Der Epistemologe Gaston Bachelard (1884 – 1962) arbeitete unter Berücksichtigung der analytischen Psychologie Jungs und Psychoanalyse Freuds, wonach dem Denken eine Struktur eignet, über Fragen der Wissenschaftstheorie sowie der Theorie des künstlerischen, insbesondere dichterischen Schaffens. Im Gegensatz zu Serres’ Anfängen der Wissenschaftsphilosophie kritisiert Bachelard den gesunden Menschenverstand als eigentliche Quelle der Irrtümer in den Wissenschaften. In dialektischer Manier unterscheidet er noch strikt zwischen rational-naturwissenschaftlichem und intuitiv-poetischem Denken. Letzteres sah er durch Traumerinnerung, Metaphern und Symbole geprägt. Als ehemaliger Postangestellter und Autodidakt war er ein echter Außenseiter der französischen akademischen Szene. Foucault zufolge wurde die wunderliche Macht der dynamischen Einbildungskraft in den exakten Wissenschaften niemals besser beschrieben als in Bachelards Analyse der Wassertraumbilder. Bachelards Geistesgeschichte der Episteme rekonstruiert peinlich genau die sich verändernden Glaubensbekenntnisse und diskursiven Praktiken der positiven Wissenschaften. (Vgl. Miller 1995, 86f, 133.)
Jede gedachte Grenze des Begriffs wird selbst zum momentanen Aufenthaltsort des Denkens im Netz einander abhängiger Begriffe. Wenn sich danach mögliche absente Begrenzungen im Denken eher in Aussagen eines Programms oder einer Methode ausdrücken lassen, dann fallen die von Bachelard genannten schlecht formulierten Probleme zusammen mit den von Derrida genannten zentralen Präsentationen innerhalb philosophischer Diskurse. Er kommt zu einem ähnlichen Schluß der Perforierung und Überschneidung von Begrenzungen wissenschaftlicher Diskursfelder im Raum der Verknappung poetischer Imagination. Sie vermag simultan, das relative Außen des Diskurses in Falten zu legen und zu entfalten: „Es müssen überall die anfänglichen Begrenzungen zersetzt werden, es muß die nicht-wissenschaftliche Erkenntnis reformiert werden, […] die A priori des Denkens sind nicht definitiv.“ (Bachelard 1974, 26.)
Inhaltsverzeichnis
- Bachelards poetischer Raum der Episteme
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- Die Dynamische Einbildungskraft
- Der Epistemologische Bruch
- Wissensformationen
- Die Macht der Poesie
- Die Metapher des Hauses
- Die Muschel des Anbeginns
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Werk des französischen Epistemologen Gaston Bachelard und seiner Analyse der poetischen Imagination im Kontext wissenschaftlicher Diskurse.
- Bachelards Kritik am gesunden Menschenverstand als Quelle wissenschaftlicher Irrtümer
- Die Unterscheidung zwischen rational-naturwissenschaftlichem und intuitiv-poetischem Denken
- Der Begriff des epistemologischen Bruchs und seine Bedeutung für die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnis
- Die Rolle der poetischen Imagination als Gegenpol und zugleich Dispositiv wissenschaftlicher Diskurse
- Die Analyse der Metaphern des Hauses und der Muschel als zentrale Elemente von Bachelards Poetik des Raumes
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel untersucht Bachelards Kritik am gesunden Menschenverstand und seine Unterscheidung zwischen rationalem und poetischem Denken. Es werden die zentralen Elemente von Bachelards Epistemologie, wie der epistemologische Bruch und die Wissensformationen, vorgestellt.
- Das zweite Kapitel beleuchtet die Rolle der poetischen Imagination in Bachelards Denken. Hier werden die Verbindungen zwischen Poesie, Wissenschaft und Philosophie erörtert, sowie Bachelards Kritik an der Reduktion der Poesie auf ein blosses Wortspiel.
- Das dritte Kapitel widmet sich der Metapher des Hauses als Integrationsmacht von Gedanken, Erinnerungen und Träumen. Bachelard analysiert die topologische und psychologische Bedeutung von Dachboden und Keller im Rahmen seiner Poetik des Raumes.
- Das vierte Kapitel konzentriert sich auf die Metapher der Muschel als zentralen Ort der poetischen Imagination. Bachelard sieht in der Muschel ein Symbol des "zentralen Keims der Mannigfaltigkeit", das das Geheimnis des Gestaltungsprozesses und die ontologische Gabe der Selbstähnlichkeit verkörpert.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Gaston Bachelard, poetische Imagination, epistemologischer Bruch, Wissensformationen, poetischer Raum, Metapher, Haus, Muschel, Dachboden, Keller, Diskurs, Wissenschaft, Philosophie, Poesie, ontologische Gabe, Selbstähnlichkeit.
- Quote paper
- Dr. des. Robert Dennhardt (Author), 2003, Bachelards poetischer Raum der Episteme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79020