In dieser Arbeit werden als erstes die Umstände der Familie zur Zeit der Industrialisierung vorgestellt: Es wird ein kurzer Überblick über den Wandel von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft gegeben. Darauf folgt eine genaue Auseinandersetzung mit dem Thema "Familie zur Zeit der Industrialisierung".
Im Folgenden werden die Umstände der Familie zur heutigen Zeit dargestellt. Zu Anfang wird ein Überblick über die Entstehung der heutigen Familie gegeben. Es folgen die Kapitel Familienstrukturen und familiale Lebensformen, emotionale Beziehungen in der Familie und Probleme und Problembewältigung in der heutigen Familie. Im Anschluss folgt eine Auseinandersetzung mit dem Aspekt, wie und ob man Familie und Beruf heute in Einklang miteinander erleben kann, wobei es vor allem um die berufstätige Frau und Mutter geht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Wandel von Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft
3 Familie zur Zeit der Industrialisierung
3.1 Fabrikarbeiterfamilien
3.1.1 Die Rolle der Frau
3.1.2 Das Ausmaß der Kinderarbeit
3.1.3 Die Bedeutung der Familie
3.2 Landarbeiterfamilien
3.2.1 Die Rolle der Frau
3.2.2 Das Ausmaß der Kinderarbeit
3.2.3 Die Bedeutung der Familie
3.3 Beamtenfamilien, die Bürgerlichen der neuen Mittelschicht
3.3.1 Die Rolle der Frau
3.3.2 Die Rolle der Jugend
3.3.3 Die Bedeutung der Familie
3.4 Zusammenfassung
4 Familie heute
4.1 Die Entstehung der heutigen Familie
4.2 Familienstrukturen und familiale Lebensformen
4.3 Emotionale Beziehungen in der Familie
4.4 Probleme und Problembewältigung in der heutigen Familie
4.5 Familie und Beruf
5 Ausblick
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In dieser Arbeit haben wir uns mit dem Thema der Familie zur Zeit der Industrialisierung und der Familie in der heutigen Zeit beschäftigt. Sylvia Spaniol-Adams stellt im Folgenden die Umstände der Familie zur Zeit der Industrialisierung vor, wobei ihre Ausarbeitung folgendermaßen gegliedert ist: Als erstes wird ein kurzer Überblick über den Wandel von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft gegeben. Darauf folgt eine genaue Auseinandersetzung mit dem Thema „Familie zur Zeit der Industrialisierung“. Dieses Kapitel besteht aus einem Überblick bezüglich der Fabrikarbeiterfamilien, zu den Landarbeiterfamilien und zu den Beamtenfamilien, den Bürgerlichen der neuen Mittelschicht. Weiterhin behandelt jeder dieser Punkte folgende Unterpunkte: Die Rolle der Frau, das Ausmaß der Kinderarbeit, bzw. die Rolle der Jugend, und die Bedeutung der Familie. Abschließend ist eine Zusammenfassung angefügt.
Stefanie Teusch stellt in dieser Arbeit die Umstände der Familie zur heutigen Zeit dar. Zu Anfang wird ein Überblick über die Entstehung der heutigen Familie gegeben. Es folgen die Kapitel Familienstrukturen und familiale Lebensformen, emotionale Beziehungen in der Familie und Probleme und Problembewältigung in der heutigen Familie. Im Anschluss folgt eine Auseinandersetzung mit dem Aspekt, wie und ob man Familie und Beruf heute in Einklang miteinander erleben kann, wobei es vor allem um die berufstätige Frau und Mutter geht.
2 Wandel von Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte, ebenso wie im vorangegangenen Jahrhundert, große Not in der deutschen Bevölkerung. Sowohl die Arbeiter als auch die bürgerlichen Familien mußten in diesen Notzeiten um ihre Existenz kämpfen. Es war eine ungewisse Zeit, in der das Neue, das die Industrialisierung mit sich brachte, erst langsam feste Gestalt annahm und das alte, mittelalterliche Zunftordnung des Handwerks, Leibeigenschaften der Bauern etc. schon abgeschafft war. (vgl. Beuys 1980: Seite 363)
Erst mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 begann eine Zeit, in der sich die Konjunktur langsam erholte und sich durch eine lange wirtschaftliche Hochschwungperiode soziale Fortschritte abzeichnete: Mit der Thronbesteigung von Wilhelm I, dem ersten deutschen Kaiser, und der Ernennung von Bismarck zum Reichskanzler entwickelte sich das deutsche Reich zum modernen Industrieland mit einer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung. (vgl. Aubin 1976: Seiten 610/644)
Die Gesellschaft veränderte sich unter den Bedingungen der Industrialisierung und des wirtschaftlichen Wachstums. Die Wirtschaft explodierte, ebenso die Bevölkerung: sie stieg von 1870 bis 1913 von 41 Millionen auf 67 Millionen. Bis 1870 lebten und arbeiteten 2/3 aller Deutschen in ländlichen Gebieten. Nur 5 % der Bevölkerung wohnte in Großstädten. Angezogen von einem neuen attraktiven Arbeitsangebot in den neuen, ständig wachsenden Städten begann die innerdeutsche Wanderung der ländlichen Arbeitskräfte. Denn auf dem Land war ein deutlicher Menschenüberschuß aus Landwirtschaft und Handwerk zu vermerken. Somit sank bis 1913 die Arbeiterschaft auf den Dörfern dramatisch und die Zahl der Arbeiter in Industrie und Bergbau verdoppelte sich. Anfang des 20. Jahrhundert waren schließlich 60 % der Arbeitskräfte in diesen beiden Bereichen tätig.
Die Städte als neue Standorte der Industrie und des Verkehrs führten zur beschleunigten Verstädterung und zur Bildung von Ballungsräumen. „Der räumlichen Umverteilung der Menschen entsprach, gemäß dem üblichen Verlauf in der Industriegesellschaft, ihre soziale Verschiebung vom primären Sektor der Urproduktion zum sekundären der verarbeitenden Produktion und letztendlich zum tertiären der Dienstleistungen“ (Aubin 1976: Seite 610). 1910 lebten 21 % der Bevölkerung in den Großstädten.
Die Zeit des industriellen Aufbaus war auch dadurch gekennzeichnet, daß es kaum Dauerarbeitslosigkeit gab, d.h. die konjunkturell bedingten Entlassungen blieben begrenzt. Bis 1913 blieb die Arbeitslosigkeit unter 3 % (Aubin 1976: Seite 613). Neben diesen wirtschaftlichen Verbesserungen zeichneten sich auch gesellschaftliche Verbesserungen ab. Zum einen erhöhte sich die Lebenserwartung der Menschen: Lag gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Lebenserwartung um die 30 Jahre, so stieg sie bis 1910 für Frauen auf 48,3 Jahre und für Männer auf 44,8 Jahre (vgl. Beuys 1980: Seite S373). Zum anderen reduzierte sich die Arbeitszeit der Menschen bis 1905 von 82,5 Stunden pro Woche (1825) auf 59 Stunden pro Woche. Ebenso konnte aufgrund von besserer medizinischer Versorgung, die Errichtung von Kinderkrankenhäusern und besserer Ernährung die Kindersterblichkeit reduziert werden.
Trotz dieser positiven Entwicklungen stellt sich die soziologische Frage, ob die Industrialisierung und der Kapitalismus die Familie auseinandergerissen hat und so für die Zerstörung der Familie verantwortlich war?
3 Familie zur Zeit der Industrialisierung
Im nun folgenden Kapitel wird die in Kapitel 2 formulierte Frage „Hat die Industrialisierung und der Kapitalismus die Familie auseinandergerissen und sind beide somit für die Zerstörung der Familie verantwortlich“ aufgegriffen und anhand einiger ausgewählter Berufsgruppen - Landarbeiter-, Fabrikarbeiter- und Beamtenfamilien - näher untersucht.
Es werden unter anderem Thesen aufgegriffen, wie die zum Beispiel von Beuys, daß die Industrialisierung keineswegs das Leben der Frau revolutionierte, weil sie ihr die Berufstätigkeit brachte. Laut Beuys arbeitete die Frau bereits Jahrzehnte zuvor mit der Familie auf dem Land. Durch die Industrialisierung hat sich lediglich die Art der Arbeit, nämlich nun die Fabrikarbeit, geändert. Und dieser Unterschied galt sowohl für die Frau als auch für den Mann. Dennoch galt der Mythos, daß die berufstätige Frau der Familie fehlte und so entscheidend zu deren Zerstörung beigetragen hat (vgl. Beuys 1980: Seiten 372/387/388/390). Als wichtiger Faktor innerhalb der Diskussion um die Familienentwicklung wird demnach im Folgenden die Rolle der Frau thematisiert und die Unterschiede innerhalb der drei ausgewählten Berufsgruppen näher erklärt.
Neben der Entwicklung der Frau erfuhren die Kinder ebenfalls einige wichtige Veränderungen. Wurden ihnen im 16./17. Jahrhundert von seiten der Eltern eine gewisse Gleichgültigkeit entgegen gebracht, so entwickelt sich in den darauf folgenden Jahrhunderten immer mehr eine „besitzergreifende Liebe zwischen Eltern und Kindern. „Zur Zeit der Industrialisierung sind die Kinder inzwischen zu einem unabdingbaren Bestandteil des Alltagslebens geworden; man beschäftigt sich mit ihrer Erziehung und ihrer Zukunft“ (Aubin 1976: Seite 632). Die Kinder wurden gleichberechtigt zu den Erwachsenen gesehen, was jedoch in den beiden Berufsgruppen Landarbeiter- und Fabrikarbeiterfamilien zur Kinderarbeit führte. In diesen Gesellschaftsschichten mußten die Kinder, ebenso wie die Eltern, durch ihre körperliche Arbeit den Lebensunterhalt sichern. Diese Tatsache beeinflußte das Familienleben entscheidend. Unter dem Thema, das Ausmaßder Kinderarbeit, wird der Unterschied in den drei Berufsgruppen ebenfalls im Folgenden dargestellt.
Welche Rolle der Vater in der Familie spielte und wie seine Beziehung zur Ehefrau war, wird in einem dritten Themenpunkt, die Bedeutung der Familie, dargestellt.
3.1 Fabrikarbeiterfamilien
Rund 2/3 des Bevölkerungszuwachses im Deutschen Reich machten die in Gewerbe und Industrie lebenden Menschen aus. Insbesondere die Schicht der Fabrikarbeiter wurde zwischen 1850 und 1914 zur größten Berufsgruppe des Industriesystems. Diese neue Lohnarbeiterschaft kam aus der alten unterbäuerlichen und unterbürgerlichen Schicht. Es handelte sich in erster Linie um ungelernte Facharbeiter. Kennzeichnend für die Lohnarbeiter in der Industrie war ihre hohe Ledigenquote. Junge Männer und Frauen im Alter von 14 -15 Jahren fingen in der Fabrik an zu arbeiten; eine Familiengründung war schwer durchzuführen. Dennoch stieg die Zahl der Arbeiterfamilien um die Jahrhundertwende stark an.
3.1.1 Die Rolle der Frau
„Die Behauptung, daß die Industrialisierung das Leben der Frau revolutionierte, weil sie ihr die Berufstätigkeit bracht, ist ein Mythos, den die Zeugnisse der vergangenen Jahrhunderte widerlegen. Jahrzehnte zuvor arbeitete die Frau zusammen mit der Familie auf dem Land, um so mit für den Lebensunterhalt zu sorgen. Daß die Tätigkeit in der Fabrik sich grundsätzlich von der bisherigen Arbeit unterschied, ist selbstverständlich. Aber dieser Unterschied galt gleichermaßen für die Männer als auch für die Frauen“ (Beuys 1980: Seite 390).
Dennoch waren die meisten in der Gesellschaft davon überzeugt, daß durch die Fabrikarbeit die Frau ihre moralische Aufgabe, in der Familie für Zucht und Sitte zu sorgen, nicht mehr erfüllte. Ihr wurde vorgeworfen, Schuld an der hohen Kindersterblichkeit zu haben. Sie pflegte angeblich ihre Kinder nachlässig, bereitete unpassende Nahrung beziehungsweise sorgte für ungenügend Nahrung. Man sprach sogar davon, daß die Kinder gänzlich verkümmerten. (vgl. Beuys 1980: Seiten 397/398)
Tatsache war jedoch, daß zu dieser Zeit insgesamt 23 % der Frauen berufstätig waren. Der Anteil der berufstätigen, verheirateten Frauen, die von diesen 23 % in die Fabrik gingen, betrug im Schnitt nur 1,5 Prozent (vgl. Beuys 1980: Seite 399).
Es war also ein Irrglaube, daß durch die Abwesenheit der Frauen tagsüber Häuslichkeit und Moral in den Arbeiterfamilien vernachlässigt und so die Familie zerstört wurde. Dennoch forderten in dieser Zeit viele die Abschaffung der weiblichen Arbeit.
Von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen, anstelle der Abschaffung sprachen sich nur einige wenige Menschen aus der Beamtenschicht. Sie sahen eine positive Entwicklung in der Verkürzung der Arbeitszeit, indem sie darauf hinwiesen, daß die gesundheitlichen Gefahren viel höher lagen als jene für die Sittlichkeit der Arbeiterinnen und den Verfall der Familie. „Die Vorstellung über die Verderblichkeit der Fabrikarbeit war sehr übertrieben“ (vgl. Beuys 1980: Seite 392).
Daß sich dennoch gesellschaftlich etwas ändern mußte, war der damaligen Gesellschaft klar: Die Kindersterblichkeit erreichte 1874 sowohl in den ländlichen Gegenden mit 66 %, als auch in den Industriegebieten mit 65 % ihren Höhepunkt. Und so kam, bezogen auf die Kindersterblichkeit, 1977 das erste deutsche Handbuch der Kinderkrankheiten heraus. Die inzwischen erlangte Erkenntnisse, daß Säuglinge durch falsche Ernährung ganz besonders gefährdet waren, flossen in das Handbuch mit ein. Auch die Erfahrung, daß die verabreichte künstliche Nahrung, bestehend aus einem zähen Mehlbrei, bei Säuglingen gesundheitliche Schäden hervorrief, wurde in der Bevölkerung weitergetragen. Darüber hinaus wurde 1878 der erste Mutterschutz eingeführt. Drei Wochen lang durften die Frauen nach der Geburt ohne Lohnfortzahlung zu Hause bleiben. Eine weitere Verbesserung wurde 1883 erreicht, indem eine Lohnfortzahlung eingeführt, die Nachtarbeit für Frauen verboten und die Mittagspause weiter verlängert wurde.
Eine andere Gesellschaftsgruppe, die sich neu bildete und ebenfalls zum Familienbild des 19./20. Jahrhunderts dazugehörte, waren die unverheirateten Frauen mit oder ohne Kinder. Diese Frauen waren unverheiratet in die Städte gezogen, fanden eine Arbeit und führten ein selbständiges Leben. Sie verließen ihre Familien und die Heimat und kamen in die großen Städte. Sie wollten ihr eigenes Geld verdienen und es auch ausgeben (vgl. Beuys 1980: Seiten 381/382). Sie mieteten sich in fremde Familien als sogenannte Schlafgängerinnen ein. Ihre Unternehmungslust endete meistens in einer Schwangerschaft. Sie hatten jedoch weder eine Chance, den Vater für Unterhalt haftbar zu machen, noch die Zeit, das Kind großzuziehen. Um gesellschaftlich nicht geächtet zu werden und sich kümmerliche Verhältnisse zu ersparen, nahmen sie häufig eine Abtreibung vor. Um die Jahrhundertwende lag die - schwer schätzbare - Zahl der Abtreibungen im Deutschen Reich bei rund 475000 (vgl. Beuys 1980: Seite 402). Um dieser Entwicklung ein Ende zu setzten, wurde 1871 der Paragraph 218 entwickelt, der Abtreibungen mit Gefängnis bestrafte.
3.1.2 Das Ausmaß der Kinderarbeit
Bis 1914 reichte der Lohn des Familienvaters nicht aus, um den Unterhalt einer Familie mit mehreren Kindern zu bestreiten. Nur durch einen erheblichen Nebenverdienst der Frau und der Kinder konnte eine ausreichende Lebenshaltung, vor allem bezogen auf die Ernährung, erreicht werden.
Daß Kinder durch ihre körperliche Arbeit mit zum Lebensunterhalt beitrugen, war kein Produkt der Industrialisierung. Vor allem in Heimarbeit, die vor dem 19. Jahrhundert weit verbreitet war, arbeiteten die Kinder aus Geldnot mit. Vor allem in Spinnereien arbeiteten Kinder im Alter zwischen sechs und sechzehn Jahren zwölf Stunden am Tag. Daß diese harte Arbeit sich negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirkte, wurde erkannt, so daß 1853 ein Gesetz zur Regularisierung der Beschäftigung von Jugendlichen in Fabriken erlassen wurde. Offiziell durften Kinder nicht mehr vor dem zwölften Lebensjahr beschäftigt werden. Die Arbeitszeit betrug bis zum zwölften Lebensjahr sechs, danach wie früher zehn Stunden. Täglich sollten die Kinder drei Stunden zur Schule gehen. 1891 wurde Fabrikarbeit für schulpflichtige Kinder generell verboten. Im Deutschen Reich arbeiteten 1882 rund 524000 Kinder unter 15 Jahren, davon 140000 in der Industrie und Bergbau.
3.1.3 Die Bedeutung der Familie
Die Arbeiterfamilie war gezwungen ihren Lebensmittelpunkt dorthin zu legen, an dem der Familienvater seine Arbeitsstelle fand. Um möglichst viel Zeit miteinander verbringen zu können, bezogen die Familien in der Regel eine Wohnung in der Nähe der Fabrik, anstelle lange Anfahrtszeiten des Familienvaters zur Arbeitsstelle zu akzeptieren. Die Folge davon war ein häufiger Wohnungswechsel der Arbeiterfamilien.
Die Fabrikarbeiter arbeiteten täglich 14 bis 16 Stunden in den Fabriken und waren somit den ganzen Tag vom Haus entfernt, ohne sich der Erziehung und der Beaufsichtigung der Kinder oder der Hausarbeit widmen zu können. „Die freie Zeit am Abend nahm sich dann der Mann auf Kosten der Ehefrau; er ging ins Wirtshaus. Tat er dies nicht, so saß er zu Hause und bereitete die Abende in den Vereinen vor. (vgl. Beuys 1980: Seite 385) Sie waren zu dieser Zeit ein beliebter Zeitvertreib, die den Männern Geselligkeit, Bildung und Unterhaltung boten. Die Frauen beschwerten sich lautstark bei ihren Männern. Gegenstand dieser Streitdiskussionen waren neben der Mißbilligung der abendlichen Vergnügungen ihres Mannes, die Kinder. Die bei der Arbeiterfrau aufgekommenen Aggressionen waren jedoch häufig Ausdruck der Verzweiflung, ihren Kindern keine bessere Zukunft bieten zu können. Es belastete insbesondere die Mutter, daß die Kinder keine eigenen Betten hatten. Sie mußten, aufgrund von Geldmangel, jede Nacht mit ihren Kindern das Bett teilen. War die Armut so groß, daß es den Eltern kaum möglich war, die Familie zu ernähren, wurden sogenannte Schlafgänger in der Wohnung untergebracht. (vgl. Beuys 1980: Seite 378). Diese stammten meistens aus der gleichen Gesellschaftsschicht. Schlafgänger hatten in der Regel nur einen Anspruch auf eine Schlafgelegenheit und mußte oftmals diese mit einem Mitglied der Familie oder einem zweiten Schlafgänger teilen. Ein Zimmer unterzuvermieten war zu dieser Zeit keine Schade, sondern brachte der Familie den dringend benötigten Zusatzverdienst ein.
Nach Beuys gab es Beispiele dafür, daß zahlreiche Arbeiterfamilien nicht nur gestritten, sondern um Harmonie bemüht waren (vgl. Beuys 1980: Seite 394). Die Familie stellte für die Kinder einen Ausgleich gegenüber materieller Not dar. Die Zuneigung der Eltern zu ihren Kindern war vorhanden. Sie zeigten Gefühle unabhängig von der Zahl der Kinder. Beuys schreibt, daß trotz der Prügel und auch der Schimpfworte, der Arbeitervater seine Familie und seine Frau liebte (vgl. Beuys 1980: Seite 397).
3.2 Landarbeiterfamilien
1871 lebten im Deutschen Reich 2/3 aller Menschen auf dem Land. Ausgelöst durch die Industrialisierung und der damit verbundenen Chance ein besseres Leben in der Stadt zu führen, entschieden sich immer mehr Menschen in die Industrieballungszentren abzuwandern. Vor allem die unterbäuerlichen Schichten verließen die landwirtschaftlichen Gegenden und gingen in die Stadt. 5 Jahre später, dem Hochindustriezeitalter, waren nur noch 42 % aller Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Die Landflucht brachte auf dem Land zunächst die erwünschte Entlastung, löste jedoch bald die Besorgnis bei den Landeigentümern aus. Diese Besorgnis basierte auf der Tatsache, daß sich die ländliche Gesellschaft unter dem Sog und dem Druck des entstehenden Industriesystems infolge Schrumpfung und Wandlung der unterbäuerlichen Schichten grundlegend veränderte: Zum einen stieg der Wert der Arbeitskraft der Menschen, die auf dem Land zurückblieben, stetig. Zum anderen durfte das Gesinde, also die ledigen Knechte und Mägde auf den Höfen, nun heiraten und Kinder bekommen. Folglich waren die Bauern gezwungen, nicht mehr nur eine Person, sondern eine gesamte Familie in ihrem Betrieb unterzubringen. Dafür mußten sogenannte Landarbeiterfamilienstellen geschaffen werden. Gerade für die Klein- und Mittelbauern stellte diese gesellschaftliche Veränderung ein Problem dar, denn sie benötigten weiterhin Arbeitshilfe, konnten jedoch ganze Landarbeiterfamilien nicht tragen. Die Arbeitszeit der ländlichen Bewohner blieb über Jahre hinweg konstant: im Gegensatz zu den Fabrikarbeitern, deren tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden zurückgingen, mußten die Landarbeiter immer noch bis zu 16 Stunden arbeiten.
Inmitten der gesellschaftlichen und räumlichen Bewegung bewahrte der Bauer dennoch mit Erfolg seinen Stand. Das dörfliche Leben war sehr dominant und ging soweit, daß es über eine Heirat entscheiden konnte. Es wurde darauf geachtet, daß diejenigen, die in der Heimat verblieben, in Zucht und Ordnung lebten. Der Moralbegriff wurde vor allem im Zusammenhang mit der Frau gebraucht (vgl. Beuys 1980: Seite 407).
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- Arbeit zitieren
- Stefanie Teusch (Autor:in), Sylvia Spaniol-Adams (Autor:in), 2001, Familie zur Zeit der Industrialisierung und heute, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8016
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