt lebenden betreuungsbedürftigen Kinder, von über 80% auf, ohne nennenswerte geschlechtsspezifische Differenzen gegenüber den Erwerbsquoten der Väter. Demgegenüber ist die geschlechtsspezifische Polarisierung bei den Erwerbsquoten von Frauen und Männern mit zwei oder mehr betreuungsbedürftigen Kindern in Frankreich mit 33 Prozentpunkten und in Deutschland mit 36 Prozentpunkten am höchsten.
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass in Schweden sowohl die Anwesenheit als auch die Anzahl betreuungsbedürftiger Kinder in einem Haushalt keinerlei Einfluss auf eine hohe Erwerbsbeteiligung von Müttern haben. Demgegenüber wirkt sich das Vorhandensein betreuungsbedürftiger Kinder in einem Haushalt in Deutschland bereits ab dem ersten und in Frankreich ab dem zweiten Kind negativ auf die Erwerbstätigkeit der Mutter aus. Mit der wachsenden Diskrepanz zwischen den weiblichen Erwerbsquoten in Abhängigkeit mit der steigenden Zahl betreuungsbedürftiger Kinder wächst auch die geschlechtspezifische Polarisierung in beiden Ländern.
Vor diesem Hintergrund ließe sich nun einerseits vermuten, dass Mütter in Deutschland und Frankreich mit einem bzw. mit zwei oder mehr betreuungsbedürftigen Kindern ihre Erwerbstätigkeit freiwillig aufgeben, um sich der Haus- und Familienarbeit widmen zu können. Andererseits könnte jedoch auch angenommen werden, dass diese Mütter unfreiwillig ihre Erwerbsarbeit aufgeben müssen, da die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie aufgrund institutioneller Rahmenbedingungen für sie nicht möglich ist. Um klären zu können, welche der eben genannten Annahmen hinsichtlich der geringen Erwerbsbeteiligung von Müttern in Frankreich und Deutschland zutreffen, werden im Folgenden die realen und gewünschten Erwerbsmuster von Müttern in Paarhaushalten, in denen beide Partner in Vollzeit erwerbstätig sind (Abbildung 5) und die, in denen die Frau erwerbslos und der Mann in Vollzeit tätig ist (Abbildung 6), verglichen. Sollte sich bei den folgenden Ländervergleichen herausstellen, dass sich die realen Erwerbsmuster nicht oder nur geringfügig mit den gewünschten Erwerbsmustern decken, würde dies bestätigen, dass die Mütter unzufrieden mit der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung sind. Damit ließe sich eine freiwillig Aufgabe der Berufstätigkeit aufgrund von Mutterschaft ausschließen und die geringe Erwerbsbeteiligung von Müttern wäre auf andere Ursachen, wie beispielsweise institutionelle Rahmenbedingungen in den Staaten, zurückzuführen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen nicht oder nur geringfügig möglich machen.
2.5 Reale und gewünschte Erwerbsmuster in Frankreich und Deutschland
Bei der Betrachtung der Gegenüberstellung der realen und gewünschten Erwerbsmuster von Müttern in Paarhaushalten mit zwei vollzeiterwerbstätigen Partnern (Abbildung 5) und der realen und gewünschten Erwerbsmuster von Müttern in Paarhaushalten, in denen die Frau erwerbslos und der Mann vollzeittätig ist (Abbildung 6), wird Folgendes deutlich: Erstens besteht eine große Diskrepanz zwischen Frankreich und Deutschland in der Höhe der Haushalte mit zwei vollzeitbeschäftigten Eltern (Abbildung 5). Während in Deutschland nur 10,1% der Paarhaushalte mit Kindern in Form der „Zwei-Verdiener-Familie“[27] leben, existieren demgegenüber in Frankreich mit 31,7% dreimal so viele Haushalte mit Kindern, in denen beide Partner vollzeittätig sind.
Zweitens belegen die Zahlen in Abbildung 5, dass diese Form der gleichberechtigten Erwerbsbeteiligung jedoch von weitaus mehr Paarhaushalten mit Kindern in beiden Ländern gewünscht wird. So bevorzugen insgesamt 21,4 % aller Paarhaushalte mit Kindern in Deutschland, d.h. doppelt so viele Paare, wie es derzeit tatsächlich leben, die beiderseitige Vollzeitbeschäftigung. In Frankreich wünschen sich insgesamt 45,2 % der gesamten Paarhaushalte mit Kindern, d.h. 13,5 Prozentpunkte mehr, die Vollzeitbeschäftigung beider Partner.
Drittens zeigt Abbildung 6, dass in Deutschland über die Hälfte und in Frankreich über ein Drittel aller Paarhaushalte mit Kindern das Modell der „Ein-Verdiener-Familie“[28] leben. Hinsichtlich der gewünschten Erwerbsmuster konnte hierbei festgestellt werden, dass viertens nur 44,10% aller Paarhaushalte in Deutschland und lediglich 26,3% aller Paarhaushalte in Frankreich diese Form der geschlechtsspezifischen Erwerbsbeteiligung tatsächlich wünschen (Abbildung 6).
Obwohl im Ländervergleich lediglich die realen und gewünschten Erwerbsmuster vollzeitbeschäftigter und erwerbsloser Mütter in Paarhaushalten berücksichtigt wurden und jene der teilzeitbeschäftigten Mütter außen vor blieben[29], konnte dennoch festgestellt werden, dass in beiden Ländern der Wunsch nach einer Vollzeitbeschäftigung der Mütter am größten ist und dass deutlich mehr Paarhaushalte mit erwerbslosen Müttern in Deutschland mit ihren Erwerbsmustern unzufrieden sind als in Frankreich. Darüberhinaus wurde gezeigt, dass trotz des großen Einflusses von zwei und mehr betreuungsbedürftigen Kindern auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Frankreich dreimal so viele Haushalte die Form der Zwei-Verdiener-Ehe leben als in Deutschland. Folglich begünstigen institutionelle Rahmenbedingungen in Frankreich die Doppelerwerbstätigkeit von Paarhaushalten mit Kindern deutlich mehr als in Deutschland.
[...]
[1] Birg (2003)
[2] Vgl. Eichhorst et al (2007:45)
[3] Zahlenrelation der lebend Geborenen im Verhältnis zur Anzahl der Frauen im fertilen Alter zwischen 15
und 45 Jahren. Vgl. Schmidt (2004:250)
[4] Vgl. Eichhorst et al (2007:41)
[5] Vgl. Statistisches Bundesamt Wiesbaden (2006)
[6] Vgl. Gerlach (2004:13)
[7] Vgl. Eichhorst et al (2007:9)
[8] Vgl. Birg (2003:80)
[9] Vgl. Eichhorst et al (2007:9)
[10] Birg (2003:82)
[11] Stern (2007:19)
[12] Vgl. Veil (2003:16)
[13] Vgl. Stern (2007:19)
[14] Vgl. Birg (2003:80)
[15] Vgl. Birg (2003:58)
[16] Ebd., S. 82.
[17] Vgl. ebd.
[18] Vgl. Lewis (2003:62)
[19] Vgl. Stern (2007:44)
[20] Althammer (2000:36), zitiert nach Stern (2007:44)
[21] Kind unter 15 Jahren in Deutschland sowie Frankreich und Kind unter 16 Jahren in Schweden.
[22] Kind unter 15 Jahren in Deutschland sowie Frankreich und Kind unter 16 Jahren in Schweden.
[23] Vgl. hierzu Abbildung 2 und 3
[24] Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005)
[25] Lewis (2003:62)
[26] Kind unter 15 Jahren in Deutschland sowie Frankreich und Kind unter 16 Jahren in Schweden.
[27] Arn/Walter (2003:132)
[28] Ebd.
[29] Mittels der Gegenüberstellung der realen und gewünschten Erwerbsmuster teilzeitbeschäftigter Mütter in Paarhaushalten würde lediglich die Feststellung bestätigt, dass in beiden Ländern ein verstärkter Wunsch nach Erwerbstätigkeit der Mütter besteht, wobei in Deutschland rund 28% der Mütter, das sind 6 Prozentpunkte mehr als dies derzeit verwirklichen, und in Frankreich 18,6% der Mütter, d.h. 3,7 Prozentpunkte mehr, diese Form der Erwerbsbeteiligung wünschen. Vgl. Eichhorst et al (2007:40)
- Arbeit zitieren
- Josepha Helmecke (Autor:in), 2007, Vergleich familienpolitischer Maßnahmen in Frankreich, Schweden und Deutschland im Hinblick auf ihre demographischen Auswirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80182
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