Wilhelm von Humboldt wird heute als der große Universitätsreformer des 19. Jahrhunderts gesehen. Seine Ideen halfen der Deutschen Universität aus der Kriese des 18. Jahrhunderts und gaben der Universität ihre neue Form, ihre neue Grundidee, die sie bis heute, zumindest in der Theorie, bewahrt hat. Dabei wären Humboldts vielgerühmte Veränderungen nicht möglich gewesen ohne verschiedene programmatische Grundschriften. Insofern ist es ungerechtfertigt, die Verdienste um die Universitätsreform alleine Humboldt zuzuschreiben.
Doch den wohl ausführlichsten Universitätsplan hat der Philosoph Johann Gottlieb Fichte mit seinem Werk "Deduzierter Plan einer in Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt"1 vorgelegt, während Humboldts eigene programmatische Schrift "Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin"2 nur wenige Seiten umfaßte.
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Universitätskonzept von Johann Gottlieb Fichte und seiner Rezeption durch Humboldt und somit seiner Realisierung bei der Entstehung der Berliner Universität sowie in geringerem Umfang mit seiner Auswirkung auf die heutige Universität.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Überblick über die Vorgeschichte zu Fichtes "Deduziertem Plan"
2. der Inhalt von Fichtes "Deduziertem Plan" und seine Ausführung
2.1. Die Grundidee der höheren Bildungsanstalt
2.2. Lehrmethoden und Lehrstoff
2.3. Formen der Lehre und Professoren
2.4. Die Studenten
2.5. Die Finanzierung
3. Gegensätze und Gemeinsamkeiten - Fichte, Humboldt und Schleiermacher
4. Die Rezeption von Fichtes "Deduziertem Plan" durch Humboldt und ihre Hintergründe
Schluss
Biographie
Quellen
Literatur
Einleitung
Wilhelm von Humboldt wird heute als der große Universitätsreformer des 19. Jahrhunderts gesehen. Seine Ideen halfen der Deutschen Universität aus der Krise des 18. Jahrhunderts und gaben der Universität ihre neue Form, ihre neue Grundidee, die sie bis heute, zumindest in der Theorie, bewahrt hat. Dabei wären Humboldts vielgerühmte Veränderungen nicht möglich gewesen ohne verschiedene programmatische Grundschriften. Insofern ist es ungerechtfertigt, die Verdienste um die Universitätsreform alleine Humboldt zuzuschreiben.
Den wohl ausführlichsten Universitätsplan hat der Philosoph Johann Gottlieb Fichte mit seinem Werk "Deduzierter Plan einer in Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt"[1] vorgelegt, während Humboldts eigene programmatische Schrift "über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin"[2] nur wenige Seiten umfasste.
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Universitätskonzept von Johann Gottlieb Fichte und seiner Rezeption durch Humboldt und somit seiner Realisierung bei der Entstehung der Berliner Universität sowie in geringerem Umfang mit seiner Auswirkung auf die heutige Universität.
Zu untersuchen bleibt also folgende Frage: Welche Ideen Fichtes hat Humboldt für seinen Universitätsplan aufgegriffen und in welchem Umfang hat er Fichtes Gedanken realisiert? Hat Humboldt andere Ideen denen Fichtes vorgezogen? Darüber hinaus ist zu klären, ob und auf welche andere Weise Fichte Eingang in das Deutsche Universitätssystem gefunden hat.
Das erste Kapitel behandelt die Biographie Fichtes, soweit sie für die Entstehungsgeschichte des "Deduzierten Planes[3] " notwendig ist. Hierbei war die Fichtebiographie von Rohs[4] eine große Hilfe.
Das folgende Kapitel zwei, unterteilt in fünf Unterkapitel, beschäftigt sich mit dem Inhalt von Fichtes Werk sowie seiner direkten Rezeption durch Humboldt, durch die Einrichtungskommission oder durch das preußischen Universitätsgesetz von 1860[5]. Die im Folgenden genannten Punkte folgen jedoch nicht exakt Fichtes Aufbau.
Der Philosoph hatte seine Schrift in drei Abschnitte unterteilt:
Erster Abschnitt: Begriff einer durch die Zeitbedürfnisse geforderten höheren Lehranstalt überhaupt.
Zweiter Abschnitt: Wie unter den gegebenen Bedingungen der Zeit und des Ortes der aufgegebene Begriff realisiert werden könne.
Dritter Abschnitt: Von den Mitteln, durch welche unsere wissenschaftliche Anstalt auf ein wissenschaftliches Universum Einfluss gewinnen solle[6].
Da Fichtes Werk jedoch sehr viele Sprünge und Wiederholungen aufweist, habe ich die einzelnen Themen, um eine bessere Übersicht zu erreichen, neu angeordnet und auf fünf Kapitel, die sich mit der Grundidee der höheren Bildungsanstalt, den Lehrmethoden und dem Lehrstoff, den Formen der Lehre und den Professoren, den Studenten sowie der Finanzierung beschäftigen, aufgeteilt.
Das vierte Kapitel vergleicht schließlich die Ideen Schleiermachers direkt mit den Ausführungen Fichtes und behandelt, welche Ideen Schleiermachers Humboldt im Einzelnen rezipiert hat. Da einige wissenschaftlichen Abhandlungen bemerkt, dass Humboldt sich bei seinen Universitätsplänen vor allem auf Schleiermachers Gedanken stützte, soll untersucht werden ob diese These haltbar ist.
Im letzten Kapitel möchte ich Aufschlüsse über die Entstehungsgeschichte des zu behandelnden Werkes und seine Weiterverwendung durch Humboldt geben. Dabei soll besonderes Gewicht gelegt werden auf die äußeren Umstände, die auf die Rezeption des Werkes einwirkten, wie etwa die Ablösung des Kabinettsrates von Beyme durch Humboldt oder die personelle Bestückung seiner Einrichtungskommission. Es soll die Einwirkung dieser Umstände auf die Rezeption von Fichtes Werk erklärt werden.
Für alle Ausführungen, die die Rezeption von Fichtes Werk durch Humboldt betreffen, waren die Darstellungen von Lenz[7], Kessel[8] Gebhardt[9] und Spranger[10] eine große Hilfe. Eher eine gegensätzliche Meinung vertritt Mittelstraß[11].
1. Überblick über die Vorgeschichte zu Fichtes "Deduziertem Plan"
Bereits seit 1800 lehrte Fichte Philosophie in Berlin. Er hielt dazu private Vorlesungen teilweise im eigenen Haus ab. Seine schriftstellerische Tätigkeit verstummte in dieser Zeit völlig[12].
Fichte, der ursprünglich Theologie studiert hatte, ohne jedoch je seinen Abschluss gemacht zu haben, war über das Studium Kants zur Philosophie gekommen. Sein erstes Werk "Versuch einer Kritik aller Offenbarung", das Fichte 1792 zunächst anonym veröffentlicht hatte, hielten einige für die Religionsphilosophie von Kant. Als der Irrtum aufgeklärt wurde, war Fichte mit einem Schlag berühmt[13].
1794 war er als Professor für Philosophie nach Jena berufen worden, man sah in ihm den geeigneten Mann, um den Studenten die Kantsche Philosophie nahe zu bringen. Da er nie einen Abschluss gemacht hatte, musste er am ersten Vorlesungstag noch schnell zum Magister ernannt werden. Seine Vorlesungen waren sehr erfolgreich bei den Studenten, vor allem weil er, statt das Buch eines anerkannten Autors vorzutragen, eigene Theorien wiedergab[14]. Hierin nimmt er bereits seine Ideen, die traditionelle Vorlesung beizubehalten, sie jedoch lebhafter zu gestalten, die er später im "Deduzierten Plan" ausführen sollte, vorweg, indem er selbst gleich ein praktisches Beispiel gibt.
Im gleichen Jahr, 1794, folgten weitere Veröffentlichungen wie "Über den Begriff der Wissenschaftslehre" und "Die Bestimmung des Gelehrten", in denen sich Fichte zum ersten Mal in der hier behandelten Thematik auseinandersetzte[15]. Er tat das jedoch auf eine sehr theoretisch-philosophische Weise, die weit weniger als der "Deduzierte Plan" dazu geeignet ist, ein klares Bild vom Aussehen einer zukünftigen Universität zu geben. Vielmehr waren solche Schriften Fragmente, die später direkt oder indirekt in den "Deduzierten Plan" einflossen.
Der Aufsatz "Über den Grund unseres Glaubens an eine Göttliche Weltregierung", in dem Fichte unter anderem den Gedanken an Gott als Schöpfer und Ordner der Welt als totalen Unsinn bezeichnete, löste den Atheismusstreit aus[16], weswegen er schließlich in Jena als Professor entlassen wurde. Damit endete 1799 wichtigste und fruchtbarste Periode in Fichtes Laufbahn[17].
Erst im Sommersemester 1805 lehrte Fichte wieder an einer Universität, diesmal in Erlangen, das mit dem preußischen Staat jetzt verbunden war. Fichte las allerdings nur im Sommer, um im Winter wieder bei seiner Familie in Berlin sein zu können[18].
Hier entwickelte Fichte auch im Winter 1805/06 ein auf seiner Wissenschaftslehre basierendes Universitätskonzept, "Ideen für die innere Organisation der Universität Erlangen", das unter anderem eine inhaltliche Gliederung der Einzelwissenschaften beinhaltete[19].
Damit weckte er das Interesse des Kabinettsrats des Königs, Karl Friedrich von Beyme. Der "Deduzierte Plan" ist lediglich die genaue und modifizierte Ausarbeitung dieses Erlanger Universitätsplanes[20].
Als 1806 Napoleon nach dem Sieg bei Jena und Auerstedt Berlin besetzte, floh Fichte nach Königsberg, wo er Vorlesungen über die Wissenschaftslehre hielt. Dann sah es so aus, als würden die französischen Truppen auch dorthin kommen und Fichte ging 1807 nach Kopenhagen. Noch im gleichen Jahr kehrte er nach dem Tilsiter Frieden nach Berlin zurück, weil seine Familie dort geblieben war[21].
1807/08 hielt er die Vorträge, die nach ihrer Publikation als "Reden an die Deutsche Nation" nicht unbeachtet bleiben sollten[22].
Auch hierin findet sich ein Aspekt, der die Universität betrifft: Fichte sieht die Nationalerziehung als Heilmittel für die kranke Menschheit, die erstrebte Neuordnung der Dinge müsse bei der Erziehung beginnen[23]. Daher erklärt sich seine Idee eines auf die gesamte Nation wirkenden Staatsinstitutes, die unten noch weiter ausgeführt werden soll.
Die preußische Regierung begann nach dem Verlust der Universität Halle mit der Planung einer neuen Universität in Berlin. Kabinettsrat von Beyme erinnerte sich an den Erlanger Universitätsplan und bat Fichte um seine Mitwirkung. Es entstand die Schrift "Deduzierter Plan einer in Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt", die Fichte am 29.09 und 3.10 1807[24] der preußischen Regierung vorlegte[25].
[...]
[1] Johann Gottlieb Fichte, Deduzierter Plan einer in Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, in: Ernst Anrich (Hg.) Die Idee der Deutschen Universität. Die fünf Grundschriften aus der Zeit ihrer Neubegründung durch klassischen Idealismus und romantischen Realismus, Darmstadt 1956, 125-217. Im folgenden zitiert als: Fichte, Deduzierter Plan.
[2] Wilhelm von Humboldt, Über die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin, in: Ernst Anrich (Hg.) Die Idee der Deutschen Universität. Die fünf Grundschriften aus der Zeit ihrer Neubegründung durch klassischen Idealismus und romantischen Realismus, Darmstadt 1956, 375-386.
[3] Fichte, Deduzierter Plan.
[4] Peter Rohs, Johann Gottlieb Fichte, München 1991. Im Folgenden zitiert als: Rohs, Fichte.
[5] Das Universitätsgesetz findet sich abgedruckt bei: Thomas Ellwein, Die deutsche Universität, Frankfurt am Main, 1992. Im Folgenden zitiert als Ellwein, Universität, 145-149.
[6] Fichte, Deduzierter Plan.
[7] Max Lenz, Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Halle, 1910. Im Folgenden zitiert als Lenz, Geschichte.
[8] Eberhard Kessel, Wilhelm von Humboldt. Idee und Wirklichkeit, Stuttgart 1967. Im Folgenden zitiert als Kessel, Humboldt.
[9] Bruno Gebhardt, Wilhelm von Humboldt als Staatsmann, Band 1, Stuttgart 1896. Im Folgenden zitiert als Gebhardt, Humboldt.
[10] Eduard Spranger, Gedenkrede zur 150-Jahrfeier der Gründung der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, Tübingen 1960. Im Folgenden zitiert als: Spranger, Gedenkrede, u. Eduard Spranger, Einleitung, in: Eduard Spranger (Hg.), Fichte, Schleiermacher, Steffens über das Wesen der Universität, Leipzig 1910, 7-41. Im Folgenden zitiert als Spranger, Fichte.
[11] Jürgen Mittelstraß, Forschung und Lehre. Das Ideal Humboldts heute, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung das Parlament, hg. v. der Bundeszentrale für politische Bildung, Nr. 15/98, Bonn 1998, 3-11. Im Folgenden zitiert als: Mittelstraß, Forschung.
[12] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 14f.
[13] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 9-13.
[14] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 13f.
[15] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 38-85.
[16] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 111-120.
[17] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 14.
[18] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 16.
[19] Fichte, Nachgelassene Schriften, 359-380.
[20] Vgl. dazu Kessel, Humboldt, 203-206.
[21] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 16-18.
[22] Vgl. dazu Rohs, Fichte, 18.
[23] Johann Gottlieb Fichte, Reden an die deutsche Nation, hg. v. Rudolf Eucken, Leipzig 1917.
[24] Betreffs dieser Daten finden sich Widersprüche in der Literatur. Ich habe hier die Angaben Sprangers übernommen (vgl. Dazu Spranger, Fichte, Schleiermacher, 24), da die Angaben Anrichs 29.11. und 3.10. einen Druckfehler aufweisen.
[25] Vgl. dazu Kessel, 205f.
- Arbeit zitieren
- Magistra Artium Simone Janson (Autor:in), 1999, Universitätskonzepte des Deutschen Idealismus - Johann Gottlieb Fichtes "Deduzierter Plan einer in Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt" und seine Realisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78934
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