Diese Arbeit analysiert die filmischen Mittel, mit denen Werner Herzog den Kolonialismus inszeniert hat. Es wird aufgezeigt, was Don Lope de Aguirre vom Stereotyp des Konquistadoren unterscheidet. Ein weiterer Punkt wird die Frage nach der Darstellung des Dschungels sein und inwieweit die Landschaft selbst als Handlung fungiert. Wenn man den Film zum ersten Mal sieht, so wird schnell deutlich, dass es sich nicht „nur“ um einen Abenteuerfilm handelt der vage historischen Begebenheiten aufnimmt und diese abstrahiert. Es wird versucht aufzuzeigen, was Werner Herzogs Film sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Sicht von einem Abenteuerfilm unterscheidet. Wobei die Frage gestellt wird um welches Genre es sich eigentlich handelt. Schließlich betrachten wir ein wiederkehrendes Motiv in den Filmen Werner Herzogs: das Motiv des Kreise, welches in diesem Film eine ganz besondere Stellung einnimmt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Werkbeschreibung
Formale Analyse hinsichtlich des Kolonialismusaspektes
Die Funktion des „Motiv des Kreises“ in Aguirre – der Zorn Gottes
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Abbildungen
Einleitung
Diese Hausarbeit analysiert die filmischen Mittel, mit denen Werner Herzog den Kolonialismus inszeniert hat. Es wird aufgezeigt, was Don Lope de Aguirre vom Stereotyp des Konquistadoren unterscheidet. Ein weiterer Punkt wird die Frage nach der Darstellung des Dschungels sein und inwieweit die Landschaft selbst als Handlung fungiert. Wenn man den Film zum ersten Mal sieht, so wird schnell deutlich, dass es sich nicht „nur“ um einen Abenteuerfilm handelt der vage historischen Begebenheiten aufnimmt und diese abstrahiert. Es wird versucht aufzuzeigen, was Werner Herzogs Film sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Sicht von einem Abenteuerfilm unterscheidet. Wobei die Frage gestellt wird um welches Genre es sich eigentlich handelt. Schließlich betrachten wir ein wiederkehrendes Motiv in den Filmen Werner Herzogs: das Motiv des Kreise, welches in diesem Film eine ganz besondere Stellung einnimmt. Begonnen wird mit einer kurzen Werkbeschreibung. Zur Untersuchung der zuvor aufgeworfenen Fragen wird auf prägnante Szenen formal als auch inhaltlich genauer eingegangen. Abschließend wird das Werk in einen zeitlichen und inhaltlichen Kontext zum neuen deutschen Film gesetzt.
Werkbeschreibung
Der Film „Aguirre – Der Zorn Gottes“ wurde vom 7. Januar bis zum 28. Februar 1971 am oberen Amazonas in Peru gedreht. Werner Herzog führte Regie und schrieb auch das Drehbuch. Uraufgeführt ist der Film im Jahre 1972. Gedreht wurde der Film auf Englisch und erst später wurde er Deutsch synchronisiert. Die Drehbedingungen waren äußerst schwierig aufgrund des unzugänglichen Drehortes, des sehr großen Teams, (es waren 510 Darsteller, davon 450 indianische Statisten), des viel zu geringen Budgets (370.000 Dollar) und wegen des sehr schwierigen Klaus Kinski, der die Rolle des „Don Lope de Aguirre“ innehatte. Werner Herzogs war zu Drehbeginn 28 Jahre und es war sein elfter Film. Chefkameramann war Thomas Mauch, der schon mit Herzog bei den Filmen: „Letzte Worte“ (1968), „Lebenszeichen“ (1986), „Die fliegenden Ärzte von Ostafrika“ (1969) und „Auch Zwerge haben klein angefangen“ (1970) zusammengearbeitet hat. Die Musik für den Film stammt aus der Feder von Florian Fricke und seiner Band „Popol Vuh“. Gefilmt wurde auf 35mm Farbfilm, der erst nach den Dreharbeiten gesichtet werden konnte. Der Film wurde chronologisch gedreht und die meisten Einstellungen wurden im „One-Take“ Verfahren produziert. Werner Herzog bezeichnetet in einem Gespräch mit Günther Pflaum und Wolfgang Ruf den Film wie folgt: „Das Ganze ist ein Film über ein groß angelegtes Scheitern, da wird dann der Untergang dieser Truppen fast methodisch vollzogen.“[1]
Betrachtet wird kurz der Gang der Handlung, um dann mit einer formalen Analyse markanter Szenen fortzufahren.
Der Film zeigt den Versuch der spanischen Konquistadoren, das sagenumwobene Eldorado, das Land des Goldes zu finden. Sie kommen mit hunderten indianischen Sklaven über eine Passhöhe der Anden, taumelnd von der dünnen Höhenluft, erschöpft durch die Gewaltmärsche und schwach auf Grund der knappen Vorräte. Ihr Anführer Gonzalo Pizzaros beschließt, als die Expedition in den Dschungelsümpfen nicht weiter vorankommt, eine kleine Vorhut auf Flößen den Urubambafluß hinunterzuschicken. Der Anführer der Vorhut ist Don Pedro de Ursúa, der jedoch schon nach wenigen Tagen durch den fanatisch ehrgeizigen Lope de Aguirre gestürzt und in Ketten gelegt wird. Aguirre ernennt einen spanischen Edelmann, der die Expedition begleitet, zum Kaiser von Eldorado. Er macht dies sehr bewusst, um sich selbst zu schützen. Ferner erklärt er, dass das Haus Hapsburg all seine Rechte verloren hat und König Philipp II. als Kaiser abgesetzt ist. Aguirre selbst bezeichnet sich als der „Zorn Gottes“. Ein treuer Gefolgsmann Aguirres ist der Priester Carvajal, der seine Aufgabe der Christianisierung mit aller Gewalt durchsetzt. Die Männer leiden alle an Erschöpfung, es gibt weder Essen, noch findet man Eldorado. Der Strohmann, der von Aguirre als Kaiser eingesetzt wurde, wird ermordet, als dieser ein Pferd von Bord wirft, von dessen Fleisch die Leute tagelang hätten leben können. Die Situation wird immer aussichtsloser, die Expeditionsteilnehmer leiden unter Fieber, sie werden ständig von Indianern attackiert, welche sie aber im Dickicht des Urwaldes nicht sehen. Aguirre wird immer besessener, er bezeichnet sich selbst als „den größten Verräter aller Zeiten“. Zum Schluss als nur noch wenige bei klarem Verstand sind, beschließt er mit seiner Tochter eine Dynastie zu gründen und über ganz Neuspanien zu herrschen. Am Ende ist das Floß mit hunderten von Totenkopfäffchen überfüllt. Aguirre schleppt sich von einer zu anderen Seite, die Kamera kreist um das Floß. Alles scheint still zu stehen. So schließt Werner Herzogs Film.
Formale Analyse hinsichtlich des Kolonialismusaspektes
Die Hauptfragestellung dieser Hausarbeit ist, wie das Motiv des Kolonialismus mit filmischen Mitteln umgesetzt und dargestellt wird. Hinsichtlich dieser Fragestellung wird sich deshalb die formale Analyse nur auf relevante Szenen beschränken. Die formale Analyse orientiert sich methodisch an der „Einführung in die Filmanalyse“ von Werner Faulstich.
Werner Herzog sagte über den Charakter des Aguirre in Bezug auf den Kolonialismus in einem Interview mit Harald Greve und Siegfried Schober: „Er ist nicht wahnsinnig, sondern sein Verhalten war ein Zeitphänomen. Er ist eine Figur, die eigentlich mehr Kolonialist und Imperialist war als es vielleicht Cortez und Pizarro zusammengenommen waren, weil er so ekstatisch übersteigert war. Ein ganz seltsamer Mann, er hat sich, ´Der Zorn Gottes` [genannt] und auch, ´Der große Verräter`“.[2] Behalten wir Herzogs Aussage im Hinterkopf und betrachten die erste Szene: Der Film beginnt mit einer Texttafel, mit weisser Schrift auf rotem Grund. „Nach der Eroberung und Ausplünderung des Inkareiches durch die Spanier, erfanden die Indianer in ihrer Not die Fabel vom Goldland El Dorado, das in den unbegehbaren Sümpfen der Amazonasquellflüsse liegen sollte.“[3] Es ist sehr wichtig, diesen Text zu Beginn des Filmes dem Rezipienten zu zeigen, da es sonst zu dem Missverständnis kommen könnte, dass es sich um „eine Verfilmung eben jener Stereotypen [handeln könnten], die den Reisebericht und die Abenteurerromane des Kolonialismus kennzeichnen“[4] Der eigentliche Film beginnt mit einer Weitaufnahme der vernebelten Bergspitzen. Diese Eröffnungsszene „etabliert Landschaft als handlungstragenden Erzählschauplatz.“[5] Mit dem ersten Bild setzt auch die raumerfüllende Musik von Florian Fricke ein. Sofort wird man in eine starke Atmosphäre hineingezogen. Ein harter Schnitt setzt ein und zeigt uns nun den Abhang eines Berges in der Weitaufnahme. Die Kamera tastet sich am Hang des Berges hinab, während sie in das Geschehen hineinzoomt. Wir erkennen in dem sich auflockernden Nebel einzelne Teilnehmer der Expedition. Nun setzt die Stimme des Erzählers in Person des Priesters Carvajal ein, der uns in das Geschehen einweist. Der Erzähler spricht von „dem gelobten Urwald“, den die Expedition nun zum ersten Mal nach dem Andenabstieg erblickte. Die Kamera fährt weiter den Hang hinab und begleitet die Personen. Man erkennt die Indianer an ihrer Kleidung und die spanischen Konquistadoren in ihren Rüstungen. Die Kameraeinstellung ist jetzt zu einer Halbtotale übergegangen. Es setzt wieder ein harter Umschnitt zu Weitaufnahme ein, die uns ein geteiltes Bild zeigt. Auf der einen Seite der Berghang, an dem sich schemenhaft die Expedition ihren Weg nach unten bahnt, auf der anderen Seite eine undurchsichtige Nebelwand.[6] Die Kamera tastet sich zart am Hang entlang, die Musik von Florian Fricke bleibt stets gleich. Erst jetzt beginnt die Kamera uns die ersten Gesichter zu zeigen, man erkennt die Indios, wie sie die Lasten der Spanier tragen und wie ihre Hände aneinandergekettet sind. Selbst eine Sänfte und Kanonen müssen sie die Steilhänge herunter tragen. Sofort wird dem Zuschauer deutlich welch ein Herrschaftsverhältnis zwischen den Konquistadoren und den Indios besteht. Die Köpfe der Indios hängen erschöpft, resigniert zu Boden, es scheint, sie haben sich in ihr Schicksal gefügt.
Der folgende Auszug, verdeutlicht welchen Stellenwert die indianischen Sklaven bei den Spaniern haben.
„Unsere indianischen Sklaven taugen zu nichts, der Klimawechsel lässt sie sterben wie Fliegen. Die meisten gehen uns am Schnupfen ein, wir haben nicht einmal Zeit ihnen ein christliches Begräbnis zu geben.“ Der Priester Carvajal spricht über die Sklaven als seien sie Nutztiere und so behandeln die spanischen Konquistadoren sie auch.
Schon zu Beginn des Filmes, als noch Don Pedro de Ursúa das Kommando über die Expedition hat, erkennt man, dass Aguirre nicht dem Stereotyp des Kolonialisten entspricht. Betrachten wir dazu eine Szene, in der man Ursúa mit Priester Carvajal im Gespräch sieht. Zuvor wurden die Leichname der Männer entdeckt, die über Nacht mit ihrem Floß im Strudel festsaßen. In der Nacht wurden nur die Salven der Gewehre vernommen. Doch blieb der „Feind“ für die Spanier als auch für den Zuschauer unsichtbar. Die Szene beginnt mit einer Halbtotalen. Wir sehen wie sich der barfüßige Priester Carvajal über die glatten Steine des Flussufers müht. Ursúa folgt ihm und spricht: „Ein Gebet von dir ist nicht genug Bruder Carvajal, ich möchte die Männer rüberschaffen können, für ein festliches Begräbnis.“ Carvajal und Ursúa laufen der Kamera entgegen, sie verharren in einer Nahaufnahme, der Priester hält sich an einem Baumstamm fest und spricht zu Ursúa: “Du hast recht mein Sohn.“ Die beiden Männer gehen weiter, Carvajal verlässt nach rechts das Bild und spricht weiter: „ Ihre Seelen ruhen viel besser in geweihter Erde.“ Auch Ursúa verlässt das Bild, der Priester spricht weiter: „Das ist das Wenigste was wir für die armen Kerle tun können, die so tapfer gestorben sind.“ Mit einer Aufzugsfahrt, begibt sich die Kamera Richtung Erdboden. Man sieht Aguirre wie er hinter den Baumstämmen liegt, auf die sich der Priester gerade noch stützte. Man sieht Aguirre liegend in einer Nahaufnahme, er stützt sich auf seinen Dolch. Seine Augen folgen Ursúa und Carvajal, man sieht dass er nicht einverstanden ist, mit dem was er gerade gehört hat. Die Kamera ist unruhig, sie verbleibt in der Nahaufnahme, doch schwankt sie, wie auch die Wellen des Flusses, die man an der unteren rechten Seite des Bildes sieht. Aguirre dreht sich langsam um und sagt den Namen „Perucho“. Nun geht er wieder in seine Ausgangsposition zurück. Ohne dass die Kamera von der Nahaufnahme abweicht, springt Perucho von oben links ins Bild und beugt sich zu Aguirre herunter. Aguirre spricht zu ihm: „Perucho, glaubst du nicht, die Kanone wird schon ein bisschen rostig.“ Perucho antwortet darauf: „Hm, vielleicht.“ Und verlässt in einem „Singsang“ verbleibend, eilig das Bild. Perucho führt darauf den Auftrag, den er von Aguirre erhalten hat, aus, er sprengt das Floß mit den Leichnamen mit einer gezielten Kanonenladung in die Luft.
[...]
[1] Werner Herzog, im Gespräch mit Günther Pflaum und Wolfgang Ruf, April 1972.
[2] Die Zeit, Samstag/Sonntag, 22./23. April 1972.
[3] Siehe Abbildung 01.
[4] Anette und Peter Horn: Zeitschrift für Germanistik. Beiheft 2, 1999.
[5] Reinhard Middel: Außer Kontrolle / Wut im Film, Hybris, Wahn und entgrenzte Wut, Marburg 2005, S. 184.
[6] Siehe Abbildung 02.
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- Frederic Schäfer (Author), 2007, Das Motiv des Kreises in Werner Herzogs „Aguirre - Der Zorn Gottes“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78875
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