Als das Volk der Herero sich im Januar 1904 gegen die deutsche Obrigkeit in Deutsch- Südwestafrika erhob, dachte man weder in Berlin noch in Windhuk daran, dass sich aus diesem Aufruhr der Krieg der deutschen Kolonialgeschichte entwickeln würde .
Man hatte von deutscher Seite her weder das Grundmotiv für den Aufstand noch die Qualität der Hererokrieger richtig eingeschätzt. Es handelte sich eben nicht um das Aufbegehren einiger „Flitzebogenwilder“, die aus einer Laune heraus ihren niederen Gelüsten freien Lauf ließen. Es handelte sich um nichts weniger als um den Existenzkampf eines Volkes.
Dieser Aufstand soll im Laufe meiner Arbeit näher dargestellt werden, mit dem Ziel die These zu überprüfen, ob es einen deutschen Völkermord an den Herero gegeben hat. Um die Gründe und Motive des Aufstandes zu verstehen, wird im Laufe meiner Arbeit der Zeitraum von 1886 bis 1904 genauer untersucht. Zu Beginn werde ich auf die Geographie und Bevölkerungsstruktur Deutsch- Südwestafrikas eingehen. Anschließend werden die Anfänge und die Festigung deutscher Herrschaft beschrieben werden. Dabei wird aufgezeigt, wie sich die deutsche Kolonialpolitik und -verwaltung auf die einheimische Bevölkerung ausgewirkt hat und welche Probleme auftraten, die dann zur Erhebung der Stämme führten. Der folgende Teil der Arbeit wird sich mit dem Ausbruch der Kämpfe, sowie mit der Waterbergschlacht beschäftigen. Die Erörterung der deutschen Kriegsführung wird hierbei in zwei Abschnitte aufgeteilt, da mit der Ablösung des Gouverneurs Leutwein durch General von Trotha als Oberbefehlshaber der Schutztruppe ein Wendepunkt eintrat. Anschließend soll von Trothas „Aufruf an das Volk der Herero“ genauer überprüft werden, indem hierbei verschiedene Sichtweisen angeführt werden. Letztlich werden diese Argumente miteinander verglichen, um so die einleitende Fragestellung zu klären.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
1.1. Quellenlage
2. Deutsch- Südwestafrika und seine Bevölkerung
2.1. Die Herero und Nama
2.2. Die Schutztruppe
3. Vorgeschichte (1884- 1904)
3.1. Die Anfänge und die Festigung deutscher Herrschaft (1884- 1890)
3.2. Ursachen des Aufstandes (1890- 1904)
4. Der Hereroaufstand 1904
4.1. Die Anfänge des Aufstandes und der Überraschungsmoment der Herero
4.2. Die Kriegsführung Leutweins bis zu seiner Absetzung
4.3. Die Kriegsführung von Trothas` und die Waterbergschlacht
5. Die Omaheke Halbwüste und die Proklamation von Trothas`
5.1. Die Proklamation an das Volk der Herero
5.2. Argumente der Exterminationisten (Nuhn, Helbig, Drechsler, Bley)
5.3. Argumente, die gegen eine Völkermordthese sprechen (Nordbruch, Sudholt)
6. Schlussbemerkung
7. Fazit
1. Einleitung
Als das Volk der Herero sich im Januar 1904 gegen die deutsche Obrigkeit in Deutsch- Südwestafrika erhob, dachte man weder in Berlin noch in Windhuk daran, dass sich aus diesem Aufruhr der Krieg der deutschen Kolonialgeschichte entwickeln würde[1].
Man hatte von deutscher Seite her weder das Grundmotiv für den Aufstand noch die Qualität der Hererokrieger richtig eingeschätzt. Es handelte sich eben nicht um das Aufbegehren einiger „Flitzebogenwilder“, die aus einer Laune heraus ihren niederen Gelüsten freien Lauf ließen. Es handelte sich um nichts weniger als um den Existenzkampf eines Volkes.
Dieser Aufstand soll im Laufe meiner Arbeit näher dargestellt werden, mit dem Ziel die These zu überprüfen, ob es einen deutschen Völkermord an den Herero gegeben hat. Um die Gründe und Motive des Aufstandes zu verstehen, wird im Laufe meiner Arbeit der Zeitraum von 1886 bis 1904 genauer untersucht. Zu Beginn werde ich auf die Geographie und Bevölkerungsstruktur Deutsch- Südwestafrikas eingehen. Anschließend werden die Anfänge und die Festigung deutscher Herrschaft beschrieben werden. Dabei wird aufgezeigt, wie sich die deutsche Kolonialpolitik und -verwaltung auf die einheimische Bevölkerung ausgewirkt hat und welche Probleme auftraten, die dann zur Erhebung der Stämme führten. Der folgende Teil der Arbeit wird sich mit dem Ausbruch der Kämpfe, sowie mit der Waterbergschlacht beschäftigen. Die Erörterung der deutschen Kriegsführung wird hierbei in zwei Abschnitte aufgeteilt, da mit der Ablösung des Gouverneurs Leutwein durch General von Trotha als Oberbefehlshaber der Schutztruppe ein Wendepunkt eintrat. Anschließend soll von Trothas „Aufruf an das Volk der Herero“ genauer überprüft werden, indem hierbei verschiedene Sichtweisen angeführt werden. Letztlich werden diese Argumente miteinander verglichen, um so die einleitende Fragestellung zu klären.
1.1. Quellenlage
Das edierte Quellenmaterial zur Bearbeitung dieses Themas ist relativ gering. Die große Quellensammlung “Die große Politik der europäischen Kabinette”[2] beinhaltet leider nur wenig Direktes zur deutschen Kolonialpolitik. In der Zeit des Nationalsozialismus, als der Kolonialgedanke neue Nahrung fand, hat sich Ernst Gerhard Jacob[3] einer Quellenpublikation angenommen. Auch Horst Gründer hat eine Sammlung von Quellen zu Imperialismus und Kolonialgeschichte für den schulischen Bereich herausgegeben[4]. An amtlichen Materialien stehen die Veröffentlichungen des Deutschen Kolonialblattes zur Verfügung.
Besser sieht es bei der Sekundärliteratur aus. In den letzten zwanzig Jahren ist eine ganze Reihe von Publikationen zur deutschen Kolonialpolitik erschienen. Das jüngste Werk zu diesem Komplex stammt von Claus Nordbruch[5] Die beste Übersicht zur deutschen Kolonialgeschichte gibt der bereits erwähnte Horst Gründer in seiner “Geschichte der deutschen Kolonien”, sowie Helmut Bley mit seinem Werk „Kolonialherrschaft und Sozialstrukturen in Deutsch- Südwestafrika“. Ebenfalls zur Kolonialherrschaft in DSWA hat Gert Sudholt[6] gearbeitet.
Mit der Thematik der Aufstände hat sich besonders Walter Nuhn[7], Helga und Ludwig Helbig[8] und Claus Nordbruch[9] befasst. Aus der ehemaligen DDR gibt es die Untersuchung des Herero- und Namaaufstandes von Horst Drechsler[10].
2. Deutsch- Südwestafrika und seine Bevölkerung
Die Kolonie Deutsch- Südwestafrika hatte fast die 1½ -fache Größe des damaligen Deutschen Reiches und erstreckte sich zwischen den Flüssen Kunene im Norden und Oranje im Süden. Im Westen war der Atlantische Ozean und im Osten die Halbwüste Kalahari und Britisch- Betschuanaland. Das größte Problem des Landes war der permanente Wassermangel. Nur der Kunene, der Oranje und der Okavango führten ständig Wasser. Alle anderen Flußläufe waren nur zur Regenzeit gefüllt. Im Norden hingegen war Acker- und Pflanzenbau möglich, was im südlicheren Landesteil nur im Bereich der Flüsse Erfolg zeigte. Damit war natürlich auch die Ernährung einer großen Bevölkerung nicht gegeben. Aus diesem Grunde lebten nach Schätzungen des kaiserlichen Gouverneurs Theodor Leutwein[11] 1894 ca. 244.000 Menschen in 5 Volksgruppen:
1. Herero mit ca. 40.000 bis 80.000 Menschen
2. Nama mit ca. 20.000 Menschen
3. Baster (Mischlinge) mit ca. 4.000 Menschen
4. Buschmänner und Bergdamara mit ca. 30.000 Menschen[12]
Die Authentizität dieser Zahlen ist nicht gesichert. Besonders Sudholt[13] zweifelt diese Zahlen stark an. Diese Zahlen sind allerdings nach Sudholt viel zu hoch gegriffen. Aufgrund einer relativ sicheren Erhebung von 1911 errechnet er für die Zeit der Aufstände eine Hererozahl von höchstens 40.000. Auch die Zahl der Bergdamara (30.000 nach Leutwein) wird von ihm nach unten korrigiert.[14]
Helmut Bley nennt in seinem Werk ebenfalls die Zahlen Leutweins, doch gibt er bei den Nama für 1911 nur 9.800 “Überlebende” an, während die amtliche Statistik, die nach Sudholt als sehr sicher gilt, knapp 14.000 Nama zählt. Sudholt unterstellt Bley, diese Zahl bewusst verfälscht zu haben, damit die Kriegsgräuel der Deutschen plakativer gemacht werden.[15]
2.1. Die Herero und Nama
Die Herero hatten ihr Stammesgebiet zwischen dem Swakop (Mittelsüdwestafrika) und dem Waterberg im Norden. Im Westen reichte es bis zum Kakaovelde und im Osten zur Omaheke (Wüste) und zum Okavango. Der Hauptort war Okahandja.[16]
Die Herkunft und vor allem der genaue Zeitpunkt des Eindringens der Herero in das südwestafrikanische Gebiet, ist nicht genau zu ermitteln. Fest steht jedoch, dass die Herero während ihrer Einwanderung die Ureinwohner Südafrikas (Buschleute und Bergdamara) entweder erschlugen oder versklavten[17]
Im Laufe der Jahre hatte sich bei den Herero eine Art erbliche Häuptlingsschicht herausgebildet, die sie vorher eigentlich nicht kannten. Die Macht des einzelnen Mannes hing von seinem Viehbesitz ab. Je größer dieser Besitz, desto mehr Leute empfingen von ihm Lebensunterhalt. Man hatte sich zwar daran gewöhnt, dass ein Mann für einen bestimmten Teil der Bevölkerung eine Vorsteherrolle übernahm, doch erst die Familie Maherero konnte eine wirklich herausragende Stellung einnehmen[18].
Die Gebiete der Herero (und damit besonders das Weideland) waren Stammesbesitz, der für die Viehzüchter besonders wichtig waren. Die Herero hatten in der Viehzucht ihre Lebensgrundlage und waren darin auch besonders erfolgreich. Da man keine genauen Grenzlinien kannte, wurde Probleme der Weidenbenutzung unter den einzelnen Herero-Stämmen meist im persönlichen Zusammentreffen der Häuptlinge geregelt.[19]
Während des Krieges mit den Deutschen, fielen die Herero oft durch ihre Art und Weise der Kriegsführung auf. Vor allem verwundete und wehrlose Soldaten wurden, bevor man sie tötete, ihrer Waffen, Munition und Kleidung beraubt. Anschließend wurden sie dann häufig verstümmelt, um so, wie die Herero dachten, die noch immer gefährlichen Seelen der feindlichen Krieger unschädlich zu machen[20].
Andererseits wurden die Herero als ein sehr stolzes und friedfertiges Volk beschrieben, die hervorragend zum Kleinkrieg begabt waren und sich meisterhaft im Gelände zu verstecken verstanden[21].
Im Gegensatz zu den Herero, waren die Nama ethnisch mit den Buschmännern verwandt und viel kleiner als die Herero. Ihr Gebiet reichte vom Swakop, der damit die Grenze zwischen Nama und Herero bildete, bis zum Oranje im Süden. Dieser Teil des Landes war der trockenste, was eine Bewirtschaftung fast gar nicht zuließ und die Viehzucht stark erschwerte.
Aus diesem Grunde waren die Nama auf die Jagd angewiesen. Da aber die weißen Buren, die im 19. Jahrhundert das Land durchstreiften, einen großen Teil des Wildes radikal ausgerottet hatten, versuchten die Nama sich auch an der Viehzucht (die Herde war Sippeneigentum), die aber nie so erfolgreich war wie die der Herero.
Die Beziehungen zwischen den Herero und den Nama waren im 19. Jahrhundert von ständigen Streitereien und Auseinandersetzungen bestimmt. Da die Nama mit ihrer Viehzucht nicht sehr erfolgreich waren, zogen sie immer wieder zu Raubzügen in den Norden, um dort Vieh zu erbeuten. Dies führte natürlich wieder zu Kämpfen mit den Herero. Dabei waren die Nama meist erfolgreicher, da die Herero ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht ausnützten, d.h. sich nicht gemeinsam zur Wehr setzten.[22]
2.2. Die Schutztruppe
Die Kaiserliche Schutztruppe, die seit 1889 in Deutsch- Südwest vertreten war und immer wieder bis 1914 aufgestockt wurde, war ein repräsentativer Querschnitt des damaligen deutschen Volkes. Nahezu alle Berufe und sozialen Schichten waren in ihr vertreten. Arbeiter und Bauern dienten in ihr ebenso wie Studenten, Adlige und Berufssoldaten[23]. Die Gründe, sich freiwillig zu dieser Einheit zu melden, mögen von Person zu Person unterschiedlich gewesen sein. Bei den meisten waren wohl der Erlebnishunger und die Aussichten, sich zu bewähren und befördert zu werden, die maßgeblichen Motive.
Während die meisten Schutztruppler nach Ablauf ihrer meist einjährigen Dienstzeit nach Deutschland zurückkehrten, blieben auch einige in DSWA und bauten sich eine neue Existenz als Farmer, Kaufmann oder Handwerker auf. Um in die Schutztruppe aufgenommen zu werden, bedurfte es zunächst der Tropentauglichkeitsprüfung. Es wurde zudem sehr darauf geachtet, dass möglichst alle Handwerksberufe (z.B. Bäcker, Schmied und Mauerer) in ihr vertreten waren. Die achttägige Ausbildung, den die Schutztruppler in Deutschland genießen konnten, ließen sie daher eher als eine Art Notbehelf erscheinen[24]. Auch was die Mobilität und die Versorgung z.B. von Wasser, Medizin, Essen, Kleidung und Waffen betrifft, waren sie eher dilettantisch ausgerüstet. Das Nachschub- und Transportwesen basierte zur Zeit des Aufstandes beispielsweise fast ausschließlich auf Ochsenkarren. All dieses Umstände, sprich der schlechte Nachschub, Versorgung, sowie das völlig unbekannte Klima, begünstigten viele Krankheiten, wie Skorbut und Malaria.
[...]
[1] Nordbruch, Claus, Der Hereroaufstand 1904.
[2] Die große Politik der europäischen Kabinette 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes. Im Auftrage des Auwärtigen Amtes hg. v. Johannes Lepsius, Albrecht Mendelssohn-Bartholdy, Friedrich Thimme, 40 Bde, Berlin 1923-29.
[3] Jacob, Ernst, Deutsche Kolonialpolitik in Dokumenten und Gedanken und Gestalten aus den letzten fünfzig Jahren.
[4] Gründer, Horst, Der moderne Imperialismus.
[5] Nordbruch, Claus, Völkermord an den Herero in Deutsch- Südwestafrika?.
[6] Sudholt, Gert, Die deutsche Eingeborenenpolitik in Südwestafrika.
[7] Nuhn ,Walter, Sturm über Südwest, Der Hereroaufstand von 1904.
[8] Helbig, Helga und Ludwig, Mythos Deutsch- Südwest. Namibia und die Deutschen.
[9] Claus Nordbruch, Hereroaufstand .
[9] Horst Drechsler, Aufstände in Südwestafrika. Der Kampf der Herero und Nama 1904 - 1907 gegen die deutsche Kolonialherrschaft.
[11] Theodor Leutwein (1849-1921) kam aus dem militärischen Bereich. Nachdem er Taktiklehrer an einer Kriegsschule in Neiße gewesen war, kam er 1894 als Landeshauptmann (später Gouverneur) nach Südwest.
[12] Nuhn, Sturm, S. 26.
[13] Siehe Anmerkung 15.
[14] Sudholt, S. 40ff.
[15] ebd., S. 43.
[16] Nuhn, Sturm, S. 26ff ; Sudholt, S. 28f.
[17] Vgl. Nordbruch, Hereroaufstand, S. 33f.
[18] Sudholt, S. 30.
[19] Sudholt, S. 32.
[20] Nordbruch, Aufstand , S. 37.
[21] Nordbruch, Aufstand , S. 39.
[22] Nuhn, Sturm, S. 29.
[23] Nordbruch, Aufstand, S. 21.
[24] Nordbruch, Aufstand , S. 26ff.
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