„Bringt es den Unternehmen etwas, nachhaltig zu wirtschaften?“
Die Frage bezieht sich dabei auf die direkt erzielbaren ökonomischen Potenziale, also die Möglichkeit der Durchsetzung eines Preispremiums, und kann nur dann bejaht werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
• Nachhaltigkeit ist für den Kunden bedeutend,
• führt generell zu einer höheren Preisbereitschaft und
• wird vom Kunden wahrgenommen.
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich zum Ziel, die Forschungsfrage zu beantworten, indem der Erfüllungsgrad der genannten Bedingungen untersucht wird. Denn erst wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, hat das Unternehmen die Möglichkeit, erfolgreich ein Preispremium durchzusetzen. Dazu wird auf die Daten der eigenen empirischen Untersuchungen zurückgegriffen. Den Unternehmen soll damit auch gezeigt werden, dass Nachhaltigkeit in ihrer direkt ökonomischen Wirkung sowohl messbar als auch operationalisierbar ist.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung der Diplomarbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Integration der empirischen Erhebung
2 Nachhaltigkeit
2.1 Literaturverständnis
2.2 Nachhaltigkeitsdreieck
2.3 Corporate Responsibility
2.4 Nachhaltigkeit aus Kundensicht
2.4.1 Studienergebnisse und Literaturvergleich
2.4.2 Nachhaltigkeitsbarrieren
3 Ermittlung der Preispremien für Nachhaltigkeit
3.1 Begriffliche Grundlagen der Preispolitik
3.2 Auswahl und Abgrenzung der Untersuchungsobjekte
3.3 Einsatz der Hierarchischen Bayes Choice Based Conjoint Analyse (CBC/HB)
3.3.1 Eignung der CBC/HB für die Untersuchung
3.3.2 Ablaufschritte und Anwendung der CBC/HB
3.3.2.1 Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen
3.3.2.2 Erhebungsdesign
3.3.2.3 Bewertung der Stimuli
3.3.2.4 Schätzung und Individualisierung der Nutzenwerte
3.3.3 Ergebnisse der CBC/HB
3.4 Ableitung von Zahlungsbereitschaften und Preispremien
3.5 Implikationen für Unternehmen
3.6 Limitationen
4 Reflexion der Ergebnisse auf andere Branchen
4.1 Branchenunterschiede aus Kundensicht
4.2 Unternehmen im Wahrnehmungsraum der Kunden
4.3 Ableitung und Beurteilung von branchenabhängigen Strategien
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Nachhaltigkeitsdreieck
Abbildung 2: Die wichtigsten Probleme in Deutschland
Abbildung 3: Wichtigkeit der einzelnen Nachhaltigkeitsdimensionen aus Kundensicht
Abbildung 4: Angewandte Verfahren zur Bestimmung der Zahlungsbereitschaft
Abbildung 5: Ablaufschritte der CBC/HB
Abbildung 6: Beispielhafte Choice-Task
Abbildung 7: Relative Wichtigkeiten aller Eigenschaften eines Handys
Abbildung 8: Anteil der Nachhaltigkeitsdimensionen mit und ohne Preis am Gesamtnutzen eines Handys
Abbildung 9: Relative Wichtigkeiten aller Eigenschaften einer Mikrowelle
Abbildung 10: Anteil der Nachhaltigkeitsdimensionen mit und ohne Preis am Gesamtnutzen einer Mikrowelle
Abbildung 11: Preis-Response-Kurve des Handy-Basisprodukts
Abbildung 12: Betrachtete Fälle zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft
Abbildung 13: Preis-Response-Funktionen der Handy-Produktfälle
Abbildung 14: Zahlungsbereitschaft für höhere Preise bei Verbesserung bestimmter Eigenschaften
Abbildung 15: Realisierbare Preispremien für Produktverbesserungen – gruppiert
Abbildung 16: Preis-Response-Funktionen der Mikrowellen-Produktfälle
Abbildung 17: Zahlungsbereitschaft für höhere Preise bei Verbesserung bestimmter Eigenschaften
Abbildung 18: Realisierbare Preispremien im Vergleich
Abbildung 19: Genderspezifischer Vergleich der Produktgruppen
Abbildung 20: Mögliche Verschiebung der Kurven
Abbildung 21: Grenz-Mehrzahlungsbereitschaft für Handys und Mikrowellen
Abbildung 22: Nachhaltigkeitsbezug von Branchen aus Kundensicht
Abbildung 23: Unternehmens-Nachhaltigkeitsdreiecke der Handybranche aus Kundensicht
Abbildung 24: Unternehmens-Nachhaltigkeitsdreiecke der Haushaltsgerätebranche aus Kundensicht
Abbildung 25: Auswahl an Unternehmens-Nachhaltigkeitsdreiecken
Abbildung 26: Bedeutung der Kommunikationspolitik für nachhaltige Unternehmen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wichtigste Eigenschaften der Nachhaltigkeitsdimensionen aus Kundensicht
Tabelle 2: Ökologische Eigenschaften und Ausprägungen
Tabelle 3: Soziale Eigenschaften und Ausprägungen
Tabelle 4: Ökologisch-soziale Eigenschaft und Ausprägungen
Tabelle 5: Klassische Produkteigenschaften und Ausprägungen eines Handys
Tabelle 6: Klassische Produkteigenschaften und Ausprägungen einer Mikrowelle
Tabelle 7: Beachtung nachhaltiger Aspekte beim Kauf von Handys und Mikrowellen
Tabelle 8: Zahlungsbereitschaft, Preispremien und Nachhaltigkeits- potentialausschöpfung bei Handys
Tabelle 9: Zahlungsbereitschaft, Preispremien und Nachhaltigkeits- potentialausschöpfung bei Mikrowellen
Tabelle 10: Preispremien und Potentialausnutzung im Vergleich
Tabelle 11: Berücksichtigung von Nachhaltigkeit beim Kauf von Produkten aus bestimmten Produktgruppen
Tabelle 12: Top 20 der Unternehmensnennungen in Bezug auf Nachhaltigkeit
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung der Diplomarbeit
Immer mehr Unternehmen richten ihr Handeln nach den Regeln einer „Nachhaltigen Entwicklung“ aus. Viele folgen dem allgemeinen Trend, der sich seit einigen Jahren vollzieht und leisten inzwischen ihren eigenen Beitrag zur Nachhaltigkeit, deren Erfüllung einem komplexen Geflecht an Beziehungen unterliegt. So will nicht nur die Umwelt geschützt, der Arbeitsschutz freiwillig verstärkt und gewinnbringend gewirtschaftet werden, sondern es wird die optimale Beziehung zwischen allen Unternehmensbeteiligten, wie zum Beispiel Lieferanten, Geldgebern, Mitarbeitern, Behörden, Gesetzgebern und Organisationen angestrebt. Die Beziehungen zu diesen Anspruchsgruppen müssen unter nachhaltigem Gesichtspunkt so organisiert werden, dass sie auch in der Zukunft Bestand haben.
Viele Unternehmen hinterfragen aber den wirtschaftlichen Sinn von Nach-haltigkeit. Zwar wirtschaften sie nachhaltig, tun dies jedoch eher aus Gründen der gewachsenen Ansprüche in der Öffentlichkeit. Ein direkter ökonomischer Nutzen an der nachhaltigen Strategie wird oft nicht erkannt.
Wirtschaftlich sinnvoll wäre eine nachhaltige Zielsetzung genau dann, wenn dadurch von den Kunden eine höhere Zahlungsbereitschaft zu erzielen wäre. Die Abhängigkeit der Unternehmen vom Kunden stellt somit das zentrale Problem dar. Wenn dieser die Produkte oder Dienstleistungen nicht kauft, kann das Unternehmen am Markt nicht bestehen. Aus diesem Grund muss das Unternehmen sich sehr stark nach den Bedürfnissen, Werten und Ein-stellungen des Kunden richten.
Die in der Öffentlichkeit immer stärker aufkommende Diskussion über Umwelt- und Sozialaspekte führt dazu, dass die Kunden hinsichtlich nachhaltiger Themenstellungen zunehmend sensibilisiert sind. So zeigt eine aktuelle Umfrage, dass diese Themen beim Kunden sehr an Aktualität gewinnen.[1]
Wenn der Fokus auf dem Kunden liegt, dann sollte vom Unternehmen Nachhaltigkeit so gesehen werden wie es die Kunden tun. Das Nachhaltig-keitsdreieck liefert für diese Diplomarbeit den theoretischen Grundstein, da es die ökologischen und sozialen Erfordernisse der Kundensicht aufgreift und gleichzeitig den Bogen zur Wirtschaftlichkeit zieht. Der Kunde steht dabei zu jeder Zeit im Mittelpunkt der Betrachtungen. Zu hinterfragen ist, welche Eigen-schaften eines Produkts ihm wichtig sind und welchen Nachhaltigkeits-dimensionen diese wichtigen Eigenschaften zugeordnet werden können. Daraus lässt sich schließlich die individuelle Zahlungsbereitschaft jedes Kun-den ermitteln.
Aus der vorangestellten Überlegung kann folgende zentrale Forschungsfrage abgeleitet werden, die im Laufe dieser Diplomarbeit beantwortet werden soll:
„Bringt es den Unternehmen etwas, nachhaltig zu wirtschaften?“
Die Frage bezieht sich dabei auf die direkt erzielbaren ökonomischen Potenziale, also die Möglichkeit der Durchsetzung eines Preispremiums, und kann nur dann bejaht werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Nachhaltigkeit ist für den Kunden bedeutend,
- führt generell zu einer höheren Preisbereitschaft und
- wird vom Kunden wahrgenommen.
Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich zum Ziel, die Forschungsfrage zu beantworten, indem der Erfüllungsgrad der genannten Bedingungen untersucht wird. Denn erst wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, hat das Unternehmen die Möglichkeit, erfolgreich ein Preispremium durchzusetzen. Dazu wird auf die Daten der eigenen empirischen Untersuchungen zurückgegriffen. Den Unternehmen soll damit auch gezeigt werden, dass Nachhaltigkeit in ihrer direkt ökonomischen Wirkung sowohl messbar als auch operationalisierbar ist.
1.2 Aufbau der Arbeit
Nachdem das erste Kapitel bereits einen kurzen Überblick über das Thema gab und das Forschungsziel aufgestellt wurde, folgt im zweiten Kapitel eine begriffliche Erklärung von Nachhaltigkeit. Dabei wird der Begriff zunächst aus literarischer Sicht mit Unterstützung des Nachhaltigkeitsdreiecks beschrieben. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird die Bedeutung der Nachhaltigkeit für den Kunden erörtert und untersucht, inwieweit der Begriff der Nachhaltigkeit bereits in den Köpfen der Kunden verankert ist und was sie sich allgemein darunter vorstellen. Außerdem wird noch kurz auf die Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten eingegangen.
Der darauf folgende Hauptteil befasst sich mit der empirischen Ermittlung der kundenseitigen Präferenzen für die Produktgruppen der Handys und Mikro-wellen. Aus den Nachhaltigkeitseinschätzungen der Kunden wird das Ver-hältnis der Eigenschaftskombinationen der Produkte generiert, die für die Berechnung der Preispremien herangezogen werden. Dabei wird mittels der Hierarchischen Bayes Choice Based Conjoint Analyse auf die relativen Wichtigkeiten der einzelnen Produkteigenschaften geschlossen. Schließlich wird aus den ermittelten Ergebnissen der Preis berechnet, den die Kunden für ein Gut eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens zahlen würden. Aus den Ergebnissen werden abschließend Empfehlungen für die Unternehmen abgeleitet.
In Kapitel 4 wird untersucht, ob eventuell auftretende Differenzen, die aus den Ergebnissen des dritten Kapitels hervorgingen, branchenabhängig sind und ob nachhaltig wirtschaftende Unternehmen in unterschiedlichen Branchen auch mit unterschiedlichen Voraussetzungen zu kämpfen haben. Dafür wird zunächst eine Nachhaltigkeitseinordnung der Branchen und Unternehmen durch den Kunden vorgenommen, bevor das Kapitel mit einigen branchen-abhängigen Strategien für Unternehmen schließt.
Im letzten Kapitel werden die zuvor gesammelten Ergebnisse noch einmal zusammengefasst.
1.3 Integration der empirischen Erhebung
Für die Bearbeitung dieser Diplomarbeit wurden zwei unabhängige empirische Untersuchungen durchgeführt.[2] An dieser Stelle soll kurz erklärt werden, zu welchen Themen und aus welchen Gründen auf die erhobenen Daten zurückgegriffen wurde.
Im Rahmen der Voruntersuchung ging es hauptsächlich um begriffliche Abfragen, damit die Nachhaltigkeit aus Kundensicht (Kapitel 2.4.1) möglichst realistisch abgebildet werden konnte. Die am häufigsten genannten Begriffe auf die Frage, was sich der Kunde unter ökologischen und sozialen Aspekten bei einem Produkt vorstellt, konnten so zur Beschreibung der fiktiven Handys und Mikrowellen genutzt werden (Kapitel 3.3.2.1). Die klassischen Produkteigenschaften (hier gleichbedeutend mit der ökonomischen Komponente) wurden ebenfalls vom Kunden bestimmt, indem sie aus einem Eigenschaftspool die wichtigsten bestimmten. Außerdem sollten die Probanden des Vorfragebogens unterschiedliche Branchen und Unternehmen in ihrem Nachhaltigkeitsbezug beurteilen (Kapitel 4.1 und 4.2). Einige Rahmenfragen komplettierten den Fragebogen.
Der zweite Fragebogen griff die im ersten Fragebogen genannten wichtigsten Eigenschaften auf und stellte daraus fiktive Produkte zusammen, die von den Probanden beurteilt werden sollten (Kapitel 3.3.2.3). Anschließend sollten die Probanden verschiedene Unternehmen der Telekommunikations- und Haushaltsgerätebranche bezüglich ihrer Nachhaltigkeit beurteilen (Kapitel 4.1 und 4.2). Außerdem wurde abgefragt, wie sehr die Probanden beim Kauf von Produkten aus unterschiedlichen Branchen auf nachhaltige Aspekte achten (Kapitel 4.1). Drei weitere Fragen zielten auf die Wahrnehmung von nach-haltigen Aspekten (Kapitel 3.6).
Hauptsächlich können also zwei Gründe angeführt werden, die die Durch-führung der Befragung in zwei getrennten Teilen rechtfertigen:
1. Die Ergebnisse des ersten Fragebogens waren zum Teil bestimmend für den zweiten Fragebogen.
2. Eine zu große Masse an bezüglich ihrer Nachhaltigkeitsdimensionen einzuordnende Unternehmen hätte unter Umständen zu erheblichen Müdigkeitseffekten bei den Probanden geführt.
Im Verlauf der Diplomarbeit sollte es dem Leser nun leichter fallen, die Stellen zu erkennen, an denen die empirischen Daten zum Tragen kommen.
2 Nachhaltigkeit
2.1 Literaturverständnis
Seit dem Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro, der größten Gipfelkonferenz des 20. Jahrhunderts, stellt der Begriff des „Sustainable Development“ ein neuartiges Ziel dar, das sich fortan immer stärker in den Köpfen der Menschen verankerte und zu einem grundlegenden Sinneswandel führte. Auslöser dafür war die Erkenntnis, dass eine Gesellschaft und Wirtschaft nicht intakt sein kann, wenn dadurch Armut und Umweltschäden verursacht werden. Der Begriff des „Sustainable Development“ entstand durch die Aussage, dass keine wirtschaftliche Ausbeutung von Human- und Umwelt-ressourcen stattfinden solle. Stattdessen wurde das „Überleiten von einem quantitativen Wachstum auf einen ‚Pfad der dauerhaften Entwicklung’ “[3] gefordert.
Die wörtliche Übersetzung von „sustainable“ erforderte einige Jahre an Zeit und intensiver Diskussion, bis man sich schließlich auf die Begriffe „nachhaltig“ und „zukunftsfähig“ einigte,[4] wobei diese zum einen Teil in Zusammenhang mit der Ressourcenbewirtschaftung zu sehen sind, zum anderen aber auch zur Kennzeichnung eines Gesellschaftssystems (z. B. Region, Staat) verwendet werden. Allein aus dem Begriff „nachhaltig“ lassen sich jedoch keine genaueren Ableitungen machen. Dieser muss deshalb noch weiter spezifiziert werden, damit seine Bedeutung herausgearbeitet werden kann. Die im Brundtland-Bericht[5] vorgeschlagene Definition liefert hier die am weitesten verbreitete und akzeptierte Erklärung für „Nachhaltige Entwicklung“:[6]
„Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“
Aus dieser sehr allgemein gehaltenen Erklärung kann man nun einige Erkenntnisse ableiten. Zunächst ist nicht von der Hand zu weisen, dass in der Definition größten Wert auf die Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse gelegt wird.
Das höchste Ziel einer „Nachhaltigen Entwicklung“ ist es also, den Nutzen für jeden einzelnen Menschen auch zukünftig zu erhalten, ohne ihn in seinen gegenwärtigen Bedürfnissen einzuschränken. In der Literatur wird diese Forderung mit dem Begriff der intergenerativen Gerechtigkeit beschrieben. Unter Bedürfnissen wird hier primär das ökonomische Potenzial jedes einzelnen, der Zustand und die Reichhaltigkeit der Umwelt sowie die soziale Verträglichkeit sowohl im Privaten als auch im Beruf verstanden. Gleichzeitig beinhaltet die Definition eine ethische Forderung nach intragenerativer Gerechtigkeit, also einem gerechten Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Eine weitere wichtige Folgerung, die man aus der Brundtland-Definition für „Nachhaltige Entwicklung“ ziehen kann ist der integrative Aspekt, d.h. dass die verschiedenartigen Bedürfnisse eines Menschen in der Zukunft nur dann befriedigt werden können, wenn ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Bedingungen dieselben bleiben.
Das Hauptziel der „Nachhaltigen Entwicklung“ besteht also darin, die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschen mit einer qualitativ hochwertigen Umwelt und einer gesunden Wirtschaft in Einklang zu bringen.[7] Dieses Ziel lässt sich nicht innerhalb von Ländergrenzen erfüllen. Vielmehr müssen alle Länder der Erde gemeinsam für das Ziel geradestehen.
Die Grundvoraussetzung für dieses „globale Abkommen“ ist aber auch, dass jedes einzelne Land den Anforderungen einer „Nachhaltigen Entwicklung“ gerecht werden muss. So könnte für jede Volkswirtschaft aus der Idee eines „Nachhaltigen Wirtschaftens“ sogar ein Nutzengewinn für alle am Markt Beteiligten entstehen. Hierzu dürfen nicht nur einzelne Anspruchsgruppen in die Verantwortung genommen werden. Der größte vorstellbare Nutzen ergäbe sich stattdessen aus dem Zusammenspiel aller Kräfte.[8] Um dieses Ziel erreichen zu können, also eine Nutzenmaximierung im Gesamten herbeizuführen, müssten alle gesellschaftlichen Akteure, vom Gesetzgeber über die Wissenschaft bis zum Unternehmen und der Bürger, unterschiedlichste Aufgaben und Pflichten erfüllen, damit jeder Einzelne von dem Nutzengewinn profitieren könnte.
2.2 Nachhaltigkeitsdreieck
Gerade Unternehmen kommt eine besondere Rolle zu, da sie zunehmend global agieren, die Produktionstätigkeit von ihnen ausgeht und sie einen großen Einfluss auf Lebensqualitäten und Konsummuster der Menschen haben. Sie nutzen Ressourcen und kontrollieren die Freisetzung von Stoffen und Energien, haben Einfluss auf den Grad der Naturinanspruchnahme und nutzen neben den Ressourcen der Umwelt auch den Menschen als Produktionsfaktor.[9] Folglich müssen gerade Unternehmen unterschiedliche Bedingungen erfüllen, um auf dem Pfad eines langfristigen und nachhaltigen Wachstums zu wandeln.
Die Literatur teilt diese Bedingungen in drei Dimensionen ein, die sich in ökonomische, ökologische und soziale Aspekte unterteilen lassen und durch das Nachhaltigkeitsdreieck in Abbildung 1 repräsentiert werden.[10] Dies sind die Bedingungen für Unternehmen, die erfüllt sein müssen, wenn man sich dem Anspruch der Nachhaltigkeit stellen will. Wichtig an dem Konzept des Nachhaltigkeitsdreiecks ist, dass die einzelnen drei Spitzen nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern dass hier ein Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Seiten stattfindet und sie gemeinsam zum Ziel eines nachhaltigen Unternehmens führen.[11]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das Nachhaltigkeitsdreieck
(Quelle: In Anlehnung an Müller-Christ (2001), S. 555)
Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen müssen sich dem Anspruch stellen, sowohl ökonomische, ökologische als auch soziale Ziele zu optimieren, ohne eines dieser Ziele aus den Augen zu verlieren. Den nachfolgenden Generationen in Deutschland und in der Welt sollte ein intaktes Gefüge, bestehend aus Merkmalen aller drei Dimensionen, hinterlassen werden. Dazu müssen Unternehmen in allen drei Bereichen auf verschiedene Art und Weise verantwortlich handeln:
(1) Ökonomische Verantwortung:
Alle Aktivitäten in nachhaltiger Weise sollten jederzeit garantieren, dass dies zu keinen wirtschaftlichen Nachteilen für das Unternehmen führt.[12] Das Unternehmen sollte also immer konkurrenzfähig sein. Dies ist nur möglich, wenn entsprechende Erfolgspotentiale bestehen und diese erhalten bleiben. Insbesondere sind hier Potentiale anzuführen, die durch ökologische und soziale Maßnahmen zu Kosteneinsparungen führen. Außerdem muss sich im Rahmen der ökonomischen Verantwortung über eine Vielzahl weiterer Aspekte Gedanken gemacht werden: Über Investitionen in Produkte, die ökonomisch, ökologisch und sozial sinnvoll sind, das Führen eines fairen Wettbewerbs, eine angemessene Zahlung von Gehältern und Löhnen und die Förderung von nachhaltigen Innovationen. Die Zahlung von gerechten Gehältern und Löhnen hängt hier sehr eng mit der sozialen Verantwortung zusammen.
(2) Ökologische Verantwortung:
Die ökologische Verantwortung besteht insbesondere in der Ressourcen-schonung und damit der Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, was gleichzeitig zu einer Sicherung der Lebensqualität führt. Außerdem sollte die Umwelt nicht mit schädlichen Stoffen belastet werden, das heißt, dass die Emissionen auf ein verträgliches Maß reduziert werden sollten.[13]
(3) Soziale Verantwortung:
Die soziale Dimension nachhaltigen unternehmerischen Handelns stellen beispielsweise entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen, Mitbestimmungs-rechte und Schulungen der Mitarbeiter, humane Arbeitsplatzbedingungen, Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und der Umgang mit Minder-heiten dar.[14] Auch der Interessenausgleich gegenüber dem ärmeren Teil der Bevölkerung oder Entwicklungs-/Dritte-Welt-Ländern gehört zur sozialen Dimension.
Nachhaltigkeit darf allerdings nicht nur als Zwang für Unternehmen betrachtet werden. Vielmehr gibt es viele gewichtige Gründe, die eine nachhaltige Ausrichtung rechtfertigen:[15]
So können Kosten reduziert und Prozesse optimiert werden, der Wert und die Reputation von Marken gesteigert, neue Geschäftsfelder erschlossen bzw. die vorhandenen erweitert, durch Frühwarnsysteme das Risikomanagement verbessert und unerwünschte Regulierungsmaßnahmen abgewendet werden. Zusätzlich lassen sich qualifizierte Mitarbeiter für ein sozial und ökologisch engagiertes Unternehmen leichter gewinnen.
2.3 Corporate Responsibility
Eine Ausrichtung auf alle drei Ziele ist sehr komplex und nur schwierig zu bewältigen. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren der Begriff der Corporate Responsibility geprägt, der die Grundpfeiler der unternehmerischen Verantwortung beschreibt und die ganze Bandbreite von strafrechtlich sanktionierten Pflichten bis hin zu nicht einforderbaren Sonderleistungen abdeckt. So soll den Unternehmen ein Leitfaden an die Hand gegeben werden, der ihnen mehr Orientierung und Handlungssicherheit verspricht. Corporate Responsibility besteht aus drei Unterpunkten:[16]
- Corporate Governance
- Corporate Social Responsibility (CSR)
- Corporate Citizenship
Während sich das Corporate Governance auf die innere Führung des Unternehmens unter Beachtung zahlreicher gesetzlicher Verpflichtungen bezieht, geht es beim Corporate Citizenship um die freiwillige und eigen-verantwortliche Förderung einer gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeit.
Der für die Nachhaltigkeit spannendste Bereich liegt aber in der Corporate Social Responsibility[17], der Schnittstelle zur Unternehmensumwelt und der Gesellschaft. Also überall dort, wo die Unternehmenstätigkeit ökonomische, ökologische und soziale Folgen hat. Hier werden Unternehmen in die Verantwortung genommen, gewisse ökonomische, ökologische und soziale Standards einzuhalten, obwohl diese nicht gesetzlich niedergeschrieben sind und auch in absehbarer Zeit nicht durchgesetzt werden können.[18]
Ein gewisser unternehmerischer Eigennutzen an einer Orientierung am CSR-Gedanken ist aber sicherlich nicht von der Hand zu weisen und vielleicht sogar erwünscht, um das Nachhaltigkeitsdenken allgemein zu etablieren und in einen Standard zu überführen. Allein mit Umweltschutz- oder Arbeitsschutzberichten ist es in der heutigen Zeit sehr schwierig, sich gegenüber der Konkurrenz abzusetzen. Darum gibt das Instrument der CSR-Berichte den Unternehmen die Möglichkeit, sich in nachhaltiger Weise beim Nachfrager zu positionieren, indem sich hier auch bisher wenig beachtete Größen verbergen. Das Augenmerk liegt dabei zum Beispiel auf der ausführlichen Erläuterung des firmeninternen Humanressourcenmanage-ments, der Anerkennung und Anhörung der Belegschaft und qualitativ hoch-wertigen Schulungen.[19]
Neben der Verantwortlichkeit der Unternehmen in nachhaltigen Fragen ist es für Unternehmen daher auch interessant, eventuelle direkte oder indirekte ökonomische Potenziale aus einem nachhaltigen Handeln zu erforschen. Diese Potenziale erschließen sich für Unternehmen hauptsächlich aus dem Verhalten der Kunden.
2.4 Nachhaltigkeit aus Kundensicht
2.4.1 Studienergebnisse und Literaturvergleich
Um die Kundensicht möglichst realistisch abbilden zu können, wurde eine Erhebung unter 68 Personen durchgeführt.
Zu Beginn der Befragung wurde erhoben, ob Nachhaltigkeit den Menschen ein Begriff ist. Zwei Drittel beantworteten diese Frage mit „ja“, elf Auskunfts-personen konnten dagegen Nachhaltigkeit begrifflich nicht einordnen. Die restlichen Personen waren sich in ihrer Aussage nicht sicher. Dies zeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung schon einmal mit der Problematik der Nachhaltigkeit konfrontiert wurde.
Die Probanden, die diese Frage bejahten, wurden im Folgenden explizit nach ihrer eigenen Definition für Nachhaltigkeit befragt. Interessant dabei ist, dass nur etwa ein Drittel der Antworten auf die reine Übersetzung von Nachhaltigkeit abzielte. Auffällige Häufigkeiten ergaben sich bei den Nennungen „auf Dauer“, „langfristige Sicht“ und „bleibend“, die allesamt Nachhaltigkeit sehr gut beschreiben und die auch in der Literatur so vorzufinden sind. Zwei Drittel der Befragten sahen Nachhaltigkeit bereits in einem detaillierteren Kontext und lieferten zum Teil exakte Erklärungen für den Begriff der „Nachhaltigen Entwicklung“, der hier eigentlich gar nicht abgefragt wurde, da es nur um den Begriff „Nachhaltigkeit“ an sich ging.
So wurde vor allem auf die Notwendigkeit eines verantwortungsvolleren Umgangs mit den natürlichen Ressourcen hingewiesen. Verantwortung in dem Sinne, dass den nachfolgenden Generationen durch unser heutiges Nutzungsverhalten kein Nachteil entsteht. Das heißt, die Möglichkeiten, die uns in der heutigen Zeit zur Verfügung stehen, sollen nicht auf Kosten der Zukunft ausgenutzt werden, sondern auch unseren Kindern in gleichem Maß zur Verfügung stehen. Die Berücksichtigung der intergenerativen Gerechtigkeit spielt also in den Köpfen der Bevölkerung eine übergeordnete Rolle. Einige Probanden verwiesen auch auf das optimale Zusammenspiel der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Allgemein kann man sagen, dass diejenigen, die den Begriff der Nachhaltigkeit schon einmal gehört haben, diesen auch akzeptabel erklären können. 48 von 50 Definitionen haben beinahe Lehrbuchcharakter.
Die hohe Kenntnis der nachhaltigen Problemstellung lässt sich vor allem aus dem gestiegenen Problembewusstsein und Interesse an ökologischen sowie sozialen Aspekten begründen.
Eine vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und dem Umweltbundesamt (UBA) alle zwei Jahre durchgeführte Umfrage zum Umweltbewusstsein in der Bevölkerung zeigt in der aktuellen Version des Jahres 2006, dass nicht nur dem Umweltschutz ein höheres Maß an Bedeutung zukommt, sondern dass auch soziale Aspekte und Gerechtigkeitsfragen gegenüber 2004 einige Prozentpunkte gutmachten.[20] Gegenüber 2004 haben im Jahr 2006 diese beiden Problemfelder die „Wirtschaftslage in Deutschland“ überholt und liegen hinter der „Arbeitsmarkt-problematik“ auf den Plätzen 2 und 3 in der Top Ten der am häufigsten genannten Probleme in Deutschland. Abbildung 2 ist die Problemverteilung und –veränderung zwischen den Jahren 2004 und 2006 zu entnehmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die wichtigsten Probleme in Deutschland
(Quelle: BMU/UBA (2006), S. 14)
Auch die nachfolgenden Fragen bezüglich der Meinungen über nachhaltige Aspekte zeigt eine deutliche Steigerung des Problembewusstseins. So war innerhalb der Umweltbewusstseins-Studie die breite Mehrheit der Ansicht, dass[21]
- es Gerechtigkeit zwischen den Generationen geben sollte,
- die Umwelt nicht auf Kosten der nachkommenden Generationen ausgeplündert werden sollte,
- es fairen Handel zwischen den reichen Ländern dieser Erde und den Entwicklungsländern geben sollte,
- nicht mehr Ressourcen verbraucht werden sollten als nachwachsen können und
- die Bürger durch das eigene Kaufverhalten wesentlich zum Umweltschutz beitragen könnten.
Allein die letzte Aussage in Kombination mit dem gestiegenen Problembewusstsein ökologischer und sozialer Aspekte und der zunehmend offensiveren Berichterstattung seitens der Presse müsste die Unternehmen nachdenklich stimmen. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise ist damit so ausgeprägt wie nie zuvor. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den Ängsten der Bevölkerung, die ebenfalls in der Umweltbewusstseins-Studie von 2006 ermittelt wurden. So befürchtet ein Großteil der Bevölkerung, dass der Unterschied zwischen armen und reichen Ländern weiter zunehmen wird, die globale Umweltverschmutzung steigt und es sogar zu kriegerischen Auseinander-setzungen um Rohstoffe kommen wird.[22]
Um in einem nächsten Schritt genauer auf die einzelnen Nachhaltigkeits-dimensionen eingehen zu können, wurden die Probanden im Rahmen des Vorfragebogens mit folgender Definition von nachhaltiger Entwicklung kon-frontiert:
„Ein Unternehmen wirtschaftet dann nachhaltig, wenn es sowohl auf ökologische und soziale Aspekte Rücksicht nimmt, unter der Voraussetzung, dass es auch wirtschaftlich sinnvoll ist.“
Während von Unternehmen weitgehend Zielgrößengleichheit, bestehend aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen, verlangt wird, ist nicht klar, ob aus Kundensicht ebenfalls Zielgrößengleichheit existieren sollte. Sinnvoll und damit realistisch wäre eine einheitliche Zielgrößenausrichtung innerhalb eines Unternehmens nur dann, wenn auch die Kunden die drei Ziele in ähnlicher Weise bewerten würden. Deshalb wurden im Folgenden die Wichtigkeiten der einzelnen Dimensionen mithilfe einer Skala von 1-6 direkt abgefragt, wobei eine 1 synonym für „gar nicht wichtig“ und eine 6 für „sehr wichtig“ stand. Abbildung 3 zeigt die ermittelten Durchschnittswerte der drei Nachhaltigkeitsdimensionen. Je höher der Durchschnittswert über alle Probanden je Dimension ist, desto wichtiger wurde sie von der Bevölkerung befunden. Demnach achten Kunden beim Produktkauf primär auf ökonomische Aspekte (Ø-Wert: 4,43). Auch ökologische Aspekte (Ø-Wert: 3,75) sind ihnen wichtig. Die Wichtigkeit sozialer Aspekte (Ø-Wert: 3,36) wurde dagegen nur mittelmäßig bewertet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Wichtigkeit der einzelnen Nachhaltigkeitsdimensionen aus Kundensicht (Quelle: Eigene Darstellung)
Allerdings ist zu beachten, dass die Spanne der Mittelwerte über alle 68 Probanden nicht sehr groß ist, die Werte also nicht weit auseinander liegen und daher eventuellen Verbalisierungen der Wichtigkeitswerte keine allzu große Bedeutung geschenkt werden darf. Setzt man die Werte ins Verhältnis, ergibt sich folgende Wichtigkeitsverteilung der drei Dimensionen: Ökonomische Aspekte stellen mit 38% den größten Wichtigkeitsanteil an einem Produkt, gefolgt von den ökologischen Aspekten mit 33% und schließlich den sozialen Aspekten mit 29%.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Wichtigste Eigenschaften der Nachhaltigkeitsdimensionen aus Kundensicht (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine weitere Aufgabe des Vorfragebogens bestand darin, anzugeben, was die Probanden sich unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten beim Kauf eines Produkts vorstellen. Tabelle 1 zeigt die aus Kundensicht wichtigsten Eigenschaften aller drei Dimensionen (häufigste Nennungen). Die Zusammenstellung der ökologischen und sozialen Bestandteile der fiktiven Produkte in Kapitel 3 wird sich auf diese Ergebnisse stützen. Die ebenfalls dort benötigten ökonomischen Eigenschaften werden produktspezifisch ermittelt und zu einem späteren Zeitpunkt beschrieben.
Die Nennung der verschiedenen Eigenschaften aller drei Dimensionen zeigt, dass die Menschen Produkte in all ihren Auswirkungen und Aspekten sehr gut beurteilen können.
Die wichtigste Aussage, die mithilfe der Ergebnisse dieses Kapitels getroffen werden kann ist die, dass alle drei Dimensionen beinahe in der gleichen Liga spielen und es keine extremen Ausreißer nach unten oder oben gibt. Ökologische und auch soziale Aspekte scheinen also beim Produktkauf keine untergeordnete Rolle zu spielen. Auch das gestiegene Problembewusstsein in der Bevölkerung trägt dazu bei, dass Nachhaltigkeit als bedeutend eingestuft werden kann.
2.4.2 Nachhaltigkeitsbarrieren
Trotz einer wachsenden Aufmerksamkeit und des steigenden Interesses bezüglich der Nachhaltigkeitsaspekte haben Produkte nachhaltig wirt-schaftender Unternehmen mit einigen Problemen auf dem Markt zu kämpfen. Immer wieder ist in der Literatur von der „Kluft zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten“[23] die Rede. Im Rahmen dieser Diplomarbeit erfährt die Problematik eine Erweiterung. Hier geht es nicht nur um Umweltspezifika, sondern um die Diskrepanz, die daraus entsteht, dass die Probanden zwar angeben, beim Produktkauf neben dem Preis und anderen klassischen ökonomischen Produkteigenschaften auch ökologische und soziale Aspekte mit einzubeziehen, beim Kauf dann aber wenig nachhaltig agieren.
Müller-Christ führt einige Gründe auf, weshalb Kunden vor dem Kauf eines umweltfreundlichen Produktes zurückschrecken könnten. Diese werden nun nacheinander auf ihre Bedeutung in Bezug auf nachhaltige Aspekte beleuchtet:[24]
Den wohl wichtigsten Punkt stellen Preisvorbehalte dar. Unternehmen müssen für höherwertige Materialien und verbesserte Produktionsverfahren ihre dadurch entstehenden höheren Kosten über höhere Preise an den Kunden weitergeben. Inwieweit die Kunden bereit sind, mehr für nachhaltige Produkte zu bezahlen, wird noch im weiteren Verlauf der Diplomarbeit geklärt.
Ob nachhaltig wirtschaftende Unternehmen mit ihren Produkten die Gewohn-heitsbarrieren der Kunden durchbrechen können, bleibt aber unsicher. Gerade dieser Punkt könnte sich als größte Hürde erweisen. Gewisse Zugänglich-keitsmühen für neuartige Technologien werden immer bestehen.
Die Barrieren „Imagebelastungen“ und „Irrelevanzeindrücke“ spielen zwar immer noch eine nicht zu vernachlässigende Rolle in der Kundenbewertung nachhaltiger Produkte. Durch die aktuellen Entwicklungen und Veränderungs-tendenzen der Werte und Einstellungen in der Bevölkerung dürften diese Hürden aber zusehends kleiner werden. Vor allem kommen Image-belastungen bei Produkten nachhaltig wirtschaftender Unternehmen kaum zum Tragen, da Müller-Christ sie eher im Kontext zu Öko-Produkten sieht und der Begriff „Öko“ für einen Teil der Bevölkerung negativ besetzt ist. Allein der Begriff kann hier abschreckend wirken, obwohl tendenziell Interesse bestünde. Dies ist aber ein gesellschaftliches Problem.
Weitere von Müller-Christ angeführte Barrieren für umweltbewusstes Verhalten sind „Effizienznachteile“, „Ästhetikdefizite“ und „Echtheitszweifel“, die auch auf das nachhaltig orientierte Verhalten angewendet werden können.
Eine weitere wichtige Hürde stellen die „fehlenden Handlungsalternativen“ dar. Wenig umweltfreundliches Verhalten muss also nicht immer auf ein mangelndes Umweltbewusstsein hindeuten. Wenn der Kunde keine andere Wahl hat, wird er zwangsläufig die wenig nachhaltige Lösung wählen müssen. Sobald aber eine attraktivere Version des Produktes im Sinne nachhaltiger Aspekte auf den Markt kommt, wird der nachhaltig denkende Kunde abspringen und dieses wählen.[25]
3 Ermittlung der Preispremien für Nachhaltigkeit
Bereits im Rahmen der Vorerhebung wurde 68 Probanden die Frage gestellt, ob sie für Produkte nachhaltig wirtschaftender Unternehmen mehr bezahlen würden. Rund zwei Drittel der Befragten waren dazu bereit. Das Ergebnis muss aber aus folgenden Gründen hinterfragt werden:
Die Frage, ob der Proband Nachhaltigkeit monetär belohnt, war in ihrer Gestaltung sehr allgemein gefasst. Eine Zahlungsbereitschaft für Nachhaltig-keit kann man aber nicht allgemein bestimmen, da es immer auf die Branche, die Produktgruppe und die Preisklasse ankommt und der Konsument die Frage nach seiner Kaufentscheidung bei einem bestimmten Preis ohne weitere Spezifizierungen nicht beurteilen kann. Vielmehr sollte eine Situation geschaffen werden, die einem realen Kaufprozess entspricht.[26] Das positive Ergebnis liefert in diesem Fall also nicht mehr als eine Tendenz der Handlungsweise des Probanden. An welchem Punkt seine Schmerzgrenze liegt, kann nicht beurteilt werden.
Ebenfalls beachtenswert ist die Tatsache, dass bei einer direkten Befragung die Aufmerksamkeit des Probanden zu stark auf den Preis gelenkt werden könnte und sich dadurch die Preissensibilität bzw. das Preisbewusstsein künstlich erhöhen könnte.[27]
Außerdem ist es möglich, dass die Antwort von den gegebenen Bedingungen der Befragung abhängig gewesen sein könnte. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Proband sich in seiner Antwort nach einem gesellschaftlich erwünschten Verhalten orientiert hätte. Auch wenn die Erhebung anonymisiert durchgeführt wurde, ist ein solches Verhalten nicht unwahrscheinlich.
Auch die direkte Befragung von BMU und UBA zum Umweltbewusstsein der Bevölkerung griff die Frage nach der Zahlungsbereitschaft für Umweltschutz auf, insbesondere für fair gehandelte Produkte aus Entwicklungsländern und Produkte, die weniger umweltbelastend sind. Das Thema Umweltschutz erfuhr somit schon in der Fragestellung einen nachhaltigen Charakter. 69% der Bevölkerung sind laut Ergebnissen der Studie prinzipiell bereit, mehr für fair gehandelte Produkte zu bezahlen, zwei Drittel der Probanden würden höhere Preise für weniger umweltschädliche Produkte bezahlen.[28]
Die Ergebnisse der Umweltbundesamt-Studie und die eigenen erhobenen direkten Zahlungsbereitschaftsdaten für Nachhaltigkeit stützen sich somit gegenseitig (jeweils waren ca. zwei Drittel der Probanden zur Zahlung höherer Preise bereit).
[...]
[1] Vgl. BMU/UBA (2006), S. 10.
[2] Die vollständigen Fragebögen sind im Anhang abgebildet.
[3] Hopfenbeck (1994), S. 41.
[4] Vgl. Baumast/Pape (2003), S. 17.
[5] Der Name Brundtland stammt von der Vorsitzenden der damaligen norwegischen Minister-präsidentin Gro Harlem Brundtland, unter deren Vorsitz das Konzept für ein neues Zeitalter wirtschaftlichen Wachstums erarbeitet wurde.
[6] Hauff (1987), S. 46.
[7] Vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys (2006a).
[8] Vgl. Rauschenberger (2002), S.46.
[9] Vgl. Baumast/Pape (2003), S. 23 ff.
[10] Vgl. z.B. Müller-Christ (2001), S. 555.
[11] Vgl. Hülsmann et al. (2004), S. 223.
[12] Vgl. Rauschenberger (2002), S. 7.
[13] Vgl. Müller-Christ (2001), S. 551 f.
[14] Vgl. Hopfenbeck (1994), S. 41.
[15] Vgl. Leitschuh-Fecht (2005), S. 28.
[16] Vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys (2006b).
[17] Vgl. Hülsmann et al. (2004), S. 226.
[18] Vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys (2006b).
[19] Vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys (2006c).
[20] Vgl. BMU/UBA (2006), S. 14 f.
[21] Vgl. BMU/UBA (2006), S. 17.
[22] Vgl. BMU/UBA (2006), S. 18.
[23] Vgl. Michaelis (1999), S. 159.
[24] Vgl. Müller-Christ (2001), S. 519.
[25] Vgl. Michaelis (1999), S. 160.
[26] Vgl. Kaas (1977), S. 21 f.
[27] Vgl. Balderjahn (2003), S. 392.
[28] Vgl. BMU/UBA (2006), S. 66 f.
- Arbeit zitieren
- Marius Hörrmann (Autor:in), 2007, Preispremium für Nachhaltigkeit - Eine empirische Messung der kundenseitigen Präferenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79234
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